Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.09.2010, Az. V R 51/09

5. Senat | REWIS RS 2010, 3251

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 16.09.2010 V R 57/09 - Keine Durchbrechung der Bestandskraft bei nachträglich erkanntem Verstoß gegen das Unionsrecht - Keine Rechtswirkung eines an einen nach Verschmelzung nicht mehr existierenden Rechtsvorgänger gerichteten Verwaltungsaktes - Nichtigkeit eines Verwaltungsakts - Dauer der Einspruchsfrist verstößt nicht gegen unionsrechtliche Vorgaben - Recht auf Erstattung von Abgaben, die ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben hat - Dualismus der Korrektursysteme)


Leitsatz

NV: Ein Steuerbescheid ist auch bei einem erst nachträglich erkannten Verstoß gegen das Unionsrecht nicht unter günstigeren Bedingungen als bei einer Verletzung innerstaatlichen Rechts änderbar. Das Korrektursystem der §§ 172 ff. AO regelt die Durchsetzung der sich aus dem Unionsrecht ergebenden Ansprüche abschließend. Nach den Vorgaben des Unionsrechts muss das steuerrechtliche Verfahrensrecht auch keine weitergehenden Korrekturmöglichkeiten für Steuerbescheide vorsehen (Bestätigung des BFH-Urteils vom 23. November 2006 V R 67/05, BFHE 216, 357, BStBl II 2007, 436).

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ein Anspruch auf Änderung bestandskräftiger [X.] für die Streitjahre (1993 bis 1996) zusteht.

2

Die Klägerin ist aufgrund einer Verschmelzung Rechtsnachfolgerin der H-GmbH, die in den Streitjahren eine Spielhalle betrieb. Hieraus erzielte sie unter anderem Umsätze aus dem Betrieb von Glücksspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit.

3

Die Verschmelzung der H-GmbH auf die Klägerin erfolgte nach den Feststellungen des Finanzgerichts ([X.]) auf Grundlage eines notariellen Vertrags vom 18. April 1997 zum 1. Januar 1997 und wurde am … November 1997 im Handelsregister der Klägerin als übernehmendem Rechtsträger eingetragen.

4

In den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 2  der Abgabenordnung ([X.]) vor der Verschmelzung ergangenen Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre wurden diese Umsätze, den Steuererklärungen der Klägerin folgend, vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) als umsatzsteuerpflichtig behandelt.

5

Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde für alle Streitjahre mit gesonderten Bescheiden ebenfalls gegenüber der H-GmbH aufgehoben.

6

Mit Urteil vom 17. Februar 2005 entschied der [X.] ([X.]) in der Rechtssache [X.]/02 und [X.]/02, [X.] und [X.] (Slg. 2005, [X.], [X.] Beilage 2005, 94), dass Art. 13 Teil [X.]. f der [X.]/[X.] des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/[X.]) unmittelbare Wirkung zukomme, so dass sich ein Veranstalter oder Betreiber von Glücksspielen oder Glücksspielgeräten vor den nationalen Gerichten auf die Steuerfreiheit dieser Umsätze berufen könne. Bei Ergehen dieses Urteils lag für alle Streitjahre bereits Festsetzungsverjährung nach den Bestimmungen der [X.] vor. Die Einspruchsfrist für die für die Streitjahre ergangenen Umsatzsteuerjahresbescheide war bereits seit mehr als einem Jahr abgelaufen.

7

Mit Schreiben unter dem 16. März 2005 legte die Klägerin Einspruch gegen die für die Streitjahre ergangenen [X.] ein und machte die Steuerfreiheit für die Umsätze mit Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit geltend.

8

Das [X.] verwarf die Einsprüche wegen Verfristung als unzulässig.

9

Im anschließenden Klageverfahren vor dem [X.] erklärte das [X.] in der mündlichen Verhandlung die Bescheide über die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung für die Streitjahre 1994 bis 1996 für nichtig, da diese trotz deren Erlöschens aufgrund der Verschmelzung noch gegenüber der H-GmbH als Inhaltsadressatin ergangen seien. Für das Streitjahr 1993 wurde der Bescheid über die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung vom 12. März 1999 hingegen nicht für nichtig erklärt.

Das [X.] wies die Klage für alle Streitjahre als unbegründet ab.

Hiergegen richtet sich die Revision. Die Klägerin rügt die Verletzung materiellen Bundesrechts sowie des Unionsrechts. Sie regt an, dem [X.] im Wege des Vorabentscheidungsersuchens folgende Fragen vorzulegen:

"1. Kann sich ein Steuerpflichtiger gegenüber dem Finanzamt erfolgreich darauf berufen, dass die Europarechtswidrigkeit einer steuergesetzlichen Norm des nationalen Rechts durch den [X.] festgestellt worden ist, wenn nach nationalem Recht die Vorschrift der Bestandskraft entgegenstünde?

2. Gilt dies insbesondere dann, wenn die Umsetzung einer Richtlinie fehlerhaft geschehen ist, sodass dem Steuerpflichtigen nicht offenbart wurde, dass eine Abweichung des Gemeinschaftsrechts vom nationalen Recht vorlag und der Steuerpflichtige durch diese Unwissenheit nicht in der Lage war, seine Rechte innerhalb der nationalen Frist geltend zu machen?

