Bundespatentgericht, Beschluss vom 06.08.2015, Az. 25 W (pat) 49/13

25. Senat | REWIS RS 2015, 6950

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "SyncPlus" – Unterscheidungskraft - Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 031 191.9

hat der 25. Senat ([X.]) des [X.] am 6. August 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.], der Richterin [X.] und des Richters Schmid

beschlossen:

1. Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des [X.] vom 19. September 2011 und vom 5. August 2013 werden aufgehoben, soweit die Anmeldung in Bezug auf die Dienstleistungen

Kl. 35: Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung Einzelhandelsdienstleistungen (auch über das [X.] und sonstige Kommunikationsnetze), betreffend Waren der Klassen 9 und 16

Kl. 38: Dienstleistungen von Presseagenturen, Auskünfte über Telekommunikation

Kl. 41: Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten

zurückgewiesen worden ist.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde der Anmelderin zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Bezeichnung

2

[X.]Plus

3

ist am 7. Juni 2011 als Wortmarke beim [X.] für die folgenden Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

4

[X.]asse 9:

5

Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, fotografische, Film-, optische, [X.], Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente; Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; Magnetaufzeichnungsträger, Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Rechenmaschinen; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; bespielte und unbespielte Datenträger aller Art (soweit in [X.]asse 9 enthalten); Computerprogramme (gespeichert); elektronisch gespeicherte Daten (herunterladbar); elektronische Publikationen (herunterladbar);

6

[X.]asse 35:

7

Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Sammeln, Systematisierung, Zusammenstellung und betriebswirtschaftliche Analyse von Daten und Informationen in Computerdatenbanken; Einzelhandelsdienstleistungen (auch über das [X.] und sonstige Kommunikationsnetze), betreffend Waren der [X.]assen 9 und 16;

8

[X.]asse 38:

9

Telekommunikation; Dienstleistungen von Presseagenturen; Vermietung von [X.]; Auskünfte über Telekommunikation;

[X.]asse 41:

Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten;

[X.]asse 42:

Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware, -software und Datenbanken; Wartung von Software; technische Beratung; elektronische Datenspeicherung; Vermietung von Datenverarbeitungsgeräten; Gestaltung von Webseiten für Dritte.

0

Anmeldung durch Beschluss vom 19. September 2011 sowie die hiergegen erhobene Erinnerung durch Beschluss vom 5. August 2013 zurückgewiesen. Nach Auffassung der Markenstelle ist die angemeldete Bezeichnung von der Eintragung ausgeschlossen, weil sie jeglicher Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entbehre.

Der Wortbestandteil „[X.]“ sei eine auf dem Gebiet der Unterhaltungstechnik gebräuchliche, lexikalisch wie im Rahmen von Werbeanzeigen nachweisbare Abkürzung in der Bedeutung „synchronisieren“, „[X.]hronisation“ oder  [X.]hronisierung“. Die darin liegende Aussage zur Eignung oder Bestimmung von Produkten werde durch den ergänzenden Bestandteil „Plus“, der einen werbeüblichen Hinweis auf gegenüber sonstigen Angeboten verbesserte Eigenschaften enthalte, lediglich verdeutlicht. Die angemeldete Gesamtbezeichnung verfüge nicht über einen Inhalt, der über die Summe der Bestandteile hinausgehe, sondern erschöpfe sich in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen in einem Sachhinweis auf eine verbesserte [X.]hronisierung. Bezogen auf die beanspruchten Waren der [X.]asse 9 werde die Bezeichnung als Sachinformationen dahingehend verstanden, dass die beanspruchten Waren optimiert synchronisiert seien oder werden können. In Bezug auf die Dienstleistungen der [X.]assen 35, 38, 41 und 42 entnähmen die Verkehrskreise der Bezeichnung einen Hinweis auf Leistungen, die eine spezielle technische [X.]hronisierung von Daten umfassten.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde.

Der angemeldeten Bezeichnung könne nicht jeder noch so geringe Grad an Unterscheidungskraft, der zur Überwindung des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ausreiche, abgesprochen werden. Der [X.] „[X.]“ bilde keine gängige Abkürzung. Seine Verwendung liege nach hiesigem Sprachempfinden auch fern, da nach der Silbengliederung der Begriffe

Die Anmelderin beantragt,

die Beschlüsse der Markenstelle für [X.]asse 9 des [X.]s vom 19. September 2011 und vom 5. August 2013 aufzuheben.

