Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.11.2019, Az. IX ZB 56/19

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 962

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[X.]:[X.]:[X.]:2019:291119B[X.]56.19.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

Beschluss
IX ZB
56/19
vom

29. November
2019

in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der

-

2

-

Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch
den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Kayser,
den
Richter Prof. Dr. Gehrlein, die Richterin [X.] und [X.] Schoppmeyer und Röhl

am 29. November
2019
beschlossen:

Die Vollstreckung aus dem Beschluss der 14. Zivilkammer des [X.] vom 9. September 2019 wird bis zur Ent-scheidung über die Rechtsbeschwerde ausgesetzt.

Gründe:

I.

Die weitere Beteiligte zu 2
(nachfolgend: Gläubigerin) ist Inhaberin meh-rerer
im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin
festgestellter Forderungen. Sie hat Einsicht in die Insolvenzakten und die [X.] beantragt. Das Amtsgericht

Rechtspfleger

hat den Antrag abgelehnt. Das [X.]
hat dem Begehren auf die Beschwerde der Gläubigerin
durch [X.] des
Einzelrichters
stattgegeben. Dagegen richtet sich die
von dem [X.] zugelassene
Rechtsbeschwerde der
Schuldnerin. Ferner beantragt sie, die Vollstreckung der angefochtenen Entscheidung auszusetzen.

1
-

3

-

II.

Der Antrag ist begründet.

1. Das Rechtsbeschwerdegericht kann im Wege der einstweiligen An-ordnung gemäß §
570 Abs.
3
Halbs. 1, §
575 Abs. 5 ZPO die Vollziehung einer Entscheidung des [X.] aussetzen, wenn durch die Vollziehung dem Rechtsbeschwerdeführer größere Nachteile drohen als dem Gegner, die Rechtsbeschwerde zulässig erscheint und das Rechtsmittel des [X.] nicht von vornherein ohne Erfolgsaussicht ist ([X.], Beschluss vom 21.
März 2002

IX
ZB 48/02, NJW 2002, 1658
f; vom 27.
Juli 2006

IX
ZB 204/04, [X.]Z 169, 17 Rn. 31; vom 14.
Februar 2012

VIII
ZB 3/12, [X.], 158 Rn. 3 mwN).
Der Erfolg des Antrags hängt nicht davon ab, ob bereits im [X.] um [X.] nachgesucht wurde ([X.],
Beschluss vom 19. Januar 2017 -
I
ZB 94/16, [X.], 782 Rn. 6).

2. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben.

a) Durch die Vollziehung der
Akteneinsicht drohen der Schuldnerin
grö-ßere Nachteile als der Gläubigerin im Falle eines Vollstreckungsaufschubs.
De-ren
Interessen kann genügt werden, indem
die Einsichtnahme in die Akte erst nach Erlass der Entscheidung im Rechtsbeschwerdeverfahren erfolgt. Es ist nicht ersichtlich, dass Belange
der Gläubigerin durch eine Verzögerung der Einsichtnahme beeinträchtigt werden.

b) [X.] ist gemäß §
574 Abs.
1 Satz 1 Nr. 2, Abs.
3 ZPO statthaft und auch sonst zulässig.

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3
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5
6
-

4

-

aa) [X.] ist nur eröffnet, wenn zuvor die sofortige Be-schwerde statthaft war. Hat das Beschwerdegericht fälschlich eine unanfecht-bare Entscheidung auf die sofortige Beschwerde hin geändert, ist die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde selbst dann unstatthaft, wenn das Beschwerde-gericht sie zugelassen hat ([X.], Beschluss vom 25.
Juni 2009

IX
ZB 161/08, [X.], 1582 Rn. 5 mwN). War die sofortige Beschwerde unstatthaft, weil die angefochtene Entscheidung unanfechtbar war, fehlt es für das Verfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht an einer Grundlage. Ein für den Beschwerde-führer vom Gesetz nicht vorgesehener Rechtsmittelzug kann auch durch eine Fehlentscheidung des ersten Rechtsmittelgerichts nicht eröffnet werden ([X.], aaO Rn.
7).

bb) Die Statthaftigkeit
der sofortigen Beschwerde hat das [X.] wegen zu prüfen ([X.], aaO Rn. 8). Hier ergibt die Prüfung, dass die sofortige Beschwerde statthaft war.

