Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.07.2014, Az. V ZB 32/14

V. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 4152

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB
32/14
vom

10. Juli 2014

in der Zurückschiebungshaftsache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG § 420 Abs. 1 Satz 1
Einem [X.]n muss unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfah-rens die Möglichkeit eingeräumt werden, an dem Termin zur Anhörung des [X.] teilzunehmen. Das Recht auf Teilnahme wird nicht gewahrt, wenn lediglich die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme besteht.
[X.], Beschluss vom 10. Juli 2014 -
V [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Juli 2014 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, den Richter Dr.
Lemke, die Richterin Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch und die Richter Dr.
Czub und Dr.
Kazele

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschuss der 2. Zivilkammer des [X.]s
[X.] vom 31. Januar 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die sofortige Be-schwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des [X.] vom 21. November 2013 zurückgewiesen worden ist.
Auf die vorgenannte Beschwerde wird festgestellt, dass der Be-schuss des [X.] vom 21.
November 2013 den Be-troffenen auch insoweit in seinen Rechten verletzt hat, wie es den Haftzeitraum ab dem 28. November 2013 betrifft.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der [X.]
Deutschland auferlegt.
Der Gegenstand des [X.] beträgt 5.000

-
3
-
Gründe:
I.
Der Betroffene, ein [X.] Staatsangehöriger, wurde am 23. Okto-ber 2013 von Beamten der beteiligten Behörde ohne Aufenthaltserlaubnis für die [X.] aufgegriffen. Er hatte zuvor sowohl in [X.] als auch in [X.] einen Asylantrag gestellt.
Auf Antrag der beteiligten
Behörde ordnete das Amtsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung die Inhaftierung des Betroffenen bis längstens 21. No-vember 2013 zur Vorbereitung einer geplanten Zurückschiebung an. Auf weite-ren Antrag der beteiligten
Behörde vom 18. November 2013 hat das Amtsge-richt gegen den Betroffenen mit Beschluss vom 21. November 2013 Haft zur Sicherung der Zurückschiebung nach [X.] bis zum 3. Dezember 2013 [X.]. Den Haftantrag hat es dem damaligen [X.]n des Betroffenen am 21. November 2013 um 9.16 Uhr per Telefax zusammen mit der Bestimmung des Termins zur Anhörung des Betroffenen auf 13.00 Uhr desselben Tages übersandt. Der [X.] teilte dem Amtsge-richt um 9.51 Uhr
per Telefax mit, dass er das Gericht
keinesfalls bis 13.00 Uhr, sondern allenfalls nach 15.15 Uhr erreichen könne. Die Anhörung des [X.] erfolgte -
ohne vorherige Kontaktaufnahme mit dem Verfahrensbevollmäch-tigten -
um 13.30 Uhr.
Bis zum 27. November 2013 war der Betroffene in einer Justizvollzugs-anstalt und danach in Polizeigewahrsam untergebracht. Er wurde am [X.] nach [X.] zurückgeschoben.
Auf seine Beschwerde hat das [X.] -
unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels -
festgestellt, dass der Beschluss des [X.] den Betroffenen vom 21. November 2013 bis zum 27. November 2013 in 1
2
3
4
-
4
-
seinen Rechten verletzt hat. Mit der Rechtsbeschwerde will der Betroffene den vollständigen Erfolg
seiner Beschwerde erreichen.

II.
Nach Ansicht des [X.] war der Haftantrag zulässig. Das Amtsgericht habe nicht gegen das in Haftsachen
geltende Beschleunigungsge-bot verstoßen. Ihm sei auch kein Verstoß gegen das Gebot des fairen Verfah-rens vorzuwerfen. Dem Betroffenen habe es frei gestanden, darauf zu [X.], dass seine Anhörung durch das Amtsgericht in Anwesenheit seines dama-ligen [X.]n stattfinde. Von diesem Recht habe er keinen Gebrauch gemacht. Bis zur Anhörung habe er keinen Kontakt in einer für ihn verständlichen Sprache zu seinem [X.]n gehabt. Ein ir-gendwie geartetes Vertrauensverhältnis habe zwischen beiden nicht bestanden. Zudem habe für den [X.]n die Möglichkeit bestanden, schriftsätzlich Erklärungen zu dem Haftantrag abzugeben.
Die Haftanordnung habe den Betroffenen jedoch in dem Zeitraum
vom 21.
November 2013 bis zum 27. November 2013 wegen der Unterbringung in einer Justizvollzugsanstalt in seinen Rechten verletzt.

