Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.11.2011, Az. V R 32/10

5. Senat | REWIS RS 2011, 1770

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

(Gegenstand des Einspruchsverfahrens, wenn während des Verfahrens über den Einspruch gegen einen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid ein Umsatzsteuer-Jahresbescheid ergeht - Anwendung der Vereinfachungsregelung des § 44 Abs. 1 UStDV bei für das Unternehmen bezogenen Mastschweinen)


Leitsatz

1. Wird eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung, die gemäß § 168 Satz 1 AO als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung wirkt, während eines Einspruchsverfahrens gegen die abgelehnte Änderung der Herabsetzung eines Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids abgegeben, wird gemäß § 365 Abs. 3 AO der Umsatzsteuer-Jahresbescheid zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens.

2. "Wirtschaftsgut" i.S. des § 15a Abs. 1 und 2 UStG und des § 44 Abs. 1 UStDV ist bei Mastschweinen (Ferkeln), die für das Unternehmen bezogen worden sind, das einzelne Ferkel.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) verpflichtet ist, aufgrund der im Streitjahr 2008 geltenden Geringfügigkeitsgrenze in § 44 Abs. 1 der [X.] (UStDV) eine Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr (2008) anzuwendenden Fassung (UStG) beim Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) rückgängig zu machen.

2

Der Kläger ist Landwirt und versteuerte in 2007 seine Umsätze nach den allgemeinen Vorschriften (§ 24 Abs. 4 UStG). Im Kalenderjahr 2007 erwarb der Kläger von einem Viehhändler aufgrund eines Vertrags vom 31. August 2007  893 [X.] zum Preis von brutto 38.783 €. Noch in 2007 veräußerte er hiervon 474 Tiere.

3

Mit Wirkung auf den Beginn des Streitjahres (2008) kehrte der Kläger zur Besteuerung nach Durchschnittssätzen zurück. Den Restbestand der 2007 erworbenen Tiere veräußerte der Kläger am 8. Januar 2008 (209 [X.]) und am 23. Januar 2008 (141 [X.]). Für die im Streitjahr (2008) veräußerten [X.] hatte er beim Erwerb im Jahr 2007 Vorsteuer in Höhe von 2.765 € (= 350 Schweine zu je 7,90 € Vorsteuer) in Anspruch genommen.

4

Der Kläger ging in seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für das [X.] davon aus, dass aufgrund des Wechsels der [X.] auch die Vorsteuerbeträge aus Aufwendungen für die im Jahr 2007 erworbenen und im Streitjahr veräußerten [X.] gemäß § 15a UStG zu berichtigen seien.

5

Später berief sich der Kläger gemäß § 44 Abs. 1 UStDV darauf, die Vorsteuerberichtigung für die 350 [X.] zu seinen Lasten habe zu unterbleiben. [X.] im Sinne der Regelung sei jedes einzelne [X.], so dass die Vorsteuerberichtigung wegen Unterschreitens des [X.] von 1.000 € je [X.] ausscheide.

6

Der Kläger beantragte die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung für das [X.], die das [X.] ablehnte. Im anschließenden Einspruchsverfahren reichte der Kläger am 25. Februar 2010 die Umsatzsteuererklärung für 2008 ein, die gemäß § 168 Satz 1 der Abgabenordnung ([X.]) als Umsatzsteuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung wirkte. Das Einspruchsverfahren wurde durch die Einspruchsentscheidung vom 12. April 2010 abgeschlossen, in der das [X.] die Umsatzsteuer für den Voranmeldungszeitraum aus anderen Gründen herabsetzte. Die weiter gehend begehrte Änderung unter Berücksichtigung des § 44 Abs. 1 UStDV in Bezug auf die veräußerten [X.] lehnte das [X.] erneut ab. Zudem erließ das [X.] unter dem 12. April 2010 einen Umsatzsteuer-Jahresbescheid für das Streitjahr 2008, in dem es Änderungen gegenüber der [X.] vornahm, dem Begehren des [X.] aber ebenfalls nicht abhalf.

7

Der Kläger erhob gegen die Umsatzsteuerfestsetzung für das [X.] Klage. Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage "wegen Umsatzsteuer 2008" aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 2130 mitgeteilten Gründen statt und verpflichtete das [X.] zur antragsgemäßen Änderung des [X.] vom 12. April 2010.

