Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.11.2010, Az. 2 AZR 984/08

2. Senat | REWIS RS 2010, 1012

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Gegenstand

Personenbedingte Kündigung - mehrjährige Freiheitsstrafe


Leitsatz

Jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren zu verbüßen hat und nicht absehbar ist, ob und ggf. wann er vorzeitig aus der Haft entlassen wird, liegt im Regelfall - unbeschadet einer abschließenden Interessenabwägung - ein personenbedingter Grund zur Kündigung vor.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 9. Oktober 2008 - 21 Sa 28/08 - aufgehoben.

2. Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 30. Januar 2008 - 19 [X.]/07 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Der 1968 geborene, ledige Kläger war seit Januar 1989 bei der Beklagten als Lagerarbeiter im [X.] tätig. Sein monatlicher Bruttoverdienst betrug zuletzt 3.346,65 Euro. Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilindustrie. Sie beschäftigt regelmäßig weit mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden.

3

Am 9. Februar 2006 wurde der Kläger an seinem Arbeitsplatz durch Polizeibeamte vorläufig festgenommen, wobei auch sein Spind und sein Fahrzeug durchsucht wurden. Ab dem Folgetag erschien er wieder regelmäßig zur Arbeit.

4

Am 24. Mai 2007 - einen Tag vor Beginn eines ihm bereits bewilligten Erholungsurlaubs - teilte der Kläger der Beklagten mit, er habe am 18. Juni 2007 eine Haftstrafe anzutreten. Kurz darauf legte er seine Ladung zum [X.] vor. Daraus ergab sich, dass gegen ihn am 15. Dezember 2006 unter Einbeziehung einer vorhergehenden Verurteilung eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verhängt worden war. Er gab an, die Ladung erst in der laufenden Woche erhalten zu haben und wegen Handels mit Betäubungsmitteln verurteilt worden zu sein. Der Aufforderung der Beklagten, das strafgerichtliche Urteil vorzulegen, kam er nicht nach.

5

Mit Schreiben vom 31. Mai 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats wegen „hoher und anhaltender Abwesenheitszeiten durch Freiheitsentzug“ ordentlich zum 31. Dezember 2007.

6

Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Mit haftbedingten Störungen des Betriebsablaufs sei bei einem Großbetrieb wie dem der Beklagten nicht zu rechnen gewesen. Dieser sei die Überbrückung seiner Abwesenheitszeit zumutbar gewesen. Zumindest die Interessenabwägung falle zu seinen Gunsten aus. Das Arbeitsverhältnis sei - unstreitig - beanstandungsfrei verlaufen. Seine Mitteilungspflichten habe er erfüllt. Erst Mitte April habe er von der Verwerfung seiner Revision gegen die Verurteilung erfahren. Zu diesem Zeitpunkt sei noch nicht absehbar gewesen, wann er mit dem [X.] habe rechnen müssen. Zur Vorlage des Strafurteils sei er nicht verpflichtet gewesen.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 31. Mai 2007 nicht aufgelöst worden ist.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei gerechtfertigt. Sie habe im Kündigungszeitpunkt davon ausgehen müssen, dass der Kläger für die Dauer der verhängten Haftstrafe nicht in der Lage sein würde, seine Arbeitspflicht zu erfüllen. Eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen liege bereits im Fehlen der Möglichkeit, den Kläger bei der Personaleinsatzplanung zu berücksichtigen. Im Übrigen seien Betriebsablaufstörungen - wie im Fall der Krankheit - indiziert. Dass bei der Strafhaft anders als bei Krankheit der Zeitpunkt der Rückkehr in den Betrieb annähernd fest stehe, sei unbeachtlich. Auch im Fall eines langzeiterkrankten Arbeitnehmers sei eine Genesung nicht auszuschließen. Die Interessenabwägung führe zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger habe die [X.] selbst verschuldet. Außerdem habe er sich vor Antritt der Haft nicht kooperativ verhalten. Mangels Kenntnis von den Gründen der Verurteilung sei es ihr nicht möglich gewesen zu prüfen, ob die Taten einen Bezug zum Arbeitsverhältnis gehabt hätten.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat auf die Berufung des [X.] die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des arbeitsgeri[X.]htli[X.]hen Urteils. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist dur[X.]h die ordentli[X.]he Kündigung vom 31. Mai 2007 mit Ablauf des 31. Dezember 2007 aufgelöst worden.

