Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.06.2015, Az. VII R 30/14

7. Senat | REWIS RS 2015, 8874

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Gegenstand

(Kein Anspruch des Leistungsempfängers auf Erstattung nicht geschuldeter Umsatzsteuer aus § 37 Abs. 2 AO bei Insolvenz des Rechnungsausstellers - Erstattung der Vorsteuer im Wege eines Billigkeitserweises)


Leitsatz

1. Dem EuGH-Urteil Reemtsma (EU:C:2007:167) ist kein unionsrechtliches Gebot zu entnehmen, einen Anspruch des Leistungsempfängers aus § 37 Abs. 2 AO auf Erstattung zu Unrecht vom Leistenden in Rechnung gestellter Umsatzsteuer gegen den Fiskus anzuerkennen, wenn eine Erstattung vom Leistenden wegen dessen Insolvenz nicht mehr (vollständig) erreicht werden kann .

2. Die Regelungen, die das deutsche Umsatzsteuer- und Abgabenrecht zum Schutz des Leistungsempfängers bereithält, der die zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer an den Rechnungsaussteller gezahlt hat, werden den Anforderungen, die der EuGH an eine systemgerechte Abwicklung zu Unrecht erhobener und gezahlter Umsatzsteuer stellt, grundsätzlich gerecht .

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 24. April 2014  1 K 2015/10 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bediente sich für die Durchführung von Messen in den Jahren 1999 bis 2005 der Firma [[[X.].].]. Für ihre Leistungen stellte die [[[X.].].] aus, in denen Umsatzsteuer in Höhe von über 4,8 Mio. € ausgewiesen war. Diesen Betrag führte die [[[X.].].] an den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) ab und die Klägerin machte ihn als Vorsteuer bei dem für sie zuständigen Finanzamt [[X.].] geltend. Im Zuge einer Umsatzsteuerprüfung bei der Klägerin wurde festgestellt, dass die Leistungen der [[[X.].].] im Ausland erbracht worden und im Inland nicht umsatzsteuerpflichtig waren. Daraufhin erstattete die Klägerin große Teile der Vorsteuerbeträge dem Finanzamt [[X.].] und forderte von der [[[X.].].] die Rückzahlung der rechtswidrig gezahlten Umsatzsteuer bzw. die Abtretung deren [[[X.].].]rstattungsanspruchs gegen das [X.].

2

Am 24. März 2006 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der [[[X.].].] eröffnet und der Beigeladene zum Insolvenzverwalter (im Folgenden: Insolvenzverwalter) bestellt. Nachdem eine Umsatzsteuerprüfung des [X.] ergeben hatte, dass die [[[X.].].] die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer zu Unrecht gezahlt hatte, erstattete das [X.] den Betrag der Insolvenzmasse und der Insolvenzverwalter erteilte der Klägerin berichtigte Rechnungen ohne Ausweis der Umsatzsteuer. Zugleich verwies er sie auf die --später auch erfolgte-- Anmeldung des [[[X.].].]rstattungsbetrags zur Insolvenztabelle.

3

Beim [X.] beantragte die Klägerin sodann die [[[X.].].]rstattung der zu Unrecht gezahlten Umsatzsteuer gemäß § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung [[[X.].].]) i.V.m. § 14c Abs. 1, § 17 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Mit dem hier streitigen Abrechnungsbescheid lehnte das [X.] diesen Antrag ab.

4

Das Finanzgericht (FG) wies die für zulässig erachtete [X.] als unbegründet ab. § 37 Abs. 2 Satz 1 [[[X.].].] biete keine Grundlage für den geltend gemachten [[[X.].].]rstattungsanspruch, denn nicht die Klägerin, sondern die [[[X.].].] habe die in Streit stehende Umsatzsteuer rechtsgrundlos gezahlt. [[[X.].].]ine Umqualifizierung der Zahlung nach Insolvenz des Leistenden als eine solche "auf Rechnung" seines Vertragspartners, dem die Umsatzsteuer zu Unrecht in Rechnung gestellt worden war, komme nicht in Betracht. Auch unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten bestehe dafür keine Notwendigkeit.

