Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.01.2016, Az. XII ZB 684/14

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 17043

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:270116B[X.]684.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.]

vom

27. Januar 2016

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO §§ 166, 317 Abs. 1 und 2, 520 Abs. 2 Satz 1
Für Urteile, die nach dem Inkrafttreten der Neufassung des §
317 ZPO zum 1.
Juli 2014 zugestellt worden sind, setzt der Beginn der Fristen zur [X.] und -begründung nicht mehr die Zustellung einer Urteilsausfertigung voraus. Entsprechend der nunmehr in §
317 Abs.
1 Satz
1 ZPO enthaltenen Regel genügt die Zustellung einer beglaubigten Abschrift des in vollständiger Form abgefassten Urteils (Abgrenzung zu Senatsbeschluss [X.], 22 =
[X.], 1246).
[X.], Beschluss vom 27. Januar 2016 -
XII [X.] -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 27.
Januar 2016
durch den
Vorsitzenden
Richter
Dose
und [X.],
Dr.
Günter, Dr.
Botur
und Guhling
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 10.
Zivilsenats
des [X.]s
[X.]
vom 18.
November
2014
wird auf Kosten der
Klägerin
zurückgewiesen.
Beschwerdewert:
237.738

Gründe:
I.
Die Klägerin
wendet sich mit der Rechtsbeschwerde gegen die Zurück-weisung ihres Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die [X.] ihrer Berufung.
Das [X.] hat die u. a. auf Erstattung von Betriebskostenvoraus-zahlungen und Freistellung aus einer Bürgschaft gerichtete Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage der Beklagten u. a. zur Zahlung von 65.306,98

eilt.
Das Urteil wurde den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klä-gerin in beglaubigter Abschrift am 25. August 2014 gegen
[X.] zugestellt. Am 18.
September 2014 hat die Klägerin hiergegen Berufung einge-legt. Mit einem auf den 27.
Oktober 2013 (richtig: 2014)
datierten und am 29.
Oktober 2014 beim [X.] eingegangenen Schriftsatz
ihres 1
2
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-
3
-
zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten hat die Klägerin beantragt, "die am 30.10.2014 erstmals ablaufende Berufungsbegründungsfrist um einen Monat bis zum 30.11.2014 zu verlängern".
Nach einem Hinweis des [X.]s, dass die Berufungsbe-gründungsfrist
bei Eingang
des [X.]s bereits abgelaufen gewesen sei, hat die Klägerin
am 6.
November 2014
Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand und die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.
Zur Begründung ihres Antrags auf Wiedereinsetzung hat die Klägerin
ausgeführt,
die dem
mit der Durchführung des Berufungsverfahrens beauftrag-ten Rechtsanwalt
übermittelte
Abschrift
des landgerichtlichen Urteils sei mit ei-nem

offenbar von Mitarbeitern der Klägerin angebrachten

auf den 30.
August 2014 datierten Eingangsstempel versehen gewesen. Daher sei ihr zweitinstanz-licher
Prozessbevollmächtigter
bei der Einlegung der Berufung davon [X.], dass die Zustellung des landgerichtlichen Urteils an dem genannten Datum stattgefunden habe. Er habe
seine Assistentin angewiesen, die Frist zur Begründung der Berufung auf den 30.
Oktober 2014 zu notieren, was dann auch geschehen sei. Am Montag, den 27.
Oktober 2014
habe die Assistentin nach Diktat den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ver-fasst. Da der
zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin aufgrund des Zustellungsvermerks auf der ihm übermittelten Abschrift
des landgerichtli-chen Urteils davon ausgegangen sei, dass die Berufungsbegründungsfrist erst am 30.
Oktober 2014 ende, seien in dem Verlängerungsantrag
dieses
Datum als vermeintlicher Fristablauf und entsprechend
der
30.
November 2014
als das Datum genannt
worden,
bis zu dem
die Frist verlängert werden solle.
Obwohl in der Kanzlei
ihres zweitinstanzlichen
Prozessbevollmächtigten
die Anweisung existiere,
Fristverlängerungsgesuche ausnahmslos vorab per Telefax an das jeweils zuständige Gericht zu übermitteln,
habe die bislang stets sorgfältig ar-4
5
-
4
-
beitende Assistentin
des Rechtsanwalts
den Antrag lediglich in den normalen Postweg gegeben, weshalb dieser erst am 29.
Oktober 2014 beim Berufungs-gericht eingegangen sei. Regelmäßige stichprobenartige Überprüfungen
hätten
ergeben, dass
diese Anweisung von der Kanzleimitarbeiterin zuvor in
sämtli-chen Fällen befolgt
worden sei. Die fehlerhafte Notierung der Berufungsbe-gründungsfrist
sei daher für die Versäumung der Frist nicht kausal geworden, da der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist rechtzeitig beim Berufungsgericht eingegangen wäre, wenn die Assistentin entsprechend
der bestehenden Anweisung den Antrag nach Ausfertigung
am 27.
Oktober 2014 per Telefax an das [X.] übersandt
hätte.
Das [X.] hat der
Klägerin
die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der [X.] versagt und die Berufung verworfen. Dagegen richtet sich ihre Rechts-beschwerde.

