Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30.07.2013, Az. VI B 37/13

6. Senat | REWIS RS 2013, 3766

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Ermessen des FG bei Beendigung der Verfahrensruhe und Wiederaufnahme des Klageverfahrens - Prüfung der Ermessensentscheidung durch den BFH - Keine Kostenentscheidung bei unselbständiger Zwischenentscheidung - Kindergeldberechtigung bei unbeschränkter Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG)


Leitsatz

NV: Die Entscheidung des Finanzgerichts, ein ruhendes Verfahren fortzusetzen, ist nicht ermessensfehlerhaft, nachdem der BFH eine Entscheidung zu der streitigen Rechtsfrage getroffen hat. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn zu dieser Rechtsfrage noch weitere Revisionsverfahren bei anderen Senaten des BFH anhängig sind .

Tatbestand

1

I. Das Finanzgericht ([X.]) hat mit Zustimmung der Beteiligten durch Beschluss vom 23. Mai 2012 das Ruhen des Verfahrens 10 K 3496/10 Kg "bis zu einer Entscheidung des [X.] in den dort anhängigen Revisionsverfahren III R 17/11 und [X.]" angeordnet.

2

Mit Beschluss vom 8. Februar 2013 entschied das [X.], das ruhende Verfahren wieder aufzunehmen. Das [X.] begründete seine Entscheidung damit, dass der [X.] ([X.]) zwar in den genannten beiden Revisionsverfahren noch nicht die Frage entschieden habe, ob eine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch für diejenigen Zeiträume bzw. Monate eines Kalenderjahres nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG einen Anspruch auf Kindergeld begründe, in denen der Antragsteller keine inländischen Einkünfte i.S. von § 49 EStG erzielt habe. Jedoch sei die Rechtsfrage durch das Urteil des [X.] vom 24. Oktober 2012 V R 43/11 ([X.]E 239, 327, [X.], 491) gleichwohl höchstrichterlich entschieden worden. Somit sei der Grund für die [X.] unabhängig davon, dass die beiden Revisionsverfahren III R 17/11 und [X.] nach wie vor anhängig seien, entfallen.

3

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) legte gegen den Beschluss zur Wiederaufnahme des Klageverfahrens Beschwerde ein, der das [X.] nicht abgeholfen hat.

4

Der Kläger beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

5

Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die gemäß § 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) statthafte Beschwerde ist unbegründet.

7

1. Die Möglichkeit, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, folgt für den [X.] aus § 155 [X.]O i.V.m. § 251 der Zivilprozessordnung (ZPO). § 251 ZPO eröffnet dem erkennenden Gericht ein Ermessen. Infolgedessen ist auch die Entscheidung des Gerichts, eine bestehende Verfahrensruhe zu beenden und das Verfahren fortzusetzen, eine Ermessensentscheidung (Senatsentscheidung vom 12. Juli 2011 VI B 28/11, [X.] 2011, 1898, m.w.N.). Bei einer Ermessensentscheidung des [X.], die mit der Beschwerde angefochten wird, darf sich der [X.] nicht auf die bloße [X.] beschränken. Er hat vielmehr eigenes Ermessen auszuüben (Lange in [X.]/[X.]/[X.], § 102 [X.]O Rz 26, m.w.N.; [X.] in [X.], § 132 [X.]O Rz 21, m.w.N.; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 102 [X.]O Rz 11).

8

2. Nach diesen Grundsätzen konnte das [X.] das Ruhen des Verfahrens 10 K 3496/10 Kg beenden und das Verfahren wieder aufnehmen.

9

a) Bei übereinstimmendem Antrag der Beteiligten darf das [X.] das Ruhen des Verfahrens anordnen, wenn anzunehmen ist, dass dies aus wichtigen Gründen zweckmäßig ist. Davon ist u.a. auszugehen, wenn durch eine bevorstehende Entscheidung eines Parallelfalls eine Förderung des Verfahrens zu erwarten ist ([X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 74 [X.]O Rz 22; [X.] in [X.], § 74 [X.]O Rz 201). Im Streitfall lag der vom [X.] beschlossenen Verfahrensruhe die Erwägung zugrunde, dass die Ergebnisse der [X.]-Verfahren III R 17/11 und [X.] nach deren Abschluss wegen der gleichen Rechtsfrage auf das bis dahin ruhende Verfahren übertragen werden könnten. Das ist nicht zu beanstanden, denn wie im streitigen Verfahren ist Gegenstand der beiden Revisionsverfahren die Frage, ob die unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 3 EStG auch für die Zeiträume eines Kalenderjahres, in denen der Antragsteller keine inländischen Einkünfte i.S. von § 49 EStG erzielt hat, einen Anspruch auf Kindergeld begründet.