5

Insbesondere ergebe sie sich nicht aus dem Urteil des Gerichtshofs der [[[X.].].]uropäischen Union ([[[X.].].]uGH) [X.] vom 15. März 2007 [X.]/05 ([[[X.].].]U:[X.]). Zwar müssten danach die Mitgliedsstaaten, wenn die [[[X.].].]rstattung der Mehrwertsteuer durch den Leistungserbringer unmöglich oder übermäßig erschwert sei, die erforderlichen Mittel vorsehen, die es dem Leistungsempfänger ermöglichten, die zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer erstattet zu bekommen. [[[X.].].]s sei nach diesen Grundsätzen aber nicht zu beanstanden, wenn das [X.] Umsatzsteuerrecht die Klägerin in erster Linie auf die zivilrechtliche Geltendmachung ihres [[[X.].].]rstattungsanspruchs verweise. Die Geltendmachung im Insolvenzverfahren könne in diesem Zusammenhang nicht als unmöglich und auch nicht als wesentlich schwieriger angesehen werden als eine Zivilklage gegen den Leistungserbringer. Lediglich für den auf diese Weise nicht realisierbaren Teil des [[[X.].].]rstattungsanspruchs müsse das [X.] Recht zusätzliche Mittel bereitstellen, damit volle [[[X.].].]rstattung ermöglicht werde. Hierzu bedürfe es aber nicht einer sinnwidrigen Auslegung des § 37 Abs. 2 Satz 1 [[[X.].].]. Vielmehr stelle das [X.] Abgabenrecht mit den [X.] der §§ 163 und 227 [[[X.].].] ein hinreichend effektives Mittel zur Verfügung, um dem Leistungsempfänger, der dem Leistungserbringer zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer gezahlt habe und sie von diesem nicht (vollständig) zurückerlangen könne, volle [[[X.].].]rstattung zu ermöglichen. Diese auf Billigkeit beruhende [[[X.].].]rstattung könne in vollem Umfang im Rahmen ihres eigenen Steuerverhältnisses, nämlich im Verfahren der [X.] gewährleistet werden. Das Urteil ist in den [[[X.].].]ntscheidungen der Finanzgerichte ([[[X.].].]FG) 2014, 1566 veröffentlicht.

6

Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf [X.] durch das [X.] gemäß § 37 Abs. 2 [[[X.].].] i.V.m. § 14c, § 17 UStG weiter. Sie meint, nach der insoweit gefestigten Rechtsprechung des [[[X.].].]uGH gebiete eine unionsrechtskonforme Auslegung und Anwendung des § 37 Abs. 2 [[[X.].].] die Anerkennung eines direkten Anspruchs auf [X.] gegen das [X.], wenn --wie im [X.] durch Insolvenz des Leistenden das in sich geschlossene Umsatzsteuer-System gestört und die [[[X.].].]ffektivität und Neutralität dieses Systems nicht mehr gewährleistet sei. Unter Bezugnahme auf das [X.]-Urteil des [[[X.].].]uGH macht die Klägerin geltend, in Fällen der Zahlungsunfähigkeit des Leistenden, in denen eine zivilrechtliche Klage gegen ihn, der zu Unrecht Umsatzsteuer ausgewiesen habe, im Hinblick auf § 87 der Insolvenzordnung ([X.]) nicht mehr möglich und auf die Insolvenzforderungen nur ein quotaler Ausgleich zu erwarten sei, gebiete es das Unionsrecht, dem Leistungsempfänger einen Anspruch auf [[[X.].].]rstattung der Umsatzsteuer direkt gegen den Staat zuzuerkennen. [[[X.].].]ine Anspruchskonkurrenz zwischen dem Leistenden ([[[X.].].]) und dem Leistungsempfänger (Klägerin) sei nicht zu befürchten, da der Insolvenzverwalter nicht als Anspruchsberechtigter gemäß § 37 Abs. 2 [[[X.].].] in Betracht komme. Die Umsatzsteuer könne in keinem denkbaren Fall "auf seine Rechnung" gezahlt worden sein. Liege eine vom Insolvenzverwalter berichtigte Rechnung nach § 14c UStG vor, sei die Umsatzsteuer dem Leistungsempfänger zu erstatten, da der Leistende aufgrund der Insolvenz weggefallen sei. Sei gleichwohl vom [X.] in die Insolvenzmasse zurückgezahlt worden, könne der Betrag als Masseforderung gemäß § 55 [X.] zurückverlangt werden. Auf ein Billigkeitsverfahren gemäß § 163 [[[X.].].] müsse sie sich nicht verweisen lassen, es sei kein geeigneter Weg, die Grundsätze der Neutralität und [[[X.].].]ffektivität der Umsatzsteuer zu verwirklichen.

