Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.04.2017, Az. I R 76/15

1. Senat | REWIS RS 2017, 11922

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Gegenstand

Keine Unterbrechung der Außenprüfung bei nur ein Prüfungsjahr betreffenden Prüfungshandlungen


Leitsatz

1. Auch sog. qualifizierte Prüfungshandlungen, die nur ein Prüfungsjahr betreffen, führen dazu, dass die Außenprüfung insgesamt --also auch bezogen auf andere Prüfungsjahre-- als nicht unmittelbar nach dem Prüfungsbeginn unterbrochen i.S. des § 171 Abs. 4 Satz 2 AO gilt.

2. Die Entgegennahme von Buchführungsdaten am Prüfungsort ist eine vom Prüfer veranlasste und damit für den Steuerpflichtigen erkennbar auf die Ermittlung des Steuerfalls gerichtete Handlung, die dem von der Rechtsprechung als qualifizierte Prüfungshandlung anerkannten Verlangen nach der Übergabe von Belegen und Unterlagen gleichsteht.

3. Wurden Buchführungsdaten vor ihrem Ausdruck zunächst in ein Programm eingelesen und dann programmseitig einer Plausibilitätskontrolle unterzogen, liegt eine dem Prüfer zuzurechnende qualifizierte Prüfungshandlung vor.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 1. September 2015  8 K 8009/12 aufgehoben.

Die Klage wegen Solidaritätszuschlags 2001 und 2002, Gewerbesteuer 2001 und 2002, gesonderter Feststellungen gemäß § 36 Abs. 7 und gesonderter Feststellungen gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 3, § 37 Abs. 2, § 38 Abs. 1 des [X.] zum 31. Dezember 2001 und 31. Dezember 2002 wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Sache an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine zur Unternehmensgruppe der [X.] gehörende [X.]G. [X.]lleinige [X.]ktionärin war zunächst [X.]. [X.]b dem Jahr 2000 hielt sie nur noch 51 v.H. der [X.]nteile. Die Klägerin war u.a. an zwei KG, der [X.] bzw. der [X.] beteiligt. Nachdem die Komplementärinnen der beiden [X.] ihre Beteiligungen aufgaben, übernahm die Klägerin als jeweils einzige Kommanditistin das jeweilige Vermögen und die Schulden.

2

Die Klägerin hatte der [X.] bereits am 18. Dezember 1992 ein Darlehen in Höhe von ... DM gewährt. Schriftlich niedergelegt war neben einer Verzinsung von 8 v.H. und einer unbestimmten Laufzeit, dass es der Darlehensnehmerin vorbehalten war, das Darlehen ganz oder teilweise jederzeit zurückzuzahlen und dass bis zur vollständigen Rückzahlung des Darlehens und der anfallenden Zinsen etwaige der Darlehensnehmerin zustehende Gewinnausschüttungen zur Tilgung verwendet würden. Das Darlehen wurde 1995 um einen Betrag von ... DM aufgestockt. [X.]m 31. Dezember 2002 valutierte es noch mit ... €.

3

Mehrere Gruppenunternehmen führten ihre finanziellen [X.]ngelegenheiten über die [X.] (GmbH). Die Klägerin hatte eine Forderung gegenüber der GmbH in Höhe von ... €. Zum [X.]usgleich hatte die GmbH 2002 eine gegenüber [X.] bestehende Forderung in der vorgenannten Höhe an die Klägerin abgetreten.

4

Zum 31. Dezember 2002 schrieb die Klägerin u.a. die Forderung gegen [X.] aus den Vereinbarungen der Jahre 1992 und 1995 sowie die von der GmbH abgetretene Forderung in Höhe von insgesamt ... € ab.

5

Die Klägerin wurde auf Grundlage ihrer am 14. Januar 2003 für 2001 und am 8. [X.]pril 2004 für 2002 eingereichten Steuererklärungen zunächst erklärungsgemäß veranlagt.