II.
Die gemäß
§§
574 Abs.
1 Nr.
1, 522 Abs.
1 Satz
4, 238 Abs.
2 Satz
1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die
Rechtssache im [X.] auf die Frage, ob die Berufungsbegründungsfrist nach §
520 Abs.
2 Satz
1 ZPO auch mit der Zustellung einer beglaubigten Abschrift statt einer Ausferti-gung des Berufungsurteils zu laufen beginnt (vgl. Senatsbeschluss [X.], 22 =
[X.], 1246), grundsätzliche Bedeutung hat (§
574 Abs.
2 Nr.
1 ZPO).
Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet.

6
7
-
5
-
1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne der [X.] nicht gewährt werden, weil sie nicht ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der
Berufungsbegründungsfrist
gehindert gewesen
sei. Diese
sei vielmehr infol-ge Verschuldens ihres zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten, das sie sich gemäß §
85 Abs.
2 ZPO zurechnen lassen müsse, versäumt worden. Dieser
räume ein, dass die Berufungsbegründungsfrist, die tatsächlich am 27.
Oktober 2014 abgelaufen sei, durch sein eigenes Verschulden

nämlich durch die feh-lerhafte
Deutung des Eingangsstempels auf dem erstinstanzlichen Urteil

auf den 30.
Oktober 2014 notiert worden sei. Der [X.] sei erst am 29.
Oktober 2014 und damit verspätet bei Gericht eingegangen.
Die Erheblichkeit des Verschuldens des zweitinstanzlichen Prozessbe-vollmächtigten der Klägerin für die Fristversäumnis sei auch nicht durch ein späteres, der Klägerin nicht zuzurechnendes Ereignis im Wege der "überholen-den Kausalität"
entfallen. Zwar
liege nach der Begründung des [X.] ein Fehlverhalten einer [X.] vor.
Ein anordnungs-gemäßes Verhalten
der Mitarbeiterin
hätte allerdings nicht dazu geführt, dass die Berufungsbegründungsfrist mit Sicherheit gewahrt worden wäre. Dies
sei
jedoch
erforderlich,
um die
Kausalität des anwaltlichen
Verschuldens entfallen zu lassen. Nach den
mit dem [X.] vorgelegten eidesstattli-chen Versicherungen
habe in der Kanzlei
des zweitinstanzlichen Prozessbe-vollmächtigten der Klägerin die strikte Anweisung bestanden, Anträge auf [X.] ausnahmslos vorab per Telefax an das Gericht zu übersenden. Der Sinn dieser Anweisung habe darin bestanden, mit dem Faxprotokoll
einen Beleg für den rechtzeitigen Eingang des [X.] bei Gericht zu haben. Dieser Anweisung
hätte die [X.] im Streitfall aber auch noch dann genügt, wenn sie dem Gericht den An-8
9
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-
6
-
trag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist spätestens am 30.
Ok-tober 2014, also am letzten Tag der fehlerhaft im [X.] notierten Frist,
übersandt hätte. Auch bei Befolgung der fraglichen anwaltlichen Weisung durch die Kanzleiangestellte sei ein verspäteter Eingang des Antrags auf Verlänge-rung der Berufungsbegründungsfrist
somit nicht ausgeschlossen gewesen. Deshalb sei das anwaltliche Fehlverhalten durch die Notierung eines falschen Fristablaufs kausal
für die Versäumung
der Berufungsbegründungsfrist gewe-sen.
Wegen der Nichteinhaltung der Berufungsbegründungsfrist sei das
Rechtsmittel der Klägerin
auf deren Kosten zu verwerfen.
2. Diese Ausführungen
halten der rechtlichen Überprüfung stand.
Das Berufungsgericht hat zu Recht wegen eines der Klägerin nach §
85 Abs.
2 ZPO zuzurechnenden [X.] eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt und ihre
Berufung verworfen. Die [X.] der [X.] gegen diese Entscheidung greifen nicht durch.
a)
Zutreffend hat das Beschwerdegericht festgestellt, dass die Frist zur Berufungsbegründung nach §
520 Abs.
2 Satz
1 ZPO nicht gewahrt ist, da bis zu deren Ablauf am 27.
Oktober 2014
weder die Beschwerdebegründung noch ein [X.] bei dem Beschwerdegericht eingegangen war.

Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf
Monaten nach der Verkündung (§
520 Abs.
2 Satz
1 ZPO). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat die Berufungsbe-gründungsfrist im vorliegenden Fall mit der Zustellung einer beglaubigten Ab-schrift des landgerichtlichen Urteils am 25.
August 2014 zu laufen begonnen.
11
12
13
14
-
7
-
aa) Zwar hat der [X.] in der Vergangenheit zu §
517 ZPO entschieden, dass der
Beginn der einmonatigen Berufungsfrist die Zustellung einer Ausfertigung des in vollständiger Form abgefassten Urteils voraussetzt und die Übergabe einer beglaubigten Abschrift des Urteils die Zustellungswir-kung des §
517 ZPO nicht begründen kann
(Senatsbeschluss [X.], 22 =
[X.], 1246 Rn.
12
ff.). Dieser Rechtsauffassung haben sich in der Folgezeit andere Senate des [X.] angeschlossen (vgl. [X.] Beschlüsse
vom 28.
Oktober 2010

VII
ZB
40/10

MDR 2011, 65 Rn.
6
und vom 31.
Juli 2013

VIII
ZB
18/13 und VIII
ZB
19/13

NJW 2013, 3451 Rn.
6).
An dieser Rechtsprechung kann jedoch nach der Neufassung des §
317 ZPO durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.
Oktober 2013 ([X.] I S.
3786) nicht mehr festgehalten werden. §
317 Abs.
1 Satz
1 ZPO ist mit Wirkung vom 1.
Juli 2014 dahingehend geändert worden, dass Urteile den [X.]en von Amts wegen grundsätzlich
in Abschrift zugestellt werden, die
von der Geschäftsstelle nach §
169 Abs.
2 ZPO zu beglaubigen ist (BT-Drucks. 17/12634 S.
30). Ausfertigungen eines Urteils werden nach §
317 Abs.
2 Satz
1 ZPO nur noch auf Antrag einer [X.] erteilt, wobei nach §
317 Abs.
2 Satz
3 Halbsatz
1 ZPO die auf Antrag einer [X.] er-teilte Ausfertigung regelmäßig weder Tatbestand noch Entscheidungsgründe
enthält.
Mit Einführung der Übersendung einer beglaubigten Abschrift als Re-gelform der Urteilszustellung kann der Beginn der Fristen zur Einlegung (§
517 ZPO) und zur Begründung einer Berufung (§
520 Abs.
2 Satz
1 ZPO) nicht mehr an die Zustellung einer Ausfertigung des Urteils angeknüpft werden. Vo-raussetzung
für den Beginn der genannten [X.] ist eine Zustel-lung des in vollständiger Form abgefassten Urteils von Amts wegen in der in den §§
169
ff. ZPO bestimmten Form ([X.]/Gehrlein/Lemke
ZPO 7.
Aufl. §
517 Rn.
4).
Die nach §
166 Abs.
2
ZPO von Amts wegen zuzustellenden
Do-kumente können grundsätzlich in Urschrift, Ausfertigung oder (beglaubigter) 15
16
-
8
-
Abschrift zugestellt werden, sofern nicht in speziellen materiell-
oder prozess-rechtlichen Vorschriften eine besondere Form
der Zustellung vorgesehen ist
(vgl. Senatsbeschluss [X.], 22 =
[X.], 1246 Rn.
13).
Eine solche
besondere Vorschrift enthält §
317 Abs.
1 Satz
1 ZPO in der seit dem 1.
Juli 2014 geltenden
Fassung, indem er die Übermittlung einer beglaubigten Ab-schrift als ausreichende Form der Amtszustellung von Urteilen vorsieht.