7

Das [X.] und der beigeladene Insolvenzverwalter schließen sich im Wesentlichen der Argumentation des FG an.

8

[[[X.].].]rgänzend weist das [X.] darauf hin, es sei nicht mehr bereichert. [[[X.].].]in [[[X.].].]rstattungsanspruch komme nicht in Betracht, da die zunächst vereinnahmte Umsatzsteuer nach [X.] rechtmäßig an die [[[X.].].] zurückgezahlt worden sei. Im Fall der Anerkennung eines Direktanspruchs der Klägerin nach § 37 Abs. 2 [[[X.].].] müsse der Fiskus doppelt erstatten. Im Übrigen sei die [X.]-[[[X.].].]ntscheidung des [[[X.].].]uGH mit dem Streitfall nicht vergleichbar, weil sich die Klägerin --anders als im [X.]-Urteil-- nicht in einem Vorsteuervergütungsverfahren mit einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmer befinde, in dem sie bereits einen eigenen direkten und unmittelbaren Anspruch auf [[[X.].].]rstattung von Vorsteuer gegen das Finanzamt habe.

9

Der Insolvenzverwalter hebt hervor, dass die Gläubiger mit [[[X.].].]röffnung des Insolvenzverfahrens wegen des dann geltenden Regimes der Insolvenzordnung und damit des Gebots der Gleichbehandlung aller Gläubiger darauf verwiesen seien, ihre Forderungen durch Anmeldung zur Insolvenztabelle geltend zu machen. Besonderheiten für die in Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer und deren [[[X.].].]rstattung könne er nicht erkennen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet. Das Urteil des [[[X.].].] entspricht dem [X.]recht (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --[[[X.].].]O--). Das [[[X.].].] hat zutreffend entschieden, dass der angefochtene Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 [[[X.].].]) rechtmäßig ist. Die Klägerin hat gegen das [[[X.].].] keinen Anspruch auf [[[X.].].]rstattung des Umsatzsteuerbetrags, der ihr von der [[[X.].].] zu Unrecht in Rechnung gestellt und der [[[X.].].] gezahlt worden ist.

1. Die Klägerin kann ihren [[[X.].].]rstattungsanspruch nicht auf § 37 Abs. 2 [[[X.].].] stützen. Nach dieser Vorschrift hat nur derjenige einen [[[X.].].]rstattungsanspruch aus Überzahlungen, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. Das sind hinsichtlich der zu Unrecht gezahlten Umsatzsteuer allein die Rechnungsaussteller, die ihre Rechnungen nach § 17 UStG berichtigt haben.

