Bundesfinanzhof, Beschluss vom 05.01.2021, Az. XI S 20/20 (PKH)

11. Senat | REWIS RS 2021, 9738

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Gegenstand

Zur Erstattung eines zu Unrecht ausgewiesenen nicht zurückgezahlten Steuerbetrags an den Insolvenzverwalter der Rechnungsausstellerin


Leitsatz

1. NV: Die wirksame Berichtigung eines Steuerbetrags nach § 14c Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 1 UStG erfordert grundsätzlich, dass der Unternehmer die vereinnahmte Umsatzsteuer an den Leistungsempfänger zurückgezahlt hat.

2. NV: Abweichendes gilt nicht für den Fall, dass strafbewehrte insolvenzrechtliche Vorschriften einer Rückzahlung der vereinnahmten Umsatzsteuer an den Leistungsempfänger entgegenstehen sollten.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Tatbestand

I.

1

Der [X.]ntragsteller ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der [X.] (Insolvenzschuldnerin). Das Insolvenzverfahren wurde am [X.] eröffnet.

2

Die Insolvenzschuldnerin erbrachte in den Jahren 2004 und 2005 Bauleistungen für die ...  [X.] ([X.]), eine als Generalunternehmerin tätige Bauprojektentwicklungsgesellschaft, die fremde Grundstücke bebaute und ihrerseits [X.] 13b [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der die [X.] betreffenden Fassung (a.F.) erbracht hat. [X.] zahlte die von der Insolvenzschuldnerin in Rechnung gestellten Leistungen einschließlich ausgewiesener Umsatzsteuer und machte diese als Vorsteuer geltend.

3

Das für [X.] zuständige Finanzamt [X.] war dagegen der [X.]nsicht, dass [X.] als Leistungsempfängerin die Umsatzsteuer für die bezogenen Bauleistungen schulde (§ 13b [X.]bs. 2 Satz 2 i.V.m. [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG a.F.) und erließ [X.] für die Jahre 2004 und 2005. [X.] leistete im Jahr 2013 (Streitjahr) die Umsatzsteuer aus den Bauleistungen, die die Insolvenzschuldnerin erbracht hatte.

4

[X.]m 01.08.2014 übermittelte der [X.]ntragsteller die die Insolvenzschuldnerin betreffende Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr an den Beklagten (das Finanzamt --F[X.]--); es wurden weder Umsätze erklärt noch Vorsteuerbeträge geltend gemacht.

5

Der [X.]ntragsteller beantragte am 09.10.2014, den geschuldeten Steuerbetrag in Höhe von ... € nach § 14c [X.]bs. 2 Satz 5 UStG zu erstatten. Er habe die ursprünglich ausgestellten Rechnungen von [X.] zurückgefordert und ihr korrigierte Rechnungen, nunmehr ohne [X.], übermittelt. Die Berichtigung sei im Streitjahr durchzuführen, da mit der [X.]ahlung der Umsatzsteuer durch [X.] die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden sei.

6

Das F[X.] lehnte mit [X.] vom 05.12.2014 den [X.]ntrag auf Berichtigung ab. Der Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 28.11.2016).

7

Das Finanzgericht ([X.]) Münster wies die Klage mit Urteil vom 08.10.2020 - 5 K 20/17 U ab. Es liege zwar ein unrichtiger Steuerausweis i.S. des § 14c [X.]bs. 1 Satz 1 UStG vor. Im Streitfall fehle es aber an den Berichtigungsvoraussetzungen gemäß § 14c [X.]bs. 1 Satz 2 i.V.m. § 17 [X.]bs. 1 UStG. Die Berichtigung eines unrichtigen Steuerausweises setze die Rückzahlung der Umsatzsteuer an den Rechnungsempfänger voraus. Dies gelte auch in Fällen, in denen über das Vermögen des [X.] das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Die Revision wurde durch das [X.] gemäß § 115 [X.]bs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Rechtsfortbildung zugelassen.

8

Mit am 12.11.2020 beim [X.] ([X.]) eingegangenen Schreiben vom 11.11.2020 hat der [X.]ntragsteller die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für eine noch einzulegende Revision gegen das Urteil des [X.] unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten beantragt.

9

Er bringt vor, weder könne die verwaltete Insolvenzmasse die Prozesskosten tragen noch sei es den am Insolvenzverfahren beteiligten Gläubigern wirtschaftlich zuzumuten, die Kosten des Rechtsstreits aufzubringen.