6

Da es sich bei der Klägerin um einen Großbetrieb handelte, beabsichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --F[X.]--) die Durchführung einer [X.]ußenprüfung. [X.]m 1. November 2006 erging an die Klägerin eine Prüfungsanordnung für die Jahre 2001 und 2002 (Streitjahre = Prüfungsjahre). [X.]m 29. November 2006 erhielt die Prüferin den von der Klägerin ausgefüllten Fragebogen. Mit Datum vom 31. Oktober 2006 verfügte die Prüferin die Wiedervorlage für den 5. Dezember 2006. [X.]m 13. Dezember 2006 erschien sie bei der Klägerin und nahm einen Datenträger ([X.] mit Buchführungsdaten für 2001 und 2002) in Empfang.

7

[X.]usweislich der Handakte der Prüferin fertigte diese handschriftliche Notizen und druckte zunächst am 20. und 21. Dezember 2006 Daten der Klägerin betreffend "Periode 2001-2002" aus. In der Handakte befinden sich weiterhin [X.] mit Datum 16. Januar 2007 zum [X.], die sich laut Stichwort mit der "[X.]nwachsung von [X.]nteilen" befassten. Zudem befindet sich dort jeweils eine Kopie der Jahresabschlüsse der Kommanditgesellschaften ([X.] und [X.]) zum 31. Dezember 2001. Weitere [X.]usdrucke erfolgten am 18. [X.]pril 2008 und dann erst wieder am 26. und 27. November 2009, 7. Dezember 2009 und 30. November 2010. Die [X.]usdrucke sind in der Handakte weder chronologisch abgeheftet noch paginiert.

8

[X.]us den [X.]ufzeichnungen der Prüferin (Beschäftigungstagebuch) ergab sich, dass sie wie folgt an dem Fall der Klägerin gearbeitet hatte: [X.] mit Vorbereitung für Betrieb der [X.]: 30. Oktober 2006, 1. November 2006 und 2. November 2006, 13. Dezember 2006, 20. bis 22. Dezember 2006 = drei Tage, 15. bis 17. Januar 2007 = drei Tage und am 22. Januar 2007. Insgesamt ergeben sich daraus elf Vorbereitungs-/[X.].

9

Mit Schreiben vom 10. Dezember 2009 wandte sich die Prüferin erstmals seit der Entgegennahme der Daten-[X.] am 13. Dezember 2006 an die Klägerin und teilte mit, die bereits begonnene Prüfung fortsetzen zu wollen und dafür Erläuterungen zu den Wertberichtigungen zu benötigen. Die Klägerin lehnte eine [X.]ntwort auf die Fragen unter Hinweis auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung ab, da die [X.]ußenprüfung vor [X.]blauf der Festsetzungsfrist nicht ernsthaft begonnen worden sei. Im Übrigen sei die Prüfung jedenfalls ohne ihr Verschulden für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten unterbrochen worden.

Die Prüferin teilte diese [X.]uffassung nicht; sie setzte die Prüfung fort und lehnte die Wertberichtigungen der Forderungen gegenüber [X.] ab. Das F[X.] erließ aufgrund der Prüfungsfeststellungen geänderte Steuerbescheide für die Streitjahre.

Der hiergegen gerichteten Klage gab das [X.] (FG) Berlin-Brandenburg, nachdem es die Prüferin als Zeugin vernommen hatte, mit Urteil vom 1. September 2015  8 K 8009/12 statt und hob die angefochtenen Bescheide wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung auf (Entscheidungen der [X.]e --EFG-- 2016, 530). Mit der Revision beantragt das F[X.], das Urteil des [X.] vom 1. September 2015  8 K 8009/12 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist nur teilweise begründet: Sie führt in Bezug auf die Bescheide zum Solidaritätszuschlag 2001 und 2002, zur Gewerbesteuer 2001 und 2002 sowie zu den gesonderten Feststellungen gemäß § 36 Abs. 7 und § 27 Abs. 2 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 3, § 37 Abs. 2, § 38 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung ([X.]) zum 31. Dezember 2001 und 31. Dezember 2002 zur Aufhebung des [X.] und zur Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--); die Klage ist insoweit unzulässig (dazu 1.). Im Übrigen führt die Revision zur Aufhebung des [X.] und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O); das [X.] ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass für die Streitjahre Festsetzungsverjährung eingetreten ist (dazu 2.). Die Feststellungen des [X.] reichen indessen nicht aus, um die Rechtmäßigkeit der von der Klägerin vorgenommenen Teilwertabschreibungen überprüfen zu können (dazu 3.).

