Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.01.2016, Az. 4 StR 532/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2016, 17854

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:130116B4STR532.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 532/15

vom
13. Januar
2016
in der Strafsache
gegen

wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 13.
Januar
2016
gemäß §
349 Abs.
2 und 4, §
354 Abs.
1
StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 24.
August 2015 wird
a)
der Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im
Fall
II.2 der Urteilsgründe des versuchten Betrugs schuldig ist,
b)
mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
aa)
die Verurteilung des Angeklagten im Falle
II.3 der Urteilsgründe,
bb)
die Einzelstrafe im Fall
II.2 der Urteilsgründe sowie die Gesamtstrafe,
cc)
der
Ausspruch über die isolierte Sperrfrist
und
dd)
der Rechtsfolgenausspruch
darüber hinaus, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des [X.] in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
2.
Im Umfang der Aufhebung (Ziffer
1.b) wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des Land-gerichts zurückverwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
-
3
-
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Diebstahls, Betrugs und vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung

in Tateinheit mit (vorsätzlichem) Fahren ohne Fahrerlaubnis zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt sowie die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor [X.] von vier Jahren keine Fahrerlaubnis zu erteilen.
Gegen dieses Urteil wen-det sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts ge-stützten Revision. Das Rechtsmittel erzielt den aus dem [X.] ersicht-lichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
1.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen vollendeten Betrugs kann nicht bestehen bleiben.
a)
Nach den von der [X.] zu dem Fall
II.2 der Urteilsgründe ge-troffenen Feststellungen fuhr der Angeklagte mit dem zuvor entwendeten Pkw [X.] zu einer Tankstelle, betankte das Fahrzeug und fuhr
anschließend

wie von vornherein geplant

ohne Bezahlung der eingefüllten Treibstoffmen-ge davon.
b)
Diese Feststellungen tragen nicht die Verurteilung wegen vollendeten Betrugs. Nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist von einem Tanken an einer [X.] auszugehen. In derartigen
Fällen setzt die Annahme der Tatvollendung
voraus, dass der Täter durch ([X.]) Vortäuschen seiner
Zahlungsbereitschaft bei dem Kassenpersonal einen entsprechenden Irrtum hervorruft, der anschließend zu der schädigenden Ver-mögensverfügung (Einverständnis mit dem Tankvorgang) führt. Mangels Irr-1
2
3
4
-
4
-
tumserregung liegt jedoch kein vollendeter Betrug vor, wenn das Betanken des Fahrzeugs vom Kassenpersonal überhaupt nicht bemerkt wird. In einem sol-chen Fall ist vielmehr
regelmäßig vom Tatbestand des versuchten Betrugs [X.], wenn das Bestreben des [X.]

wie im vorliegenden Fall

von [X.] an darauf gerichtet war, das Benzin unter Vortäuschung einer nicht vor-handenen Zahlungsbereitschaft an sich zu bringen, ohne den Kaufpreis zu [X.] ([X.], Urteil vom 5.
Mai 1983

4
StR
121/83, NJW 1983, 2827; [X.] vom 19.
Dezember 2012

4
StR
497/12, [X.], 511
mwN). Da das [X.] trotz des Geständnisses des Angeklagten und unter Heranziehung der Lichtbilder der Überwachungskamera keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Tankvorgang vom Kassenpersonal bemerkt wurde, geht der Senat zugunsten des Angeklagten davon aus, dass dies nicht der Fall war; er
ändert den Schuldspruch in versuchten Betrug ab. §
265 StPO steht nicht entgegen, da sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte [X.] können.
Die Schuldspruchänderung entzieht der im Fall
II.2 der Urteilsgründe verhängten [X.] von sechs Monaten und der Gesamtstrafe die Grundlage.
2.
Durchgreifenden Bedenken begegnet auch die Verurteilung des Ange-klagten wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß §
315c Abs.
1 Nr.
1 Buchst.
a sowie Nr.
2 Buchst.
b und [X.]
im Fall
II.3 der Urteils-gründe.
a)
Nach den hierzu getroffenen Feststellungen fuhr der [X.], obwohl
er
damit rechnete, infolge der
zuvor konsumierten Betäubungsmittel nicht mehr fahrtüchtig zu sein, mit dem von ihm entwendeten [X.], in dem
drei
5
6
7
-
5
-
Begleiter
saßen,
nach M.