Er rügt mit seinem zugleich vorgelegten Entwurf einer Revisionsschrift, den er mit Schreiben vom 14.12.2020 ergänzt hat, die Verletzung materiellen Rechts. Die vom [X.] vorausgesetzte Erstattung des Umsatzsteuerbetrags von der Insolvenzmasse an den Rechnungsempfänger sei mit insolvenzrechtlichen Vorschriften nicht vereinbar. Die [X.]nwendung des § 14c [X.]bs. 1 UStG müsse innerhalb des Insolvenzverfahrens dahingehend modifiziert werden, dass das F[X.] die Umsatzsteuer auch ohne Rückzahlung an den Rechnungsempfänger zu erstatten habe, wenn und soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden sei. [X.]nderenfalls könne der Insolvenzverwalter niemals eine Steuerschuld korrigieren, da er immer zuvor gehalten wäre, den Steuerbetrag entgegen insolvenzrechtlicher Vorschriften an den Rechnungsempfänger zu erstatten. [X.]ußerdem würde eine ungerechtfertigte Bereicherung des Fiskus manifestiert.

Entscheidungsgründe

II.

Der [X.]ntrag auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten wird abgelehnt.

1. Nach § 142 [X.]bs. 1 [X.]O i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Insolvenzverwalter als sog. Partei kraft [X.]mtes PKH, wenn die Kosten des Rechtsstreits aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen (vgl. Beschluss des [X.] vom 09.10.2014 - IX Z[X.] 12/13, Zeitschrift für das gesamte Insolvenz- und Sanierungsrecht 2014, 2574, Rz 1), soweit die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende [X.]ussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 142 [X.]bs. 1 [X.]O i.V.m. § 116 Satz 2, § 114 [X.]bs. 1 Satz 1 ZPO).

Die Rechtsverfolgung verspricht i.S. des § 142 [X.]bs. 1 [X.]O i.V.m. § 116 Satz 2, § 114 [X.]bs. 1 Satz 1 ZPO hinreichende [X.]ussicht auf Erfolg, wenn für dessen Eintritt --bei sog. summarischer Prüfung-- eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen des [X.]ntragstellers in der Hauptsache spricht (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.] vom 15.04.2014 - V S 5/14 (PKH), [X.]/NV 2014, 1381, Rz 5; vom 09.03.2017 - VI S 21/16 (PKH), [X.], 904, Rz 11; vom 20.04.2020 - VI S 9/19 (PKH), [X.], 1051, Rz 11). Die Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht ist nicht schon aus dem Grunde entbehrlich, dass das [X.] die Revision --wie im Streitfall nach § 115 [X.]bs. 2 Nr. 1 und 2 [X.]O-- zugelassen hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.] vom 15.07.2014 - III S 19/12 (PKH), [X.], 1576, Rz 12; in [X.], 1051, Rz 11).

2. Nach diesen Maßstäben kann dem [X.]ntragsteller keine PKH bewilligt werden.

Es kann dahinstehen, ob die Kosten der beabsichtigten Rechtsverfolgung aus der vom [X.]ntragsteller verwalteten Vermögensmasse aufgebracht werden können und es den --aus Sicht des [X.]ntragstellers verbleibenden drei-- Gläubigern als den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten i.S. des § 142 [X.]bs. 1 [X.]O i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO zuzumuten ist, diese aufzubringen. Denn die beabsichtigte Revision bietet bei der gebotenen summarischen Prüfung jedenfalls keine hinreichende [X.]ussicht auf Erfolg. Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass nach § 14c [X.]bs. 1 Satz 2 i.V.m. § 17 [X.]bs. 1 UStG die Verpflichtung zur Rückzahlung des Mehrbetrags an den Leistungsempfänger auch in den Fällen besteht, in denen über das Vermögen des [X.] das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.

a) Nach § 14c [X.]bs. 1 Satz 1 UStG schuldet der Unternehmer, der in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach dem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen hat (unrichtiger Steuerausweis), auch den Mehrbetrag. Diese Vorschrift beruht unionsrechtlich auf [X.]rt. 203 der Richtlinie 2006/112/[X.] über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL), wonach jede Person, die die Mehrwertsteuer in einer Rechnung ausweist, die Mehrwertsteuer schuldet. Damit soll einer Gefährdung des Steueraufkommens entgegengewirkt werden, die sich aus dem Recht auf Vorsteuerabzug ergeben kann (vgl. Urteile des Gerichtshofs der [X.] --[X.]-- [X.] vom 19.09.2000 - [X.]/98, [X.]:C:2000:469, Rz 57 und 61; [X.] u.a. vom 06.11.2003 - C-78/02 bis [X.]/02, [X.]:[X.], Rz 50 und 53; [X.] vom 18.06.2009 - [X.]/07, [X.]:[X.], Rz 28; [X.] vom 31.01.2013 - [X.]/11, [X.]:[X.], Rz 36; [X.] vom 11.04.2013 - [X.]/12, [X.]:C:2013:233, Rz 23 f.; ferner Senatsurteile vom 12.10.2016 - XI R 43/14, [X.]E 255, 474, Rz 20; vom 16.05.2018 - XI R 28/16, [X.]E 261, 451, Rz 37).