1. Die Klage gegen die Bescheide zum Solidaritätszuschlag 2001 und 2002, zur Gewerbesteuer 2001 und 2002 sowie zu den gesonderten Feststellungen gemäß § 36 Abs. 7 und § 27 Abs. 2 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 3, § 37 Abs. 2, § 38 Abs. 1 [X.] zum 31. Dezember 2001 und 31. Dezember 2002 ist unzulässig.

a) Im Hinblick auf die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für die Streitjahre ergibt sich dies daraus, dass die Einwendungen der Klägerin sich ausschließlich gegen die Ermittlung ihres Gewinns als Grundlage ihres zu versteuernden Einkommens richten. Der [X.] ist insoweit jedoch Grundlagenbescheid für die Festsetzung des Solidaritätszuschlags (vgl. § 1 Abs. 5 des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 i.d.[X.] der Bemessungsgrundlage für Zuschlagsteuern vom 21. Dezember 2000, [X.], 1978, [X.], 38). Die Einwendungen der Klägerin können deshalb gemäß § 42 [X.]O i.V.m. § 351 Abs. 2 der Abgabenordnung ([X.]) nur im Rechtsbehelfsverfahren gegen den [X.] als Grundlagenbescheid, nicht aber im Verfahren gegen den [X.] geltend gemacht werden (Senatsurteile vom 20. April 2011 I R 2/10, [X.], 251, [X.], 761, m.w.N.; vom 12. Juli 2012 I R 23/11, [X.], 344).

b) Nichts anderes gilt, soweit die Gewerbesteuerfestsetzungen der Streitjahre angefochten werden, weil die ebenfalls angegriffenen Gewerbesteuermessbescheide Grundlagenbescheide für die angesprochenen Gewerbesteuerbescheide sind (vgl. z.B. Urteile des [X.] --[X.]-- vom 20. April 1999 VIII R 13/97, [X.], 536, [X.] 1999, 542; vom 7. September 2016 IV R 31/13, [X.], 266). Demgemäß können die Einwendungen der Klägerin nach § 42 [X.]O i.V.m. § 351 Abs. 2 [X.] nur im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Gewerbesteuermessbescheide als Grundlagenbescheide geltend gemacht werden. Diese Beschränkung (§§ 184 Abs. 1 Satz 4, 182 Abs. 1 [X.]; vgl. [X.]-Urteil vom 25. August 1999 VIII R 76/95, [X.], 300) gilt auch, wenn die Bescheide von ein und derselben Behörde erlassen werden (vgl. [X.]-Urteil vom 25. April 1989 VIII R 294/84, [X.] 1990, 261).

c) Nichts anderes gilt schließlich, soweit sich die Klage gegen die gesonderten Feststellungen gemäß § 36 Abs. 7 und § 27 Abs. 2 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 3, § 37 Abs. 2, § 38 Abs. 1 [X.] zum 31. Dezember 2001 und 31. Dezember 2002 richtet. Da sich die von der Klägerin erhobenen Einwendungen nur auf die Höhe des [X.] als Grundlage des zu versteuernden Einkommens beziehen, ist nicht erkennbar, inwieweit sich Auswirkungen auf die Feststellung der Endbestände der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals gemäß § 36 Abs. 7 [X.], zum Bestand des steuerlichen [X.] nach § 27 Abs. 2 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 3 [X.], zum [X.] nach § 37 Abs. 2 [X.] und zur Körperschaftsteuererhöhung nach § 38 Abs. 1 [X.] ergeben könnten. Die Klägerin hat derartige Auswirkungen auch nicht dargelegt.

