Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.10.2016, Az. V ZR 230/15

V. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 3549

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:211016UVZR230.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
V ZR
230/15
Verkündet am:

21. Oktober 2016

Rinke

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 1191; ZPO § 767
Erhebt der Schuldner während eines laufenden, aufgrund einer Siche-rungsgrundschuld betriebenen [X.] eine Voll-streckungsabwehrklage, die er auf die Verjährung eines Teils der [X.] stützt, kann das Rechtsschutzbedürfnis ausnahmsweise zu verneinen sein. Dies setzt voraus, dass der Gläubiger nicht wegen der ver-jährten Zinsen vollstreckt; ferner müssen Indizien vorliegen, die in einer Ge-samtwürdigung den sicheren Schluss erlauben, dass die Vollstreckungsab-wehrklage ausschließlich prozesszweckfremden Zielen dient.
[X.], Urteil vom 21. Oktober 2016 -
V [X.] -
OLG [X.]

LG [X.] (Oder)

-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 21.
Oktober 2016
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richterinnen Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch und Dr.
Brückner, [X.]
Göbel und die Richterin Haberkamp

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 19. März 2015 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen, wobei der Tenor des Berufungsur-teils klarstellend wie folgt gefasst wird:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.]s [X.] (Oder) vom 2. April 2014 -
Az. [X.]/13 -
wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abge-wiesen wird.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin und ihr Ehemann bestellten an ihrem Grundstück in den Jahren 2003 und 2004 zugunsten der beklagten Bank (im Folgenden: Gläubige-rin) zwei Sicherung

zwar jeweils nebst 15
% Zinsen. Am 7.
Juni 2011 beantragte die Gläubigerin
die Zwangsversteigerung des Grundstücks. Von ihrem Vollstreckungsauftrag nahm 1
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sie die auf die Zeit vor dem 1. Januar 2008 entfallenden Grundschuldzinsen aus. Der dritte Versteigerungstermin sollte am
17. September 2013 stattfinden. Mit einem kurz zuvor -
am 5. September 2013 -
bei der Gläubigerin eingegan-genen Schreiben berief sich die Klägerin erstmals auf die Verjährung der bis
Ende 2007 entstandenen [X.] und erhob darauf gestützt [X.]. Im laufenden Verfahren hat die Gläubigerin
ausdrücklich auf die verjährten Zinsen verzichtet.

Das [X.] hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Zu-rückweisung der Berufung der Klägerin hat das [X.] auf ein [X.]des Rechtsschutzbedürfnis gestützt. Zuvor war am 29.
Januar 2015 der [X.] erteilt worden. Der Verteilungstermin wurde für den 26. März 2015 anbe-raumt. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision will die Klägerin weiterhin erreichen, dass die Zwangsvollstreckung hinsichtlich der vor dem 1.
Januar 2008 fällig gewordenen Grundschuldzinsen für unzulässig erklärt wird.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht meint, der Klage fehle ausnahmsweise das Rechtsschutzbedürfnis, nachdem die Gläubigerin die verjährten Zinsen von vornherein von ihrem Vollstreckungsauftrag ausgenommen habe. Ihr zweifels-frei erklärter Verzicht auf diesen Teil der Forderung komme einem Anerkenntnis gleich. Zudem könne nach der Rechtsprechung des [X.] das Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsabwehrklage des Schuldners [X.], wenn dieser titulierte, wiederkehrende Unterhaltsforderungen erfülle; dies 2
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sei auf verjährte Grundschuldzinsen übertragbar. Bei einer gegenteiligen Be-trachtung werde die Gläubigerin
aufgrund der jeweils eintretenden Verjährung eines Teils der Zinsforderung jährlich gezwungen, den Titel an den Schuldner herauszugeben und sich eine weitere, beschränkte
vollstreckbare Ausfertigung erteilen zu lassen. Dies verursache jeweils Kosten von rund 2.s-tenerstattungsanspruch gegen die Schuldnerin sei voraussichtlich nicht voll-streckbar, nachdem diese die Voraussetzungen für die Gewährung von Pro-zesskostenhilfe erfülle.