. Als sich Polizeibeamte mit
einem Streifenwagen
schräg
vor den an einer rotlichtzeigenden
Ampel halten-den PKW setzten, beschloss der Angeklagte, sich durch Flucht der Kontrolle
und einer Festnahme
zu entziehen. Er scherte nach links in den Bereich des Gegenverkehrs aus,
fuhr
mit hoher Geschwindigkeit von deutlich mehr
als 50
km/h über die Kreuzung
und streifte beim Wiedereinscheren den bei
Rotlicht haltenden
BMW des Zeugen H.

, der wirtschaftlichen Totalschaden in Höhe
von 1.600

Missachtung
zweier
weiterer

Rot

fuhr er
auf der L.

weiter; er
beabsichtigte, nach rechts in die H.

Straße abzubiegen. Zur gleichen Zeit überquerte vor ihm die im neunten
Monat schwangere

P.

mit ihrem fünfjährigen [X.] und ihrer neunjäh-
rigen Tochter die Fahrbahn
der L.

, da die
dortige Lichtzeichenanla-
ge

G. Die Tochter bemerkte das heranrasende Fahrzeug und zog Mutter und Bruder in Richtung
der Verkehrsinsel in der Fahrbahnmitte.
Der Angeklagte fuhr knapp (UA
8:

an den drei Fußgängern vorbei; ohne die Reaktion
des Mädchens wären die Fußgänger von dem
PKW des [X.]
erfasst worden.

P.

erlitt einen Schock
und musste ins
Krankenhaus. Der Angeklagte bog nach rechts
ab, zog die Handbremse und sprang aus dem
noch rollenden
Auto; dieses
beschädigte noch zwei parkende Fahrzeuge, an denen
jeweils ein Schaden
von ca. 2.500

ntstand.
Der Angeklagte hat eingeräumt, unter dem Einfluss von Betäubungsmit-teln
ohne
die
erforderliche Fahrerlaubnis gefahren zu
sein. Er hat aber
bestrit-ten, bemerkt zu haben, dass er andere
Fahrzeuge touchiert, rote Ampeln

überfahren
und Fußgänger gefährdet habe.
b)
Damit sind die Voraussetzungen der
vom [X.] angenommenen
sog. [X.] in den Varianten des §
315c Abs.
1 Nr.
1 8
9
-
6
-
Buchst.
a sowie Nr.
2 Buchst.
b und [X.] nicht belegt. Zwar hat die [X.] rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Angeklagte trotz seines [X.], sich dem polizeilichen Zugriff zu entziehen, aufgrund des vorangegange-nen Drogenkonsums (relativ) fahruntüchtig war (vgl. [X.], Beschlüsse vom 7.
April 1994

4
StR
130/94, [X.], 88, und vom 2.
Juni 2015

4
StR 111/15) und dies auch billigend in
Kauf nahm. Es hat jedoch keine Feststellun-gen zu einer (auch nur bedingt) vorsätzlichen Herbeiführung
des
im Tatbestand des §
315c Abs.
1 StGB in allen Varianten vorausgesetzten konkreten Gefahr-erfolgs getroffen; dies
kann der Senat auch dem Gesamtzusammenhang
der Urteilsgründe nicht
entnehmen.
Solcher Feststellungen zum subjektiven Tatbestand hätte es indes für den im angefochtenen Urteil getroffenen Schuldspruch bedurft: Das [X.] hat nicht berücksichtigt, dass die vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs
gemäß §
315c Abs.
1 StGB

anders als in §
315c Abs.
3 Nr.
1 StGB

hinsicht-lich aller Tatumstände zumindest bedingten Vorsatz verlangt. Der Vorsatz
des [X.] muss
deshalb nicht nur die [X.], sondern auch die konkrete Gefahr
umfassen. Der Täter muss insoweit die Umstände kennen, die den [X.] im Sinne eines Beinaheunfalls als nahe liegende Möglichkeit erschei-nen lassen und sich mit dem Eintritt dieser
Gefahrenlage zumindest abfinden
(vgl. [X.], Beschluss vom 9.
September 2014