(1) Der Antrag der Gläubigerin auf Akteneinsicht ist als Antrag einer [X.] auf §
299 Abs.
1 ZPO
gestützt. Handelt es sich um den [X.] eines Verfahrensbeteiligten, ist über eine Ablehnung des [X.] im Wege der sofortigen Beschwerde
nach den §§ 567 ff ZPO
und nicht im [X.]sverfahren nach den §§
23 ff [X.] zu entscheiden ([X.], [X.] 2004, 114, 115). Über den Antrag befindet
das funktional zuständige Rechtspflegeor-gan, im Eröffnungsverfahren [X.] (§
18 Abs.
1 Nr. 1 [X.]) und im eröff-neten Verfahren der Rechtspfleger

3 Nr.
2
e) [X.]). Gegen die
Entschei-dung des Richters findet die sofortige Beschwerde (§
567 ZPO)
statt.
Gleiches gilt, wenn
der
Rechtspfleger entscheidet

11 Abs.
1 [X.]).
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-

5

-

(2) Der Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde und der Rechtsbe-schwerde steht nicht entgegen, dass §
6 Abs.
1 [X.] das Rechtsmittel der Be-schwerde nicht ausdrücklich gegen Entscheidungen im Rahmen von Anträgen über die Gewährung von Akteneinsicht eröffnet. Der Wortlaut des
§
6 Abs.
1 [X.], der eine Anordnung der Beschwerdemöglichkeit in "diesem"
[X.], schließt gleichwohl gegenüber Entscheidungen, die im Rahmen eines Insolvenzverfahrens auf der Grundlage allgemeiner, nicht zum eigentlichen In-solvenzrecht gehöriger Vorschriften getroffen werden, die dafür außerhalb der [X.] vorgesehenen Rechtsmittel nicht aus ([X.], Beschluss vom 16.
März 2000

IX
ZB 2/00, [X.], 755). Die Anordnung der Unanfechtbar-keit nach §
6 [X.] betrifft also nur Entscheidungen, die auf Vorschriften der In-sol-venzordnung beruhen (vgl. [X.]/[X.], [X.], §
4 Rn. 38). Dies gilt nicht für Anträge auf Akteneinsicht, die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zum Gegenstand haben. Gegen die Ablehnung der Akteneinsicht gegenüber Verfahrensbeteiligten findet die sofortige Beschwerde (§§
567 ff ZPO) statt
([X.], Beschluss vom 12.
Oktober 2006

IX
ZB 54/06, Rn. 3; [X.], aaO; [X.], ZIP 1997, 1367, 1368; [X.]/Wunsch, [X.], 1800, 1804; [X.], [X.], 1533, 1537; [X.]/[X.], aaO; MünchKomm-[X.]/Ganter/[X.], 4.
Aufl., §
6 Rn. 68; HK-[X.]/Sternal, 9. Aufl., §
6 Rn. 11;
HmbKomm-[X.]/[X.], 7. Aufl., §
4 Rn. 47; FK-[X.]/[X.], 9.
Aufl., §
4 Rn. 99; aA Uhlenbruck/[X.], [X.], 15.
Aufl., §
4 Rn. 36).

(3) Bei dieser Sachlage war nach Versagung der Akteneinsicht durch den Rechtspfleger gemäß §
567 Abs.
1 Nr.
2 ZPO, §
11 Abs.
1 [X.] die sofor-tige Beschwerde zu dem [X.] eröffnet. Infolge der Zulassung durch das [X.] ist die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde statthaft.

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6

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c) Der Rechtsbeschwerde sind auch Erfolgsaussichten beizumessen, weil
im Streitfall der Einzelrichter die Rechtsbeschwerde zugelassen
hat. Der Einzelrichter hat bei Rechtssachen, die grundsätzliche Bedeutung haben oder besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen, das Verfahren gemäß §
568 Satz
2 ZPO zwingend dem Kollegium zu übertragen. [X.] er

wie hier

mit seiner Entscheidung, die Rechtsbeschwerde zuzulas-sen, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, entscheidet er aber zu-gleich in der Sache als Einzelrichter, so ist seine Entscheidung objektiv willkür-lich und verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters, was vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu beachten ist ([X.], [X.] vom 27.
Juni 2019

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7

-

IX
ZB 5/19, [X.], 1461 Rn. 5 mwN). Wird der angefochtene Beschluss voraussichtlich aufzuheben sein, ist dem [X.] der Schuldnerin der Vorrang einzuräumen.

Kayser
Gehrlein
[X.]

Schoppmeyer

Röhl

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.07.2019 -
1542 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 09.09.2019 -
14 [X.] -

Meta

IX ZB 56/19

29.11.2019

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.11.2019, Az. IX ZB 56/19 (REWIS RS 2019, 962)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 962

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