8

Jedes der im Streitjahr 2008 veräußerten 350 [X.] sei ein "Wirtschaftsgut" i.S. des § 44 Abs. 1 UStDV, sodass für jedes Tier die Geringfügigkeitsgrenze von 1.000 € einzeln zu prüfen sei. Jedem Tier komme im Geschäftsverkehr ein eigener wirtschaftlicher Wert zu, es könne einzeln bewertet werden und habe eine gewisse Lebensdauer. Diese Auffassung werde auch vom [X.] in der Verfügung vom 23. Juli 2008 für die Vorsteuerberichtigung bei Vieh vertreten ([X.] [X.], [X.] --UR-- 2008, 868).

9

Das [X.] stützt seine Revision auf Verletzung materiellen Rechts. Für beide im Streitjahr 2008 veräußerte Partien [X.] sei die Geringfügigkeitsgrenze in § 44 Abs. 1 UStDV von 1.000 € (Verkäufe vom 8. Januar 2008: 1.651,10 € und vom 23. Januar 2008: 1.113,90 €) überschritten.

[X.] gemäß § 15a UStG sei das "Wirtschaftsgut", das nach spezifisch umsatzsteuerrechtlichen Kriterien zu bestimmen sei. Bei vertretbaren Sachen sei nach Abschn. 218 Abs. 1 Satz 4 der [X.] 2008 ([X.]) im Streitjahr 2008 nicht die einzelne Sache, sondern bei Berichtigungen aufgrund einer Veräußerung der bezogenen Gegenstände, die zwischen dem leistenden Unternehmer und dem Leistungsempfänger geschlossene Vereinbarung maßgeblich. Tiere, die im Massentierhandel verkauft würden, seien gemäß §§ 90a, 91 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vertretbare Sachen. Nach den vertraglichen Vereinbarungen habe der Kläger im Streitjahr 209 Tiere und 141 Tiere als einheitlichen Liefergegenstand jeweils für einen Gesamtpreis veräußert. Die Vereinbarung eines Gesamtkaufpreises für eine bestimmte Anzahl von Mastschweinen, die jeweils nicht individualisiert seien, führe zu einer Sachgesamtheit (der "Partie"), die Liefergegenstand und [X.] sei (Hinweis auf Abschn. 24 Abs. 1 Satz 2, 214 Abs. 1 Sätze 4 und 5 [X.] 2008). Die "Partie" der Tiere werde im Geschäftsverkehr als Sachgesamtheit bewertet, habe einen eigenen wirtschaftlichen Wert, der mit der Summe der Einzeltiere nicht identisch sei und eine eigene Vermarktbarkeit.

Das [X.] beantragt sinngemäß,

die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Mastschweine seien entgegen der Auffassung des [X.] keine vertretbaren Sachen i.S. des § 91 BGB. Werde eine Partie mehrerer Tiere veräußert, seien die Verhältnisse jedes einzelnen Tieres maßgeblich für die Bildung des Gesamtkaufpreises, da dieser nach dem Fettgehalt der Tiere berechnet werde und einzelne Tiere aussortiert werden müssten. Es sei zweifelhaft, ob für die Regelungen zur Vorsteuerberichtigung zwischen vertretbaren und unvertretbaren Sachen zu unterscheiden sei. Die Vorentscheidung vertrete zutreffend, dass sich hierfür im Gesetz keine Stütze finde.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat im Ergebnis zu Recht die Voraussetzungen einer Vorsteuerberichtigung zu Lasten des [X.] verneint.

1. Das [X.] ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass Gegenstand des Klageverfahrens der [X.] 2008 vom 12. April 2010 war.