a) § 37 Abs. 2 [[[X.].].] regelt keinen Rückzahlungsanspruch des Leistungsempfängers, der die in der ihm gestellten Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer dem Rechnungsaussteller gezahlt hat (Urteil des [[[X.].].] des Saarlandes vom 24. April 2013  1 K 1156/12, [[[X.].].][[[X.].].] 2013, 1637; Urteil des [[[X.].].] Münster vom 3. September 2014  6 K 939/11 [[[X.].].], [[[X.].].][[[X.].].] 2014, 1934; [[[X.].].] in Tipke/[[[X.].].], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 37 [[[X.].].] Rz 60). Die in der Literatur vereinzelt vertretene Auffassung, bei der Umsatzsteuer müsse der Leistungsempfänger als derjenige angesehen werden, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, wenn der Steuerpflichtige zur Rückabwicklung nicht in der Lage ist (vgl. von Streit, "Rs. [[[X.].].]/05 - [[[X.].].], C-427/10 - [[[X.].].] und andere - Wann bleibt der Steuerpflichtige auf der Mehrwertsteuer sitzen?", in [[[X.].].]U-Umsatzsteuer-Berater 2012, 38, 41), steht nicht nur zu dem klaren Wortlaut des § 37 Abs. 2 [[[X.].].] in Widerspruch, sondern auch zur Zielsetzung der Norm, dem Fiskus zur Vereinfachung im Massengeschäft komplexe Prüfungen des "wahren" Leistungserbringers zu ersparen (vgl. [[[X.].].]surteil vom 18. September 1990 VII R 99/89, [[[X.].].][[[X.].].] 162, 279, [[[X.].].] 1991, 47, 48, bestätigt im Urteil vom 26. November 1996 VII R 49/96, [[[X.].].] 1997, 537).

b) Im Streitfall hat die [[[X.].].] die 4,8 Mio. € auf ihre Rechnung, nämlich in [[[X.].].]rfüllung ihrer eigenen Umsatzsteuerschuld gegenüber dem [[[X.].].], gezahlt. Damit ist sie, die [[[X.].].], diejenige, der nach Berichtigung der Rechnungen nach § 17 UStG durch den Insolvenzverwalter der Anspruch auf [[[X.].].]rstattung der nunmehr [[[X.].].] gewordenen Zahlungen an das [[[X.].].] gemäß § 37 Abs. 2 [[[X.].].] zusteht. Daran ändert nichts, dass mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen der [[[X.].].] der Insolvenzverwalter in Ausübung des auf ihn gemäß § 80 [[[X.].].] übergegangenen Verfügungsrechts den Anspruch auf [[[X.].].]rstattung in die Insolvenzmasse geltend gemacht hat. Dem Insolvenzschuldner ist lediglich das Verfügungs- und Verwaltungsrecht über sein Vermögen entzogen, ihm verbleibt aber die Rechtsinhaberschaft, d.h. er bleibt Steuerschuldner und im Fall einer [[[X.].].]en Steuerzahlung Rechtsträger des [[[X.].].]rstattungsanspruchs (vgl. [[[X.].].] vom 26. November 2014 VII R 32/13, [[[X.].].][[[X.].].] 247, 494, [[[X.].].] 2015, 561; vom 1. September 2010 VII R 35/08, [[[X.].].][[[X.].].] 230, 490, [[[X.].].] 2011, 336).

c) Wie das [[[X.].].] zutreffend ausgeführt hat, besteht auch unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten keine Notwendigkeit, § 37 Abs. 2 [[[X.].].] in der von der Klägerin gewünschten Weise auszulegen, also den [[[X.].].]rstattungsanspruch bei Insolvenz des Leistenden auf den Leistungsempfänger zu übertragen. [[[X.].].]ine solche Auslegung lässt sich auch nicht mit den Ausführungen des [[[X.].].]uGH in der [[[X.].].]-[[[X.].].]ntscheidung rechtfertigen.

aa) Anders als das [[[X.].].] des Saarlandes (Urteil in [[[X.].].][[[X.].].] 2013, 1637) hat der [[[X.].].] zwar keinen Zweifel, dass die von den Beteiligten erörterten Rechtsgrundsätze dieser [[[X.].].]ntscheidung, der ein grenzüberschreitender Sachverhalt zum Verfahren der Vorsteuervergütung entsprechend § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. §§ 59 ff. der Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes an nicht im Mitgliedstaat der [[[X.].].]rstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige zugrunde lag, für den vorliegenden Fall einschlägig sind. Denn der [[[X.].].]uGH hat im Urteil Marks & [[[X.].].] vom 11. Juli 2002 [[[X.].].]/00 ([[[X.].].]U:C:2002:435, Rz 34), dem ein reiner Inlandsachverhalt zugrunde lag, festgestellt: "Vorab ist darauf hinzuweisen, dass es beim Fehlen einer Gemeinschaftsregelung über die [[[X.].].]rstattung [[[X.].].] erhobener nationaler Abgaben Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten ist, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und die Verfahrensmodalitäten der Klagen zu regeln, die den Schutz der dem [[[X.].].]inzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, sofern diese Modalitäten nicht weniger günstig ausgestaltet sind als die entsprechender innerstaatlicher Klagen (Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der [[[X.].].]ffektivität)."