Soweit die Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, trotz der Änderung des §
317 Abs.
1
Satz
1 ZPO müsse auch weiterhin daran festgehalten werden, dass nur die Zustellung einer Urteilsausfertigung die Fristen der §§
517, 522 Abs.
2 Satz
1 ZPO auslösen könne (so auch [X.]/[X.]/[X.] ZPO 12.
Aufl. §
517 Rn.
5; [X.] ZPO/[X.] [1.
Juni 2015]
§
517 Rn.
8; [X.]/[X.]/[X.] ZPO 36.
Aufl. §
517 Rn.
2;
Hk-ZPO/[X.] 6.
Aufl. §
317 Rn.
2), kann dem nicht gefolgt werden. Denn dies hätte zur Folge, dass sowohl die in §
517 ZPO vorgesehene Frist von einem Monat für die Einlegung einer Berufung
als
auch die zweimonatige Berufungsbegrün-dungsfrist nach §
520 Abs.
2 Satz
1 ZPO nur dann zu laufen beginnen
würden, wenn einer Prozesspartei auf ihren Antrag nach §
317 Abs.
2 ZPO eine Urteils-ausfertigung zugestellt worden ist. Da [X.] grundsätzlich für jede Prozesspartei gesondert zu laufen beginnen, hätte es die [X.]
damit aber selbst in der Hand, ob die
für den Beginn der Rechtsmittelfrist
notwendige Vo-raussetzung der ordnungsgemäßen Zustellung der Entscheidung erfüllt wird. Eine [X.]
könnte daher die einmonatige Berufungsfrist des §
517 ZPO umge-hen, indem sie davon absieht, gemäß §
317 Abs.
2 ZPO auf Erteilung einer Ausfertigung anzutragen,
und sich dadurch die Möglichkeit
offen halten, Beru-fung gegen die ergangene Entscheidung bis zu
dem aus
§
517 ZPO folgenden
spätesten Zeitpunkt von sechs
Monaten (fünf Monate bis zum Beginn der Beru-fungsfrist und ein Monat Berufungsfrist) nach der Verkündung der Entscheidung
einzulegen.
Diese
Erwägung zeigt, dass für Urteile, die nach dem Inkrafttreten 17
-
9
-
der Neufassung des §
317 ZPO zum 1.
Juli 2014 zugestellt worden sind, der Beginn der Fristen zur Berufungseinlegung und -begründung nicht mehr die Zustellung einer Urteilsausfertigung voraussetzen kann, sondern entsprechend der nunmehr in §
317 Abs.
1 Satz
1 ZPO enthaltenen Regel die Zustellung ei-ner beglaubigten Abschrift des Urteils genügt.
bb) Da nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen das angefochtene Urteil dem früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 25.
August 2014
in
beglaubigter Abschrift gemäß §
174 Abs.
1 ZPO gegen [X.] zugestellt worden ist, endete die Berufungsbegründungs-frist mit Ablauf des 25.
Oktober 2014 (§
222 Abs.
1 ZPO i.V.m. §
188 Abs.
2 BGB). Das so berechnete Fristende fiel mithin auf einen
Sonnabend, so dass die Begründungsfrist gemäß §
222 Abs.
2 ZPO am darauffolgenden Montag, dem 27.
Oktober 2014,
ablief.
Der Antrag der Klägerin auf Fristverlängerung ist jedoch erst am 29.
Oktober 2014 und daher nach Ablauf der Berufungsbegrün-dungsfrist beim Berufungsgericht eingegangen. Eine Verlängerung der [X.] kam daher nicht mehr in Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom 22.
Juli 2015

