Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.06.2015, Az. IV ZR 492/14

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 9602

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 492/14

Verkündet am:

17. Juni 2015

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin [X.] im schriftli-chen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 27.
Mai
2015 eingereicht werden konnten,

für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerseite gegen das Urteil des 7.
Zivilsenats des [X.] vom 6.
Oktober 2011 wird als unzulässig verworfen, soweit der Anspruch nicht auf den gemäß §
5a [X.] a.F. erklär-ten Widerspruch gestützt ist.

Im Übrigen sowie im Kostenpunkt wird das Berufungsur-teil auf die Revision aufgehoben und die Sache zur [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.

Der Streitwert wird auf 18.499,72

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. [X.]) be-gehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) [X.]
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zahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Rentenversicherung
mit Absicherung des Todesfall-
und Berufsunfähigkeitsrisikos.

Diese wurde aufgrund eines Antrags d. [X.] mit [X.] zum 1.
Januar 1995 nach dem so genannten Policenmodell des §
5a [X.] in der seinerzeit
gültigen Fassung (im Folgenden §
5a [X.] a.F.) abgeschlossen. Mit Schreiben vom 17.
September 2009
erklärte d. [X.] "den Widerspruch gemäß §
5a [X.]/den Widerspruch nach §
8 [X.], vorsorglich die Anfechtung nach §
119 BGB, hilfsweise die Kündigung". Der Versicherer akzeptierte die Kündigung und zahlte den Rückkaufs-wert aus.

Mit der Klage verlangt d. [X.] -
soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung
-
Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten [X.] nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten [X.], ins-gesamt 18.499,72

.

Nach Auffassung d. [X.] ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des -
gegen Gemein-schaftsrecht verstoßenden
-
§
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. habe der [X.] noch erklärt werden können.
Außerdem sei der Versicherer wegen Aufklärungspflichtverletzung
nach den Grundsätzen des [X.] bei Vertragsschluss zum Schadensersatz verpflichtet.

Der Versicherer hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision ver-folgt d. [X.] das Klagebegehren weiter.

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Entscheidungsgründe:

Die Revision ist als unzulässig zu verwerfen, soweit der Anspruch nicht auf den gemäß §
5a [X.] a.F. erklärten
Widerspruch gestützt ist. Im Übrigen führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.

I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus unge-rechtfertigter Bereicherung verneint.
Selbst wenn
man den Hinweis im übersandten Versicherungsschein auf das Widerspruchsrecht nicht für ausreichend erachten wollte, weil er -
jedenfalls in dem im Prozess vor-gelegten Exemplar
-
nicht drucktechnisch so hervorgehoben gewesen sei, wie dies gemäß §
5a Abs.
2
Satz
1 [X.] a.F. erforderlich gewesen wäre,
mit der Folge, dass die Widerspruchsfrist nicht angelaufen wäre, so wäre
der Vertrag zwar nicht gemäß §
5a Abs.
1 Satz 1 [X.] a.F. be-reits 14 Tage nach Übersendung des Versicherungsscheins und der not-wendigen Unterlagen, aber gemäß § 5a Abs.
2 Satz 4 [X.] a.F. ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie rückwirkend endgültig wirksam gewor-den. Zu demselben Ergebnis gelange man, wenn man die Behauptung d. [X.] zugrunde lege, er habe die Versicherungsbedingungen und die [X.] zu keinem Zeitpunkt erhalten. Den Erhalt dieser Un-terlagen habe er in der Klageschrift nicht zugestanden. Schadensersatz-ansprüche wegen Provisions-
und Abschlusskosten stünden d. [X.] nicht zu.

[X.] Die Revision ist mangels Zulassung hinsichtlich des mit ihr [X.] Schadensersatzanspruchs unzulässig.