Abgesehen davon ergibt sich aus der [[[X.].].]-[[[X.].].]ntscheidung ([[[X.].].]U:[[[X.].].], Rz 38), dass die dort erörterte Achte Richtlinie 79/1072/[[[X.].].]WG des Rates vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren zur [[[X.].].]rstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige (Amtsblatt der [[[X.].].]uropäischen Gemeinschaften --ABl[[[X.].].]G-- Nr. L 331/11), die die Regelung in Art. 17 der [[[X.].].]/[[[X.].].]WG des Rates vom 17. Mai 1977 (ABl[[[X.].].]G Nr. L 145/1) ausdrücklich in Bezug nimmt, keine [[[X.].].]rstattungsvorschrift für die Berichtigung zu Unrecht in Rechnung gestellter Umsatzsteuer durch den Aussteller vorsieht und demzufolge die Mitgliedstaaten die Berichtigungsvoraussetzungen für diese Fälle festzulegen haben. Daraus lässt sich ableiten, dass die zu den nationalen Regelungen getroffenen Aussagen des Urteils auch für den vorliegenden Fall zu beachten sind.

bb) Jedenfalls aber lässt sich der [[[X.].].]ntscheidung kein unionsrechtliches Gebot entnehmen, einen Anspruch des Leistungsempfängers aus § 37 Abs. 2 [[[X.].].] auf [[[X.].].]rstattung zu Unrecht vom Leistenden in Rechnung gestellter Umsatzsteuer gegen den Fiskus zu gewähren, wenn --wie im [[[X.].].] eine [[[X.].].]rstattung vom Leistenden wegen dessen Insolvenz nicht mehr (vollständig) erreicht werden kann.

Der [[[X.].].]uGH führt vielmehr aus, dass die Grundsätze der Neutralität und [[[X.].].]ffektivität der Mehrwertsteuer im Regelfall beachtet werden, wenn --wie nach [[[X.].].] [[[X.].].] nur der Dienstleistungserbringer, der die Mehrwertsteuer irrtümlich an die Steuerbehörde entrichtet hat, die [[[X.].].]rstattung der Mehrwertsteuer verlangen und der [[[X.].].] lediglich zivilrechtlich Klage gegen den Dienstleistungserbringer auf Rückzahlung einer nicht geschuldeten Leistung erheben kann. Denn ein solches System ermögliche es dem [[[X.].].], der mit der irrtümlich in Rechnung gestellten Steuer belastet war, die [[[X.].].] gezahlten Beträge erstattet zu bekommen. Nur für den Fall, dass die [[[X.].].]rstattung der Mehrwertsteuer vom Leistenden unmöglich oder übermäßig erschwert wird, fordert der [[[X.].].]uGH, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Mittel vorsehen müssen, die es dem Leistungsempfänger ermöglichen, zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer erstattet zu bekommen.

Nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten überlässt es der [[[X.].].]uGH dem jeweiligen Mitgliedsstaat, die Verfahrensmodalitäten, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, autonom zu regeln ([[[X.].].]uGH-Urteil [[[X.].].], [[[X.].].]U:[[[X.].].], Rz 40).