2. Das [X.]-Urteil ist auch im Übrigen aufzuheben sowie die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O). Das [X.] ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass für die Streitjahre bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

a) Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist der Erlass eines Steuerbescheides nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Diese begann für das Streitjahr 2001 infolge der Abgabe der gesetzlich vorgeschriebenen Erklärung am 14. Januar 2003 mit Ablauf des 31. Dezember 2003, für das Streitjahr 2002 infolge der Abgabe der Erklärung am 8. April 2004 mit Ablauf des 31. Dezember 2004 (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.]). Die Festsetzungsfrist endete gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] nach vier Jahren am 31. Dezember 2007 bzw. 31. Dezember 2008, sofern ihr Ablauf nicht nach § 171 Abs. 4 Satz 1 [X.] durch den Beginn der Außenprüfung, die sich auf die steuerlichen Verhältnisse der Streitjahre erstreckte, gehemmt war. Die Ablaufhemmung tritt indessen nicht ein, wenn die Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn aus Gründen, die die Finanzbehörde zu vertreten hat, für die Dauer von mehr als sechs Monaten unterbrochen wird (§ 171 Abs. 4 Satz 2 [X.]).

b) Der Ablauf der für die Streitjahre jeweils maßgeblichen Festsetzungsfrist war nach § 171 Abs. 4 Satz 1 [X.] durch den noch in 2006 anzunehmenden Beginn der Außenprüfung gehemmt.

aa) In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Umfang einer Ablaufhemmung dadurch bestimmt wird, welche Steuerarten und Besteuerungszeiträume die jeweilige Prüfungsanordnung erfasst und hinsichtlich welcher tatsächlich Prüfungshandlungen vorgenommen worden sind ([X.]-Urteile vom 11. August 1993 II R 34/90, [X.], 393, [X.] 1994, 375; vom 17. Juni 1998 IX R 65/95, [X.], 485, [X.] 1999, 4; vom 19. März 2009 IV R 26/08, [X.] 2009, 1405; Senatsurteil vom 30. März 2011 I R 41/10, [X.] 2011, 1285). Der Beginn der Außenprüfung setzt deshalb voraus, dass eine förmliche Prüfungsanordnung erlassen wurde und [X.] auch nur [X.] tatsächlich Prüfungshandlungen für die in der Prüfungsanordnung genannten Steuerarten und Besteuerungszeiträume vorgenommen wurden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteil vom 2. Februar 1994 I R 57/93, [X.], 487, [X.] 1994, 377, m.w.N.; [X.]-Urteile vom 24. April 2003 VII R 3/02, [X.], 32, [X.] 2003, 739; vom 16. Juni 2015 IX R 51/14, [X.], 98, [X.] 2016, 13). Die Außenprüfung ist ein formalisiertes, den besonderen Bestimmungen der §§ 193 ff. [X.] unterliegendes Verfahren, das auf eine umfassende und zusammenhängende Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen angelegt ist (§ 194 Abs. 1, § 199 Abs. 1 [X.]). Es kann daher unter dem Begriff der Außenprüfung nicht jede, sondern nur eine sog. qualifizierte Ermittlungshandlung des [X.] verstanden werden, die für den Steuerpflichtigen erkennbar darauf gerichtet ist, den für die richtige Anwendung der Steuergesetze wesentlichen Sachverhalt zu ermitteln oder zu überprüfen (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]-Urteil in [X.], 32, [X.] 2003, 739, m.w.N.). Dabei muss es sich um Maßnahmen handeln, die für den Steuerpflichtigen i.S. der §§ 193 ff. [X.] als Prüfungshandlungen erkennbar sind und geeignet erscheinen, sein Vertrauen in den Ablauf der Verjährungsfrist zu beseitigen ([X.]-Urteile vom 15. Dezember 1989 VI R 151/86, [X.], 296, [X.] 1990, 526, m.w.N.; in [X.], 32, [X.] 2003, 739).

