Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.06.2015, Az. IV ZR 426/13

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 9627

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 426/13

Verkündet am:

17. Juni 2015

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

-
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-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin [X.] im schriftli-chen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 27.
Mai
2015 eingereicht werden konnten,

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerseite wird das Urteil des [X.] -
14.
Zivilsenat
-
vom 5.
Dezember 2013 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.

Der Streitwert wird auf 2.439,78

festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. [X.]) be-gehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rück-zahlung geleisteter Versicherungsbeiträge zweier fondsgebundener Le-bensversicherungen auf den Todes-
und Erlebensfall.

Diese wurden jeweils aufgrund eines Antrags d. [X.] mit [X.] zum 1.
Juli 2002 nach dem so genannten [X.] des 1
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-

§
5a [X.] in der seinerzeit
gültigen Fassung (im Folgenden §
5a [X.] a.F.) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
erhielt d. [X.] die Versicherungsscheine mit Begleitschreiben, die jeweils eine Belehrung über das Widerspruchsrecht nach §
5a [X.] a.F.
enthiel-ten, und die Versicherungsbedingungen. Zum Oktober 2004
kündigte d. [X.] die
Verträge;
der Versicherer zahlte den jeweiligen Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 8.
Juni 2011
erklärte d. [X.] schließlich den [X.] nach §
5a Abs.
1 Satz
1 [X.] a.F.

Mit der Klage verlangt d. [X.] -
soweit für das Revisionsverfahren
noch von Bedeutung
-
Rückzahlung aller auf die beiden Verträge
geleis-teten Beiträge nebst Zinsen abzüglich der
bereits gezahlten [X.], insgesamt 2.439,78

.

Nach Auffassung d. [X.] sind die Versicherungsverträge
nicht wirk-sam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des -
gegen Ge-meinschaftsrecht verstoßenden
-
§
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.

Der Versicherer hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision ver-folgt d. [X.] das Klagebegehren weiter.
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4
-

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.

I. Dieses hat Prämienrückerstattungsansprüche
aus ungerechtfer-tigter Bereicherung verneint. Der Versicherer habe d. [X.] zwar nicht ord-nungsgemäß
über das Widerspruchsrecht belehrt. Die im allgemeinen Fließtext der Begleitschreiben drucktechnisch nicht abgehobenen [X.] entsprächen der gesetzlichen Anforderung einer "drucktechnisch deutlichen Form"
nicht
und seien auch inhaltlich unzureichend.
Die [X.] "rechtzeitige Absendung"
suggeriere, dass nur ein schriftlicher Widerspruch möglich sei, obwohl nach §
5a Abs.
1 Satz
1 [X.] in der ab
1.
August 2001 gültigen Fassung ein Widerspruch in Textform genüge. Der Fristbeginn sei fehlerhaft umschrieben, da dafür die Übersendung
der Police allein nicht genüge,
sondern auch die [X.] und die Verbraucherinformation vorliegen müssten.
Die Verträge
seien
aber gemäß § 5a Abs.
2 Satz 4 [X.] a.F. ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie rückwirkend endgültig wirksam geworden.

[X.] Die Revision ist begründet.

1. Die -
mit der Revision allein weiterverfolgten
-
Ansprüche
auf Prämienrückzahlung folgen
dem Grunde nach aus §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB.
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-

a) Die
zwischen den Parteien geschlossenen
Versicherungsverträ-ge schaffen jeweils
keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlungen. Sie sind
infolge des Widerspruchs d. [X.] nicht wirksam zustande gekommen. Der Widerspruch war -
ungeachtet des Ablaufs der in §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. normierten Jahresfrist
-
rechtzeitig.

aa) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden [X.] belehrte der Versicherer d. [X.] nicht ord-nungsgemäß i.S. von §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] a.F. über das [X.]. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung waren die Belehrungen im Fließtext der Begleitschreiben drucktechnisch nicht hervorgehoben; allein die -
ebenso wie die weiteren Überschriften gestal-tete
-
Überschrift "[X.]" genügte hierfür nicht.
[X.] als die Revisionserwiderung meint, kommt es nicht darauf an, ob die -
nicht maßgeblichen
-
Belehrungen in den Anträgen drucktechnisch hervorgehoben waren. Die [X.] waren entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung auch inhaltlich unzureichend. Sie enthielten keinen Hinweis auf die nach §
5a Abs.
1 Satz
1 [X.] in der ab 1.
August 2001 gültigen Fassung erforderliche, aber auch ausreichende
Textform des Widerspruchs; dieses Formerfordernis konnte d. [X.] nicht aus der Formulierung entnehmen, dass zur Wahrung der Frist die recht-zeitige Absendung des Widerspruchs genüge. Zudem wurde der Beginn der Widerspruchsfrist falsch beschrieben, weil abweichend von §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] a.F. nur an den Erhalt des Versicherungsscheins, nicht auch an
die Überlassung der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation angeknüpft wurde.
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Für einen solchen Fall einer nicht ordnungsgemäßen Widerspruch-belehrung bestimmte §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. zwar, dass das [X.] ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt.
Das [X.]srecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des [X.] der [X.] vom 19.
Dezember 2013 ([X.], 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7.
Mai 2014 ([X.], [X.], 101 Rn.
17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der [X.] und der [X.] keine Anwendung findet und für davon er-fasste Lebens-
und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. [X.] -
wie hier
-
nicht ordnungsgemäß über das Recht zum [X.] belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

bb) Die Kündigung der Versicherungsverträge
steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
37 m.w.N.).

b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechts-widrigkeit des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. sind nicht auf eine Wirkung 13
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ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur ei-ne Rückwirkung entspricht dem [X.] (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
42-44).

2. Die Rückgewähransprüche waren bei Erhebung der Klage im August 2012 noch nicht verjährt. Zu diesem Zeitpunkt war die maßgebli-che regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des §
195 BGB nicht abge-laufen. Diese konnte erst mit Schluss des Jahres 2011 beginnen, da d.
[X.] erst in diesem Jahr den Widerspruch erklärte. Der nach einem [X.] gemäß §
5a [X.] a.F. geltend gemachte Bereicherungsan-spruch entstand erst mit Ausübung des Widerspruchsrechts im Sinne von §
199 Abs.
1 Nr.
1 BGB; jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hatte d. [X.] Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners im Sinne von §
199 Abs.
1 Nr.
2 BGB (vgl. Senatsurteil vom 8.
April 2015 -
IV ZR 103/15, [X.], 865 Rn.
19
ff.).

3. Der Höhe nach umfassen
die Rückgewähransprüche
nach §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. [X.] bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwick-lung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versi-cherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung [X.] (Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
45 m.w.N.).
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Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuver-weisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
46).

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.] [X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 30.04.2013 -
21 [X.] -

OLG [X.] in [X.], Entscheidung vom 05.12.2013 -
14 U 2358/13 -

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Meta

IV ZR 426/13

17.06.2015

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.06.2015, Az. IV ZR 426/13 (REWIS RS 2015, 9627)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9627

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IV ZR 76/11

IV ZR 103/15

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