XII
ZB 583/14

FamRZ 2015, 1878 Rn.
10 mwN).
b)
Ebenso zutreffend hat das Berufungsgericht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt, da die Frist zur Begründung der Berufung nicht schuldlos versäumt worden ist.
aa) Der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in der Berufungsinstanz eingeräumt, dass er den Eingangsstempel auf dem erstin-stanzlichen Urteil fehlerhaft gedeutet habe und deshalb die Berufungsbegrün-dungsfrist unzutreffend auf den 30.
Oktober 2014 notiert worden sei. Die Rechtsbeschwerde wendet hiergegen ein, das Berufungsgericht habe seiner Entscheidung nicht allein diese Einlassung zugrunde legen dürfen. Die Frage, 18
19
20
-
10
-
ob die Klägerin unter Zugrundelegung der in ihrem Antrag auf [X.] glaubhaft gemachten tatsächlichen Umstände schuldlos im Sinne des §
233 ZPO daran gehindert gewesen sei, die Frist zur Begründung der Beru-fung zu wahren, betreffe nicht die Feststellung von Tatsachen, sondern allein die rechtliche Würdigung. Diese Frage sei deshalb nicht einem Geständnis im Sinne des §
288 ZPO zugänglich, sondern unabhängig davon zu beantworten, welche Rechtsstandpunkte die [X.]en insoweit vertreten haben mögen.
bb) Dadurch wird ein anwaltliches Verschulden
des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin bei der fehlerhaften Eintragung
der Beru-fungsbegründungsfrist nicht in Frage gestellt.

(1) Einen Prozessbevollmächtigten treffen hinsichtlich der Wahrung von [X.] besondere Sorgfaltspflichten. Er hat alles ihm Zumutbare zu veranlassen, damit diese Fristen gewahrt werden. Dazu gehört vorrangig, dass er eigenverantwortlich das für den Beginn des Laufs der [X.] maßgebende Zustellungsdatum feststellt (vgl. [X.] Beschluss vom 22.
Novem-ber 1990

I
ZB
13/90

NJW-RR 1991, 828). Beauftragt eine [X.] für die Rechtsmittelinstanz einen anderen Anwalt, dann hat der Rechtsmittelanwalt in eigener Verantwortung durch geeignete und verlässliche Erkundigungen zu [X.], ob und wann ein Urteil der Vorinstanz zugestellt worden ist ([X.] Be-schluss vom 8.
Februar 1996

VII
ZB
21/95

NJW 1996, 1477).
(2) Diese Sorgfaltspflichten wurden von dem zweitinstanzlichen [X.] der Klägerin schuldhaft verletzt.
Denn dieser durfte sich schon deshalb nicht auf den auf dem erstinstanzlichen Urteil aufgebrachten Eingangs-stempel
verlassen,
weil dieser von Mitarbeitern der Klägerin selbst stammt. [X.] davon muss ein
Rechtsmittelanwalt stets eigenverantwortlich überprü-fen, wann das Urteil dem erstinstanzlich tätigen Rechtsanwalt tatsächlich zuge-21
22
23
-
11
-
stellt worden ist (vgl. [X.]/[X.] ZPO 31.
Aufl. §
233 Rn.
23; [X.]/Gehrlein/[X.] ZPO 7.
Aufl. §
233 Rn.
49; vgl. auch [X.] Beschluss vom 22.
November
1990

