Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.04.2006, Az. 4 StR 99/06

4. Strafsenat | REWIS RS 2006, 3821

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[X.]/06 vom 27. April 2006 in der Strafsache gegen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. - 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. April 2006 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 11. November 2005 a) im Schuldspruch dahin geändert, dass die [X.] wegen tateinheitlich begangener sexueller Nö-tigung (Fälle [X.] bis 3 der Urteilsgründe) entfällt, b) im Ausspruch über die in den Fällen [X.] bis 3 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und im [X.] aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des [X.]. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs ei-nes Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch Schutzbefohlener in vier Fällen, "davon dreimal in jeweils zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen und in Tateinheit mit sexueller Nötigung", sowie wegen eines weiteren Falles des sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier 1 - 3 - Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er allgemein die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der [X.] hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, soweit das Land-gericht ihn wegen sexuellen Missbrauchs seiner leiblichen, zur Tatzeit 10 bzw. 7 Jahre alten Töchter (§§ 174 Abs. 1 Nr. 3, 176 Abs. 1 StGB) und der zur Tatzeit 13-jährigen [X.] (§ 176 Abs. 1 StGB) verurteilt hat. Dagegen hat das Ur-teil keinen Bestand, soweit das [X.] den Angeklagten in den Fällen [X.] bis 3 der Urteilsgründe auch jeweils der (tateinheitlich begangenen) sexuellen Nötigung (§ 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB) für schuldig befunden hat. 2 2. Die Annahme des [X.]s, der Angeklagte habe in den genann-ten Fällen die sexuellen Handlungen, soweit sie sich gegen seine jüngere, noch 7-jährige Tochter richteten, unter Ausnutzung einer schutzlosen Lage im Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB, in der sich das Kind befunden habe, vorgenom-men, wird von den Feststellungen nicht getragen. 3 Die sexuellen Übergriffe fanden in der Wohnung des Angeklagten statt, in der ihn seine Töchter, die bei seiner geschiedenen Ehefrau lebten, seit sei-nem Einzug vor etwa zwei Jahren regelmäßig an jedem zweiten Wochenende besuchten. Wie der [X.] in seiner Antragsschrift vom 20. März 2006 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des [X.] (vgl. nur [X.], 533; 2005, 267) zutreffend näher ausgeführt hat, belegen die Feststellungen schon objektiv nicht, dass sich das siebenjährige Mädchen in einer schutzlosen Lage im Sinne der genannten Strafvorschrift befand. Eine 4 - 4 - solche ergab sich für das Kind entgegen der Auffassung des [X.]s auch nicht bereits daraus, dass es bei den Taten zusammen mit seiner 10-jährigen Schwester in der ihm "zwar nicht völlig unbekannten, aber letztlich nach Lage und weiterer Umgebung fremden Wohnung des Angeklagten" mit diesem allein war. Davon abgesehen sind hier auch die weiteren tatbestandlichen Voraus-setzungen des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht gegeben. Durch diese Vorschrift werden diejenigen Fälle erfasst, in denen das Opfer ohne Anwendung von Ge-walt oder (qualifizierter) Drohung durch den Täter dessen sexuelle Handlungen über sich ergehen lässt, weil es sich in einer hilflosen Lage befindet und [X.] gegen den überlegenen Täter aussichtslos erscheint (st. Rspr.; [X.]St 45, 253, 259 f.). Dies setzt nicht nur voraus, dass das Opfer [X.] wovon das Land-gericht ausgegangen ist [X.] mit den sexuellen Handlungen nicht einverstanden ist. Vielmehr verlangt der qualifizierte Tatbestand nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung eine innere Verknüpfung zwischen der Zwangslage des Opfers und den sexuellen Handlungen dergestalt, dass das Opfer die tatsächlichen Umstände seiner spezifischen Zwangslage (Schutzlosigkeit) erkennt und gera-de im Hinblick hierauf, nämlich aus Furcht vor möglichen Gewalteinwirkungen des Täters von Widerstand absieht, weil es diesen aufgrund des [X.] für sinnlos erachtet ([X.], Urteil vom 25. Januar 2006 - 2 StR 345/05, [X.], 1146, 1148, zur [X.] in [X.]St bestimmt, unter Aufgabe von [X.] NStZ 2004, 440; [X.], Beschluss vom 26. August 2005 [X.] 3 StR 260/05). Dafür, dass es sich hier so verhält und das siebenjährige Mädchen die sexuellen Übergriffe nur deshalb über sich ergehen ließ, weil es im Hinblick auf die Situation in der Wohnung des Angeklagten keine Hilfe erhoffte (vgl. [X.], Beschluss vom 29. Oktober 2002 [X.] 3 StR 358/02), ist auch dem [X.] nichts zu entnehmen. Der Senat schließt auch 5 - 5 - aus, dass sich auf Grund neuer Verhandlung Umstände ergeben können, die eine Verurteilung nach § 177 StGB tragen könnten. Er ändert deshalb den Schuldspruch dahin, dass die tateinheitliche Verurteilung wegen sexueller Nöti-gung entfällt. 3. Die Änderung des Schuldspruchs hat die Aufhebung der in den Fällen [X.] bis 3 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen von jeweils zwei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe zur Folge, die auch zugleich die [X.] bilden. Dies gilt hier schon deshalb, weil das [X.] die Strafen in diesen Fällen dem - gegenüber § 176 Abs. 1 StGB höheren - Strafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB entnommen und zudem ausdrücklich in diesen Fällen die [X.] Verwirklichung von drei Straftatbeständen straferschwerend gewertet hat. Die Aufhebung dieser Einzelstrafen zieht auch die Aufhebung des [X.] nach sich. 6 - 6 - Die dem Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils zu Grunde liegenden Feststellungen werden durch den aufgezeigten Rechtsfehler, der le-diglich die rechtliche Wertung durch das [X.] betrifft, nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. 7 Tepperwien Maatz Kuckein Ernemann Sost-Scheible

Meta

4 StR 99/06

27.04.2006

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.04.2006, Az. 4 StR 99/06 (REWIS RS 2006, 3821)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 3821

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