Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.08.2000, Az. 3 StR 224/00

3. Strafsenat | REWIS RS 2000, 1355

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[X.] DES VOLKESURTEIL3 [X.]/00vom23. August 2000in der Strafsachegegenwegen gefährlicher Körperverletzung u.a.- 2 -Der 3. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 23. [X.], an der teilgenommen haben:Richterin am [X.]. [X.] als Vorsitzende,[X.] am [X.]. [X.],[X.],[X.],von [X.] als beisitzende Richter,Staatsanwalt in der Verhandlung,Staatsanwalt bei der Verkündung als Vertreter der [X.],Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird [X.] des [X.] vom 6. Oktober1999 im Strafausspruch mit den zugehörigen Fest-stellungen aufgehoben.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuerVerhandlung und Entscheidung, auch über [X.] des Rechtsmittels, an eine andere Straf-kammer des [X.] zurückverwiesen.Von Rechts wegenGründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-zung und wegen Diebstahls mit Waffen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von [X.] und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die nunmehr aufden Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der siedie Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit beanstandet. [X.] hat Erfolg.1. Nach den Feststellungen hat der drogenabhängige und insbesonderewegen Diebstahls und [X.] erheblich vorbestrafte Angeklagte ineinem Geschäft einen Karton, in dem er einen [X.] vermutete, der jedochlediglich das zugehörige Netzteil enthielt, entwendet und wurde dabei von ei-nem Angestellten, dem Nebenkläger M. , beobachtet und bis auf die [X.] 4 -verfolgt. Nachdem der Angeklagte die Beute auf der Flucht verloren hatte, [X.] er von seinem Verfolger ergriffen und nach einem Gerangel zur Personali-enfeststellung zurückgeführt. Dabei gelang es dem Angeklagten, überraschendnach einem mitgeführten Springmesser zu greifen und es dem Verfolger in [X.] zu stoßen, der hierdurch lebensbedrohlich verletzt worden ist. [X.] Tötungsvorsatz vermochte die [X.] nicht festzustellen.Zur Frage der Schuldfähigkeit hat das [X.] zwei Sachverständigehinzugezogen. Der Psychologe Prof. Dr. L. hat bei dem Angeklagteneine akute Beeinflussung durch Heroin und Diazepam als Ausdruck einerchronischen Polytoxikomanie bei dissozialer Persönlichkeitsstörung diagnosti-ziert, die als krankhafte seelische Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB einzu-stufen sei. Obgleich das Leistungsverhalten und das Fehlen von [X.] und von Ausfallerscheinungen keinen Anhalt dafür biete, sei [X.] der akuten Intoxikation und der langjährigen Drogenabhängigkeit nichtauszuschließen, daß die Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert [X.]. Darüber hinaus reiche die festgestellte Persönlichkeitsstörung an eineschwere andere seelische Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB heran. [X.] Sachverständige Dr. K. hat ebenfalls das Vorliegen einerPolytoxikomanie bejaht und auf Grund des flvorgebrachten Substanzmiß-brauchsfl eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit nicht auszuschlie-ßen vermocht, obgleich das Verhalten des Angeklagten bei der Tat und [X.] von Erinnerungslücken nicht darauf hinweise.Die [X.] hat sich den Ausführungen der Sachverständigen ange-schlossen, wobei sie zwar darauf hingewiesen hat, daß Drogenabhängigkeit fürsich alleine noch nicht die Abhängigkeit begründen könne, diese es jedoch in- 5 -Verbindung mit der konsumierten [X.] rechtfertige, die Vorausset-zungen des § 21 StGB nach dem [X.] als nicht ausgeschlossen zuerachten.2. Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht [X.]) Die [X.] lassen besorgen, daß der [X.] nichtausreichend bewußt war, daß es sich bei der Frage, ob eine Verminderung [X.] erheblich im Sinne des § 21 StGB ist, um eine Rechtsfragehandelt, die der Tatrichter ohne Bindung an die Äußerungen von [X.] zu beantworten hat. Dabei fließen normative Überlegungen ein. Dierechtliche Erheblichkeit der Verminderung des [X.]s hängtentscheidend von den Ansprüchen ab, die durch die Rechtsordnung an [X.] eines in seiner Steuerungsfähigkeit beeinträchtigten [X.] ge-stellt werden müssen (BGHSt 43, 66, 77; [X.], 395). Dies zu beur-teilen und zu entscheiden ist Sache des Richters, der allenfalls zur Beurteilungder Vorfrage nach den medizinisch-psychiatrischen Anknüpfungstatsachensachverständiger Hilfe bedarf (BGHR StGB § 21 Erheblichkeit 2 m.w.