Selbst wenn ein Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen sei, stelle sich die Rechtsverfolgung durch die Klägerin als rechtsmissbräuchlich dar und verstoße gegen das [X.] (§ 226 BGB). Die Zwangsversteigerung des Grund-stücks werde nämlich aller Voraussicht nach nicht annähernd zur Befriedigung der Gläubigerin ausreichen; dass die Klägerin die titulierten Verbindlichkeiten aus ihrem sonstigen Vermögen werde begleichen können, sei nicht anzuneh-men. Daher verfolge sie ein Rechtsschutzziel, das ihr unter keinem Gesichts-punkt Nutzen bringen könne.

II.

Die Revision hat keinen Erfolg. Die Abweisung der Klage als unzulässig hält jedenfalls im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Nach der bisherigen Rechtsprechung des [X.] lägen die Voraussetzungen für das Rechtsschutzbedürfnis allerdings vor.

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a) Es entspricht gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass für eine Vollstreckungsabwehrklage solange ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, wie der Gläubiger den Vollstreckungstitel noch in [X.] hat. Dies gilt selbst dann, wenn der Gläubiger auf seine Rechte aus dem Titel verzichtet hat oder zwischen ihm und dem Schuldner Einigkeit darüber besteht, dass eine Zwangs-vollstreckung nicht mehr in Betracht kommt (vgl. Senat, Urteil vom 12. Juli 1955 -
V [X.], NJW 1955, 1556; Urteil vom 23.
November 1973
-
V ZR 23/72, [X.], 59, 60; Urteil vom 10. Oktober 1975 -
V [X.], [X.], 1213; Urteil vom 21. Januar 1994 -
V [X.], NJW 1994, 1161, 1162; [X.], Urteil vom 16. Juni 1992 -
XI ZR 166/91, [X.], 2148; Beschluss vom 15.
Dezember 2011 -
IX ZR 230/09, juris Rn. 2). Gestützt wird dies auf die Überlegung, dass der Verzicht auf die Forderung keine weitergehende Wirkung haben kann als eine in öffentlicher Urkunde erklärte Bescheinigung des [X.], er sei wegen seiner Forderung befriedigt; mit einer solchen Bescheinigung kann die Aufhebung von [X.] nicht erreicht werden (§ 775 Nr. 4, § 776 Satz 2 Halbs. 1 ZPO; vgl. Senat, Urteil vom 12. Juli 1955
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V
ZR
11/53, NJW 1955, 1556). Dieses Verständnis entspricht zudem der Rechtsnatur der Klage aus §
767 ZPO, die sich nicht gegen einzelne [X.] richtet, sondern dazu dient, einem Vollstreckungstitel die Vollstreckungsfähigkeit schlechthin zu nehmen (vgl. [X.], Urteil vom 10.
Oktober 1960 -
II ZR 53/58, NJW 1960, 2886; Beschluss vom 5. Juli 2005
-
VII ZB 10/05, Rpfleger 2005, 675 f.; [X.], ZPO, 22. Aufl., §
767 Rn. 42). Infolgedessen hängt ihre Zulässigkeit nicht davon ab, dass [X.] drohen. Vor einer überflüssigen Vollstreckungsabwehr-klage kann sich der Gläubiger durch ein sofortiges Anerkenntnis schützen (vgl. [X.], Urteil vom 8.
Februar 1984 -
IVb [X.], NJW 1984, 2826, 2827).

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Grundsätzlich zulässig ist die Vollstreckungsabwehrklage auch dann, wenn sie sich -
wie hier -
nur auf einen Teil des titulierten Anspruchs bezieht. Benötigt der Gläubiger den Titel weiter, um den offenen Teil seiner Forderung zu vollstrecken, kann
er eine weitere
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beschränkte
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vollstreckbare Ausferti-gung nach § 733 ZPO erwirken und den weitergehenden ursprünglichen Titel dem Schuldner aushändigen (vgl. Senat, Urteil vom 12.
Juli 1955 -
V [X.], NJW 1955, 1556; Urteil vom 23. November 1973 -
V ZR 23/72, [X.], 59, 61; Urteil vom 10. Oktober 1975 -
V [X.], [X.], 1213; Urteil vom 21.
Januar 1994 -
V [X.], NJW 1994, 1161, 1162; [X.], Urteil vom 16.
Juni 1992 -
XI ZR 166/91, [X.], 2148).