III.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§
71 Abs.
1 und
2 FamFG). Sie ist begründet. Die Haftanordnung hat den [X.] insgesamt in seinen Rechten verletzt, weil seine Anhörung durch das 5
6
7
-
5
-
Amtsgericht -
wie er in der Rechtsbeschwerdebegründung zutreffend rügt -
nicht ordnungsgemäß war.
1. Einem [X.]n muss die Möglichkeit eingeräumt werden, an dem Termin zur Anhörung des Betroffenen teilzunehmen (Senat, Beschluss vom 31.
Januar 2012
V
ZB 117/11 Rn.
4, juris; Beschluss vom 25.
Februar 2010
V
ZA
2/10 Rn.
10, juris). Das ist hier nicht erfolgt. Zwar ist dem damaligen [X.]n des Betroffenen der auf den 21.
November 2013 um 13.00
Uhr bestimmte Anhörungstermin mitgeteilt [X.]. Diese Mitteilung erfolgte aber erst etwa 3 ½ Stunden vor dem Termin. Dass der [X.] innerhalb des verbleibenden Zeitraums weder mit dem Auto noch mit öffentlichen Verkehrsmitteln
das Amtsgericht er-reichen konnte, hat er diesem rund eine halbe Stunde später mitgeteilt; zugleich hat er darauf hingewiesen, dass die frühestmögliche Ankunft am [X.] um 15.15 Uhr war. Bei verständiger Würdigung dieser Angaben hätte das Amtsgericht in dem Schriftsatz des [X.]n einen Verle-gungsantrag sehen müssen und deshalb nicht ohne weiteres die Anhörung durchführen dürfen (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010
V
ZA 2/10 Rn.
10, juris).
Es hat deshalb gegen den im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen, welcher dem Betroffenen garan-tiert, sich zur Wahrung seiner Rechte in dem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen, und ihm das Recht zubilligt, diesen Bevollmächtigten zu der Anhörung hinzuzuziehen
([X.], [X.], 552
f.; NJW 1993, 2301
f. -
jeweils zur mündlichen Anhörung des [X.] im Strafvollstreckungsverfahren).
2. Entgegen der Ansicht des [X.] kann nicht festgestellt werden, dass der Betroffene von seinem Recht, in Anwesenheit seines [X.] angehört zu werden, keinen Gebrauch gemacht hat. In 8
9
-
6
-
dem Protokoll der Anhörung ist nicht vermerkt, dass er über dieses Recht be--
nach [X.] -: Was soll ich unter den gegebenen Bedingungen sagen. Ich habe diesen Antrag zur Kenntnis genommen und fertig.e-lehrung hatte, erschließt sich nicht. Die Erklärung des Betroffenen enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass die Belehrung auch das Recht auf Anwesenheit des [X.]n umfasste.
3. Ebenfalls anders als das Beschwerdegericht meint, ist es unerheblich, ob vor der Anhörung zwischen dem Betroffenen und seinem damaligen [X.] ein "irgendwie geartetes" Vertrauensverhältnis bestand. Das Recht des [X.]n zur Teilnahme an dem [X.] und das Recht des Betroffenen zur Anhörung in Anwesenheit seines [X.] setzen ein solches Verhältnis nicht voraus.
4. Schließlich hält es das Beschwerdegericht rechtsfehlerhaft für ausrei-chend, dass der damalige [X.] des Betroffenen schrift-sätzlich zu dem Haftantrag habe Stellung nehmen können. Das Recht auf Teil-nahme an dem Anhörungstermin wird nicht gewahrt, wenn lediglich die Mög-lichkeit einer schriftlichen Stellungnahme besteht
(vgl. [X.], [X.], 552
f.).
5. Nach alledem war die Anhörung des Betroffenen fehlerhaft.
Die Haftanordnung hat ihn
somit insgesamt und nicht nur zum Teil, wie das
Be-schwerdegericht meint, in seinen Rechten verletzt.
10
11
12
-
7
-
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
81 Abs.
1, §
83 Abs.
2, §
430
FamFG, Art.
5 EMRK. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf §
36 Abs.
3 GNotKG.

Stresemann

Lemke

Schmidt-Räntsch

Czub

Kazele
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 21.11.2013 -
XIV B 85/13 -

LG [X.], Entscheidung vom 31.01.2014 -
2 [X.]/13 -

13

Meta

V ZB 32/14

10.07.2014

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.07.2014, Az. V ZB 32/14 (REWIS RS 2014, 4152)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4152

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZB 32/14 (Bundesgerichtshof)

Zurückschiebungshaftsache: Anspruch des Verfahrensbevollmächtigten auf Teilnahme am Termin zur persönlichen Anhörung des Betroffenen


V ZB 118/10 (Bundesgerichtshof)


V ZB 79/18 (Bundesgerichtshof)

Zurückweisungshaftsache: Verlegung des Termins zur persönlichen Anhörung des betroffenen Ausländers wegen Terminskollision des Verfahrensbevollmächtigten


V ZB 264/10 (Bundesgerichtshof)


V ZB 230/17 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

V ZB 32/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.