2. Wie das [[[X.].].] überzeugend ausgeführt hat, werden die Regelungen, die das [[[X.].].] Umsatzsteuer- und Abgabenrecht zum Schutz des Leistungsempfängers bereithält, der die zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer an den Rechnungsaussteller gezahlt hat, den Anforderungen, die der [[[X.].].]uGH an eine systemgerechte Abwicklung zu Unrecht erhobener und gezahlter Umsatzsteuer stellt, grundsätzlich gerecht.

a) Zwar ist ihm nach der gegenwärtigen Rechtsprechung der zur Neutralisierung der wirtschaftlichen Belastung mit der Umsatzsteuer führende Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG --unabhängig von einer späteren Rechnungsberichtigung-- versagt, wenn die erbrachten Leistungen --wie im [[[X.].].] in [[[X.].].] nicht steuerbar waren. Denn das Recht auf Vorsteuerabzug besteht nur für diejenigen Steuern, die geschuldet werden, d.h. mit einem der Umsatzsteuer unterworfenen Umsatz in Zusammenhang stehen; das Recht auf Vorsteuerabzug erstreckt sich nicht auf eine Steuer, die ausschließlich deshalb geschuldet wird, weil sie in der Rechnung ausgewiesen ist ([[[X.].].]uGH-Urteil [[[X.].].] vom 13. Dezember 1989 [[[X.].].]/87, [[[X.].].]U:C:1989:635, Neue Juristische Wochenschrift 1991, 632, Rz 13, 19).

b) Allerdings bieten die [[[X.].].] der §§ 163 (abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen) und 227 [[[X.].].] ([[[X.].].]rstattung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis) eine hinreichende Möglichkeit, trotz [[[X.].].] der materiell-umsatzsteuerrechtlichen Voraussetzungen den Vorsteuerabzug --jedenfalls im wirtschaftlichen [[[X.].].]rgebnis-- geltend zu machen (vgl. Urteil des [[[X.].].] --[[[X.].].]-- vom 30. April 2009 V R 15/07, [[[X.].].][[[X.].].] 225, 254, [[[X.].].] 2009, 744), um auf diesem Weg den im Insolvenzverfahren nicht zu realisierenden Teil der gegen den Rechnungsaussteller gerichteten, zivilrechtlichen Forderung vom Finanzamt [[[X.].].] zu bekommen.

aa) Der Verweis auf eine solche Billigkeitsentscheidung genügt den Anforderungen des [[[X.].].]uGH zum Ausgleich der Belastung des Leistungsempfängers. Nach der Rechtsprechung des [[[X.].].] kann ein Vorsteuerabzug im Billigkeitsweg zu gewähren sein, wenn der Gesetzeswortlaut die [[[X.].].]ntstehung eines Anspruchs auf Vorsteuerabzug an Voraussetzungen knüpft, deren [[[X.].].]rfüllung im [[[X.].].]inzelfall vom leistungsempfangenden Unternehmer unter Beachtung der Wertungen des Gesetzgebers nicht verlangt werden kann (vgl. [[[X.].].]-Urteil vom 10. Dezember 2008 [[X.].]I R 57/06, [[[X.].].] 2009, 1156, m.w.N.).

bb) Ob der Klägerin eine [[[X.].].]rstattung ihrer Vorsteuer im Wege eines Billigkeitserweises zuerkannt werden kann, hat der [[[X.].].] im vorliegenden Rechtsstreit über den Abrechnungsbescheid des [[[X.].].] nicht zu entscheiden. [[[X.].].]s liegt bei der Klägerin, einen solchen Anspruch ggf. beim Finanzamt [[X.].] geltend zu machen. Denn nur zu diesem Finanzamt steht die Klägerin in einem Steuerschuldverhältnis, in dem Ansprüche nach den Vorschriften der [[[X.].].] geltend gemacht werden können.