I. Die Kündigung ist dur[X.]h Gründe in der Person des [X.] sozial gere[X.]htfertigt iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KS[X.]hG.

1. Als personenbedingter Grund zur Kündigung kommen sol[X.]he Umstände in Betra[X.]ht, die auf einer in den persönli[X.]hen Verhältnissen oder Eigens[X.]haften des Arbeitnehmers liegenden „Störquelle“ beruhen (Senat 5. Juni 2008 - 2 [X.] - Rn. 27 mwN, [X.] § 626 Nr. 212 = EzA KS[X.]hG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 22). Dazu zählt - anknüpfend an Wertungen des Gesetzgebers in § 72 Abs. 1 Nr. 3 HGB aF - au[X.]h eine Arbeitsverhinderung, die auf einer Straf- oder Untersu[X.]hungshaft beruht (Senat 22. September 1994 - 2 [X.] 719/93 - zu II 1 der Gründe, [X.] 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KS[X.]hG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11; 15. November 1984 - 2 [X.] 613/83 - zu II 1 b der Gründe, [X.] § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95). Diese Betra[X.]htung lässt es zu, auf eine mögli[X.]he Resozialisierung des straffällig gewordenen Arbeitnehmers Beda[X.]ht zu nehmen. Ni[X.]ht jede Freiheitsstrafe kann ohne Rü[X.]ksi[X.]ht auf ihre Dauer und ihre Auswirkungen zum Verlust des Arbeitsplatzes führen (Senat 15. November 1984 - 2 [X.] 613/83 - aaO).

Eine Würdigung des Ges[X.]hehens unter verhaltensbedingten Gründen ist nur veranlasst, wenn die der Verurteilung zugrunde liegenden Taten einen Bezug zum Arbeitsverhältnis haben oder der Arbeitnehmer auf andere Weise arbeitsvertragli[X.]he Pfli[X.]hten, insbesondere seine Pfli[X.]ht zur Rü[X.]ksi[X.]htnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt hat (vgl. Senat 10. September 2009 - 2 [X.] 257/08 - Rn. 19 ff., [X.] 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KS[X.]hG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77). Auf einen sol[X.]hen, im Verhalten des [X.] begründeten Kündigungssa[X.]hverhalt beruft si[X.]h die [X.] ni[X.]ht. Sie stützt die Kündigung auss[X.]hließli[X.]h auf die haftbedingten Abwesenheitszeiten des [X.]. Die geltend gema[X.]hten Versäumnisse bei der Unterri[X.]htung über seine Freiheitsstrafe sollen ersi[X.]htli[X.]h nur unterstützend Berü[X.]ksi[X.]htigung finden.

2. Voraussetzung einer - ordentli[X.]hen wie außerordentli[X.]hen - Kündigung wegen [X.] Arbeitsverhinderung ist, dass der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig erhebli[X.]he [X.] ni[X.]ht in der Lage sein wird, seine arbeitsvertragli[X.]hen Verpfli[X.]htungen zu erfüllen (Senat 20. November 1997 - 2 [X.] 805/96 - zu II 3 der Gründe, [X.] 6a Nr. 154; 10. Juni 1965 - 2 [X.] 339/64 - zu III der Gründe, [X.] 17, 186). Die Ni[X.]hterfüllung der Arbeitspfli[X.]ht muss si[X.]h außerdem na[X.]hteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Da der Arbeitgeber im Fall der haftbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers typis[X.]herweise von der Lohnzahlungspfli[X.]ht befreit ist (§ 616 Satz 1, § 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 BGB), hängt es von der Dauer sowie von Art und Ausmaß der betriebli[X.]hen Auswirkungen ab, ob die Inhaftierung geeignet ist, einen Grund zur Kündigung abzugeben (Senat 20. November 1997 - 2 [X.] 805/96 - zu II 3 der Gründe, aaO; 9. März 1995 - 2 [X.] 497/94 - zu II 3 der Gründe, [X.] § 626 Nr. 123 = EzA BGB § 626 nF Nr. 154). Liegt eine bea[X.]htli[X.]he Störung vor, bedarf es der abs[X.]hließenden, alle Umstände des Einzelfalls einbeziehenden Abwägung, ob es dem Arbeitgeber unter Berü[X.]ksi[X.]htigung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar war, das Arbeitsverhältnis bis zum Wegfall des [X.] fortzusetzen (Senat 22. September 1994 - 2 [X.] 719/93 - [X.] 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KS[X.]hG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11; 15. November 1984 - 2 [X.] 613/83 - zu II 2 [X.] der Gründe, [X.] § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95). Sowohl bei der Frage, ob von einer erhebli[X.]hen Störung des [X.] auszugehen ist, als au[X.]h bei der Interessenabwägung ist im Fall einer Kündigung wegen Verbüßung einer Freiheitsstrafe zu berü[X.]ksi[X.]htigen, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsverhinderung in aller Regel zu vertreten hat. Deshalb sind dem Arbeitgeber zur Überbrü[X.]kung regelmäßig ni[X.]ht die glei[X.]hen Anstrengungen und Belastungen zuzumuten wie etwa bei einer Krankheit (Senat 9. März 1995 - 2 [X.] 497/94 - aaO).

3. Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt ein Kündigungsgrund vor. Das Arbeitsverhältnis war im Kündigungszeitpunkt dur[X.]h die haftbedingt zu erwartende Arbeitsverhinderung des [X.] erhebli[X.]h belastet. Das Freihalten des Arbeitsplatzes war der [X.]n na[X.]h den Umständen des Falls ni[X.]ht zumutbar.

a) Maßgebli[X.]he Beurteilungsgrundlage für die Re[X.]htmäßigkeit einer Kündigung sind die objektiven Verhältnisse im [X.]punkt des Zugangs der Kündigungserklärung. Die tatsä[X.]hli[X.]he Entwi[X.]klung na[X.]h [X.] kann nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zur Bestätigung oder Korrektur einer zuvor getroffenen Prognose herangezogen werden (Senat 10. Juni 2010 - 2 [X.] 541/09 - Rn. 52, [X.] 2010, 1227; 27. November 2003 - 2 [X.] 48/03 - zu [X.] a der Gründe, [X.] 109, 40).

b) Im Kündigungszeitpunkt musste die [X.] aufgrund der gegen den Kläger re[X.]htskräftig verhängten Freiheitsstrafe damit re[X.]hnen, dass dieser für die Dauer von mehr als zwei Jahren an seiner Arbeitsleistung verhindert wäre. [X.] Anhaltspunkte für eine Vollzugslo[X.]kerung dur[X.]h die Gewährung von Freigang (§ 11 [X.] in der bis 31. Dezember 2009 geltenden Fassung) lagen na[X.]h den Feststellungen des [X.] ni[X.]ht vor. Dass ihm dies konkret, etwa im Rahmen eines Vollzugsplans (§ 7 [X.]) in Aussi[X.]ht gestellt worden wäre, hat der Kläger ni[X.]ht behauptet. Die na[X.]h § 57 Abs. 1 StGB grundsätzli[X.]h bestehende Mögli[X.]hkeit, eine mehr als zweijährige Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn der Arbeitnehmer zwei Drittel der verhängten Strafe verbüßt hat, war bei der [X.] ni[X.]ht zugunsten des [X.] zu berü[X.]ksi[X.]htigen. Na[X.]h § 57 Abs. 1 StGB ist wesentli[X.]her Ents[X.]heidungsgesi[X.]htspunkt für die vorzeitige Haftentlassung ua. das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug und ni[X.]ht zuletzt ihre Einwilligung. Dies konnte von der [X.]n ni[X.]ht vorauss[X.]hauend für den [X.]punkt beurteilt werden, zu dem die Strafvollstre[X.]kungsbehörde voraussi[X.]htli[X.]h über die vorzeitige Haftentlassung ents[X.]heiden würde. Statistis[X.]he Werte sagen über die Entwi[X.]klung im konkreten Einzelfall ni[X.]hts aus.