Ausnahmsweise verneint wird das Rechtsschutzbedürfnis nur dann, wenn die Vollstreckung unzweifelhaft nicht mehr droht. Angenommen hat der [X.] dies unter eng begrenzten Voraussetzungen bei Titeln, die auf wiederkehrende Leistungen -
insbesondere Unterhaltsleistungen -
gerichtet sind (vgl. [X.], Urteil vom 8.
Februar 1984 -
IVb [X.], NJW 1984, 2826, 2827).

b) Daran gemessen wäre ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben.

aa) Der Verzicht der Gläubigerin auf den verjährten Teil der [X.] lässt das Rechtsschutzbedürfnis für sich genommen nicht entfallen, da sie den Titel weiterhin in [X.] hält. Auch wenn die
Zwangsversteigerung inzwi-schen beendet sein sollte, ändert dies nichts daran, dass die Gläubigerin
hin-sichtlich der verjährten Zinsen aus dem Titel vollstrecken könnte, weil
die Klä-gerin für das Grundschuldkapital nebst Zinsen auch die persönliche Haftung mit ihrem gesamten Vermögen übernommen hat.

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bb) Die Voraussetzungen, unter denen der [X.] das Rechtsschutzbedürfnis bislang ausnahmsweise verneint hat, liegen nicht vor. Angenommen worden ist dies bei Titeln, die auf wiederkehrende Leistungen

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insbesondere Unterhaltsleistungen -
gerichtet sind, wenn nach Erfüllung der in der Vergangenheit liegenden Zeitabschnitte die Vollstreckung unzweifelhaft nicht mehr droht. Dies beruht auf der Überlegung, dass der Gläubiger den Titel noch für die erst künftig fällig werdenden Ansprüche benötigt. Dass er den Titel in der Hand behält, begründet daher -
anders als bei auf einmalige Leistungen gerichteten Titeln -
nicht schon für sich allein die Besorgnis, er werde daraus trotz bereits eingetretener Erfüllung noch einmal gegen den Schuldner vollstre-cken (näher zum Ganzen [X.], Urteil vom 8. Februar 1984 -
IVb [X.], NJW 1984, 2826, 2827).

Damit ist die hier zu beurteilende Fallgestaltung, anders als das [X.] meint, nicht vergleichbar. Zwar sind auch Grundschuldzinsen [X.] Leistungen
(vgl. Senat, Urteil vom 18. Januar 1985 -
V [X.], [X.]Z 93, 287, 290; vgl. auch § 216 Abs. 3 BGB). Die Zinsforderungen werden aber nicht erfüllt, sondern bestehen fort.
Hieran ändert der Eintritt der Verjäh-rung nichts;
der
Schuldner
kann nur die entsprechende Einrede erheben. Den bloßen Verzicht des Gläubigers auf die weitere Verfolgung solcher Teilforde-rungen hat der [X.] -
wie die Revision zutreffend hervorhebt -
aus den bereits genannten Gründen bislang gerade nicht ausreichen lassen, um dem Schuldner das Rechtsschutzbedürfnis abzusprechen.

2. Gleichwohl hält es im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand, dass das Berufungsgericht das Rechtsschutzbedürfnis verneint.

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a) Mit vergleichbaren Vollstreckungsabwehrklagen von Schuldnern, die sich gestützt auf die Verjährung eines Teils der Grundschuldzinsen gegen die aus der Grundschuld betriebene Zwangsversteigerung wenden, haben sich in den vergangenen Jahren viele Instanzgerichte befasst.

aa) Unter Beachtung der oben dargestellten höchstrichterlichen Recht-sprechung sind die erhobenen Vollstreckungsabwehrklagen teilweise als [X.] angesehen worden (so [X.], Beschluss vom 13.
Mai
2013 -
4 W 19/13, juris; [X.], Beschluss vom 3. Juli 2013
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W 265/13, unveröffentlicht; [X.], Urteil vom 21.
De-
zember 2012 -
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U
16/12, unveröffentlicht; [X.], Urteil vom
26.
Oktober 2012 -
313 [X.], unveröffentlicht; Nachweise zu weiteren un-veröffentlichten Entscheidungen bei
Clemente, [X.] 2013, 559).