Die Voraussetzungen des § 14c [X.]bs. 1 Satz 1 UStG sind nach der tatsächlichen Würdigung des [X.] im Streitfall erfüllt. Die Insolvenzschuldnerin hatte als Rechnungsausstellerin und Leistende zu Unrecht die Umsatzsteuer in Rechnung gestellt, da die [X.] nach § 13b [X.]bs. 2 Satz 2 i.V.m. [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG a.[X.] war. Dies steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

b) Das [X.] hat zu Recht dahin erkannt, dass es an den Berichtigungsvoraussetzungen [X.] 14c [X.]bs. 1 Satz 2, § 17 [X.]bs. 1 UStG fehlt.

aa) Die wirksame Berichtigung eines Steuerbetrags nach § 14c [X.]bs. 1 Satz 2, § 17 [X.]bs. 1 UStG erfordert grundsätzlich, dass der Unternehmer die vereinnahmte Umsatzsteuer an den Leistungsempfänger zurückgezahlt hat (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 261, 451, Rz 49). Die Rechnungsberichtigung als formaler [X.]kt gegenüber dem Leistungsempfänger allein reicht für die wirksame Berichtigung eines Steuerbetrags i.S. von § 14c [X.]bs. 1 Satz 2, § 17 [X.]bs. 1 UStG mit der Folge, dass dieser dem Rechnungsaussteller zu erstatten ist, aber nicht aus (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 261, 451, Rz 50).

(1) Der Wortlaut von § 14c [X.]bs. 1 Satz 2 UStG setzt zwar nicht voraus, dass der Rechnungsaussteller über die Berichtigung der Rechnung hinaus den berichtigten Steuerbetrag an den Leistungsempfänger zurückzuzahlen hätte. [X.]uch sind Rückzahlungsansprüche des Leistungsempfängers gegen den Rechnungsaussteller grundsätzlich auf dem Zivilrechtsweg zu verfolgen (vgl. [X.]-Urteile vom 11.10.2007 - V R 27/05, [X.]E 219, 266, [X.], 438, unter [X.], Rz 64; vom 02.03.2016 - V R 16/15, [X.]/NV 2016, 1074, Rz 28; in [X.]E 261, 451, Rz 51).

Da der Leistende den berichtigten Steuerbetrag vom Leistungsempfänger im Regelfall --wie hier vormals die [X.] bereits vereinnahmt hat, würde aber eine Erstattung durch das [X.] allein aufgrund der Rechnungsberichtigung ohne Rückzahlung der Steuer den Leistenden ungerechtfertigt bereichern. Dieser --im Streitfall nunmehr die [X.] würde doppelt begünstigt; denn einerseits hat er das Entgelt [X.] Umsatzsteuer regelmäßig bereits vereinnahmt und andererseits könnte er im Fall einer bedingungslosen Erstattung den berichtigten Steuerbetrag vom [X.] nochmals verlangen. Dies ginge allein zu Lasten des Leistungsempfängers (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 261, 451, Rz 52, m.w.N.). Gleichzeitig müsste der Fiskus befürchten, vom Leistungsempfänger auf Erstattung der Umsatzsteuer an ihn in [X.]nspruch genommen zu werden (vgl. [X.] vom 15.03.2007 - [X.]/05, [X.]:[X.], Rz 41; [X.] vom 26.04.2017 - [X.]/15, [X.]:[X.], Rz 53). Nur die Rückzahlung des berichtigten Steuerbetrags an den Leistungsempfänger führt in der Regel zu einem gerechten Interessenausgleich im Dreiecksverhältnis zwischen [X.] und [X.] bzw. Leistungsempfänger und gewährleistet so letztlich auch die Neutralität der Mehrwertsteuer. [X.]ußerdem verhindert eine in diesem Sinne bedingte Berichtigung des Steuerbetrags, dass das [X.] z.B. --wie hier-- in Fällen der Insolvenz des [X.] oder nicht erkannter Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers doppelt erstatten oder auf Steuer verzichten muss (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 261, 451, Rz 53, m.w.N.).