3. Ist es für die Zumutbarkeit eines Rechtsbehelfs im Sinne der Entscheidung des [X.] vom 24. März 2009 [X.], [X.] von Relevanz, ob es sich um einen Eingriff handelt, der sich für den Bürger als ungewöhnlich oder selten darstellt, oder ob es sich um einen Eingriff handelt, der bereits vor Inkrafttreten der betreffenden verletzten Richtlinie durchgeführt wurde und auch bei anderen Steuerpflichtigen durchgeführt wird, sodass der Bürger keinen Anlass einer besonderen Prüfung erkennen kann, wie dies bei der Umsatzsteuerveranlagung der Fall ist und wirkt sich dies [X.] auf die Zumutbarkeit aus?

4. Muss der Steuerpflichtige --entgegen der Aussage in der Sache [X.] vom 25. Juli 1991 [X.]/90-- die Richtlinien der [X.] kennen, auf denen nationale Gesetze beruhen, die für ihn anwendbar sind?

5. Falls Frage 3 (gemeint: 4) zu bejahen ist, stellt sich Frage 4 (gemeint: 5): Macht es für den Beginn oder für die Länge der Rechtsmittelfrist einen Unterschied, dass das nationale Recht voraussetzt, dass der Bürger die nationalen Rechtsvorschriften zumindest kennen muss, er die Vorschriften der [X.]-Richtlinien aber nicht kennen muss und nicht kennt (Verstoß gegen den Grundsatz der Effektivität)? Ist der kurze Lauf der Rechtsmittelfrist deshalb im nationalen Recht angemessen, weil Kenntnis vorausgesetzt wird? Bedeutet dies dann, dass beim Verstoß gegen europarechtliche Richtlinien eine längere Frist oder mangels anwendbarer Regelungen des nationalen Rechts gar keine Frist läuft?

6. Kann der Steuerpflichtige trotz entgegenstehender Bestandskraft nach nationalem Recht Rückzahlung der zu Unrecht vereinnahmten Steuer verlangen?

7. Unter welchen Voraussetzungen kann der Steuerpflichtige eine entsprechende Rückzahlung verlangen?"

Die Klägerin beantragt,

das [X.]-Urteil sowie die Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 2007 aufzuheben und die angefochtenen [X.] 1993 bis 1996 in der Weise zu ändern, dass die Umsätze aus Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit steuerfrei belassen und damit im Zusammenhang stehende Vorsteuern nicht berücksichtigt werden,

hilfsweise den Streitfall dem [X.] zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Das [X.] beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Recht sowohl die Nichtigkeit der angefochtenen [X.] als auch die Änderbarkeit der bestandskräftigen und festsetzungsverjährten Bescheide für die Streitjahre verneint.

1. Das [X.] geht zu Recht davon aus, dass über die "ursprünglichen" Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 1993 bis 1996 zu entscheiden ist. Diese Bescheide sind --an[X.] als die Bescheide, mit denen der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben worden ist-- wirksam bekanntgegeben worden.

a) Ein nicht an den Rechtsnachfolger, sondern an einen nicht mehr existierenden Rechtsvorgänger gerichteter Verwaltungsakt entfaltet (diesem gegenüber) keine Rechtswirkungen (vgl. Beschluss des Großen Senats des [X.] --[X.]-- vom 21. Oktober 1985 GrS 4/84, [X.], 110, [X.] 1986, 230; [X.]-Urteile vom 5. Juni 2003 [X.]/01; [X.], 507, [X.] 2003, 822; vom 25. April 2006 [X.], [X.], 2037). Im Falle der Umwandlung einer GmbH durch Übertragung des Vermögens auf eine Personenhandelsgesellschaft als übernehmende Gesellschaft --wie im [X.] sind die GmbH als Rechtsvorgängerin und die Personenhandelsgesellschaft als Gesamtrechtsnachfolgerin verschiedene Rechtspersonen. Verwaltungsakte, die das [X.] nach deren Erlöschen durch Eintragung der Verschmelzung ins Handelsregister (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 des Umwandlungsgesetzes --[X.]--), am … November 1997, an die GmbH gerichtet hat, sind danach selbst dann rechtsunwirksam, wenn sie in den Machtbereich der [X.] gelangt sein sollten (Beschluss des Großen Senats des [X.] in [X.], 110, [X.] 1986, 230). Ohne Bedeutung für die Wirksamkeit der Bekanntgabe ist dagegen, dass die Registereintragung unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 [X.] auf den steuerlichen Übertragungsstichtag --im Streitfall 1. Januar 1997-- zurückwirkt; denn vor der Eintragung wirksam bekanntgegebene Verwaltungsakte verlieren nicht nachträglich ihre Wirksamkeit (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 507, [X.] 2003, 822).

b) Das [X.] hat daher zu Recht entschieden, dass die --sämtlich vor dem … November 1997, dem [X.] ins Handelsregister, ergangenen-- Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 1993 bis 1996 wirksam gegenüber der GmbH bekanntgegeben worden sind. Dies gilt nicht für die ebenfalls an die GmbH gerichteten Bescheide vom 1. April 1999, mit denen der Vorbehalt der Nachprüfung für die Jahre 1994 bis 1996 aufgehoben wurde. Dem hat das [X.] bereits durch deren Aufhebung während des finanzgerichtlichen Verfahrens Rechnung getragen. [X.] war auch der ebenfalls gegenüber der GmbH ergangene Bescheid über die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung betreffend Umsatzsteuer 1993 vom 12. März 1999; insoweit geht das [X.] im Ergebnis zu recht inzident (vgl. [X.]-Urteil vom 7. Oktober 1997 [X.], [X.]/NV 1998, 1195, m.w.N.) von dessen [X.]keit aus.

2. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die angefochtenen [X.] nicht nichtig.

Gemäß § 125 Abs. 1 [X.] ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem beson[X.] schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Nach § 125 Abs. 2 [X.] ist ein Verwaltungsakt nichtig, der die erlassende Finanzbehörde nicht erkennen lässt, den aus tatsächlichen Gründen niemand befolgen kann, der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt oder der gegen die guten Sitten verstößt.

Im Streitfall liegt kein [X.] vor. Ein Verwaltungsakt ist nicht allein deswegen nichtig, weil er der gesetzlichen Grundlage entbehrt oder weil die in Betracht kommenden Rechtsvorschriften --auch diejenigen des formellen Rechts ([X.] unrichtig angewendet worden sind ([X.]-Urteile vom 13. Mai 1987 II R 140/84, [X.]E 150, 70, [X.] 1987, 592, und vom 26. September 2006 [X.], [X.]/NV 2007, 186). Der erforderliche beson[X.] schwere Fehler liegt nur vor, wenn er die an eine ordnungsmäßige Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem so hohen und offenkundigen Maße verletzt, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt, da die Klägerin selbst in ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre die streitigen Umsätze als steuerpflichtig angesehen hat und das [X.] dem gefolgt ist.

Für Verstöße gegen Unionsrecht ergeben sich insoweit keine Besonderheiten (vgl. [X.]-Urteil vom 6. Oktober 2009 [X.]/08, Asturcom [X.], [X.]. 2009, [X.], [X.] --EWS-- 2009, 475, [X.] Zeitschrift für [X.], 852, unter [X.]. 37; ebenso Urteil des [X.] --BVerwG-- vom 17. Januar 2007  6 C 32/06, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht --NVwZ-- 2007, 709). Die [X.], nach der ein Verstoß gegen das Unionsrecht stets einen "schweren" Rechtsfehler begründen soll (vgl. [X.], [X.] --DStR-- 2008, 1368, 1369 zu § 130 [X.]), lässt unberücksichtigt, dass für einen unionsrechtswidrigen Bescheid keine andere Behandlung geboten ist als für einen Bescheid, der auf einer nicht verfassungskonformen Rechtsgrundlage beruht und dessen Bestand hiervon unberührt bleibt (§ 79 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das [X.]; [X.]-Urteile vom 28. Juni 2006 [X.]/06, [X.]E 214, 287, [X.] 2007, 714; vom 21. März 1996 [X.], [X.]E 179, 563, [X.] 1996, 399).

3. Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin ihren Einspruch verspätet eingelegt hat.

Nach § 355 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist der Einspruch (§ 347 Abs. 1 Satz 1 [X.]) innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen. Ein Einspruch gegen eine Steueranmeldung ist gemäß § 355 Abs. 1 Satz 2 [X.] innerhalb eines Monats nach Eingang der Steueranmeldung bei der Finanzbehörde, in den Fällen des § 168 Satz 2 [X.] innerhalb eines Monats nach Bekanntwerden der Zustimmung zu erheben.

Die Klägerin hat mit Schreiben unter dem 16. März 2005 Einspruch gegen die [X.] für die Streitjahre erhoben. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) war zu diesem Zeitpunkt bereits für alle Streitjahre sowohl die Monatsfrist als auch die --nach Auffassung der Klägerin "mangels Rechtsbehelfsbelehrung im [X.]" anwendbare-- Jahresfrist für die Einlegung eines Einspruchs abgelaufen. Dies ist im Übrigen auch zwischen den Beteiligten unstreitig.

4. Die Versäumung der Einspruchsfrist durch die Klägerin ist nicht aufgrund der sog. "Emmott'schen Fristenhemmung" unbeachtlich.

Nach der Rechtsprechung des [X.] (Urteil vom 25. Juli 1991 [X.]/90, Emmott, [X.]. 1991, I-4269 [X.]. 23) kann sich ein säumiger Mitgliedstaat zwar bis zum Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Umsetzung einer Richtlinie unter bestimmten Voraussetzungen nicht auf die verspätete Einlegung einer Klage berufen (vgl. zuletzt [X.]-Urteil vom 24. März 2009 [X.], [X.], [X.]. 2009, [X.]19 [X.]n. 53 f.). Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt, sondern setzt das Vorliegen besonderer Umstände voraus, die sich in der Rechtssache Emmott daraus ergaben, dass ein Bürger eines Mitgliedstaates von dessen Behörden zunächst von der rechtzeitigen Einlegung einer Klage abgehalten und ihm später der Einwand der verspäteten Klageerhebung entgegengehalten wurde ([X.]-Urteil [X.] in [X.]. 2009, [X.]19 [X.]. 54). Eine derartige Fallgestaltung ist im Streitfall nicht gegeben, da die Klägerin nicht daran gehindert war, innerhalb der allgemeinen Fristen ihre [X.] anzufechten (vgl. [X.]-Entscheidungen vom 23. November 2006 [X.], [X.]E 216, 357, [X.] 2007, 436; vom 23. November 2006 [X.], [X.]E 216, 350, [X.] 2007, 433; vom 9. Oktober 2008 [X.]/06, [X.]/NV 2009, 39; [X.]-Urteile in [X.]E 179, 563, [X.] 1996, 399; vom 15. September 2004 [X.], [X.]/NV 2005, 229).

5. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nach dem Unionsrecht weder die Dauer der Einspruchsfrist zu beanstanden noch besteht eine Anlaufhemmung bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sie Kenntnis von der [X.]-Entscheidung [X.] und [X.] in [X.]. 2005, [X.], [X.]/NV Beilage 2005, 94 erlangt hat. Das [X.] war auch nicht verpflichtet, ihr die Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist zu gewähren.

a) Die Dauer der Einspruchsfrist nach § 355 [X.] verstößt weder gegen die unionsrechtlichen Vorgaben des Äquivalenz- noch des Effektivitätsprinzips, da nach dem [X.]-Urteil vom 19. September 2006 [X.]/04 und [X.], [X.], [X.] und [X.] ([X.]. 2006, I-8559 [X.]n. 59, 60 und 62) eine einmonatige Frist zur Einlegung eines Rechtsbehelfs angemessen ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf sein Urteil in [X.]E 216, 357, [X.] 2007, 436.

b) Die Einspruchsfrist beginnt [X.] der fehlerhaften Umsetzung des Art. 13 Teil [X.]. f der Richtlinie 77/388/[X.] in nationales Recht-- mit Bekanntgabe des Steuerbescheids und nicht erst zu dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin Kenntnis von der [X.]-Entscheidung [X.] und [X.] in [X.]. 2005, [X.], [X.]/NV Beilage 2005, 94 erlangen konnte.

Das Unionsrecht verlangt auf Grundlage der aus Art. 10 Abs. 1 des Vertrags zur Gründung der [X.]n Gemeinschaften ([X.]) abgeleiteten Prinzipien der Effektivität und der Äquivalenz (zum Grundsatz der Zusammenarbeit vgl. [X.]-Urteil vom 8. September 2010 [X.]9/06, [X.], [X.] 2010, 1298, unter [X.]n. 55, 58) nur, dass die Mitgliedstaaten die verfahrensrechtlichen Fristen, die zur Durchsetzung des Unionsrechts einzuhalten sind, nicht ungünstiger ausgestalten als in den nur das innerstaatliche Recht betreffenden Verfahren. Weiter darf es nicht praktisch unmöglich sein, eine auf das Unionsrecht gestützte Rechtsposition geltend zu machen. Danach sind Verwaltungsakte, die nach Ablauf einer angemessenen Frist nicht mehr anfechtbar, selbst wenn sie gegen das Unionsrecht verstoßen, für die Beteiligten bindend (vgl. [X.]-Entscheidungen vom 13. Januar 2004 [X.]/00, [X.], [X.]. 2004, [X.], unter [X.]. 24; [X.] [X.] und [X.] in [X.]. 2006, I-8559, unter [X.]. 51).

Die Klägerin beansprucht demgegenüber für sich eine Besserstellung gegenüber den Steuerpflichtigen, die sich nur auf eine Rechtsposition des innerstaatlichen Rechts berufen können, diese aber nicht kennen und sich nach Ablauf der Einspruchsfrist in § 355 Abs. 1 [X.] die formelle Bestandskraft der Steuerfestsetzung entgegenhalten lassen müssen.

Die von der Klägerin für maßgeblich gehaltenen Umstände, dass die Richtlinie 77/388/[X.] sich an die Mitgliedstaaten und nicht unmittelbar an den Bürger als Adressaten wende und es bis zum [X.]-Urteil [X.] und [X.] in [X.]. 2005, [X.], [X.]/NV Beilage 2005, 94 nicht vorhersehbar gewesen sei, dass Art. 13 Teil [X.]. f der Richtlinie 77/388/[X.] unmittelbar Anwendung finden könne, rechtfertigen entgegen ihrer Auffassung nicht den Schluss, dass es "praktisch unmöglich" war, diese Rechtsposition im Rahmen der "normalen" Einspruchsfrist gemäß § 355 Abs. 1 Satz 1 [X.] durchzusetzen. Denn es kommt nicht darauf an, ob eine nach Erlass eines Bescheids eintretende günstige Rechtsentwicklung auf einer günstigen Richtlinienauslegung durch den [X.] oder auf einer anderen Grundlage beruht. Ein Steuerpflichtiger, der mit Rücksicht auf die herrschende Rechtsauffassung zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses von einer Klage abgesehen und es unterlassen hat, die Gerichte selbst von einem Verstoß der Steuerfestsetzung gegen das Unionsrecht zu überzeugen, nimmt den Eintritt der Bestandskraft --auch für den Fall eines späteren [X.] bewusst in Kauf (vgl. bereits Senatsurteil vom 29. Mai 2008 [X.]/06, [X.]/NV 2008, 1889, unter [X.]; s. auch weiter unten bei [X.] bb). Die Rechtsverfolgung innerhalb der allgemeinen gesetzlichen Fristen ist daher auch bei Fragen des Unionsrechts möglich und zumutbar ([X.]-Urteil in [X.]E 216, 350, [X.] 2007, 433, unter II.3.).