[X.]) Mit der Frage, wel[X.]he Anforderungen na[X.]h § 1 Abs. 2 KS[X.]hG an die betriebli[X.]hen Auswirkungen der Strafhaft zu stellen sind, wenn im Kündigungszeitpunkt mit einer mehrjährigen haftbedingten Ni[X.]hterfüllung der Arbeitspfli[X.]ht zu re[X.]hnen war, hat si[X.]h der Senat no[X.]h ni[X.]ht eingehend befassen müssen. Gegenstand einer früheren Ents[X.]heidung war eine fristlose, hilfsweise ordentli[X.]he Kündigung eines Arbeitnehmers aufgrund einer Freiheitsstrafe von drei Monaten ohne Bewährung. Seine Auffassung, (au[X.]h) die ordentli[X.]he Kündigung sei unwirksam, hat der Senat im Wesentli[X.]hen damit begründet, dass die einzuhaltende Kündigungsfrist länger war als die Dauer der zu [X.] Freiheitsstrafe und der Arbeitgeber daher bereits vor Ablauf der Frist wieder auf den Arbeitnehmer hätte zurü[X.]kgreifen können (15. November 1984 - 2 [X.] 613/83 - zu II 2 b bb, [X.] und 3 [X.] der Gründe, [X.] § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95). Im Hinbli[X.]k auf eine dreimonatige Untersu[X.]hungshaft hat der Senat eine ordentli[X.]he Kündigung mit der Begründung für unwirksam era[X.]htet, es fehle an - negativen oder positiven - Erkenntnissen über die voraussi[X.]htli[X.]he Haftdauer und erhebli[X.]he betriebli[X.]he Auswirkungen seien ni[X.]ht festgestellt (20. November 1997 - 2 [X.] 805/96 - zu II 3 der Gründe, [X.] 6a Nr. 154). In dem Fall einer bei [X.] bereits sieben Monate andauernden Untersu[X.]hungshaft hat er die Kündigung für wirksam era[X.]htet und ausgeführt, der Darlegung konkreter Betriebsablaufstörungen habe es ni[X.]ht bedurft, da im Kündigungszeitpunkt völlig ungewiss gewesen sei, ob der Arbeitnehmer je auf seinen Arbeitsplatz zurü[X.]kkehren und wann dies der Fall sein würde. Dabei hat er auf die zur Kündigung wegen langanhaltender Krankheit entwi[X.]kelten Re[X.]htsgrundsätze abgestellt und ausgeführt, Umstände, die geeignet seien, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu re[X.]htfertigen, re[X.]htfertigen allemal eine Kündigung wegen Inhaftierung (Senat 22. September 1994 - 2 [X.] 719/93 - zu II 1 b der Gründe, [X.] 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KS[X.]hG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11).

d) Der Senat geht generell von dem Grundsatz aus, der weiteren Darlegung von Betriebsablaufstörungen bedürfe es ni[X.]ht, wenn der Arbeitnehmer auf Dauer an der Arbeitsleistung gehindert ist (3. Dezember 1998 - 2 [X.] 773/97 - zu II 1 und 2 d der Gründe mwN, [X.] 90, 230). Dem steht es im Fall langanhaltender Erkrankung glei[X.]h, wenn im Kündigungszeitpunkt die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit völlig ungewiss ist und mit ihr jedenfalls in absehbarer [X.] ni[X.]ht gere[X.]hnet werden kann. Als absehbare [X.] ist dabei mit Bli[X.]k auf die Regelungen zur sa[X.]hgrundlosen Befristung (§ 14 Abs. 2 Satz 1 [X.]; § 1 Abs. 1 Bes[X.]hFG aF) ein [X.]raum von bis zu 24 Monaten anzusehen. Eine sol[X.]he [X.]spanne kann dur[X.]h Einstellung einer Ersatzkraft in einem befristeten Arbeitsverhältnis bei geringen re[X.]htli[X.]hen Risiken überbrü[X.]kt werden (Senat 29. April 1999 - 2 [X.] 431/98 - zu II 3 a der Gründe, [X.] 91, 271; seither [X.]., bspw. Senat 12. Juli 2007 - 2 [X.] 716/06 - Rn. 27, [X.] 123, 234).