I
ZB
13/90

NJW-RR 1991, 828, 829).
cc) Das anwaltliche Verschulden bei der Ermittlung des [X.] war für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auch
ursächlich.
(1) Zwar schließt
ein früheres Verschulden einer [X.] oder ihres Pro-zessbevollmächtigten die Wiedereinsetzung dann nicht aus, wenn seine rechtli-che Erheblichkeit durch ein späteres, der [X.] oder ihrem Vertreter nicht zuzu-rechnendes Ereignis entfällt (sog. überholende Kausalität, vgl. Senatsbeschluss vom 18.
Juli 2007

XII
ZB
32/07

FamRZ 2007, 1722 Rn.
11). Nach §§
233, 85 Abs.
2 ZPO darf ihr Wiedereinsetzung jedoch nur gewährt werden, wenn ihren
Prozessbevollmächtigten kein auch nur mitursächliches Verschulden an der Fristversäumung trifft
([X.] Beschlüsse
vom 11.
Mai 2011

IV
ZB
2/11

AnwBl
2011, 865 Rn.
7
und vom 18.
April 2000

XI
ZB
1/00

NJW 2000, 2511, 2512). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist dies
hier nicht der
Fall.
(2) Das Berufungsgericht hat zu
Recht angenommen, dass die [X.], Fristverlängerungsanträge stets vorab per Telefax an das Gericht zu übermitteln, die Ursächlichkeit des Verschuldens des zweitin-stanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin
für die Versäumung der [X.]sbegründungsfrist nicht ausschließt.
Da der
Rechtsanwalt
den Fristver-längerungsantrag erst am Montag, dem
27.
Oktober 2014,
und damit am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist diktiert hatte und der Schriftsatz von der [X.] auch erst an diesem Tag gefertigt wurde, hätte die Beru-fungsbegründungsfrist nur gewahrt werden können, wenn
der Antrag noch an diesem Tag an das Berufungsgericht per Telefax übermittelt worden wäre. [X.] war die Mitarbeiterin des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der 24
25
26
-
12
-
Klägerin
jedoch nach der in der Kanzlei geltenden Weisung, auf die sich die Klägerin beruft,
nicht verpflichtet. Nach dem Vortrag der Klägerin in der [X.] besagte die Weisung nur, dass
Fristverlängerungsanträge stets vorab per Telefax an das zuständige Gericht zu senden
sind. Sie umfasste
jedoch nicht die Verpflichtung, entsprechende [X.] stets noch am Tage ihrer Erstellung
zu versenden. Der Anweisung, auf
die sich die Klägerin stützt,
hätte die Kanzleiangestellte folglich auch dann noch genügt, wenn sie den [X.] erst am darauffolgenden Tag per Telefax an das Berufungsgericht gesandt hätte, weil nach der fehlerhaft im [X.] eingetragenen
Frist an diesem Tag die Berufungsbegründungs-frist noch hätte gewahrt werden können. Die Anweisung, [X.] stets vorab per Fax an das zuständige Gericht zu übermitteln, war daher weder dazu bestimmt noch dazu geeignet, die Folgen einer von dem [X.] verschuldeten fehlerhaften Eintragung einer Rechtsmittelfrist zu verhindern.
-
13
-
Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beruht somit
zumindest nicht ausschließlich auf einem
Fehlverhalten der [X.], das sich die Klägerin nicht zurechnen lassen müsste. Die von dem [X.] der Klägerin zu verantwortende fehlerhafte Eintragung des Zustellungs-datums der angegriffenen Entscheidung war für die Versäumung der Beru-fungsbegründungsfrist jedenfalls
mitursächlich.
Dies schließt eine Wiederein-setzung in den vorigen Stand aus
(vgl. [X.] Beschluss vom 12.
November 2013

XII
ZB
11/12
amRZ 2014, 295 Rn.
21 mwN).

Dose

Schilling

Günter

Botur

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 22.08.2014 -
40 O
93/13 -

O[X.], Entscheidung vom 18.11.2014 -
I-10 [X.] -

27

Meta

XII ZB 684/14

27.01.2016

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.01.2016, Az. XII ZB 684/14 (REWIS RS 2016, 17043)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 17043

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

II R 6/17

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XII ZB 684/14

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