bb) Nach diesen Grundsätzen sind auch die Maßnahmen zu beurteilen, die den Beginn der Außenprüfung bewirken sollen. Mit einer Außenprüfung ist tatsächlich noch nicht begonnen, wenn der Prüfer erscheint und die Prüfungsanordnung übergibt, sondern erst dann, wenn er nach der Übergabe oder Übersendung der Prüfungsanordnung Handlungen zur Ermittlung des [X.] vornimmt. Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass die Handlungen, die der Prüfer am Prüfungsort vornimmt, solche zur Ermittlung des [X.] sind, und zwar auch dann, wenn sie nur auf die Vorlage von Aufzeichnungen, Büchern, Geschäftspapieren u.ä. gerichtet sind ([X.]-Urteile in [X.] 2009, 1405; vom 19. März 2009 IV R 27/08, juris). Als Prüfungshandlungen kommen insoweit das informative Gespräch, das Verlangen nach Belegen und Unterlagen oder Auskünften, ggf. auch von [X.], in Betracht ([X.]-Urteil in [X.], 32, [X.] 2003, 739). Der Prüfer muss nur ernsthaft mit der Prüfung begonnen haben, auch wenn die Prüfungshandlungen für den Steuerpflichtigen nicht als solche evident sind (vgl. [X.]-Urteile vom 17. August 1980 II R 119/77, [X.], 437, [X.] 1981, 409; in [X.], 32, [X.] 2003, 739).

cc) Nach den vorstehenden Maßstäben hat die Prüferin die Außenprüfung im Streitfall am 13. Dezember 2006 durch ihr Erscheinen am Prüfungsort und die --nach entsprechender Aufforderung erfolgte-- Entgegennahme einer [X.] mit beide Prüfungsjahre betreffenden [X.] der Klägerin begonnen. In der Entgegennahme von [X.] am Prüfungsort ist eine von der Prüferin veranlasste und für den Steuerpflichtigen erkennbar auf die Ermittlung des [X.] gerichtete Handlung zu sehen, die dem von der Rechtsprechung als qualifizierte Prüfungshandlung anerkannten Verlangen nach der Übergabe von Belegen und Unterlagen gleichsteht. Bei der Anforderung und Entgegennahme der Daten-[X.] handelt es sich auch nicht um eine rein interne Maßnahme des [X.]; vielmehr ist sie ohne Weiteres geeignet, das Vertrauen der Klägerin in den Ablauf der Verjährungsfrist zu beseitigen.

c) Die eingetretene Ablaufhemmung ist nicht deshalb rückwirkend nach § 171 Abs. 4 Satz 2 [X.] entfallen, weil die Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn aus Gründen, die die Finanzverwaltung zu vertreten hat, länger als sechs Monate unterbrochen worden wäre.