Den zunächst gestellten Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin nach der Terminsladung vom 27. Mai 2015, mit der die Anmelderin die vorläufige Rechtsauffassung des Senats zur Kenntnis gebracht worden ist, zurückgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle, die Schriftsätze der Anmelderin und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat nur in Bezug auf die im Tenor genannten Dienstleistungen der [X.]assen 35, 38 und 41 Erfolg. Hinsichtlich der weiteren beanspruchten Waren und Dienstleistungen der [X.]assen 9, 35, 38 und 42 steht der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung „[X.]Plus“ das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher insoweit zu Recht zurückgewiesen, § 37 Abs. 1 und Abs. 5 [X.].

Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. [X.] GRUR 2004, 428 Rn. 30, 31– [X.]; [X.], 850 Rn. 17 – [X.]). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. [X.], 850 Rn. 19 – [X.]; [X.] GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird ([X.], [X.], a. a. O.). Die Schutzhindernis beruht auf dem Allgemeininteresse an der Freihaltung von Zeichen, die keine Herkunftsfunktion erfüllen (vgl. [X.] GRUR 2008, 608 Rn. 59 – [X.]; [X.] GRUR 2014, 565 Rn. 17 – smartbook).

Diesen Anforderungen genügt die angemeldete Marke in Bezug auf die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen selbst dann nicht, wenn, wie dies der [X.] in seiner Rechtsprechung stets betont, ein großzügiger Maßstab angelegt wird und jede noch so geringe Unterscheidungskraft ausreichen soll, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. [X.] GRUR 2014, 872 Rn. 12 – [X.]; allerdings differenzierend gegenüber den Anforderungen bei der Unterscheidungskraft von [X.], die der [X.] im Vergleich zur markenrechtlichen Unterscheidungskraft als noch geringer einstuft, siehe [X.] GRUR 2009, 949 Rn. 17 – MyWorld; [X.], 640 Rn. 15 – hey!). Wie die Markenstelle zu Recht angenommen hat, erschöpft sich die angemeldete Wortmarke „[X.]Plus“ insoweit in einem sachlichen Hinweis auf ein verbessertes [X.]hronisierungsverhalten dieser Waren bzw. in Bezug auf die Dienstleistungen auf deren Inhalt. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass das Publikum sie als Unterscheidungsmittel versteht.

Die angemeldete Bezeichnung „[X.]Plus“ ist schon wegen der Binnengroßschreibung für den Verkehr ohne weiteres erkennbar aus den beiden Bestandteilen „[X.]“ und „Plus“ zusammengesetzt. Wie bereits die Markenstelle zutreffend ermittelt hat, ist „[X.]“ eine gebräuchliche Abkürzung für „[X.]hronisation“ bzw. den synonymen Begriff „[X.]hronisierung“. Entgegen der Auffassung der Anmelderin handelt es sich dabei nicht nur um eine phantasievolle und auslegungsbedürftige Anspielung, sondern um eine insbesondere für interessierte Laien, aber jedenfalls für den Fachverkehr, der eine objektiv abgrenzbare und daher in Zusammenhang der Bestimmung des Verkehrsverständnisses eine für sich maßgebende Teilgruppe des Verkehrs umfasst (vgl. BPatG

