Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.03.2017, Az. 3 ARs 21/16

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 14617

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:070317B3ARS21.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 [X.] 21/16
vom
7.
März 2017
in der Strafsache
gegen

wegen Totschlags
hier:
[X.] des [X.] vom 1.
Juni 2016 -
2 [X.]

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat am 7.
März
2017
gemäß
§
132
Abs.
3 Satz 1 GVG
beschlossen:

Der [X.] stimmt dem im Tenor des [X.]es formu-lierten Rechtssatz unter Aufgabe eigener entgegenstehender Rechtsprechung zu.

Gründe:
1. Der 2.
Strafsenat hat über die Revision eines Angeklagten zu [X.], der wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verur-teilt worden ist. Das [X.] hat sowohl bei der Ablehnung eines minder schweren Falls (§
213 Alternative
2 StGB) als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinne die Tötungsabsicht
des Angeklagten zu seinem Nachteil gewer-tet.
Der 2.
Strafsenat beabsichtigt, die Revision des Angeklagten zu verwer-fen und zu entscheiden:
"Beim vorsätzlichen Tötungsdelikt kann die Feststellung von [X.] zu Lasten des Angeklagten strafschärfend berücksichtigt werden."
Hieran sieht sich der 2.
Strafsenat gehindert durch Rechtsprechung der anderen Strafsenate, darunter
auch Entscheidungen des [X.]s (tragend: [X.] vom 13.
Mai 1981 -
3
StR 126/81, NJW 1981, 2204; vom 15.
Novem-ber 1983 -
3
StR 447/83, [X.] StGB §
212 Nr.
7; vom 29.
August 1984 -
3
StR 353/84, juris Rn.
2; vom 17.
September 1990 -
3
StR 313/90, [X.]R StGB §
46 1
2
3
4
-
3
-
Abs.
3 Tötungsvorsatz
4; nichttragend: Urteil vom 25.
Oktober 1989 -
3
StR 180/89, [X.]R StGB §
212 Abs.
1 Strafzumessung
1; Beschlüsse vom 5.
Okto-ber 1977
-
3
StR 369/77, juris Rn.
6; vom 8.
Februar 1978 -
3
StR 425/77, juris Rn.
3).
2. An der entgegenstehenden
Rechtsprechung hält der [X.] nicht fest.
a) Im Einzelfall kann die Tötungsabsicht taugliches Kriterium für eine Strafschärfung sein.
aa) Die Frage, ob
sich in der Tötungsabsicht ein die Strafhöhe bestim-mender gesteigerter Schuldgehalt spiegelt, kann nur einzelfallbezogen beant-wortet werden. Es ist weder rechtlich geboten noch sachgerecht, die Strafzu-messung
-
jenseits der gesetzlichen Vorgaben -
bis ins Einzelne richterrechtlich "durchzunormieren".
Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der [X.] von der Tat und der Persönlichkeit des [X.] gewonnen hat, die im Einzelfall wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustel-len und gegeneinander abzuwägen. Das Revisionsgericht darf die Würdigung nicht selbst vornehmen, sondern lediglich nachprüfen, ob dem Tatgericht
hier-bei ein Rechtsfehler unterlaufen ist (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 13.
Ok-tober 2016 -
4
StR 239/16, juris Rn.
56 [X.]; Beschluss vom 17.
November 2016 -
3
StR 342/15, [X.], 245, 248). Zu der dem Tatgericht aufgegebenen, eingeschränkter revisionsgerichtlicher Kontrolle unterliegenden Strafzumessung gehört auch die Entscheidung, welche [X.] es
einzelnen
Um-ständen gibt (vgl. [X.], Urteil vom 12.
Januar 2016 -
1
StR 414/15, [X.], 107, 108; Beschluss vom 10.
April 1987 -
GSSt 1/86, [X.]St
34, 345, 5
6
7
8
-
4
-
350) und inwieweit es ihnen bestimmendes Gewicht beimisst (vgl. [X.], Urteil vom 13.
Oktober 2016 -
4
StR 239/16, aaO [X.]).
bb) Der [X.] teilt die Auffassung des 2.
Strafsenats
(vgl. [X.] vom 1.
Juni 2016 -
2
[X.], [X.], 216, 217
f.), dass das unbedingte Streben nach der Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolgs je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls geeignet ist, die individuelle Tatschuld zu erhöhen. Nach der Wertentscheidung
des Gesetzgebers, die in den Straftatbeständen des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs zum Aus-druck kommt, haben die drei Vorsatzformen prinzipiell einen unterschiedlichen Schuldgehalt; die Schuldschwere steigert sich
im Grundsatz vom dolus even-tualis (bedingter Vorsatz) über den dolus directus 2.
Grades (direkter Vorsatz in Form der "Wissentlichkeit") hin zum dolus directus 1.
Grades (direkter Vorsatz in Form der Absicht).
Die kriminelle Intensität des Täterwillens ist beim dolus directus 1.
Grades
in der Regel am stärksten ausgeprägt. Ziel des mit [X.] ist gerade der Tod des anderen Menschen; der [X.] ist nicht nur die für möglich oder sicher
gehaltene Nebenfolge
der Hand-lung.
Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass das
außertatbestandliche Ziel des "nur" wissentlich Tötenden ebenso
verwerflich wie das tatbestandliche Ziel des absichtlich Tötenden sein kann (so aber
[X.], Beschluss vom 13.
Mai 1981 -
3
StR 126/81, NJW 1981, 2204). Nimmt das Tatgericht einzelfallbezogen eine solche Verwerflichkeit an, so wird es das außertatbestandliche Ziel im Rahmen der Strafzumessung ohne weiteres zum Nachteil des wissentlich [X.] werten; dadurch stünde dieser, könnte die
Tötungsabsicht
nicht straf-schärfend berücksichtigt werden, sogar schlechter als der absichtlich Tötende.
9
10
-
5
-