aa) Die Frage, ob eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen worden ist, ist grundsätzlich nach den Verhältnissen im Einzelfall zu beurteilen. Dabei sind neben dem zeitlichen Umfang der bereits durchgeführten Prüfungsmaßnahmen alle Umstände zu berücksichtigen, die Aufschluss über die Gewichtigkeit der Prüfungshandlungen vor der Unterbrechung geben. Unabhängig vom [X.]aufwand ist eine Unterbrechung unmittelbar nach Beginn der Prüfung dann anzunehmen, wenn der Prüfer über Vorbereitungshandlungen, allgemeine Informationen über die betrieblichen Verhältnisse, das Rechnungswesen und die Buchführung und/oder die Sichtung der Unterlagen des zu prüfenden [X.] bzw. ein allgemeines Aktenstudium nicht hinausgekommen ist ([X.]-Urteile in [X.], 32, [X.] 2003, 739; vom 18. Februar 2009 V R 82/07, [X.], 198, [X.] 2009, 876, m.w.N.; vom 26. Juni 2014 IV R 51/11, [X.] 2014, 1716). Eine Außenprüfung ist danach nicht mehr unmittelbar nach Beginn unterbrochen, wenn die Prüfungshandlungen von Umfang und [X.]aufwand gemessen an dem gesamten Prüfungsstoff erhebliches Gewicht erreicht oder erste verwertbare Ergebnisse gezeitigt haben ([X.]-Urteile in [X.], 32, [X.] 2003, 739; in [X.] 2014, 1716). Letzteres bedeutet allerdings nicht, dass die ermittelten Ergebnisse geeignet sein müssen, unmittelbar als Besteuerungsgrundlage Eingang in einen Steuer- oder Feststellungsbescheid zu finden; ausreichend ist vielmehr, dass Ermittlungsergebnisse vorliegen, an die bei der Wiederaufnahme der Prüfung angeknüpft werden kann (Senatsbeschluss vom 31. August 2011 I B 9/11, [X.] 2011, 2011, m.w.N.). Für die Beendigung einer Prüfungsunterbrechung hat der [X.] es insoweit als Nachweis ausreichen lassen, dass der Prüfer seine Erkenntnisse in seiner Arbeitsakte festhält, so dass im Falle eines Streites durch die Vorlage der Handakte des Prüfers beim [X.] die Prüfungstätigkeit nachvollzogen werden kann ([X.]-Urteil in [X.], 32, [X.] 2003, 739). Auch hinreichend dokumentierte interne --d.h. nach außen nicht offen gelegte-- Prüfungshandlungen des [X.] sind insoweit geeignet, das Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Ablauf der Verjährungsfrist zu beseitigen (so bereits [X.]-Urteil vom 11. Oktober 1983 VIII R 11/82, [X.]E 139, 496, [X.] 1984, 125).

bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Prüfung der Klägerin bezogen auf das Streitjahr 2001 nicht unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen worden und lässt eine spätere Unterbrechung der Prüfung die eingetretene Ablaufhemmung unberührt ([X.]-Urteil in [X.], 32, [X.] 2003, 739).

aaa) Ausweislich der Handakten der Prüferin ist die Prüfung nach ihrer Aufnahme am 13. Dezember 2006 zeitnah fortgesetzt worden. So ergibt sich aus den vorhandenen, allerdings lediglich das Streitjahr 2001 betreffenden [X.]n, dass die Prüferin am 20. und 21. Dezember 2006 und sodann wieder am 16. Januar 2007 das [X.] betreffende Ausdrucke vorgenommen und einzelne Positionen mit amtsinternen Daten abgeglichen hat. Da es sich um [X.] unter dem Verfahren [X.] handelt, ist insoweit davon auszugehen, dass die Prüferin die [X.] der Klägerin vor dem Ausdruck zunächst in dieses Programm eingelesen und sodann einer vom Programm vorgesehenen [X.] unterzogen hat. Bereits insoweit handelt es sich um eine qualifizierte Prüfungshandlung, die der Prüferin als derjenigen Person, die die [X.] und den nachfolgenden Datenausdruck veranlasst hat, zuzurechnen ist.

bbb) Aus dem von der Klägerin hinsichtlich der Richtigkeit der Eintragungen nicht angezweifelten Beschäftigungstagebuch ergibt sich insoweit, dass die Prüferin nach der Prüfungsvorbereitung am 30. Oktober, 1. und 2. November 2006 und der Entgegennahme der Daten-[X.] am 13. Dezember 2006 sowohl in der [X.] vom 20. bis 22. Dezember 2006 als auch vom 15. bis 17. Januar 2007 und am 22. Januar 2007 inhaltliche Prüfungen vorgenommen hat. In ihrer Zeugenaussage vor dem [X.] hat die Prüferin dazu bekundet, dass sie die Anwachsungsvorgänge aus dem [X.] nachvollzogen, in der Sache aber keinen Grund für Beanstandungen gefunden habe.

