Bundesfinanzhof, Beschluss vom 02.10.2012, Az. IX B 11/12

9. Senat | REWIS RS 2012, 2624

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Gegenstand

Fehlerhafte Rechtsanwendung; Beweiserhebung


Leitsatz

1. NV: Das FG muss substantiierten Beweisanträgen der Beteiligten in der Regel nachkommen, nicht aber "ins Blaue hinein" gestellten Beweisanträgen .  

2. NV: Will das FG einem angebotenen Beweis nicht nachgehen, muss es hinreichend erklären, warum es der Beweiserhebung nicht bedarf, z.B. weil das Beweismittel für die Entscheidung unerheblich oder untauglich ist oder die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann .

Gründe

1

Die Beschwerde ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorinstanz und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht --[X.]-- (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Der von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) geltend gemachte Verfahrensmangel (i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O) der Verletzung der Sachaufklärungspflicht liegt vor; auf ihm kann die angefochtene Entscheidung beruhen.

2

1. Soweit sich aber die Klägerin inhaltlich gegen die vom [X.] vorgenommene Schätzung (einschließlich Schätzungsmethode und [X.]) wendet, rügt sie keinen Verfahrensmangel, sondern lediglich materielle Fehler in der Rechtsanwendung (vgl. Beschlüsse des [X.] --[X.]-- vom 2. November 2006 I B 22/06, [X.], 464; vom 3. Februar 2011 V B 132/09, [X.], 760; vom 1. Februar 2012 VI B 71/11, [X.], 767), die indes eine Zulassung der Revision nicht rechtfertigen. Dass das [X.] wirtschaftlich unmöglich oder schlechthin unvertretbar ist (vgl. [X.] in [X.], 760; in [X.], 767; vom 18. Juni 2012 VI B 108/11, [X.], 1612, unter II.2.), ist weder dargelegt noch ersichtlich.

3

2. Jedoch hat das [X.] die ihm obliegende Pflicht zur Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 [X.]O) dadurch verletzt, dass es den angebotenen [X.] zu Wertentwicklung und Wertzuwachs des fraglichen Grundstücks nicht erhoben hat.

4

a) Das [X.] ist verpflichtet, von Amts wegen den Sachverhalt zu erforschen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O) und ihn unter [X.] ernstlich in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Es muss zwar nicht jeder noch so fern liegenden Erwägung nachgehen, wohl aber die sich im Einzelfall aufdrängenden Überlegungen auch ohne entsprechenden Hinweis der Beteiligten anstellen. Daher muss es substantiierten Beweisanträgen der Beteiligten in der Regel nachkommen (vgl. [X.]-Urteile vom 2. November 2000 X R 17/00, [X.]/NV 2001, 611, sowie vom 12. August 1999 XI R 51/98, [X.]/NV 2000, 299), "ins Blaue hinein" gestellten Beweisanträgen aber nicht (vgl. [X.] vom 21. Dezember 2001 VIII B 132/00, [X.]/NV 2002, 661; vom 15. Mai 2007 I B 120/06, [X.], 1686).

5

b) Im Streitfall hat das [X.] es unterlassen, dem von der Klägerin angebotenen Beweis durch [X.] hinsichtlich der Wertentwicklung und des steuerbaren [X.] des fraglichen Grundstücks für Zwecke des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes nachzugehen. Zwar hat das [X.] insoweit ein [X.] als Beweiserhebung "ins Blaue hinein" nicht für erforderlich gehalten; die dafür gegebene Begründung trägt indes nicht. Denn zum einen wäre es gerade Aufgabe des Sachverständigen über die "individuelle Bewertung durch die Erwerber" hinaus (weitere) Gesichtspunkte zusammen zu tragen und zu bewerten, zum anderen hätte das [X.] in Erfüllung seiner Hinweispflicht (§ 76 Abs. 2 [X.]O) auf den (vermeintlichen) Mangel des Beweisantrags der Klägerin hinweisen bzw. auf eine Konkretisierung des Beweisantrags hinwirken müssen. Das ist nicht geschehen.

6

3. a) Aufgrund des vorliegenden [X.] (s. 2.b) wird das [X.]-Urteil ohne sachliche Nachprüfung aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen (§ 116 Abs. 6 [X.]O). Das [X.] wird die unterlassene Beweiserhebung durch [X.] hinsichtlich der Wertentwicklung und des [X.] nachholen oder aber hinreichend zu erklären haben, warum es der Beweiserhebung nicht bedarf, z.B. weil das Beweismittel für die Entscheidung unerheblich oder untauglich ist oder die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.] vom 1. Februar 2007 VI B 124/06, [X.], 956; vom 26. November 2008 IX B 122/08, [X.]/NV 2009, 600).

7

b) Für das weitere Verfahren wird auf Folgendes hingewiesen:

Mit Recht hat das [X.] die geltend gemachten Planungskosten ohne entsprechende Nachweise nicht berücksichtigt; ebenso sind Eigenleistungen keine Aufwendungen und daher auch keine Herstellungskosten eines Gebäudes (vgl. [X.]-Urteil vom 1. Oktober 1985 IX R 58/81, [X.]E 145, 43, [X.] 1986, 142; [X.] in [X.], EStG, 11. Aufl., § 21 Rz 62 Stichwort "Eigenleistung").

8

Hinsichtlich des Schreibens des Bundesministers der Finanzen vom 20. Dezember 2010 (BStBl I 2011, 14) verweist der Senat auf seine Beschlüsse vom 11. April 2012 IX B 14/12 ([X.], 1130) und vom 12. Juli 2012 IX B 64/12 (juris).

9

c) [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O (vgl. dazu [X.]-Beschluss vom 23. September 2009 IX B 52/09, [X.]/NV 2010, 220, unter 3.).

Meta

IX B 11/12

02.10.2012

Bundesfinanzhof 9. Senat

Beschluss

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 7. Dezember 2011, Az: 5 K 1063/03, Urteil

§ 76 Abs 1 FGO, § 76 Abs 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 6 FGO, § 143 Abs 2 FGO, § 23 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 1997, § 23 Abs 3 EStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 02.10.2012, Az. IX B 11/12 (REWIS RS 2012, 2624)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2624

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