Bundespatentgericht, Beschluss vom 12.09.2012, Az. 29 W (pat) 38/12

29. Senat | REWIS RS 2012, 3298

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren - "Cloud Factory" – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

…       

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 059 223.0

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 12. September 2012 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.] und die Richterin am Landgericht Uhlmann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

Cloud [X.]

3

ist am 12. November 2010 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

4

Klasse 9:
Computersoftware; Computersoftware zur Datenverwaltung, Computersoftware zur Angebotserstellung, Computersoftware für Projektmanagement; Programme zur Datenverwaltung, Programme zur Systematisierung von Datensätzen einer Datenbank, Programme zur Bereinigung einer Datenbank, Programme zur Aktualisierung der Daten einer Computerdatenbank, Programme zur Synchronisierung von Computerdatenbanken; auf einem Server gespeicherte Computersoftware; über das [X.] benutzbare Computersoftware;

5

Klasse 35:
Aktualisierung und Pflege von Daten in Computerdatenbanken, Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken, Zusammenstellung von Daten in Computerdatenbanken, Synchronisierung von Computerdatenbanken;
Klasse 42:
Installieren von Computerprogrammen; Erstellen von Computerprogrammen; Beratung zum Einsatz von Computerprogrammen; Wartung und Reparatur von Computersoftware.

6

Mit Beschluss vom 16. Januar 2012 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen.

7

Der Begriff „Cloud [X.]“ werde von den angesprochenen Kreisen dahingehend verstanden, dass es sich bei den Waren und Dienstleistungen um solche handele, die mit dem sogenannten „Cloud Computing“ zu tun hätten und an einem bestimmten Angebotsort erbracht würden. „Cloud“ stehe für „Cloud Computing“, bei dem abstrahierte IT-Infrastrukturen über ein Netzwerk zur Verfügung gestellt würden. Das Wort „[X.]“ werde nicht mehr nur für eine Fabrik im herkömmlichen Sinne, sondern auch für eine Stätte geistiger Tätigkeit verwendet. Sämtliche Waren könnten mit dem Cloud Computing zu tun haben, die Dienstleistungen der Bereitstellung dieser Netzwerke dienen und an einem bestimmten Ort erbracht werden. Der Begriff könne bewusst weit gefasst werden, um ein möglichst breites Feld abzudecken.

8

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt,

9

den Beschluss des [X.]es vom 16. Januar 2012 aufzuheben.

Das Zeichen werde als „Wolkenfabrik“ verstanden, die allenfalls eine märchenhafte Bedeutung haben oder als Hinweis auf ein stromerzeugendes Kraftwerk verstanden werden könne, für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen jedoch nicht beschreibend sei. Selbst im [X.] sei der Begriff „Cloud“ vage und unklar. Gerade die Kombination mit „[X.]“ sei nicht geeignet, einen Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen herzustellen, da „Cloud [X.]“ in Bezug auf Hardware eine Sachangabe sein könne, nicht aber in Bezug auf die beanspruchte Software. Die beschreibende Verwendung des Begriffes sei nicht nachgewiesen, da die im Beschluss aufgeführten [X.] nicht einschlägig seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Der Beschluss des [X.] ist rechtmäßig.

Die Anmelderin hat gemäß §§ 41, 37 Abs. 1, 33 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 8 [X.] keinen Anspruch auf Eintragung des angemeldeten Wortzeichens, da der Eintragung ein absolutes Eintragungshindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 35 und 42 entgegensteht. Danach sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, denen für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt.

Unterscheidungskraft in diesem Sinn ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren und Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 g. – [X.]; [X.], 825, 826 Rn. 133 – [X.]; 935 Rn. 8 – [X.]; [X.], 850, 854 Rn. 18 – [X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] [X.], 233, 235 Rn. 45 – Standbeutel; 229, 230 Rn. 27 – [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] a.a.O. [X.]). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] [X.], 411, 412 Rn. 24 Matratzen [X.]/[X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] GRUR 2004, 428, 431 Rn. 53 – [X.]). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden ([X.] a.a.O. – [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen ([X.], 1101,1102 Rn. 23 – TOOOR!).

Bei der Beurteilung des Verständnisses des angemeldeten Zeichens ist auf das allgemeine Publikum und auf ein unternehmerisch tätiges Fachpublikum abzustellen, da die beanspruchten Dienstleistungen sowohl von Endverbrauchern als auch von Unternehmen in Anspruch genommen werden. Letztere treffen die Entscheidung über die Inanspruchnahme der Dienstleistung mit besonderer Sorgfalt und erhöhter Aufmerksamkeit.