e) Eine unmittelbare Übertragung dieser Grundsätze auf die Fälle re[X.]htskräftig verhängter zeitiger Freiheitsstrafe kommt ni[X.]ht in Betra[X.]ht. Bei diesen ist der Wegfall des [X.] im Kündigungszeitpunkt ni[X.]ht ungewiss. Vielmehr steht grundsätzli[X.]h fest, für wel[X.]hen [X.]raum der Arbeitnehmer längstens an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert sein wird. Tatsa[X.]hen, aus denen si[X.]h im Streitfall etwas anderes ergeben könnte, hat die [X.] ni[X.]ht substantiiert dargetan. Soweit sie meint, bei einer Verurteilung wegen Drogenhandels - wie hier - sei regelmäßig mit der Aufde[X.]kung weiterer Taten und dementspre[X.]hend einer Haftzeitverlängerung (Überhaft) zu re[X.]hnen, bewegt sie si[X.]h im spekulativen Berei[X.]h.

f) Glei[X.]hwohl war der [X.]n wegen der Dauer der verhängten Freiheitsstrafe und der damit zusammenhängenden Störung des [X.] ein Festhalten am Arbeitsverhältnis über die ordentli[X.]he Kündigungsfrist hinaus ni[X.]ht zumutbar. Der Darlegung konkreter Betriebsablaufstörungen bedurfte es angesi[X.]hts der vom Kläger no[X.]h zu [X.], 24 Monate übersteigenden Freiheitsstrafe ni[X.]ht.

aa) Der Arbeitsvertrag ist auf den ständigen Austaus[X.]h von Leistung und Gegenleistung geri[X.]htet. Die Verpfli[X.]htung des Arbeitnehmers geht dahin, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, damit dieser sie im Rahmen seiner arbeitsteiligen Betriebsorganisation sinnvoll einsetzen kann. Ist der Arbeitnehmer dazu ni[X.]ht in der Lage, tritt hinsi[X.]htli[X.]h seiner Arbeitsleistung Unmögli[X.]hkeit ein, wenn - wie bei lang andauernder Arbeitsverhinderung die Regel - eine Na[X.]hleistung beiden Seiten ni[X.]ht zugemutet werden kann ([X.]/Preis 10. Aufl. § 611 BGB Rn. 676). Zuglei[X.]h ist der Arbeitgeber gehindert, von seinem Weisungsre[X.]ht Gebrau[X.]h zu ma[X.]hen, und muss, wenn er seine bisherige [X.] unverändert aufre[X.]hterhalten will, für eine anderweitige Erledigung der Arbeit sorgen. Bereits darin liegt eine Beeinträ[X.]htigung der betriebli[X.]hen Interessen.

bb) Der [X.]n war es ni[X.]ht zumutbar, zur Beseitigung dieser langfristigen Störung bloße Überbrü[X.]kungsmaßnahmen zu ergreifen und dem Kläger den Arbeitsplatz bis zur Rü[X.]kkehr aus der Haft freizuhalten.

(1) Angesi[X.]hts der in der Regel vom Arbeitnehmer selbst vers[X.]huldeten Arbeitsverhinderung ist fragli[X.]h, ob dem Arbeitgeber bei re[X.]htskräftig verhängter Freiheitsstrafe überhaupt zugemutet werden kann, für die [X.] na[X.]h Ablauf der Kündigungsfrist Überbrü[X.]kungsmaßnahmen zu ergreifen, wenn eine Wiederaufnahme der Arbeit ni[X.]ht kurzfristig zu erwarten steht (vgl. Mün[X.]hKommBGB/[X.] 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 204). Au[X.]h bei befristeter Einstellung läuft er immerhin Gefahr, auf den unbefristeten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in Anspru[X.]h genommen zu werden. Hält er eine Personalreserve vor, dient diese übli[X.]herweise ni[X.]ht dem Zwe[X.]k, haftbedingte Ausfälle zu überbrü[X.]ken. Au[X.]h mögen zwar die Folgen langer Strafhaft für den Arbeitgeber besser zu kalkulieren sein als die einer Untersu[X.]hungshaft von unabsehbarer Dauer. Denno[X.]h besteht die Unsi[X.]herheit, ob ni[X.]ht der Arbeitnehmer gerade vorzeitig aus der Haft entlassen oder ihm eine Vollzugslo[X.]kerung gewährt wird. Erlangt der Arbeitgeber davon ni[X.]ht re[X.]htzeitig Kenntnis, kann dies dazu führen, dass er sowohl von der Ersatzkraft als au[X.]h von dem aus der Haft entlassenen Arbeitnehmer auf Lohnzahlung in Anspru[X.]h genommen wird ([X.]. zu Senat 9. März 1995 - 2 [X.] 497/94 - [X.] 1996, 37, 38).