bb) Nach Auffassung anderer Gerichte, der das Berufungsgericht folgt, fehlt einer auf verjährte, nicht geltend gemachte Grundschuldzinsen beschränk-ten Vollstreckungsabwehrklage regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis ([X.], Urteil vom 20. Februar 2013 -
4 [X.], juris; OLG [X.], [X.] 2013, 558; [X.], [X.], 673
ff.
sowie Urteil vom 23. Juni 2016
-
5 [X.], juris; [X.], Rpfleger 2014, 330
f.). Diese rechtliche Einschät-zung hat in der Rechtsliteratur Zustimmung gefunden [X.], [X.] 2013, 559, 560; [X.], [X.] 2014, 333, 337 f.; [X.], EWiR 2013, 599
f.; [X.], Rpfleger 2014, 331
f.). Die Klage könne die Vollstreckung wegen der [X.] und der nicht verjährten [X.] nicht hindern.
Der Schuldner verstoße mit der Klageerhebung gegen den [X.], der ihn zur Überlassung der Grundschuld mit einer die vollstreckbare Forderung über-schießenden Rechtsmacht verpflichte. Er dürfe daher erst dann eine Vollstre-15
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ckungsabwehrklage erheben, wenn der Gläubiger entgegen dem [X.] wegen verjährter Zinsen vollstrecke [X.], [X.] 2013, 559, 560).

b) Im Ergebnis kann das Rechtsschutzbedürfnis in dieser Fallgestaltung zwar fehlen. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen bedürfen aber der Konkretisierung.

aa) Im Ausgangspunkt lässt sich die Unzulässigkeit der [X.] nicht ohne weiteres aus dem [X.] ableiten (so aber Clemente, [X.] 2013, 559, 560).

(1) Richtig ist zwar, dass die Einräumung einer überschießenden Rechtsmacht zugunsten des Sicherungsnehmers zu den Wesensmerkmalen einer Sicherungsgrundschuld gehört. Das ändert aber nichts daran, dass Zin-sen aus Sicherungsgrundschulden der Verjährung unterliegen. Die frühere höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach die Verjährung bis zum Eintritt des [X.] gehemmt war, hat der [X.] aufgegeben (vgl. zum Ganzen [X.], Urteil vom 28. September 1999 -
XI ZR 90/98, [X.]Z 142, 332 ff. [X.] auch zu der früheren Rechtsprechung);
die Reform des Schuldrechts hat sich auf diese Rechtsfrage nicht ausgewirkt (vgl. [X.], Urteil vom
30.
März 2010 -
XI [X.], [X.], 2041
Rn. 44, insoweit in [X.]Z 185, 133 nicht abgedruckt). Ziel der Rechtsprechungsänderung war es unter ande-rem, ein
unablässiges Anschwellen des Sicherungsumfangs der Grundschuld durch Zinsen zu verhindern ([X.], Urteil vom 28.
September
1999
-
XI ZR 90/98, [X.]Z 142, 332, 335).

(2) Erreichen lässt sich dieses Ziel nur, wenn sich der Schuldner nicht nur auf die Einrede der Verjährung berufen, sondern im Grundsatz auch eine 18
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darauf gestützte Vollstreckungsabwehrklage erheben darf. Betreibt der [X.] die Vollstreckung auch in Bezug auf verjährte Grundschuldzinsen, steht die Zulässigkeit der Vollstreckungsabwehrklage außer Frage (daher ohne [X.] eines Rechtsschutzbedürfnisses [X.], Urteil vom
28.
September 1999 -
XI ZR 90/98, [X.]Z 142, 332 ff.). Aber auch dann, wenn eine Vollstreckung nicht unmittelbar bevorsteht, ist eine Vollstreckungsabwehr-klage im Regelfall zulässig. Dies folgt aus der bereits dargestellten höchstrich-terlichen Rechtsprechung zu dem Rechtsschutzbedürfnis für eine [X.], die sich keineswegs auf Grundschuldzinsen beschränkt und infolgedessen von der auf die Verjährung solcher [X.] bezoge-nen Rechtsprechungsänderung nicht berührt wird (insoweit unzutreffend daher [X.], Urteil vom 23. Juni 2016 -
5 [X.], juris Rn. 32).