c) Das [X.] hat weiter zutreffend entschieden, dass der Klägerin keine Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist gemäß § 110 [X.] zu gewähren war.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass im Zeitpunkt des Einspruchs mit Schreiben unter dem 16. März 2005, den das [X.] zugleich als Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 110 Abs. 1 [X.] behandelte, mehr als ein Jahr seit dem Ende der versäumten Einspruchsfrist verstrichen war. Das [X.] hat eine Wiedereinsetzung --sowohl auf Antrag der Klägerin als auch von Amts wegen-- daher zutreffend bereits im Hinblick auf die gemäß § 110 Abs. 3 [X.] einzuhaltende Jahresfrist verneint.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Jahresfrist nicht deswegen unbeachtlich, weil sie bis zum [X.]-Urteil [X.] und [X.] in [X.]. 2005, [X.], [X.]/NV Beilage 2005, 94 weder habe wissen können noch müssen, dass die Steuerbefreiung gemäß Art. 13 Teil [X.]. f der Richtlinie 77/388/[X.] unmittelbar zu ihren Gunsten anwendbar sei. Die Klägerin kann sich insoweit nicht auf das [X.]-Urteil vom 8. Februar 2001 [X.] ([X.]E 194, 466, [X.] 2001, 506) berufen. Diese Entscheidung betraf die Wiedereinsetzung in die prozessuale Antragsfrist gemäß § 68 [X.]O a.F. bei einem fehlenden Hinweis des [X.] hierauf im Änderungsbescheid. Für den Streitfall, in dem es die Klägerin von vornherein unterlassen hat, Rechtsbehelfe gegen die [X.] einzulegen, lässt sich hieraus nichts ableiten.

Die Klägerin beansprucht vielmehr (vgl. bereits oben unter [X.]) eine verfahrensrechtliche Besserstellung gegenüber den sich aus dem nationalen Recht ergebenden Rechten, um die auf der Richtlinie 77/388/[X.] beruhende Steuerbefreiung durchzusetzen. Das Unionsrecht gebietet es jedoch nicht, die Klägerin verfahrensrechtlich besserzustellen (vgl. oben [X.] zur Einspruchsfrist und die Senatsentscheidung in [X.]E 216, 350, [X.] 2007, 433, unter II.3.; [X.]-Urteil Asturcom [X.] in [X.]. 2009, [X.], [X.], 475, [X.] 2009, 852, unter [X.]. 37).

6. Die Klägerin kann auch keine Änderung der bestandskräftigen [X.] beanspruchen.

a) Es ist unionsrechtlich grundsätzlich nicht erforderlich, eine Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen, die nach Ablauf angemessener Fristen oder nach Erschöpfen des Rechtswegs bestandskräftig geworden ist oder durch ein rechtskräftiges gerichtliches Urteil bestätigt wurde (ständige Rechtsprechung des [X.], vgl. Urteile [X.] in [X.]. 2004, [X.], unter [X.]. 24; [X.] [X.] und [X.] in [X.]. 2006, I-8559, unter [X.]. 51).

b) Zu beachten ist allerdings, dass die für den Erlass einer Verwaltungsentscheidung zuständige Behörde nach dem (für die Streitjahre noch) in Art. 10 [X.] verankerten Grundsatz der Zusammenarbeit unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet sein kann, ihre Entscheidung zu überprüfen und zurückzunehmen ([X.]-Urteile [X.] in [X.]. 2004, [X.], unter [X.]. 28; vom 16. März 2006 [X.], [X.], [X.]. 2006, [X.], unter [X.]. 23; [X.] [X.] und [X.] in [X.]. 2006, I-8559, unter [X.]. 52; vom 12. Februar 2008 C-2/06, [X.], [X.]. 2008, [X.], unter [X.]n. 37 bis 39; vom 3. September 2009 C-2/08, [X.], [X.]. 2009, [X.], [X.] 2009, 739, unter [X.]n. 23 ff.; Asturcom [X.] in [X.]. 2009, [X.], [X.], 475, [X.] 2009, 852, unter [X.]. 37).

Für diesen Überprüfungs- und Aufhebungsanspruch müssen nach der Rechtsprechung des [X.] vier "Voraussetzungen" vorliegen:

-

Erstens muss die Behörde nach nationalem Recht befugt sein, die bestandskräftige Entscheidung 

zurückzunehmen.

-

Zweitens muss die Entscheidung infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen

Gerichts gegen über dem die Änderung [X.] Steuerpflichtigen bestandkräftig geworden sein. 

-

Drittens muss das Urteil, wie eine nach seinem Erlass ergangene Entscheidung des [X.] zeigt, auf

einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruhen, die erfolgt ist, ohne dass der [X.] um

Vorabentscheidung ersucht worden ist, obwohl die Voraussetzungen einer Vorlage gemäß Art. 234 Abs. 3 [X.]

(nunmehr Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union --AEUV--) erfüllt waren.