a) Ergeht während des Verfahrens über den Einspruch gegen einen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid ein [X.], wird dieser gemäß § 365 Abs. 3 [X.] Gegenstand des [X.] (Urteil des [X.] --BFH-- vom 4. November 1999 [X.], [X.], 67, [X.], 454). Ebenso wie die entsprechende Regelung in § 68 [X.]O für das Klageverfahren (hierzu [X.] vom 29. November 2001 IV R 66/99, [X.] 2002, 524; vom 18. Dezember 2003 [X.]/00, [X.], 35, [X.], 237; vom 27. April 2004 [X.], [X.] 2004, 1287) gilt § 365 Abs. 3 [X.] auch für [X.]. Der Anwendung des § 365 Abs. 3 [X.] steht somit nicht entgegen, dass es sich bei einem Antrag auf Herabsetzung des [X.] um ein [X.] handelt, während ein gegen einen [X.] erhobener Einspruch ein Anfechtungsbegehren enthält. Dem Zweck der Vorschrift entsprechend ist entscheidend, ob der angefochtene ursprüngliche und der neue Bescheid "dieselbe [X.]euersache" betreffen (vgl. zur entsprechenden Regelung im [X.]-Verfahren --§ 68 [X.]O-- das BFH-Urteil in [X.] 2004, 1287). Das ist nach ständiger Rechtsprechung im Verhältnis des [X.] zum [X.] der Fall (vgl. [X.] in [X.], 67, [X.], 454; vom 3. November 2005 [X.], [X.], 161, [X.], 337; vom 10. November 2010 [X.], [X.], 373, [X.], 311; vom 12. April 2010 [X.]/09, [X.] 2010, 1829). Gegenstand des [X.] gegen die abgelehnte Änderung des [X.] für das [X.] wurde daher mit ihrer Abgabe am 25. Februar 2010 die gemäß § 168 Satz 1 [X.] als Umsatzsteuerfestsetzung wirkende Umsatzsteuer-Jahreserklärung.

b) Das [X.] hat ungeachtet dessen in der Einspruchsentscheidung vom 12. April 2010 zu Unrecht nur über die abgelehnte Änderung des [X.] für das [X.] entschieden und der Kläger hiergegen Klage erhoben. [X.]reitgegenstand der Klage ist gleichwohl wegen der Identität des [X.]reitgegenstands im Einspruchs- und anschließendem Klageverfahren der [X.] 2008 vom 12. April 2010 (vgl. hierzu [X.] vom 21. April 1993 [X.]-54/92 u.a., [X.] 1994, 45; vom 2. Juli 2008 [X.]/08, [X.] 2008, 1901; Gräber/von [X.], Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 44 [X.] 32). Dass der Kläger in Übereinstimmung mit dem Inhalt der Einspruchsentscheidung zunächst den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für das [X.] als [X.] bezeichnet hat, ist nach der Anpassung seines Klagebegehrens unerheblich (vgl. hierzu den [X.] vom 23. April 2009 [X.]/08, [X.] 2009, 1443). Der [X.] 2008 in Gestalt der Umsatzsteuererklärung vom 25. Februar 2010 ist durch den zeitgleich mit der Einspruchsentscheidung vom 12. April 2010 bekannt gegebenen [X.] 2008 des [X.] vom 12. April 2010 ersetzt worden.

c) Die Einspruchsentscheidung vom 12. April 2010 und der geänderte Jahressteuerbescheid 2008 vom selben Tage gelten gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 [X.] am dritten Tage nach ihrer Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn sie nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen sind. Im [X.]reitfall kann offen bleiben, ob die Einspruchsentscheidung und der geänderte Jahressteuerbescheid für das [X.]reitjahr 2008 dem Kläger gleichzeitig oder nacheinander und in welcher Reihenfolge bekannt gegeben worden sind. Denn entweder ist der [X.] 2008 vom 12. April 2010 noch Gegenstand des [X.] und deshalb auch des Klageverfahrens geworden oder --wenn der Änderungsbescheid vom 12. April 2010 erst nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung wirksam geworden sein sollte-- er ist gemäß § 68 Abs. 1 [X.]O zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden.

2. Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut, das nur einmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet wird, die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist gemäß § 15a Abs. 2 U[X.]G eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem das Wirtschaftsgut verwendet wird. Diese Voraussetzungen sind im [X.]reitfall erfüllt.

a) Zu Recht gehen das [X.] und die Beteiligten davon aus, dass eine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse nach § 15a Abs. 7 U[X.]G durch den Übergang des [X.] von der allgemeinen Besteuerung zur [X.] nach § 24 U[X.]G eingetreten ist.