(3) Vor Eintritt des [X.] ist allerdings denkbar, dass der Schuldner aufgrund der Sicherungsabrede nicht allein wegen der Verjährung von [X.]n die Aushändigung des weitergehenden ursprünglichen Titels von dem Gläubiger verlangen kann. Dies bedarf aber keiner Entschei-dung, weil der Sicherungsfall hier eingetreten ist.

bb) Das Rechtsschutzbedürfnis kann jedoch ausnahmsweise zu vernei-nen sein, wenn der
Schuldner -
wie hier -
während eines laufenden, aufgrund einer Sicherungsgrundschuld betriebenen [X.] eine Vollstreckungsabwehrklage
erhebt, die er auf die Verjährung eines Teils der Grundschuldzinsen stützt. Dies setzt voraus, dass der Gläubiger nicht we-gen der verjährten Zinsen vollstreckt; ferner müssen Indizien vorliegen, die in einer Gesamtwürdigung den sicheren Schluss erlauben, dass die [X.] ausschließlich prozesszweckfremden Zielen dient.

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(1) Nimmt der Gläubiger die verjährten Zinsen nach Erhebung der Ver-jährungseinrede nicht von dem Vollstreckungsauftrag aus, was ihm ohne [X.] möglich ist, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für die Vollstreckungsab-wehrklage. Im Ausgangspunkt kann sich die Klage daher nur dann als unzuläs-sig erweisen, wenn der Gläubiger wegen der verjährten Zinsen nicht vollstreckt.

(2) Darüber hinaus muss das Gericht Hilfstatsachen (Indizien) feststellen, die in einer Gesamtwürdigung den sicheren Schluss erlauben, dass der Schuldner ausschließlich
prozesszweckfremde Ziele verfolgt. Unter dieser
Voraussetzung ist das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage nicht gegeben ([X.], ZPO,
22. Aufl., vor § 253 Rn. 154).

(a) Wäre die Klage zulässig, könnte
der Schuldner bestenfalls erreichen, dass der Gläubiger entweder
im Vorfeld
der Vollstreckungsabwehrklage freiwil-lig eine weitere -
beschränkte -
vollstreckbare Ausfertigung nach § 733 ZPO erwirkt und den weitergehenden Titel herausgibt (vgl. DNotI-Report 2014, 19
ff.) oder dass er nach Klageerhebung ein Anerkenntnis abgibt. In beiden Fällen kann
die weiterhin zulässige Vollstreckung aus der Hauptforderung und den nicht verjährten Zinsen
(anschließend)
fortgesetzt werden. Ausschließlich pro-zesszweckfremde Ziele verfolgt der Schuldner, wenn er die Vollstreckungsab-wehrklage nicht erhebt, um die
genannten Ergebnisse zu erreichen und die
auf die verjährten [X.] bezogene Vollstreckbarkeit des Titels zu beseiti-gen, sondern um
die Vollstreckung aus der Hauptforderung
und den nicht ver-jährten Zinsen
zu behindern.

(b) Ein gewichtiges Indiz für eine solche Zielsetzung ist die Erhebung der [X.] und der darauf gestützten Vollstreckungsabwehrklage im laufenden [X.] zur Unzeit.
Dies kann darauf schließen las-24
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-
12
-
sen, dass der Versteigerungstermin mithilfe des entstehenden Zeitdrucks ver-hindert werden soll
(vgl. zum Ganzen auch [X.], [X.], 673, 675 sowie Urteil vom 23.
Juni 2016 -
5
[X.], juris Rn. 35
ff.).
Zur Unzeit wird die Klage erhoben, wenn der Gläubiger dem Ansinnen des
Schuldners freiwillig nur nachkommen kann, indem
er eine Verzögerung des [X.]s in Kauf nimmt. Um den Titel an den Schuldner herauszugeben, muss er sich diesen von dem Versteigerungsgericht zurückgeben lassen.
Zudem muss er sich eine weitere -
beschränkte -
vollstreckbare Ausfertigung des Titels erteilen lassen.
Kurz vor einem Versteigerungstermin wird dies nicht möglich sein, ohne eine Verzögerung hervorzurufen, weil die Titelausfertigung nebst [X.] bei der Versteigerung und bei der Erteilung des Zuschlags wieder vorliegen muss (Senat, Beschluss vom 18.
März 2010 -
V [X.], NJW-RR 2010, 1100 Rn. 18). Ist es wegen des Zeitdrucks nicht zumutbar, den
Schuldner freiwillig klaglos zu stellen,
kann der Gläubiger auch nicht auf
die Abgabe eines Anerkenntnisses (mit erheblichen Kostenfolgen)
verwiesen werden.

