Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.02.2015, Az. 4 StR 328/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 14869

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 328/14

vom
26.
Februar
2015
in der Strafsache
gegen

wegen
sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Beratungs-,

Behandlungs-
oder
Betreuungsverhältnisses u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts, zu Nr.
1b mit dessen Zustimmung, und nach Anhörung des [X.] am 26.
Februar
2015
gemäß §
154 Abs.
2, §
154a Abs.
2, §
349 Abs.
2 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] ([X.]) vom 11.
November 2013 wird
a)
das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fällen
II.
258, 419, 516, 608, 794, 948, 961, 1117, 1160, 1252, 1275 und 1445 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; insoweit trägt die
Staatskasse die Kosten des Verfah-rens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten;
b)
die Verfolgung im Fall
II.
1471 der Urteilsgründe auf den Vorwurf des unerlaubten Besitzes von Schusswaffen in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Munition be-schränkt;
c)
das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Verletzung des höchstpersön-lichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen in 1455
Fäl-len, des sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs-
oder Betreuungsverhältnisses in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen [X.] durch Bildaufnahmen in drei Fällen sowie des unerlaubten Besitzes von Schusswaffen in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Munition schuldig ist.
-
3
-
2.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3.
Der Angeklagte trägt die verbleibenden Kosten des [X.], die insoweit durch das Adhäsionsverfahren entstan-denen besonderen Kosten und die den [X.] sowie den Nebenklägerinnen

mit Ausnahme der Nebenklägerinnen M.

und L.

erwachsenen not-
wendigen Auslagen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch [X.] in 1467
Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines
Beratungs-, Behandlungs-
und Betreuungsverhältnisses in drei Fällen jeweils tateinheitlich zusammentreffend mit einer Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen und wegen unerlaubten Besitzes einer Schusswaffe in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Munition und unerlaub-tem Besitz eines verbotenen Gegenstandes zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihm für die Dauer von vier Jahren verboten, gynäkologische Behandlungen auszuüben. Darüber hinaus hat es eine Einziehungs-
sowie eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Hiergegen richtet sich die auf Verfahrensbeanstandungen und die Sachrüge gestützte Re-vision des Angeklagten.

1
-
4
-
1.
Soweit der Angeklagte in den Fällen
II.
258, 419, 516, 608, 794, 948, 961, 1117, 1160, 1252, 1275 und 1445 der Urteilsgründe wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen zum Nachteil minder-jähriger Patientinnen verurteilt worden ist, stellt der [X.] das Verfahren
auf Antrag des [X.] nach §
154 Abs.
2 StPO aus [X.] Gründen ein, weil nach Aktenlage ohne ergänzende, im Frei-beweisverfahren durchzuführende
(vgl. [X.], Urteil vom 25.
Januar 1994

1
StR
770/93, [X.], 1165)
Ermittlungen
nicht abschließend beurteilt wer-den kann, ob in diesen Fällen wirksame Strafanträge der Erziehungsberechtig-ten gemäß §
77 Abs.
3 StGB vorliegen. Im Fall
II.
1471 der Urteilsgründe nimmt der [X.] mit Zustimmung des [X.] den Vorwurf des
uner-laubten Besitzes eines verbotenen Gegenstandes gemäß §
154a Abs.
2 StPO von der Verfolgung aus.
Die Teileinstellung des Verfahrens und die Verfahrensbeschränkung
hat eine Änderung des Schuldspruchs zur Folge. Die Einzelgeldstrafe im Fall
II.
1471 der Urteilsgründe kann bestehen bleiben, da die [X.] in ihren Erwägungen zur Bemessung der Einzelstrafe allein auf den Besitz der Schusswaffen abgestellt hat. Schließlich wird der [X.] durch den Wegfall der für die eingestellten Taten verhängten Einzelstrafen nicht berührt. Angesichts der Vielzahl der verbleibenden [X.] kann der [X.] ausschließen, dass das [X.] ohne die entfallenden Einzelstra-fen auf eine niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte.
2.
In dem nach der Teileinstellung des Verfahrens und der Verfahrens-beschränkung verbleibenden Umfang ist die Revision unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der [X.] insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§
349 Abs.
2 StPO).
2
3
4
-
5
-
Hinsichtlich der Verurteilungen wegen Verletzung des höchstpersön-lichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen gemäß §
201a Abs.
1 StGB
aF bemerkt der [X.] ergänzend zum Verwerfungsantrag des [X.]:
Nach der Strafnorm des §
201a Abs.
1 StGB
aF (§
201a Abs.
1 Nr.
1 StGB in der Fassung des 49.
Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs

Umsetzung [X.] Vorgaben zum Sexualstrafrecht vom 21.
Januar 2015, BGBl
I, S.
10), welche
dem Schutz des durch das allgemeine Persön-lichkeitsrecht
sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewähr-leisteten höchstpersönlichen Lebensbereichs des Einzelnen vor Eingriffen durch Bildaufnahmen dient (vgl. BT-Drucks.
15/2466, S.
1; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], StGB, 29.
Aufl., §
201a Rn.
2; [X.], StGB, 62.
Aufl., §
201a Rn.
3; [X.] in [X.], StGB, 28.
Aufl., §
201a Rn.
1), macht sich in der Tatbestandsvariante des [X.] strafbar, wer von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders ge-schützten Raum befindet, Bildaufnahmen herstellt und dadurch den höchstper-sönlichen Lebensbereich der Person verletzt. Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen dieser Vorschrift auch Bildaufnahmen unterfallen, die allein aus sich heraus eine Individualisierung der abgebildeten Person nicht ermöglichen (vgl. [X.] in Satzger/Schluckebier/[X.], StGB, 2.
Aufl., §
201a Rn.
5; [X.] in [X.]/[X.], StGB, §
201a Rn.
2; [X.], [X.] 2005, 589, 595; [X.], [X.] 2005, 324, 340; [X.], NJW 2004, 1277, 1278; aA Hoyer in [X.] [Stand: Oktober 2005], §
201a Rn.
12; [X.] in [X.] aaO, Rn.
4), braucht der [X.] nicht zu entscheiden. [X.] erfasst werden jedenfalls solche Bildaufnahmen, die

wie hier vom [X.]
in den der Verurteilung zugrunde liegenden Fällen festgestellt

aufgrund hinreichend vorhandener Identifizierungsmerkmale von den jeweiligen Tatopfern der eige-5
6
-
6
-
nen Person zugeordnet werden können (vgl. [X.] in LK, 12.
Aufl., §
201a Rn.
11; [X.] in NK-StGB, 4.
Aufl., §
201a Rn.
6; [X.] aaO, Rn.
5; auf grundsätzliche Identifizierbarkeit abstellend vgl. [X.]/[X.] aaO, Rn.
4; [X.] in [X.]/[X.], StGB, §
201a Rn.
16.2). Weiter gehende Anforderungen an die Erkennbarkeit der abgebildeten Personen lassen sich bei einer am geschützten Rechtsgut orientierten Auslegung weder aus dem [X.] der Bildaufnahme einer anderen Person noch aus dem tatbe-standlich vorausgesetzten Erfolg einer Verletzung des höchstpersönlichen [X.] ableiten. Da der Rechtsgutsangriff bereits in der Fertigung der Bildaufnahme durch den Täter
liegt, ohne dass es auf eine
mögliche
spätere Weitergabe oder Verbreitung
der Aufnahme
ankommt,
besteht insbesondere kein Grund, den Eintritt des [X.] davon abhängig zu machen, dass die Identifizierung der abgebildeten Person von Dritten anhand auch anderen [X.] Merkmale oder Besonderheiten vorgenommen werden kann (so aber [X.] in [X.], 2.
Aufl., §
201a Rn.
20).
Dass der Angeklagte durch das Anfertigen von Bildaufnahmen während der gynäkologischen Behandlung seiner Tatopfer jeweils deren höchstpersön-lichen Lebensbereich verletzte, hat die [X.] auf der Grundlage der von ihr zu den Inhalten der Bilder und Videosequenzen getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei bejaht.
3.
Hinsichtlich der Nebenklägerinnen M.

und L.

findet eine
Überbürdung
der durch die Revision des Angeklagten entstandenen Nebenkla-geauslagen nicht statt, da auch deren Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist
7
8
-
7
-
(vgl. [X.], Beschlüsse vom 4.
Juli 2013

4
StR
92/13; vom 14.
Januar 1992

4
StR
629/91, [X.]R StPO §
473 Abs.
1 Satz
3 Auslagenerstattung
1).
Sost-Scheible
Cierniak
Franke

Bender
Quentin

Meta

4 StR 328/14

26.02.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.02.2015, Az. 4 StR 328/14 (REWIS RS 2015, 14869)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 14869

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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4 StR 328/14

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