(2) Zumindest dann, wenn im Kündigungszeitpunkt no[X.]h eine Haftstrafe von mehr als zwei Jahren zu verbüßen ist und eine Entlassung vor Ablauf von zwei Jahren ni[X.]ht si[X.]her zu erwarten steht, kann dem Arbeitgeber regelmäßig ni[X.]ht zugemutet werden, ledigli[X.]h Überbrü[X.]kungsmaßnahmen zu ergreifen und auf eine dauerhafte Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu verzi[X.]hten. Dabei ist neben den angespro[X.]henen Unwägbarkeiten zu berü[X.]ksi[X.]htigen, dass dem Arbeitgeber die Mögli[X.]hkeit zur Bes[X.]häftigung einer Aushilfskraft im sa[X.]hgrundlos befristeten Arbeitsverhältnis ledigli[X.]h für einen [X.]raum von 24 Monaten eröffnet ist. Er kann deshalb bei längerer Haftzeit ni[X.]ht damit re[X.]hnen, die Abwesenheit des Arbeitnehmers einigermaßen problemlos überbrü[X.]ken zu können. Hinzu kommt, dass mit zunehmender Haftdauer die Verwirkli[X.]hung des Vertragszwe[X.]ks in Frage gestellt wird. Eine mehrjährige Abwesenheit des Arbeitnehmers geht typis[X.]herweise mit einer Lo[X.]kerung seiner Bindungen an den Betrieb und die Belegs[X.]haft sowie dem Verlust von Erfahrungswissen einher, das aus der tägli[X.]hen Routine resultiert. Dementspre[X.]hend muss der Arbeitgeber bei der Rü[X.]kkehr eines langjährig inhaftierten Arbeitnehmers mit Einarbeitungsaufwand re[X.]hnen.

Eine Verpfli[X.]htung des Arbeitgebers, selbst bei mehrjähriger Haftstrafe bloße Überbrü[X.]kungsmaßnahmen zu ergreifen, besteht au[X.]h ni[X.]ht aus Gründen der Resozialisierung. Zwar ist bei kurzzeitigen Inhaftierungen oder in Fällen, in denen na[X.]h Ablauf der Kündigungsfrist zeitnah eine Weiterbes[X.]häftigung im offenen Vollzug mögli[X.]h ist, auf die entspre[X.]henden Belange des Arbeitnehmers angemessen Rü[X.]ksi[X.]ht zu nehmen. Dies re[X.]htfertigt es aber ni[X.]ht, vom Arbeitgeber zu verlangen, den Arbeitsplatz für den inhaftierten Arbeitnehmer für voraussi[X.]htli[X.]h mehr als zwei Jahre frei zu halten und ihm die damit verbundenen Lasten aufzuerlegen. Dies gilt insbesondere angesi[X.]hts des Umstands, dass der Gesetzgeber für die Fälle, in denen er es für erforderli[X.]h era[X.]htet, dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz bei persönli[X.]her Leistungsverhinderung mit Rü[X.]ksi[X.]ht auf übergeordnete Interessen (S[X.]hutz von Ehe und Familie; Erfüllung staatsbürgers[X.]haftli[X.]her Pfli[X.]hten) zu si[X.]hern, ausdrü[X.]kli[X.]he, eigenständige Regelungen (bspw. §§ 15, 16 [X.]; §§ 3, 4 [X.]; § 1 ArbPlS[X.]hG) getroffen hat. Die dur[X.]haus strengeren Anforderungen an eine Kündigung wegen lang anhaltender Erkrankung re[X.]htfertigen si[X.]h daraus, dass eine Krankheit - anders als Freiheitsstrafe - für den Betroffenen in der Regel unvermeidbar war.