Viertens muss der Betroffene sich, unmittelbar nachdem er Kenntnis von der besagten Entscheidung des

[X.] erlangt hat, an die Verwaltungsbehörde gewandt haben.

c) Bereits die erste Voraussetzung, nach der eine nationale Behörde zur Aufhebung oder Änderung eines rechtswidrigen bestandskräftigen Steuerbescheids "befugt" sein muss, ist im Streitfall nicht erfüllt.

aa) [X.] Steuerbescheide [X.] des § 155 [X.] können bei nachträglich erkannter [X.] --wie auch bei einem nachträglich erkannten Verstoß gegen innerstaatliches Recht-- auf Grundlage der "[X.]-Grundsätze" und den §§ 172 ff. [X.] nicht geändert werden, da es im steuerrechtlichen Verfahrensrecht an der hierzu erforderlichen Befugnis fehlt (vgl. [X.]-Urteile in [X.]E 216, 357, [X.] 2007, 436; vom 23. November 2006 [X.], [X.]/NV 2007, 872; in [X.]E 179, 563, [X.] 1996, 399; vom 8. Juli 2009 [X.], [X.]/NV 2010, 1; zustimmend [X.]/Rüsken, [X.], 10. Aufl., § 130 Rz 32 f. und § 172 Rz 4a; v.[X.] in [X.], [X.] vor §§ 172 bis 177 Rz 41.1; [X.], [X.], 2677; [X.] in Festschrift für [X.], 81, 94; [X.]/[X.], [X.], 420, 426 ff.; [X.]/[X.], [X.] 2005, 198, 199 f.; [X.], [X.], 413 ff., [X.], 1988, 1991).

Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] (Urteile [X.] in [X.]. 2006, [X.], unter [X.]n. 22 und 23; Asturcom [X.] in [X.]. 2009, [X.], [X.], 475, [X.] 2009, 852, unter [X.]n. 37 f.), der der Senat folgt, setzt der auf den "[X.]-Grundsätzen" beruhende Anspruch auf Überprüfung oder Änderung rechtskräftiger Entscheidungen voraus, dass das nationale Verfahrensrecht hierfür eine Rechtsgrundlage vorsieht und insoweit das Äquivalenz- sowie das Effektivitätsprinzip beachtet werden. Hiermit stellt der [X.] klar, dass das Unionsrecht weder verlangt, im nationalen Verfahrensrecht einen entsprechenden Überprüfungs- oder Änderungsanspruch für bestandskräftige unionsrechtswidrige Verwaltungsakte vorzusehen, noch, dass aus dem Unionsrecht ein eigenständiger (vom nationalen Recht losgelöster) Überprüfungs- und Änderungsanspruch abgeleitet werden kann (unzutreffend daher [X.]/Oellerich, [X.] 2008, 2559, 2563; [X.], DStR 2007, 1892, 1893; [X.]., Betriebs-Berater --[X.]-- 2004, 1087; Schacht/[X.], [X.] 2008, 1254, 1257).

bb) Die fehlende Änderungsmöglichkeit für bestandskräftige unionsrechtswidrige Steuerbescheide in den §§ 172 ff. [X.] verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegen den unionsrechtlichen Äquivalenzgrundsatz.

Im Streitfall kann offenbleiben, ob auf Grundlage der "[X.]-Grundsätze" im Rahmen des § 130 Abs. 1 [X.] bei unionsrechtswidrigen Steuerverwaltungsakten (§ 118 [X.]) eine Ermessensreduzierung eintreten und ein Überprüfungs- oder Änderungsanspruch bei bestandskräftigen Steuerverwaltungsakten bestehen kann (so [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 130 [X.] Rz 22 ff.; [X.]/Oellerich, [X.] 2008, 2559, 2564). Selbst wenn dies zutreffen sollte, verletzt die abweichende Rechtslage für Steuerbescheide (vgl. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d [X.]) nicht das Äquivalenzprinzip. Der nach nationalem Recht bestehende Dualismus der abgabenrechtlichen Korrekturvorschriften mit voneinander unabhängigen Regelungssystemen --§§ 130, 131 [X.] einerseits und §§ 172 ff. [X.] andererseits-- ist ein Grundprinzip des steuerrechtlichen Verfahrensrechts (vgl. [X.] in [X.], vor §§ 130 bis 133 [X.] Rz 43, 114 ff.; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Vorbemerkungen zu §§ 172 bis 177 [X.] Rz 6; v.[X.] in [X.], [X.] vor §§ 130 bis 133 Rz 8; [X.]/Rüsken, a.a.[X.], § 172 Rz 1; [X.]/[X.], Abgabenordnung, 2. Aufl., vor §§ 172 bis 177 Rz 5). Dem Äquivalenzprinzip wird genügt, wenn innerhalb der verfahrensrechtlich jeweils eigenständigen [X.] für rechtswidrige bestandskräftige Steuerverwaltungsakte einerseits und für Steuerbescheide andererseits dieselben Änderungsmöglichkeiten zur Durchsetzung der sich aus dem nationalem Recht und dem Unionsrecht ergebenden Ansprüche bestehen (vgl. z.B. [X.]-Urteil Asturcom [X.], [X.]. 2009, [X.], [X.], 475, [X.] 2009, 852, unter [X.]n. 49 f.). Dies ist vorliegend der Fall, da Verstöße gegen innerstaatliches Recht und das Unionsrecht innerhalb der beiden Änderungssysteme gleich behandelt werden.

cc) Ferner verstößt die fehlende nachträgliche Änderungsmöglichkeit für unionsrechtswidrige Steuerbescheide nicht gegen das Effektivitätsprinzip.