b) Ist in einem Beschluss über die Anordnung des Ruhens des Verfahrens nach § 155 [X.]O i.V.m. § 251 ZPO als Endzeitpunkt des Ruhens ein bestimmtes Ereignis bezeichnet, so endet das Ruhen und der Beschluss verliert seine Wirkung, sobald dieses Ereignis eintritt ([X.]-Beschluss vom 9. August 2007 III B 187/06, [X.] 2007, 2310).

Im Streitfall hat das [X.] das Ruhen des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in den beim [X.] anhängigen Verfahren III R 17/11 und [X.] angeordnet. Beide Verfahren waren im maßgeblichen Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses beim [X.] noch anhängig, sodass damit eine wesentliche Voraussetzung für die Aufnahme des Verfahrens nicht gegeben war. Auch hatte zu diesem Zeitpunkt kein Verfahrensbeteiligter beantragt, das Verfahren wieder aufzunehmen (§ 155 [X.]O i.V.m. § 250 ZPO; [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 74 [X.]O Rz 22).

Das Gericht kann aber darüber hinaus das Verfahren auch dann wieder aufnehmen, wenn keine wichtigen Gründe mehr vorliegen, die das weitere Ruhen zweckmäßig erscheinen lassen ([X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 74 [X.]O Rz 22). So liegt der Fall hier. Denn der [X.] hat mit Urteil in [X.]E 239, 327, [X.], 491 eine Entscheidung zu der genannten Rechtsfrage getroffen. Damit liegen die Voraussetzungen vor, die im Ruhensbeschluss des [X.] vom 23. Mai 2012 als Begründung für das Ruhen des Verfahrens herangezogen worden waren, nämlich dass Entscheidungen des [X.] Erkenntnisse für die im vorliegenden Klageverfahren zu treffende Entscheidung bringen können. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass lt. Geschäftsverteilungsplan des [X.] seit 2012 vier Senate für "Kindergeld (§§ 62 bis 78 EStG)" zuständig sind und die Rechtsfrage auch noch tatsächlich Gegenstand weiterer Revisionsverfahren bei verschiedenen [X.]-Senaten im Zeitpunkt der Beschlussfassung war (s. III R 17/11; [X.]; III R 59/11; VI R 70/11; XI R 8/12). Denn auch in diesem Fall ist die Entscheidung des [X.], das Klageverfahren nun weiter zu betreiben, noch nicht ermessensfehlerhaft.

3. Eine Kostenentscheidung ist in diesem unselbständigen Zwischenverfahren nicht zu treffen ([X.]-Beschluss vom 18. September 2002 XI B 126/01, [X.] 2003, 189).

Meta

VI B 37/13

30.07.2013

Bundesfinanzhof 6. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 8. Februar 2013, Az: 10 K 3496/10 Kg, Beschluss

§ 128 Abs 1 FGO, § 74 FGO, § 73 FGO, § 155 FGO, § 251 ZPO, § 102 FGO, § 1 Abs 3 EStG 2009, § 62 Abs 1 Nr 2 Buchst b EStG 2009, § 49 EStG 2009, EStG VZ 2009, § 143 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30.07.2013, Az. VI B 37/13 (REWIS RS 2013, 3766)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3766

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VI B 28/11 (Bundesfinanzhof)

Beschwerde gegen die Beendigung einer Verfahrensruhe - Ermessensentscheidung des FG - Fortsetzung zwecks Zusammenlegung von …


XI B 75/19 (Bundesfinanzhof)

Erfolgreiche Beschwerde gegen die Aussetzung eines finanzgerichtlichen Klageverfahrens wegen eines Musterverfahrens vor dem BFH


X R 32/08 (Bundesfinanzhof)

(Beendigung der Verfahrensruhe im Einspruchsverfahren durch Vorläufigkeitsvermerk - Rechtsschutz - Voraussetzungen für Eintritt und Beendigung …


III B 122/11 (Bundesfinanzhof)

Wiederaufnahme eines zum Ruhen gebrachten Verfahrens


XI B 145/13 (Bundesfinanzhof)

Notwendige Beiladung des angeblich erstattungsberechtigten Sozialleistungsträgers bei Klage des Kindergeldberechtigten gegen Abrechnungsbescheid der Familienkasse


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.