4
StR
365/14, [X.], 713; [X.]/[X.]/ Dauer-[X.], Straßenverkehrsrecht, 43.
Aufl., §
315c Rn.
48).
Soweit die [X.] den Angeklagten nach §
315c Abs.
1
Nr.
2 Buchst.
b
(falsches Überholen) und Buchst.
[X.] (zu schnelles
Fahren an Straßenkreuzungen) verurteilt hat, fehlt
es
darüber hinaus schon
an der [X.], dass der Angeklagte hinsichtlich dieser beiden sog. Todsünden
vor-sätzlich gehandelt hat.
10
11
-
7
-
Die Aufhebung erfasst die für sich gesehen rechtsfehlerfreie Verurteilung
des Angeklagten im Fall
II.3 der Urteilsgründe
wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (vgl. [X.]/Gericke, 7.
Aufl., §
353 Rn.
12)
sowie die Anordnung der isolierten Sperrfrist gemäß §
69a Abs.
1 Satz
3 StGB.
3.
Auch soweit das [X.] keine Entscheidung über die Unterbrin-gung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß §
64 StGB getroffen hat, kann das Urteil keinen Bestand haben. Hierzu hat der Generalbundesan-walt in seiner Antragsschrift vom 14.
Dezember 2015 Folgendes ausgeführt:

Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte bereits im Alter von 14
Jahren Marihuana und mit 15
Jahren Amphetamin, die er in der Folgezeit mit Unterbrechungen regelmäßig einnahm (UA S.
3). Der An-geklagte wurde am 17.
Juli 2014 nach Zurückstellung der Strafvollstre-ckung gemäß §
35 BtMG aus dem Urteil des [X.] vom 23.
April 2012 aus der Haft entlassen, brach die Therapie jedoch nach einem Tag ab und hielt sich, weil er über keinen festen Wohnsitz verfügte, bei verschiedenen Freunden
auf. Die Zurückstellung der Vollstreckung wurde widerrufen und [X.]. Der Angeklagte konsumierte wiederum regelmäßig Marihuana und Amphetamin in [X.] von ca. jeweils 1
Gramm täglich; den erheb-lichen Konsum von Marihuana und Amphetamin zeigt auch die [X.] der am 29.
August 2014 entnommenen Blutprobe des Angeklagten (UA S.
5, 8).
Bei der Frage der Prüfung der (rauschmittelbedingten) Fahruntüchtigkeit bei der Fahrt in M.

wurde auch berücksichtigt,
dass der Angeklagte Langzeitkonsument (zumindest von Cannabis) ist (UA S.
8-9). In der Strafzumessung ist die [X.] von einem chro-nischen Konsum von THC und Amphetamin ausgegangen (UA S.
10).
Diese Ausführungen hätten die [X.] zu der Prüfung drängen müssen, ob bei dem Angeklagten die Voraussetzungen der Unterbrin-gung in einer Entziehungsanstalt gegeben sind. Dass sie von einem chronischen Konsum von Betäubungsmitteln ausgegangen ist, machte 12
13
-
8
-
die Auseinandersetzung damit erforderlich, ob bei dem Angeklagten ein Hang im Sinne von §
64 StGB vorliegt. Dieser chronische Konsum legt zudem nahe, dass auch ein symptomatischer Zusammenhang zwischen einem gegebenenfalls anzunehmenden Hang und der Begehung der Ta-ten bestand,

Dass der Angeklagte im Juli
2014 eine Therapie gemäß §
35 BtMG nach nur einem Tag abbrach (UA S.
4) und anschließend er-neut den [X.] aufnahm (UA S.
5), steht der Erfolgs-aussicht einer Anordnung des [X.] im Sinne des §
64 StGB nicht entgegen.

Dem schließt sich der Senat an.
4.
Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter hat
die Gelegen-heit,
die erforderlichen Feststellungen zu
der

durch das Fahrverhalten des Angeklagten verursachten

konkreten Gefährdung
der Fußgänger
im Sinne des §
315c Abs.
1 StGB genauer als bisher geschehen zu treffen (vgl.
[X.], Urteil vom 22.
März 2012

4
StR
558/11, [X.], 1524; Beschluss vom 4.
Dezember 2012

4
StR
435/12, [X.], 167; [X.], 399, 400).
Sost-Scheible
Cierniak
Franke

Bender
Quentin
14

Meta

4 StR 532/15

13.01.2016

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.01.2016, Az. 4 StR 532/15 (REWIS RS 2016, 17854)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 17854

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4 StR 532/15

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