Der Kläger hat im [X.]reitjahr die noch veräußerten 350 Ferkel einmalig zur Ausführung von Umsätzen im Sinne der Regelung verwendet.

b) "Wirtschaftsgut" im Sinne der Regelung und damit Berichtigungsobjekt ist entgegen der Auffassung des [X.] das einzelne Ferkel und nicht der erworbene oder veräußerte Bestand an Tieren.

aa) § 15a Abs. 2 U[X.]G ist durch Art. 5 Nr. 12 des [X.] ([X.]) vom 9. Dezember 2004 ([X.], 3310) eingeführt worden. [X.] sind "Investitionsgüter" Berichtigungsobjekte (vgl. Art. 187 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/[X.] vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --Mw[X.]SystRL-- und die Vorgängerregelung in Art. 20 Abs. 2 der [X.] zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern 77/388/[X.]). Art. 189 Buchst. a Mw[X.]SystRL (zuvor Art. 20 Abs. 4 der [X.]/[X.]) erlaubt den Mitgliedstaaten, bei Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht den Begriff "Investitionsgüter" und damit einzelne Berichtigungsobjekte zu definieren. Nach nationalem Recht sind Berichtigungsobjekte "Wirtschaftsgüter", die nicht nur einmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet werden (§ 15a Abs. 1), Wirtschaftsgüter, die nur einmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet werden (§ 15a Abs. 2 U[X.]G), die in § 15a Abs. 3 genannten Bestandteile und sonstigen Leistungen, die in § 15a Abs. 4 U[X.]G bezeichneten sonstigen Leistungen sowie unter den Voraussetzungen des § 15a Abs. 6 U[X.]G auch nachträgliche Anschaffungs- und Herstellungskosten.

bb) Für eine [X.] bei der Auslegung des Merkmals "Wirtschaftsgut" spricht, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) im Rahmen des Leistungsaustauschs bei Vorliegen eines Bündels von Einzelleistungen und Handlungen jede Leistung als eigene selbständige Leistung anzusehen ist (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 25. Februar 1999 [X.]/96, [X.] ([X.]), Slg. 1999, [X.]. 29, 30; vom 27. Oktober 2005 [X.], Levob, Slg. 2005, [X.], [X.] Beilage 2006, 38 [X.]. 19 bis 22; zum Ganzen [X.] vom 28. Oktober 2010 [X.], [X.], 360, [X.], 306, unter [X.], m.w.N.). Hiervon gilt eine Ausnahme, wenn die [X.] dazu führt, dass eine wirtschaftlich einheitliche Leistung künstlich aufgespalten wird. Dies ist etwa der Fall, wenn sog. untrennbare Leistungen vorliegen (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss in [X.], 360, [X.], 306, unter [X.] (2), m.w.N.). Ob eine einheitliche Leistung vorliegt, ist aus der Sicht des [X.] zu bestimmen und im Wesentlichen das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung durch das [X.] (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 17. April 2008 [X.], [X.] 2008, 1712, unter II.2.d; vom 6. September 2007 [X.], [X.] 2008, 624, unter II.2. und 3.; vom 6. Dezember 2007 [X.], [X.], 60, [X.], 638, unter II.3.; vom 13. Januar 2011 [X.]/09, [X.], 64, [X.], 461, unter [X.]). Aus der Sicht des [X.] ist ein "Wirtschaftsgut" [X.], das nach der Verkehrsauffassung selbständig verkehrsfähig und bewertbar ist (vgl. Widmann in Plückebaum/[X.]/Widmann, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 15a [X.]). Auf dieser Grundlage ist das [X.] zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei den einzelnen Ferkeln jeweils um eigenständige Wirtschaftsgüter handelt. Es hat darauf abgestellt, dass jedem einzelnen Tier im Geschäftsverkehr ein eigener wirtschaftlicher Wert zukomme, und es könne einzeln bewertet werden. Die "Partie" der einzelnen Schweine bilde [X.] das [X.]-- auch deshalb keine einheitliche Sache (Sachgesamtheit), weil die Tiere für gewöhnlich nicht über die gesamte Nutzungsdauer beieinander blieben. Die zivilrechtliche Wertung gemäß § 90a Satz 1 BGB, dass Tiere keine Sachen sind, sondern nur entsprechend der für Sachen geltenden Vorschriften zu behandeln sind, spricht nach Auffassung des Senats unter Berücksichtigung der den Mitgliedstaaten zustehenden Definitionsbefugnis (s. oben [X.]) ebenfalls dafür, dass nach Sicht des [X.] einzelne Tiere für sich betrachtet "Wirtschaftsgüter" sind.