[X.]) Es kommt hinzu, daß die [X.] zwar auf die Ausführungen bei-der Sachverständiger Bezug genommen hat, nicht aber hat erkennen lassen,ob sie ihrer Entscheidung auch die nur von dem psychologischen, nicht abervon dem psychiatrischen Sachverständigen diagnostizierte [X.] zugrunde gelegt hat. Damit ist für eine Nachprüfung durch [X.] die maßgebliche Beurteilungsgrundlage [X.] 6 -c) Das [X.] hat bei der Heranziehung der langjährigen Drogenab-hängigkeit des Angeklagten zwar allgemein ausgeführt, daß diese für sich [X.] die Anwendung des § 21 StGB nicht rechtfertigen könne, sich [X.] im einzelnen mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen [X.] ausnahmsweise eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeitangenommen werden kann und inwiefern diese Voraussetzungen beim Ange-klagten vorgelegen haben. Nach der Rechtsprechung des [X.]sind solche Folgen ausnahmsweise gegeben, wenn langjähriger Betäubungs-mittelgenuß zu schwerster Persönlichkeitsveränderung geführt hat oder [X.] unter starken Entzugserscheinungen leidet und durch sie dazu getriebenwird, sich mittels einer Straftat Drogen zu verschaffen, ferner unter [X.], wenn er das Delikt im Zustand eines akuten Rausches verübt hat(st.Rspr., vgl. BGHR StGB § 21 BtM-Auswirkungen 12 m.w.Nachw.). Für einedurch den Drogenkonsum bedingte Persönlichkeitsveränderung ist auch den inden Urteilsgründen wiedergebenen Äußerungen der Sachverständigen nichtszu entnehmen. Ebensowenig bestehen Anhaltspunkte für Entzugserscheinun-gen, da der Angeklagte kurz zuvor Drogen konsumiert hatte, noch für eine Be-schaffungstat, da er nach den Feststellungen zum einen noch über restlicheDrogen verfügte und zum anderen das Geschäft betreten hatte, um einen Kas-settenrecorder käuflich zu erwerben.d) Aber auch ein akuter Rausch im Sinne des § 21 StGB ist nicht hinrei-chend belegt. Dazu genügt die allgemeine und nicht näher begründete [X.] nicht, daß der vom Angeklagten angegebene aktuelle Drogenkonsumgrundsätzlich geeignet sei, die Steuerungsfähigkeit erheblich zu vermindern.Entscheidend ist vielmehr die Überzeugung des Tatrichters, daß sich der [X.] tatsächlich erheblich auf das [X.] ausgewirkt hat oder- 7 -dies zumindest nicht auszuschließen ist. Dabei hätte sich die [X.] da-mit auseinandersetzen müssen, daß nach ihren Feststellungen das eingenom-mene Heroin von so schlechter Qualität war, daß sich der Angeklagte veran-laßt sah, zusätzlich noch zehn Tabletten Diazepam zu erwerben, von denen ernur sechs zu sich genommen hat. Für einen konkreten Einfluß der konsumier-ten Drogen auf das Verhalten des Angeklagten vor, bei und nach der Tat, ins-besondere auf seinen Tatentschluß ist den Urteilsgründen nichts zu entneh-men. Er liegt nach den Feststellungen eher fern, zumal auch die [X.] keinen Hinweis auf ein vermindertes Leistungsverhalten oder [X.] gefunden haben und der Entschluß zu einem Diebstahl und zuder nachfolgenden Gewaltanwendung für den einschlägig, auch wegen Wider-standes, mehrfach vorbestraften Angeklagten nicht wesensfremd ist.Zur Strafzumessung weist der Senat im übrigen darauf hin, daß die straf-mildernde Berücksichtigung des Umstandes, daß der Angeklagte beim Dieb-stahl mit Waffen das Messer nicht eingesetzt hatte ([X.]), bedenklich [X.]. Dieser Tatbestand wird dadurch gekennzeichnet, daß der Täter [X.] nur bei sich führt. Denn wenn er sie zur Durchführung der [X.] - und sei es nur zur Drohung - einsetzen würde, käme der mit höhererStrafdrohung bewehrte Tatbestand des schweren Raubes in Betracht. Ebensokönnen bei der Strafzumessung für den Tatbestand der [X.] ([X.]) nur dann strafmildernd herangezogenwerden, wenn diese rechtswidrig erfolgt waren. Denn ein Dieb, der auf [X.] betroffen wird und sich seines Verfolgers durch den Einsatz eines [X.] -entledigt, kann sich nicht darauf berufen, dieser habe im Rahmen der Sicher-stellung der Beute und Festnahme des [X.] nach § 127 StPO unmittelbareGewalt ausgeübt, die nach der Rechtsordnung gerechtfertigt war.[X.] [X.] [X.] [X.] von [X.]

Meta

3 StR 224/00

23.08.2000

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.08.2000, Az. 3 StR 224/00 (REWIS RS 2000, 1355)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 1355

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