Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.05.2023, Az. 4 StR 22/23

4. Strafsenat | REWIS RS 2023, 2862

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 1. September 2022

a) im Strafausspruch im Fall II. 3. der Urteilsgründe betreffend die zum Nachteil der Nebenklägerin [X.]begangene Tat dahin geändert, dass der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt wird;

b) dahin ergänzt, dass die Höhe eines Tagessatzes für die verhängten [X.] auf jeweils einen Euro festgesetzt wird.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in drei Fällen, Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen und fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis bestimmt. Hiergegen richtet sich die mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Verfahrensrüge ist aus den in der Antragsschrift des [X.] vom 31. Januar 2023 genannten Gründen unbegründet.

3

2. Die auf die Sachrüge gebotene Nachprüfung des Urteils führt zur Änderung des Strafausspruchs im Fall II. 3. der Urteilsgründe betreffend die Tat zum Nachteil der Nebenklägerin [X.].

4

a) Das [X.] hat die dafür festgesetzte Einzelstrafe dem Strafrahmen des § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB entnommen, da die Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nicht entfalle. Dabei hat es zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, „dass er den entgegenstehenden Willen der Geschädigten nicht nur erkannt, sondern über einen längeren Zeitraum ignoriert hat und die sexuellen Handlungen trotz des von ihm erkannten entgegenstehenden Willens sogar intensiviert hat, indem er mit seinem Penis jeweils in den Anus der Nebenklägerinnen eingedrungen ist, was für beide in der jeweiligen [X.] mit erheblichen Schmerzen verbunden war“. Unter Bezugnahme unter anderem auf diese Erwägung hat die [X.] sodann die konkrete Strafzumessung vorgenommen und auf eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten erkannt.

5

b) Dies stellt zwar entgegen der Auffassung der Revision keinen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB dar, da die [X.] dem Angeklagten nicht erneut die Tatbestandsverwirklichung des § 177 Abs. 1 StGB bzw. die Erfüllung des Regelbeispiels des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB angelastet hat (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 12. Februar 2020 – 4 StR 5/20 Rn. 7; Beschluss vom 28. Juni 2018 – 1 [X.], [X.], 559, 561; Beschluss vom 22. April 2004 – 3 [X.] Rn. 2). Sie hat insoweit vielmehr maßgeblich auf die Art der Tatausführung und das darin zum Ausdruck kommende gesteigerte Handlungsunrecht abgestellt, wobei es sich um einen anerkannten Strafschärfungsgrund handelt (vgl. Schäfer/[X.]/[X.], Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 631 ff. [X.]). Nach den Feststellungen trifft es jedoch – anders als in den Fällen [X.] und 4. der Urteilsgründe – im Fall II. 3. der Urteilsgründe nicht zu, dass der Angeklagte die Nebenklägerin sowohl vaginal als auch anal penetrierte. Hier drang der Angeklagte vielmehr zunächst teilweise mit seinem Penis in den Anus der Nebenklägerin ein und anschließend kam es nur noch zu einer einvernehmlichen manuellen Befriedigung des Angeklagten durch die Nebenklägerin. Dieser Strafzumessungsgesichtspunkt ist also in Bezug auf Fall II. 3. der Urteilsgründe nicht durch die Feststellungen gedeckt und daher rechtsfehlerhaft.

6

c) Um jede Benachteiligung des Angeklagten auszuschließen, setzt der [X.] in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO die Strafe auf das Mindestmaß des § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB von zwei Jahren Freiheitsstrafe herab. Eine mildere Strafe kam nicht in Betracht, da aufgrund der Gesamtschau der von der [X.] angeführten Strafzumessungserwägungen auszuschließen ist, dass sie bei [X.] Betrachtung ohne Berücksichtigung der konkreten Tatausführung im Fall II. 3. der Urteilsgründe von der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB abgewichen wäre.

7

d) Die Gesamtstrafe kann bestehen bleiben, da der [X.] ausschließt, dass sich der Rechtsfehler auf deren Bildung ausgewirkt hat (§ 337 Abs. 1 StPO). Denn das [X.] hat die Gesamtstrafe aus insgesamt sechs Einzelstrafen – unter anderem einer weiteren Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten (Einzelstrafe im Fall II. 4. der Urteilsgründe) ‒ gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 StGB durch Erhöhung der im Fall [X.] der Urteilsgründe verhängten Einsatzstrafe (Freiheitsstrafe von vier Jahren) gebildet. Daher liegt fern, dass die Gesamtstrafenbildung anders als geschehen ausgefallen wäre, wenn das [X.] im Fall II. 3. der Urteilsgründe für die Tat zum Nachteil der Nebenklägerin [X.]sogleich auf eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren erkannt hätte.

8

3. Im Übrigen bedarf das Urteil noch insoweit der Ergänzung, als es das [X.] unterlassen hat, für die drei verhängten Geldstrafen in den Fällen [X.], 3. und 5. der Urteilsgründe eine Tagessatzhöhe zu bestimmen (§ 40 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 StGB). Diese Festsetzung ist auch dann erforderlich, wenn – wie hier – aus Geld- und Freiheitsstrafen gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2, Abs. 3 StGB eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden ist (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 18. Oktober 2022 – 6 [X.]; Beschluss vom 2. August 2022 – 4 [X.] Rn. 15, insoweit nicht abgedruckt in [X.], 741; Beschluss vom 13. Januar 2022 – 6 [X.]; Beschluss vom 15. November 2021 – 6 StR 468/21; Beschluss vom 19. August 2015 – 1 StR 308/15 Rn. 3; Beschluss vom 14. Mai 1981 – 4 StR 599/80, [X.]St 30, 93, 96). Der [X.] setzt, wiederum um jede Benachteiligung des Angeklagten zu vermeiden, die Höhe des Tagessatzes daher auf den Mindestsatz von einem Euro fest (§ 40 Abs. 2 Satz 3 StGB).

9

4. Angesichts des geringen Teilerfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels und den notwendigen Auslagen der Nebenklägerinnen zu belasten (§ 473 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO).

[X.]     

      

[X.]     

      

Maatsch

      

Messing     

      

Momsen-Pflanz     

      

Meta

4 StR 22/23

09.05.2023

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bielefeld, 1. September 2022, Az: 20 KLs 4/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.05.2023, Az. 4 StR 22/23 (REWIS RS 2023, 2862)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 2862

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 111/17 (Bundesgerichtshof)

Sexueller Übergriff: Strafrechtliche Beurteilung des Hinwegsetzens über den Willen einer widerstandsunfähigen Person nach neuem Recht; …


2 StR 354/20 (Bundesgerichtshof)

Lückenhafte Beweiswürdigung bei einer Verurteilung wegen Vergewaltigung einer Person in einem die freie Willensbildung und …


2 StR 45/17 (Bundesgerichtshof)

Schwerer sexueller Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person: Strafzumessung betreffend die Anwendung eines Regelbeispiels im Übergangsfall; Begrenzung …


2 StR 477/23 (Bundesgerichtshof)


3 StR 43/17 (Bundesgerichtshof)

Schwerer sexueller Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person: Feststellung des milderen Gesetzes nach Novellierung des Sexualstrafrechts


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

6 StR 469/21

4 StR 231/22

6 StR 213/22

1 StR 171/18

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.