(c) Damit das Gericht in einer Gesamtwürdigung zu dem sicheren Schluss gelangen kann, dass die Vollstreckungsabwehrklage ausschließlich
prozesszweckfremden Zielen dient, muss neben der Klageerhebung zur Unzeit mindestens ein weiteres Indiz auf diese
Zielsetzung schließen lassen. Ein [X.] Indiz kann sich entweder daraus ergeben, dass
der zu erwartende [X.] nicht annähernd die Summe aus Hauptforderung und unver-jährten Zinsen erreicht und die Vermögensverhältnisse des Schuldners auch im Übrigen eine erfolgreiche Vollstreckung
nicht erwarten lassen. [X.] kann es aber auch, dass der Gläubiger gemäß § 1178 Abs. 2 BGB auf die verjährten [X.] verzichtet
(bzw.
insoweit
hinsichtlich der persönlichen Haftungs-übernahme einen Erlass gemäß § 397 BGB anbietet). Liegt eines dieser Indi-zien vor, wird die Zusammenschau mit der Klageerhebung zur Unzeit in der 28
-
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Regel den Schluss
erlauben, dass es dem Schuldner nicht um die [X.] der verjährten Grundschuldzinsen geht, sondern ausschließlich um die Verzögerung der Zwangsversteigerung.

c) Daran gemessen verneint das Berufungsgericht das [X.] jedenfalls im Ergebnis rechtsfehlerfrei. Die verjährten Zinsen hat die Gläubigerin schon vor Erhebung der [X.] ausdrücklich von ih-rem Vollstreckungsauftrag ausgenommen. Der Sache nach geht
das [X.] davon aus, dass die Klägerin ausschließlich prozesszweckfremde
Ziele
verfolgt. Die [X.] und die Klage wurden kurz vor dem drit-ten Versteigerungstermin und damit zur Unzeit erhoben,
nachdem das [X.] bereits mehr als zwei Jahre zuvor eingeleitet worden war. Ferner stützt sich das Berufungsgericht
darauf, dass der im Rahmen der Zwangsversteigerung erzielte Erlös voraussichtlich nicht zur Tilgung der Grundschuld (ohne Zinsen) ausreichen werde; dies ist plausibel, nachdem sich die Hauptforderung auf ins-gesamt 500.000

s-verfügt, verneint es unter Hinweis auf die gewährte Prozesskostenhilfe. Schließ-lich
legt das Berufungsgericht seiner Würdigung zugrunde, dass die Gläubigerin ausdrücklich auf die
verjährten Zinsen
verzichtet hat. Dass der Verzicht
erst nach Klageerhebung erfolgte, ist schon deshalb unerheblich, weil die Klägerin dies nicht zum Anlass genommen hat, eine Erledigungserklärung abzugeben.

III.

1. Die Revision ist danach zurückzuweisen. Anders als das Berufungsge-richt meint, hat das [X.] die Klage allerdings als unbegründet abgewie-29
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-
14
-
sen. Dagegen sieht
das Berufungsgericht die Klage zutreffend als unzulässig an; das Verschlechterungsverbot steht dem nicht entgegen (näher [X.],
Urteil vom 5. März 2009 -
IX [X.], NJW 2009, 1671 Rn. 15
[X.]). Der Tenor
des Berufungsurteils
ist jedoch klarstellend neu zu fassen. Zwingend notwendig ist dies zwar nicht, weil der [X.] ohnehin unter Heranziehung der Urteilsgründe auszulegen ist. Der Senat hält die Klarstellung aber deshalb für angezeigt, weil das Berufungsgericht hilfsweise Ausführungen zur Begrün-detheit der Klage gemacht hat, die als nicht geschrieben gelten (vgl. [X.],
Urteil vom 10. Dezember 1953 -
IV ZR 48/53, [X.]Z 11, 222, 224; Senat,
Urteil vom 3.
Juli 2009 -
V [X.], [X.] 2010, 133 Rn. 11).

2. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Stresemann Schmidt-Räntsch Brückner

Göbel Haberkamp
Vorinstanzen:
LG [X.] (Oder), Entscheidung vom 02.04.2014 -
[X.]/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom 19.03.2015 -
5 U 54/14 -

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Meta

V ZR 230/15

21.10.2016

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.10.2016, Az. V ZR 230/15 (REWIS RS 2016, 3549)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 3549

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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