Der Grundsatz der Effektivität ist entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin nicht verletzt, wenn der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung des [X.] bestandskräftig werden lässt, weil eine künftige Rechtsprechungsänderung des [X.] oder [X.] zu seinen Gunsten u.U. nicht absehbar ist (Senatsurteil in [X.]/NV 2008, 1889, unter [X.]). Denn durch das Rechtsinstitut der Bestandskraft bezweckt der Gesetzgeber den Eintritt der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens. Dieser Zweck würde vereitelt, wenn die Bestandskraft nachträglich durchbrochen werden könnte und dies von der regelmäßig schwierig zu beurteilenden Vorhersehbarkeit einer Rechtsprechungsänderung des [X.] oder des [X.] abhängig gemacht würde. Es ist --wie bereits unter [X.] erläutert-- Sache des Steuerpflichtigen, unter Übernahme des [X.] seine Chance zur Herbeiführung der Korrektur einer entgegenstehenden Rechtsprechung zu wahren, indem er Rechtsmittel einlegt (Senatsurteil in [X.]E 216, 350, [X.] 2007, 433). Sieht der Steuerpflichtige hiervon ab, nimmt er den Eintritt der Bestandskraft auch für den Fall einer späteren Rechtsprechungsänderung bewusst in Kauf.

Dass nach den von der Klägerin angeführten zivilrechtlichen Entscheidungen eine Haftung von Steuerberatern bis zum [X.]-Urteil [X.] und [X.] in [X.]. 2005, [X.], [X.]/NV Beilage 2005, 94 mangels Verschuldens nicht in Betracht kommen kann, wenn diese auf die Steuerfreiheit der Umsätze nicht hingewiesen hatten, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Der [X.] garantiert --an[X.] als die Klägerin meint-- nur eine gerichtliche Rechtsschutzmöglichkeit in angemessener Frist. Er betrifft das Verfahren, nicht aber die Frage, ob es in der Sache schwierig ist, eine günstige Rechtsentwicklung vorherzusehen und durchzusetzen. Der [X.] hat die [X.] Einspruchs- und Klagefristen und damit die nationalen verfahrensrechtlichen Regelungen zur Durchsetzung des Unionsrechts nicht beanstandet ([X.]-Urteil [X.] [X.] und [X.] in [X.]. 2006, I-8559, unter [X.]n. 58 bis 60; vgl. auch unter [X.] und b).

dd) Aus dem Beschluss des [X.]s ([X.]) vom 4. September 2008  2 BvR 1321/07 ([X.]/ Entscheidungsdienst 2009, 62) ergibt sich ebenfalls nichts anderes. Zwar hat das [X.] dort ausgeführt, der [X.] habe die Fragen zur Durchbrechung der Bestandskraft unionsrechtswidriger belastender Verwaltungsakte der Mitgliedstaaten noch nicht erschöpfend beantwortet und es sei unklar, welche Bedeutung der vom [X.] in der "[X.] und [X.]" aufgestellten Voraussetzung zukomme, die Behörde müsse nach nationalem Recht befugt sein, die Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen. Die vom [X.] hierzu zitierten Schrifttumsauffassungen beziehen sich aber zu Recht ausschließlich auf die --für Steuerbescheide nach § 155 [X.] nicht maßgeblichen-- §§ 48 Abs. 1 Satz 1, 51 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG), die für rechtswidrige unanfechtbare Verwaltungsakte im allgemeinen Verwaltungsrecht wie in § 130 Abs. 1 [X.] --an[X.] als die §§ 172 ff. [X.]-- unter bestimmten Voraussetzungen eine ermessensgebundene Überprüfungs- und Änderungspflicht vorsehen (vgl. im Hinblick auf unionsrechtswidrige Verwaltungsakte zu den §§ 48, 51 VwVfG BVerwG-Urteile vom 22. Oktober 2009  1 C 26/08, DVBl 2010, 261; vom 17. Januar 2007  6 C 32/06, [X.], 709).

d) Auch die zweite Voraussetzung der "[X.]-Rechtsprechung" liegt nicht vor. Die Klägerin hat --wie sie selbst einräumt-- gegen die bestandskräftigen [X.] nicht die ihr zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe (vgl. [X.]-Urteil [X.] [X.] und [X.] in [X.]. 2006, I-8559, unter [X.]n. 53 f.) ausgeschöpft (vgl. zu diesem Erfordernis [X.]-Urteil in [X.]/NV 2005, 229; [X.]/[X.], [X.] 2008, 231, 232; [X.], DVBl 2008, 1164, 1170; [X.]/[X.], [X.] Fach 11, Gruppe 2, 865, 875; [X.], DVBl 2007, 400, 408; [X.], [X.] 2007, 407, 409). Die [X.] von [X.] (DStR 2007, 1892, 1893; [X.]., [X.] 2004, 1087 ff., und Schacht/[X.], [X.] 2008, 1254, 1255), nach der die Rechtslage hinsichtlich dieser Voraussetzung nicht abschließend geklärt sein soll, vermag nicht zu begründen, warum und in welcher Hinsicht nach den Ausführungen des [X.] im Urteil [X.] [X.] & [X.] in [X.]. 2006, I-8559 noch Klärungsbedarf besteht.