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Sie ist nur statthaft, soweit das Berufungsgericht den Widerspruch nach §
5a [X.] a.F. für unwirksam erachtet hat. Es hat die Revision be-schränkt auf die Frage zugelassen, ob
§
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. mit europäischem
Recht vereinbar sei. Diese in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck ge-brachte Beschränkung der Revisionszulassung auf den aus dem [X.] abgeleiteten Bereicherungsanspruch ist wirksam. Der diesem zu-grunde liegende Sachverhalt kann in tatsächlicher und rechtlicher Hin-sicht unabhängig von dem für die Schadensersatzforderung maßgebli-chen Prozessstoff beurteilt werden (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 -
IV ZR
76/11, [X.], 101 Rn.
11).

I[X.] Die Revision ist begründet.

1. Ein Anspruch auf Prämienrückzahlung aus §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB kann d. [X.] mit der vom Berufungsgericht gegebenen [X.] nicht versagt werden.

a) Nach dem für das Revisionsverfahren maßgeblichen Sachver-halt ist davon auszugehen, dass der von d. [X.] erklärte Widerspruch

ungeachtet des Ablaufs der in §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. normierten Jahresfrist
-
rechtzeitig war und infolgedessen der zwischen den [X.] geschlossene Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekom-men ist.

aa) Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass d. [X.] mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen und eine [X.] nach §
10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes ([X.]) erhielt. Es hat zudem ohne revisionsrechtlich zu beachtende Feh-10
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ler erwogen, dass der Versicherer d. [X.] nicht gemäß §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] a.F. in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht belehrt habe. In dem bei den Gerichtsakten befindlichen Exemplar des Policenbegleitschreibens
ist die Widerspruchsbelehrung nicht drucktech-nisch hervorgehoben.
Die Revisionserwiderung rügt ohne Erfolg, die Be-lehrung sei in dem d. [X.] übersandten Original im Fettdruck wiedergege-ben
gewesen.
Der Versicherer, dem nach §
5a Abs.
2 Satz
2 [X.] a.F. der Nachweis über den Zugang der Unterlagen obliegt, hat hierfür keinen Beweis angeboten.

bb) Wenn d. [X.] -
was für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist
-
die vorgenannten Unterlagen nicht erhalten hat
und überdies die Be-lehrung nicht drucktechnisch hervorgehoben war, bestand das [X.]srecht nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der [X.]serklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des [X.] der [X.] vom 19.
Dezember 2013 ([X.], 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7.
Mai 2014 ([X.], [X.], 101 Rn.
17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der [X.] und der [X.] keine Anwendung findet und für davon er-fasste Lebens-
und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. [X.] -
wie hier
zu unterstellen
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nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherin-formation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

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b) Die (hilfsweise) Kündigung des [X.] steht dem Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
37 m.w.N.).

c) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechts-widrigkeit des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang
des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur ei-ne Rückwirkung entspricht dem [X.] (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
42-44).

2. Ein etwaiger [X.] war bei Erhebung der Klage im Oktober
2010 noch nicht verjährt. Zu diesem Zeitpunkt war die [X.] regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des §
195 BGB nicht abgelaufen. Diese konnte erst mit Schluss des Jahres 2009
beginnen, da d. [X.] erst in diesem Jahr den Widerspruch erklärte. Der nach einem [X.] gemäß §
5a [X.] a.F. geltend gemachte Bereicherungsan-spruch entstand erst mit Ausübung des Widerspruchsrechts im Sinne von §
199 Abs.
1 Nr.
1 BGB; jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hatte d. [X.] Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners im Sinne von §
199 Abs.
1 Nr.
2 BGB (vgl. Senatsurteil vom 8.
April 2015 -
IV ZR 103/15, [X.], 865 Rn.
19
ff.).

3. Der Höhe nach umfasst der [X.] nach §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB nicht uneingeschränkt alle
gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. [X.] bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwick-lung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versi-cherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; 17
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bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung [X.] (Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
45 m.w.N.).

Da es auch hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück-zuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
46).

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.] [X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 20.05.2011 -
22 [X.]/10 -

O[X.], Entscheidung vom 06.10.2011 -
7 [X.] -

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Meta

IV ZR 492/14

17.06.2015

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.06.2015, Az. IV ZR 492/14 (REWIS RS 2015, 9602)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9602

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