cc) [[[X.].].]in Billigkeitserweis erscheint im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Leistenden auch nicht von vornherein ausgeschlossen, auch wenn nicht unberücksichtigt bleiben dürfte, dass der [[[X.].].] der [[[X.].].]-[[[X.].].]ntscheidung ([[[X.].].]U:[[[X.].].]) jedenfalls dann keine [[[X.].].]rstattungsverpflichtung des Fiskus zu entnehmen vermochte, wenn die Steuer gar nicht an ihn entrichtet worden war (Urteil in [[[X.].].] 2009, 1156; vgl. auch Urteil vom 11. Oktober 2007 V R 27/05, [[[X.].].][[[X.].].] 219, 266, [[[X.].].] 2008, 438, am [[[X.].].]nde). Ob diese Feststellung auch auf den Fall der vorliegenden [[[X.].].]rstattung des [[[X.].].] an die Insolvenzmasse nach Rechnungsberichtigung ausgedehnt werden kann, könnte davon abhängen, ob der Fiskus zur [[[X.].].]rstattung verpflichtet war oder ob er ausnahmsweise die Zustimmung zur Rechnungsberichtigung und damit die [[[X.].].]rstattung hätte verweigern können, weil sie zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Insolvenzmasse geführt hätte (vgl. [[[X.].].]uGH-Urteil [[X.].] und Sauer-[[X.].] vom 20. Oktober 2010 [[X.].]/10, [[[X.].].]U:C:2011:674, Rz 20 ff.; [[X.].]. [[X.].] zum Urteil des [[[X.].].] des Saarlandes 1 K 1156/12 in [[[X.].].][[[X.].].] 2013, 1640, rechte Spalte). [[[X.].].]s erscheint nicht fernliegend, dazu ein neuerliches Vorabentscheidungsersuchen, nicht zuletzt im Hinblick auf das vom Insolvenzverwalter hervorgehobene Gläubigergleichbehandlungsgebot des Insolvenzrechts, an den [[[X.].].]uGH zu richten.

[[[X.].].]ine [[[X.].].]ntscheidung über einen solchen Billigkeitserweis wäre aber nicht im Verfahren über den streitgegenständlichen Abrechnungsbescheid zu treffen, sondern --wie [[X.].] in einem beim Finanzamt [[X.].] durchzuführenden Verfahren über eine Billigkeitsentscheidung gemäß §§ 163, 227 [[[X.].].].

dd) Jedenfalls könnte dem Verweis auf eine Billigkeitsentscheidung nicht entgegengehalten werden, dass es sich bei der [[[X.].].]ntscheidung nach § 163 [[[X.].].] grundsätzlich um eine [[[X.].].]rmessensentscheidung handelt (vgl. dazu Beschluss des Gemeinsamen [[[X.].].]s der obersten Gerichtshöfe des [X.] vom 19. Oktober 1971 [X.] 3/70, [[[X.].].][[[X.].].] 105, 101, [[[X.].].] 1972, 603, zu § 131 der Reichsabgabenordnung; [[[X.].].]-Urteil vom 21. August 1997 V R 47/96, [[[X.].].][[[X.].].] 183, 304, [[[X.].].] 1997, 781), die im finanzgerichtlichen Verfahren nur eingeschränkt überprüfbar ist (§ 102 [[[X.].].]O). [[[X.].].]rfordern nämlich gemeinschaftsrechtliche Regelungen eine Billigkeitsmaßnahme --was (zumindest) unter Berücksichtigung der vorstehenden Kriterien zunächst festzustellen wäre--, ist das in § 163 [[[X.].].] eingeräumte [[[X.].].]rmessen des [[[X.].].] auf null reduziert ([[[X.].].]-Urteil in [[[X.].].][[[X.].].] 225, 254, [[[X.].].] 2009, 744, m.w.N.).

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 i.V.m. § 139 Abs. 4 [[[X.].].]O. [[[X.].].]s entspricht der Billigkeit, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nach § 139 Abs. 4 [[[X.].].]O aufzuerlegen, da er das Verfahren durch Sachvortrag und durch die Stellung eines eigenen Sachantrags gefördert hat (vgl. [[[X.].].]-Beschluss vom 29. Mai 2009 IV B 143/08, [[[X.].].] 2009, 1452).

Meta

VII R 30/14

30.06.2015

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 24. April 2014, Az: 1 K 2015/10, Urteil

§ 37 Abs 2 AO, § 163 AO, § 227 AO, § 15 Abs 1 UStG 2005, § 14c UStG 2005, § 17 Abs 1 UStG 2005, § 218 Abs 2 AO, UStG VZ 2009

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.06.2015, Az. VII R 30/14 (REWIS RS 2015, 8874)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8874

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