Die angemeldete Begriffsbildung in der Gesamtheit geht nicht über die Bedeutung ihrer Einzelbestandteile hinaus (vgl. [X.] GRUR 2006, 229 Rn. 29 – [X.]). Mit dem Begriff „Plus“ wird vorliegend ohne weiteres verständlich zum Ausdruck gebracht, dass die derart gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen in Bezug auf „[X.]hronisationseigenschaften“ oder „[X.]hronisationsfähigkeiten“ gegenüber Standardprodukten ein „Plus“ bzw. einen „Mehrwert“ enthalten, sei es dass die [X.]hronisation schneller von statten geht, einen größeren Umfang aufweist oder auf dem neueren technischen Stand ist als dies bei Standardprodukten der Fall ist (zur beschreibenden Bedeutung des Bestandteils „plus“ in Wortkombinationen vgl. 32 W (pat) 019/00 – Komfort Plus; 32 W (pat) 018/95 – [X.]; 24 W (pat) 051/04 – [X.]; 33 W (pat) 046/04 – Risikoplus; 29 W (pat) 351/99 – [X.]; 32 W (pat) 103/99 - [X.] PLUS;  25 W (pat) 310/03 – medizin plus). Die in der Bezeichnung „Plus“ liegende Unbestimmtheit dahingehend, dass unklar bleibt, worin das „Plus“ bzw. der Mehrwert genau besteht, steht der Annahme eines beschreibenden Bedeutungsgehalts der Bezeichnung nicht entgegen. Eine Sachangabe setzt nämlich nicht notwendig eine erschöpfende Aussage über eine Produkteigenschaft voraus (vgl. [X.] GRUR 2014, 569, Rn. 17 – HOT).

Bei sämtlichen beanspruchten Waren der [X.]asse 9 und entsprechend der „Vermietung von [X.]“ bzw. „… von Datenverarbeitungsgeräten“ ([X.]. 38, 42) kann die Eignung zur [X.]hronisation von Daten oder Geräten eine wichtige Rolle spielen, etwa in Bezug auf [X.], Kommunikationsdaten wie Adressen, Telefonnummern usw., die von den Nutzern auf unterschiedlichen Geräten wie Computer, Tablet, Smartphone geführt werden oder beim Provider oder Clouddiensteanbieter hinterlegt sind.

Die Dienstleistungen „Sammeln, Systematisierung, Zusammenstellung und betriebswirtschaftliche Analyse von Daten und Informationen“ ([X.]. 35) und „Wartung von Software“, „elektronische Datenspeicherung“ ([X.]. 42) können in Form einer - ggf. selektiven - [X.]hronisation von Daten erbracht werden. Auch „Telekommunikationsdienstlungen“ ([X.]. 38) können die elektronische [X.]hronisierung von Daten zum Inhalt haben. Die übrigen Dienstleistungen der [X.]asse 42 können sich sachlich auf die [X.]hronisierung von Daten beziehen.

Ein Eingehen auf die vom Beschwerdeführer genannten Voreintragungen ist nicht veranlasst (vgl. [X.] GRUR 2012, 276, 277 Rn. 18 – [X.]). Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung, die allein auf der Grundlage des Gesetzes und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen ist (vgl. [X.] GRUR 2009, 667 Rn. 17 und 19 – Bild digital und [X.]; [X.] GRUR 2008, 1093Rn. 18 – [X.]; [X.], 333 – Papaya).

Die Beschwerde war daher insoweit zurückzuweisen. Ob zusätzlich auch das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] eingreift, kann dahin gestellt bleiben.

Hinsichtlich der im Tenor bezeichneten weiteren beanspruchten Dienstleistungen hat die Beschwerde dagegen Erfolg. In Bezug auf die Dienstleistungen „Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung Einzelhandelsdienstleistungen (auch über das [X.] und sonstige Kommunikationsnetze), betreffend Waren der [X.]assen 9 und 16“ ([X.]. 35), ferner „Dienstleistungen von Presseagenturen“, „Auskünfte über Telekommunikation“ ([X.]. 38) und die beanspruchten Dienstleistungen der [X.]asse 41 eignet sich die angemeldete Bezeichnung im Hinblick auf ihre spezifische Ausrichtung, die bei diesen Dienstleistungen im Regelfall kein sinnvolles eigenständiges Geschäftsfeld eröffnet, jedenfalls nicht ohne weiteres als unmittelbar verständlicher Hinweis auf eine bestimmte branchenmäßige Ausrichtung oder als Angabe über Inhalt oder Art der Erbringung der beanspruchten Dienstleistungen, so dass ihr die Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] nicht entgegenstehen.

Meta

25 W (pat) 49/13

06.08.2015

Bundespatentgericht 25. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 06.08.2015, Az. 25 W (pat) 49/13 (REWIS RS 2015, 6950)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 6950

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