(3) Damit wird ni[X.]ht, wie der Kläger meint, der Anerkennung eines „absoluten Kündigungsgrunds“ Vors[X.]hub geleistet. Die Frage, ob dem Arbeitgeber Überbrü[X.]kungsmaßnahmen zumutbar waren oder ni[X.]ht, betrifft ledigli[X.]h ein Element des Kündigungsgrundes. Ihre Beantwortung ist das Ergebnis einer die Interessen des Arbeitnehmers einbeziehenden Gesamtwürdigung.

[X.][X.]) Die Besonderheiten des vorliegenden Falls verlangen keine andere Beurteilung. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger alsbald einen [X.]tatus erlangen würde, waren bei [X.] ni[X.]ht ersi[X.]htli[X.]h. Es bestand au[X.]h keine Verpfli[X.]htung der [X.]n, den Kläger in einem sol[X.]hen Bemühen zu unterstützen. Eine dahingehende, aus § 241 Abs. 2 BGB abzuleitende Mitwirkungspfli[X.]ht des Arbeitgebers ist nur gegeben, wenn die Bes[X.]häftigung eines „[X.]“ für ihn ni[X.]ht risikobehaftet ist (vgl. Senat 9. März 1995 - 2 [X.] 497/94 - zu II 5 der Gründe, [X.] § 626 Nr. 123 = EzA BGB § 626 nF Nr. 154). Dies sa[X.]hgere[X.]ht zu beurteilen war der [X.]n ni[X.]ht mögli[X.]h. Der Kläger war ni[X.]ht bereit gewesen, ihr auf Anfrage Einsi[X.]ht in das Strafurteil zu gewähren. Hier bestand eine Obliegenheit zur Offenlegung der Gründe seiner Verurteilung jedenfalls deshalb, weil er gerade im Betrieb vorläufig festgenommen und sein Spind dur[X.]hsu[X.]ht worden war. Einen anderen Weg, wie si[X.]h die [X.] in geeigneter Weise der Risikofreiheit einer Bes[X.]häftigung hätte vergewissern können, hat der Kläger ni[X.]ht aufgezeigt.

4. Die Interessenabwägung führt ni[X.]ht zu einem Überwiegen der Belange des [X.]. Zwar ist zu dessen Gunsten seine 18 Jahre lange, beanstandungsfrei gebliebene Bes[X.]häftigungszeit zu berü[X.]ksi[X.]htigen. Glei[X.]hwohl geht das Beendigungsinteresse der [X.]n vor. Der Kläger hat seinen langen Ausfall selbst vers[X.]huldet und es kommt hinzu, dass er die [X.] sogar na[X.]h Erhalt der Ladung zum Haftantritt ni[X.]ht unverzügli[X.]h unterri[X.]htet, sondern damit bis zum Antritt seines Erholungsurlaubs zugewartet hat. Seine Pfli[X.]ht zur Rü[X.]ksi[X.]htnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) hätte stattdessen geboten, der [X.]n spätestens bei der Ladung zum Haftantritt die Chan[X.]e zu geben, si[X.]h auf die künftigen Gegebenheiten einzustellen.

II. Ein anderer [X.] liegt ni[X.]ht vor. Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats hat der Kläger in der Berufungsinstanz ni[X.]ht mehr in Zweifel gezogen, na[X.]hdem die [X.] dazu erstinstanzli[X.]h im Einzelnen vorgetragen hatte.

III. Die Einhaltung der für das Arbeitsverhältnis maßgebenden Kündigungsfrist steht zwis[X.]hen den Parteien außer Streit. Sie ist ersi[X.]htli[X.]h au[X.]h gewahrt.

IV. Die Kostenents[X.]heidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    S[X.]hmitz-S[X.]holemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Grimberg    

        

    Bartz    

                 

Meta

2 AZR 984/08

25.11.2010

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Stuttgart, 30. Januar 2008, Az: 19 Ca 6145/07, Urteil

§ 1 KSchG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.11.2010, Az. 2 AZR 984/08 (REWIS RS 2010, 1012)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1012

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