cc) Hierfür spricht weiter, dass jeder Erwerbsvorgang gleich behandelt wird. Die Auslegung des [X.] hätte demgegenüber zur Folge, dass bei Lieferungen an den [X.]euerpflichtigen auf der Grundlage eines Vertrags, in dem die einzelnen Tiere als Liefergegenstände nicht individualisiert wären, stets die Sachgesamtheit (Partie) der Tiere Liefergegenstand und Berichtigungsobjekt wäre. Die Anwendbarkeit des § 44 Abs. 1 U[X.]DV hinge dann davon ab, ob mit den [X.], die auf die jeweils erworbene Anzahl von Tieren entfielen, der Grenzbetrag überschritten würde. Eine solche Auslegung vermag nicht zu überzeugen. Die Auslegung des Merkmals "Wirtschaftsgut" muss den Umständen jedes einzelnen Erwerbsvorgangs gerecht werden.

dd) Das vorstehende Auslegungsergebnis wird schließlich durch die handelsrechtlichen und ertragsteuerlichen Wertungen gestützt. Tiere, die --wie im [X.] dem Umlaufvermögen zuzurechnen sind, sind grundsätzlich einzeln zu bewerten. Die Möglichkeit, aus Gründen der Praktikabilität bei der Bewertung von [X.] von einer Gruppenbewertung gemäß § 240 Abs. 4 des Handelsgesetzbuchs Gebrauch machen zu können, führt nicht zu einer Zusammenfassung mehrerer Wirtschaftsgüter zu einem Wirtschaftsgut, sondern lediglich zu einem einheitlichen Wertansatz für mehrere Wirtschaftsgüter (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 6. August 1998 IV R 67/97, [X.], 402, [X.] 1999, 14; vom 13. Februar 2003 [X.]/00, [X.] 2003, 1155, unter II.2.d; Leingärtner/Wendt, Besteuerung der Landwirte, [X.]. 29a [X.] 191).

3. Die Vorsteuerberichtigung zu Lasten des [X.] hat im [X.]reitfall gemäß § 15a Abs. 11 Nr. 1 U[X.]G i.V.m. § 44 Abs. 1 U[X.]DV zu unterbleiben, da die auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten jedes Tieres entfallende Vorsteuer den Betrag von 1.000 € nicht übersteigt, ebenso [X.] in Rau/ Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 15a [X.] 181; [X.] in [X.]/ [X.], U[X.]G, § 15a [X.] 201; a.[X.] in [X.]/ Söhn/[X.], § 15a U[X.]G [X.] 134a, 135; Schreiben des [X.] --[X.]-- vom 6. Dezember 2005, [X.], 1068, [X.]. 58). Der abweichenden Auffassung des [X.] in Abschn. 218 Abs. 1 Satz 4 U[X.]R 2008 (nunmehr Abschn. 15a.11. Abs. 1 des [X.]), die bei vertretbaren Sachen zur Bestimmung des Wirtschaftsguts auf die vertraglichen Vereinbarungen --den [X.] zwischen leistendem Unternehmer und Leistungsempfänger abstellt, folgt der Senat jedenfalls für Mastschweine nicht (wie hier auch Verfügung des [X.] vom 23. Juli 2008 [X.], [X.], 868; anders anscheinend nunmehr in Verfügung vom 10. Februar 2011 [X.] [X.] 33, juris, unter [X.]. 2, 6 und Beispiel 3 zu [X.]. 9).

Meta

V R 32/10

03.11.2011

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 19. August 2010, Az: 16 K 152/10, Urteil

§ 168 S 1 AO, § 365 Abs 3 AO, § 90 BGB, § 90a BGB, § 15a Abs 1 UStG 2005, § 15a Abs 2 UStG 2005, § 15a Abs 11 Nr 1 UStG 2005, § 44 Abs 1 UStDV 2005, Abschn 218 Abs 1 S 4 UStR 2008, Abschn 15a.11 Abs 1 UStAE

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.11.2011, Az. V R 32/10 (REWIS RS 2011, 1770)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1770

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