Der [X.] hat auch nicht, wie die Klägerin behauptet, im Urteil [X.] in [X.]. 2009, [X.]19 von dieser Voraussetzung Abstand genommen, sondern dort lediglich in Bezug auf den unionsrechtlichen Entschädigungs- und Staatshaftungsanspruch entschieden, es sei nicht in jedem Fall zwingend erforderlich, dass der Geschädigte zuvor im Wege des Primärrechtsschutzes gegen das zum Schaden führende legislative oder judikative Unrecht vorgehe (vgl. auch [X.]-Urteil vom 26. Januar 2010 [X.], [X.], [X.]/NV Beilage 2010, 578, unter [X.]. 48). Für die im "[X.]-Urteil" definierten Korrekturvoraussetzungen bei rechtswidrigen bestandskräftigen Verwaltungsakten folgt hieraus nichts.

7. Im Streitfall sind die von der Klägerin aufgeworfenen Vorlagefragen 6. und 7. zu den Voraussetzungen des unionsrechtlichen [X.] nicht entscheidungserheblich, da sie im vorliegenden Verfahren nur die Änderung der bestandskräftigen Steuerfestsetzungen, nicht aber auch einen Erlass der Steuer begehrt.

a) Das Recht auf Erstattung von Abgaben, die ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben hat, stellt nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] eine Folge und eine Ergänzung der Rechte dar, die den Einzelnen aus dem Unionsrecht in seiner Auslegung durch den [X.] erwachsen. Es besteht ein Entschädigungs- oder Staatshaftungsanspruch, wenn ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts Steuern erhoben hat, oder ein Anspruch auf Erstattung der zu Unrecht erhobenen Steuer und der Beträge, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Steuer an diesen Staat gezahlt oder von diesem einbehalten worden sind. Voraussetzung ist, dass die verletzte Rechtsnorm bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat obliegende Verpflichtung und dem den Betroffenen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (vgl. [X.]-Urteile vom 12. Dezember 2006 [X.]/04, [X.] in [X.], [X.]. 2006, [X.]; vom 13. März 2007 [X.]/04, [X.] in [X.], [X.]. 2007, [X.]07, unter [X.]n. 110, 111; vom 23. April 2008 [X.]/05, [X.] in [X.], [X.]. 2008, [X.]; in [X.] in [X.]/NV Beilage 2010, 578, unter [X.]n. 29 ff.).

b) Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen eines unionsrechtlichen [X.] nur ein Erlass der Steuer gemäß § 227 [X.] in Betracht kommt (vgl. [X.]-Entscheidungen vom 13. Januar 2005 [X.], [X.]E 208, 398, [X.] 2005, 460; in [X.]E 216, 350, [X.] 2007, 433; in [X.]/NV 2008, 1889; vom 5. Juni 2009 [X.], [X.]/NV 2009, 1593). Mangels einer Unionsregelung über die Erstattung zu Unrecht erhobener inländischer Abgaben ist es Aufgabe des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten, insoweit die Verfahrensmodalitäten zu regeln (vgl. [X.]-Urteil [X.] in [X.] in [X.]. 2006, [X.], unter [X.]. 203).

8. Der Senat folgt im Übrigen nicht der Anregung der Klägerin, gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des [X.] einzuholen. Die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen zu den Voraussetzungen, unter denen eine Korrektur bestandskräftiger Steuerbescheide auf Grundlage der "[X.]-Rechtsprechung" des [X.] in Betracht kommt sowie zu Beginn und Dauer der Einspruchs- und Wiedereinsetzungsfrist bei nicht zutreffender Umsetzung einer Richtlinienbestimmung sind --wie [X.] bereits geklärt (vgl. unter [X.]). Unter diesen Umständen besteht für den Senat keine Vorlagepflicht (vgl. zu den Voraussetzungen [X.]-Urteile vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, [X.] u.a., [X.]. 1982, 3415, unter [X.]. 21; vom 6. Dezember 2005 [X.]/03, [X.], [X.]. 2005, [X.]; vom 15. September 2005 [X.], [X.], [X.]. 2005, I-8151).

9. Es kommt schließlich keine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) an das [X.] in Betracht. Die unter [X.] dargelegten möglicherweise unterschiedlichen Rechtsfolgen für die [X.] von bestandskräftigen Steuerverwaltungsakten [X.] des § 118 [X.] und von Steuerbescheiden gemäß § 155 [X.], wenn nachträglich deren [X.] festgestellt wird, führen wegen des Dualismus der Korrektursysteme in §§ 130 ff. [X.] und §§ 172 ff. [X.] nicht zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung [X.] des Art. 3 Abs. 1 GG.

Meta

V R 51/09

16.09.2010

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 13. August 2009, Az: 5 K 2174/07 U, Urteil

§ 130 AO, § 355 AO, Art 10 EG, Art 13 Teil B Buchst f EWGRL 388/77, § 155 AO, § 227 AO, Art 3 Abs 1 GG, § 172 AO, §§ 172ff AO, §§ 130ff AO, § 118 AO, § 110 AO, § 125 Abs 1 AO, § 17 Abs 2 UmwG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.09.2010, Az. V R 51/09 (REWIS RS 2010, 3251)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3251

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AN 1 K 17.02722

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