(2) Eine [X.]uslegung des § 14c [X.]bs. 1 Satz 2 UStG, nach der zu berücksichtigen ist, dass die Berichtigung eines unrichtig ausgewiesenen und gezahlten Steuerbetrags nicht einseitig zu Lasten des Leistungsempfängers gehen darf, stimmt mit der (geänderten) Rechtsprechung des [X.] zu § 17 UStG überein, wonach sich die Bemessungsgrundlage i.S. von § 17 [X.]bs. 1 Satz 1 UStG nur insoweit mindert, als das Entgelt tatsächlich zurückgezahlt wird (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 261, 451, Rz 54 ff., m.w.N. zur [X.]-Rechtsprechung zu § 17 UStG).

(a) Dieser Rechtsprechung liegt zugrunde, dass bei einer Besteuerung nach vereinbarten Entgelten die Solleinnahme zunächst die Bemessungsgrundlage bildet. Für eine [X.] bleibt aber kein Raum, soweit der leistende Unternehmer das Entgelt vereinnahmt hat. Hat der Unternehmer das Entgelt bereits vereinnahmt, ändert sich die Bemessungsgrundlage nicht schon durch (bloße) Vereinbarung einer Entgeltsminderung, sondern nur durch tatsächliche Rückzahlung des vereinnahmten Entgelts (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 261, 451, Rz 57, m.w.N.). In diesen Fällen ist vor der Rückzahlung des überschießenden Entgelts eine Besteuerung beim leistenden Unternehmer weiterhin gerechtfertigt.

(b) Dies gilt für die Berichtigung eines Steuerbetrags nach § 14c [X.]bs. 1 Satz 2, § 17 [X.]bs. 1 UStG gleichermaßen. Denn auch hier hat der Unternehmer den berichtigten Steuerbetrag in der Regel schon vereinnahmt. Die Berichtigung des Steuerbetrags durch eine Rechnungskorrektur gegenüber dem Leistungsempfänger allein bewirkt dessen Rückzahlung nicht, so dass der Steuerbetrag dem Unternehmer weiterhin verbleibt. Die Rechnungskorrektur ändert daran nichts (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 261, 451, Rz 58). Dies gilt ebenso für den Fall, dass --wie der [X.]ntragsteller geltend macht-- strafbewehrte insolvenzrechtliche Vorschriften einer Rückzahlung der vereinnahmten Umsatzsteuer an den Leistungsempfänger entgegenstehen sollten.

bb) Das Unionsrecht steht dem nach Maßgabe der Rechtsprechung des [X.] nicht entgegen.

(1) Zwar setzt [X.]rt. 203 MwStSystRL bei der Rechnungsberichtigung eine Rückzahlung des Umsatzsteuerbetrags an den Leistungsempfänger nicht voraus. [X.]uch verlangt der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer grundsätzlich, dass der zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuerbetrag berichtigt werden kann, soweit der Rechnungsaussteller die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt hat (vgl. [X.]-Urteil [X.], [X.]:C:2013:233, Rz 27, m.w.N.). Ein Mitgliedstaat der [X.] (Mitgliedstaat) ist daher grundsätzlich verpflichtet, unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobene [X.]bgaben dem [X.]bgabenpflichtigen --hier nunmehr der [X.] zu erstatten (vgl. [X.]-Urteil [X.] und Sauer-[X.] vom 20.10.2011 - [X.]/10, [X.]:C:2011:674, Rz 20, m.w.N.). Ferner ist dem Grundsatz der Neutralität und Effektivität der Mehrwertsteuer in der Regel genügt, wenn der Leistende die Erstattung der irrtümlich bzw. zu Unrecht an die Steuerbehörden bezahlten Mehrwertsteuer verlangen und der Leistungsempfänger eine zivilrechtliche Klage gegen den Leistenden auf Rückzahlung der [X.] bezahlten Beträge erheben kann (vgl. [X.], [X.]:[X.], Rz 39; [X.] und Sauer-[X.], [X.]:C:2011:674, Rz 26; ferner [X.]-Urteile in [X.]E 219, 266, [X.], 438, unter [X.], Rz 64; vom 24.04.2013 - XI R 9/11, [X.]/NV 2013, 1457, Rz 35; vom 30.06.2015 - VII R 30/14, [X.]E 250, 34, Rz 18; in [X.]E 261, 451, Rz 64).