cc) Dass der (isolierte) Hinweis auf die Tötungsabsicht im Einzelfall zur Beschreibung höherer Tatschuld zu kurz greifen kann, beseitigt nicht ihre grundsätzliche Tauglichkeit als Strafzumessungskriterium. Vielmehr
folgt hie-raus nur, dass auch Fallkonstellationen vorstellbar sind, in denen
eine
straf-schärfende Berücksichtigung nicht mehr vertretbar wäre.
b) Die Wertung
der Tötungsabsicht zum Nachteil des Angeklagten ver-letzt
nicht das Doppelverwertungsverbot gemäß
§
46 Abs.
3 StGB.
Nach Auffassung des [X.]s stellt jedenfalls die Tötungsabsicht nicht den "normativen Regelfall" eines vorsätzlichen Tötungsdelikts dar
(ebenso [X.], Beschluss vom 28.
Juni 2012 -
2
StR 61/12, [X.], 689). [X.] dessen, inwieweit ein solcher "normativer Regelfall" als Voraussetzung für eine -
analoge -
Anwendung des §
46 Abs.
3 StGB anzuerkennen ist
(vgl. [X.], Beschlüsse
vom 10.
April 1987 -
GSSt 1/86, [X.]St
34, 345, 350
f.; vom 22.
November 1994 -
GSSt 2/94, [X.]St
40,
360, 368; [X.]/[X.]/[X.], Praxis der Strafzumessung, 5.
Aufl., Rn.
618; [X.], StGB, 12.
Aufl., §
46 Rn.
61
ff. [X.]), lässt sich aus dem dolus directus 1.
Grades [X.] auf eine besondere, untypische
kriminelle Intensität des Täterwillens schließen (s. auch [X.]/[X.], 3.
Aufl., §
46 Rn.
93
aE: "gesteiger-te kriminelle Energie").
11
12
13
-
6
-
Ob
die strafschärfende Berücksichtigung des dolus directus 2.
Grades unter dem Gesichtspunkt
des "normativen Regelfalls" das Doppelverwertungs-verbot gemäß
§
46 Abs.
3 StGB verletzt, braucht der [X.] vorliegend nicht zu entscheiden.
[X.] Spaniol

Tiemann

Berg
14

Meta

3 ARs 21/16

07.03.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: ARs

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.03.2017, Az. 3 ARs 21/16 (REWIS RS 2017, 14617)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 14617

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