ccc) Die so dokumentierte Überprüfung der angesprochenen Anwachsungsvorgänge geht über das Stadium von Vorbereitungshandlungen, der Einholung allgemeiner Informationen über die betrieblichen Verhältnisse, das Rechnungswesen und die Buchführung sowie die bloße Sichtung der Unterlagen des zu prüfenden [X.] oder ein allgemeines Aktenstudium hinaus; die Prüfung führte zu ersten auswertbaren Ergebnissen, an die bei der Wiederaufnahme der Prüfung angeknüpft werden konnte (hier: ordnungsgemäße Erfassung der Anwachsungen in den Büchern der Klägerin).

cc) Der Senat kann offen lassen, ob im Streitfall auch für das Streitjahr 2002 qualifizierte Prüfungshandlungen (hier: durch Einlesen der entsprechenden [X.] und eine [X.]) vorgelegen haben, denn die das Prüfungsjahr 2001 betreffenden qualifizierten Prüfungshandlungen haben zur Folge, dass die Außenprüfung insgesamt --also auch bezogen auf das Streitjahr 2002-- als nicht unmittelbar nach dem Prüfungsbeginn unterbrochen gilt.

aaa) Hierfür spricht zunächst der Wortlaut des § 171 Abs. 4 Satz 2 [X.], der insoweit von demjenigen des Satzes 1 der Vorschrift abweicht. § 171 Abs. 4 Satz 1 [X.] legt für den Beginn einer Außenprüfung vor Ablauf der Festsetzungsfrist fest, dass die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt, nicht abläuft, bevor die auf Grund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt dies hingegen nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Der Satz 2 stellt mithin auf die Unterbrechung der Außenprüfung ab. Da aber die Außenprüfung i.S. der Abgabenordnung gemäß § 194 Abs. 1 Satz 2 [X.] mehrere Steuerarten und Besteuerungszeiträume umfassen kann und hierauf abgestimmt der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 [X.] die Steuern unterworfen sind, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder erstrecken soll, ist dieses Verständnis der einheitlichen Außenprüfung --mangels einer anderslautenden gesetzlichen [X.] auch der Bestimmung des § 171 Abs. 4 Satz 2 [X.] zugrunde zu legen.

bbb) Dem vorgenannten Normverständnis kann kein schützenswertes Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Ablauf der Verjährungsfrist entgegengehalten werden. Denn ein solches Vertrauen kann sich, nachdem dem Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung bekannt geworden ist und der Prüfungsumfang nach der Prüfungsanordnung feststeht, nur auf die Unterbrechung der Außenprüfung als solche, nicht hingegen auf den Inhalt der Prüfung beziehen. Ein hierauf gerichtetes Vertrauen wird aber bereits durch die Dokumentation qualifizierter Prüfungshandlungen erschüttert.

3. Da das [X.] von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war sein Urteil aufzuheben. Die Sache ist indessen nicht spruchreif. Nach den vorstehenden Ausführungen war das [X.] zwar berechtigt, geänderte Bescheide für die Streitjahre zu erlassen. Dem Senat ist es indessen verwehrt, diese Änderungsbescheide inhaltlich zu überprüfen, weil das [X.] --von seinem Rechtsstandpunkt aus [X.] zu den Umständen der Vornahme der streitbefangenen Teilwertabschreibungen keine Feststellungen getroffen hat.

4. [X.] folgt aus § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

I R 76/15

26.04.2017

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 1. September 2015, Az: 8 K 8009/12, Urteil

§ 171 Abs 4 S 1 AO, § 171 Abs 4 S 2 AO, § 193 AO, § 194 Abs 1 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.04.2017, Az. I R 76/15 (REWIS RS 2017, 11922)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11922

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