(2) [X.]llerdings ist es einem Mitgliedstaat unionsrechtlich nicht verwehrt, die Berichtigung der Mehrwertsteuer auch davon abhängig zu machen, dass der [X.]ussteller der fraglichen Rechnung dem Empfänger der Dienstleistungen die zu Unrecht gezahlte Steuer erstattet (vgl. [X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.], Rz 48). Denn das Unionsrecht verbietet es nach ständiger Rechtsprechung des [X.] nicht, dass ein nationales Rechtssystem die Erstattung von zu Unrecht erhobenen Steuern u.U. ablehnt, die zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der [X.]nspruchsberechtigten führen würden (vgl. [X.]-Urteile Kommission/Italien vom 24.03.1988 - [X.]/86, [X.]:[X.], Rz 6; Dilexport vom 09.02.1999 - [X.], [X.]:[X.], Rz 47; [X.] vom 21.09.2000 - [X.]/98 und [X.]/98, [X.]:C:2000:479, Rz 31; Marks & [X.] vom 10.04.2008 - [X.]/06, [X.]:[X.], Rz 41; [X.], [X.]:[X.], Rz 48; [X.] und Sauer-[X.], [X.]:C:2011:674, Rz 21). Danach darf die Wirksamkeit der Berichtigung eines Steuerbetrags in einer Rechnung davon abhängig gemacht werden, dass sie wegen der [X.]bwälzung der Steuer auf den Leistungsempfänger nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Unternehmers führt (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 261, 451, Rz 65).

cc) Durch dieses Ergebnis wird auch keine ungerechtfertigte Bereicherung des Fiskus manifestiert.

(1) Hat ein nach seiner Unternehmenstätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigter Rechnungsempfänger --wie hier [X.] eine gesetzlich nicht geschuldete, aber gleichwohl in einer (ansonsten ordnungsgemäßen) Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer gezahlt, kann er im Rahmen eines sog. Direktanspruchs entsprechend dem [X.]-Urteil [X.] ([X.]:[X.]) eine "Rückzahlung" von der Finanzverwaltung verlangen, wenn eine Rückforderung vom Rechnungsaussteller insbesondere im Hinblick auf dessen --wie hier-- Zahlungsunfähigkeit übermäßig erschwert ist. Hierüber ist im Billigkeitsverfahren nach § 163 der [X.]bgabenordnung zu entscheiden (vgl. [X.]-Urteile in [X.]E 250, 34, Rz 17 ff.; vom 22.08.2019 - V R 50/16, [X.]E 266, 395, Rz 16).

(2) Für den Fall, dass die Erstattung der Mehrwertsteuer unmöglich oder übermäßig erschwert wird, müssen die Mitgliedstaaten Mittel vorsehen, die es dem [X.] ermöglichen, die zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer zu erhalten. Dabei wird die Erstattung der Mehrwertsteuer insbesondere im Fall der Zahlungsunfähigkeit des [X.] unmöglich oder übermäßig erschwert. Es kann dann geboten sein, dass der [X.] seinen [X.]ntrag auf Erstattung unmittelbar an die Steuerbehörden richtet (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 266, 395, Rz 16, m.w.N.). [X.] könnte danach einen solchen [X.]nspruch auf Erstattung unmittelbar an das für sie zuständige [X.] richten; die aus Sicht des [X.]ntragstellers bestehende Gefahr einer sich manifestierenden ungerechtfertigten Bereicherung des Fiskus ist mithin ausgeschlossen, soweit der [X.]nspruch der [X.] Erfolg hätte. Dieser [X.]nspruch der [X.] ist vorliegend jedoch nicht Streitgegenstand; darüber ist --wie das [X.] zu Recht erkannt hat-- hier nicht zu entscheiden.

3. Die Entscheidung über die PKH ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 1 [X.]bs. 2 Nr. 2, § 3 [X.]bs. 2 des Gerichtskostengesetzes i.V.m. dem Kostenverzeichnis der [X.]nlage 1). [X.]ußergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Meta

XI S 20/20 (PKH)

05.01.2021

Bundesfinanzhof 11. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 8. Oktober 2020, Az: 5 K 20/17 U, Urteil

§ 13b Abs 2 S 2 UStG 2005, § 13b Abs 1 S 1 Nr 4 UStG 2005, § 14c Abs 1 S 2 UStG 2005, § 17 Abs 1 UStG 2005, Art 203 EGRL 112/2006, UStG VZ 2013

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 05.01.2021, Az. XI S 20/20 (PKH) (REWIS RS 2021, 9738)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 9738

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