Das Wortzeichen besteht aus den Begriffen „Cloud“ und „[X.]“, zwei Wörtern aus dem [X.] Grundwortschatz, die auch im Inland im Sinne von „Wolke“ und „Fabrik“ verstanden werden.

Der [X.] Begriff „Cloud“ ist neben seiner ursprünglichen Bedeutung „Wolke“ im Bereich der EDV inzwischen zu einem [X.] Fachbegriff geworden. Die Cloud bezeichnet „ein beim Cloudcomputing benutztes Netzwerk mehrerer verteilter Rechner“ (Duden-Online). Cloud Computing ist ein Konzept zur Bereitstellung von Rechenkapazität, Speicherkapazität und Software über das [X.], wobei die Hardware nicht mehr vom Anwender selbst betrieben, sondern an ein externes Rechenzentrum ausgelagert wird. Da die Strukturen der externen Rechenzentren und Server für den Anwender undurchsichtig sind und die Daten „irgendwo in der Wolke“ lagern, hat sich dafür der Begriff „Cloud“ durchgesetzt ([X.], Computer Lexikon 2012, [X.] 2011). Der Begriff „Cloud“ ist dem inländischen Verbraucher in dieser Bedeutung durch seine massive Verwendung in der Werbung geläufig:

www.telekom.de);

www.computerbild.de);

www.scope-online.de);

www.networkcomputing.de);

www.microsoft.de).

Der [X.] Begriff „[X.]“ entspricht dem [X.] Wort „Fabrik“ und wird auch im Inland benutzt und verstanden, etwa im Begriff „[X.] Outlet“ für die Verkaufsstelle einer Firma, in der ihre Waren dem Endverbraucher direkt und ohne Zwischenhändler mit Rabatt angeboten werden (Duden-Online). Unter einer Fabrik verstand man ursprünglich einen Betrieb, in dem auf industriellem Weg durch Be- und Verarbeitung von bestimmten Werkstoffen und unter Einsatz mechanischer und maschineller Hilfsmittel bestimmte Waren in großer Stückzahl hergestellt werden. Auch das Gebäude, in der die Herstellung stattfindet, bzw. die damit beschäftigte Belegschaft wird als „Fabrik“ bezeichnet (Duden-online). Daneben hat sich die Bezeichnung „[X.]“ oder „Fabrik“ auch zu einer Bezeichnung für den Herkunfts- und Erbringungsort von Dienstleistungen entwickelt, wobei der [X.] Begriff gerade im Zusammenhang mit elektronischen Medien Verwendung findet ([X.] (pat) 161/00, Beschluss vom 12.09.2001 - [X.] factory):

www.informationsfabrik.com);

www.channelpartner.de);

www.business-cloud.de);

www.stoneone.de).

Als Gesamtbegriff hat das Zeichen damit einen engen beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen und kann deshalb nicht als betrieblicher Herkunftshinweis dienen. Es bezeichnet eine Betriebsstätte, von der aus Waren und Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Cloud Computing angeboten werden. Sämtliche beanspruchten Waren und Dienstleistungen können im Zusammenhang mit dem Aufbau, dem Betrieb oder der Nutzung einer Cloud stehen. Auf Computersoftware kann in einer Cloud zugegriffen werden, für die Speicherung und Verarbeitung von Daten in einer Cloud werden Programme zur Datenverwaltung in diese eingestellt und die entsprechenden Dienstleistungen der Klassen 35 und 42 benötigt.

Die Auffassung der Beschwerdeführerin, das Zeichen habe, wenn überhaupt, nur für Hardware, nicht aber für die beanspruchte Software einen Sachbezug, verkennt, dass der Begriff „[X.]“ oder „Fabrik“ inzwischen auch als Betriebsstätte für Dienstleistungen insbesondere im Bereich der neuen Medien benutzt wird. Zudem bestehen die Vorteile des Cloud Computing gerade darin, dass der Verwender keine eigene Hardware mehr benötigt, sondern über das [X.] auf die von dem Betreiber der Cloud vorgehaltene Hard- und Software zugreifen kann. Schon deshalb versteht das angesprochene Publikum unter dem Begriff „Cloud [X.]“ keinen Herstellungsort für Hardware, sondern die Betriebsstätte einer Cloud und der damit zusammenhängenden Dienstleistungen.

Meta

29 W (pat) 38/12

12.09.2012

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 12.09.2012, Az. 29 W (pat) 38/12 (REWIS RS 2012, 3298)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3298

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