Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2016, Az. IX ZB 21/15

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 10245

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:090616BIXZB21.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 21/15
vom

9. Juni 2016

in dem Insolvenzverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 57 Satz 4, § 59 Abs. 2 Satz 2
Ein wirksamer Beschluss der Gläubigerversammlung, einen Sonderinsolvenzverwal-ter zu bestellen, liegt nur vor, wenn er in einer vom Insolvenzgericht einberufenen und geleiteten Gläubigerversammlung getroffen wurde (§ 76 Abs. 1 [X.]) und der Beschlussgegenstand als Tagesordnungspunkt öffentlich bekannt gemacht worden ist (§ 74 Abs. 2 Satz 1 [X.]).
[X.], Beschluss vom 9. Juni 2016 -
IX ZB 21/15 -
LG [X.]

[X.]

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2

-

Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], die Richter
Prof. Dr. Gehrlein, [X.], die Richterin [X.] und den Richter Dr. Schoppmeyer

am 9. Juni 2016
beschlossen:

Die Rechtsbeschwerden gegen den Beschluss der 19. Zivilkam-mer des [X.] vom 16. März 2015 werden auf Kosten der Beschwerdeführer verworfen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf

festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Ludwigsburg -
Insolvenzgericht
-
eröffnete mit [X.] vom 16.
Februar 2006 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den
weiteren
Beteiligten zu 3 zum Insolvenzverwalter. Die Schuldnerin warf dem Insolvenzverwalter vor, er handele [X.] und unterlasse es, Gläubigerinteressen zu vertreten. Sie machte geltend, der Insolvenzverwalter habe Grundstücke unter Wert veräußert und Erlöse nicht ordnungsgemäß verteilt. Deshalb beantragte die anwaltlich vertretene [X.]
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3

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nerin beim Insolvenzgericht, einen Sonderinsolvenzverwalter hinsichtlich des nach ihrer Ansicht hervorgerufenen Gesamtschadens (§
92 [X.]) zu bestellen.

Das Insolvenzgericht gab dem Insolvenzverwalter Gelegenheit zur Stel-lungnahme und bestimmte daraufhin Termin für eine Gläubigerversammlung; einziger Tagesordnungspunkt war die "Anhörung der Gläubigerversammlung zur Entscheidung über die Anregung des Schuldnervertreters [...], einen [X.] zu bestellen". Der Beschluss wurde öffentlich bekannt gemacht. In der am 22.
September 2014 durchgeführten [X.] hielt die Schuldnerin daran fest, einen Sonderinsolvenzverwalter zu [X.]. Zwei anwesende Gläubiger, die weiteren
Beteiligten zu 1 und 2, sprachen sich für die Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters aus.

Mit Beschluss vom 15.
Oktober 2014 hat das Insolvenzgericht entschie-den, keinen Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen. Hiergegen haben die Schuldnerin sowie
die
weiteren
Beteiligten zu 1 und 2 Erinnerung eingelegt. Das Insolvenzgericht hat die Erinnerungen zurückgewiesen. Daraufhin haben die Schuldnerin und die weiteren Beteiligten zu 1 und 2 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Insolvenzgericht hat die sofortigen Beschwerden als unzulässig angesehen und ihnen nicht abgeholfen; das [X.] hat sie als unzulässig verworfen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit ihren Rechtsbeschwer-den verfolgen die Schuldnerin und die
weiteren
Beteiligten zu 1 und 2 ihr Be-gehren weiter, einen Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen.

II.

Die Rechtsbeschwerden sind unstatthaft.
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4

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1.
Die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin ist unzulässig, weil das Be-schwerdegericht die Rechtsbeschwerde nur beschränkt für die Gläubiger [X.] hat. Eine solche Beschränkung kann sich auch aus den [X.] ergeben. Allerdings muss sich in diesem Fall die Beschränkung den Entscheidungsgründen eindeutig entnehmen lassen. Das ist anzunehmen, wenn die Rechtsfrage, zu deren Klärung das Beschwerdegericht die Rechtsbe-schwerde zugelassen hat, bei mehreren Streitgegenständen nur für einen von ihnen erheblich ist, weil dann in der Angabe dieses Zulassungsgrundes regel-mäßig die eindeutige Beschränkung der Zulassung auf diesen Gegenstand zu sehen ist ([X.], Beschluss vom 12.
April 2011 -
II ZB 14/10, NJW 2011, 2371 Rn. 5 mwN). So liegt der Fall hier.

Soweit die Schuldnerin gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts, keinen Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen, Beschwerde eingelegt hatte, hat das Beschwerdegericht die Beschwerde der Schuldnerin als unstatthaft ange-sehen. Es hat seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass dem Schuldner inso-weit kein Beschwerderecht zusteht ([X.], Beschluss vom 2.
März 2006 -
IX ZB 225/04, [X.], 474 Rn.
12; vom 18.
Juni 2009 -
IX [X.] 13/09, [X.], 517 Rn. 3). Es ist dabei -
zutreffend
-
davon ausgegangen, dass diese Frage geklärt ist. Das Beschwerdegericht hat -
worauf die Rechtsbeschwerdeerwiderung zu-treffend hinweist
-
die Rechtsbeschwerde sodann nur zugelassen, weil es die Frage für klärungsbedürftig hält, ob ein durch einen Beschluss der Gläubiger-versammlung unterstützter Insolvenzgläubiger beschwerdebefugt ist, wenn das Insolvenzgericht die Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters ablehnt. [X.] liegt eine -
wirksame
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Beschränkung der Zulassung auf die [X.].

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5

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2.
Die Rechtsbeschwerden der weiteren Beteiligten zu 1 und 2 sind ebenfalls unstatthaft. Auf die vom Beschwerdegericht aufgeworfene Frage, ob ein Insolvenzgläubiger beschwerdebefugt ist, wenn die Gläubigerversammlung beschlossen hat,
dass
ein Sonderinsolvenzverwalter bestellt werden soll, kommt es im Streitfall nicht an.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] ist eine Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn bereits die sofortige Beschwerde statt-haft war. War die Ausgangsentscheidung unanfechtbar, fehlt es auch an einer Grundlage für das Rechtsbeschwerdeverfahren; ein gültiges und rechtswirksa-mes Verfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht ist nur möglich, solange das Verfahren nicht rechtswirksam beendet ist. Die Zulassung der Rechtsbe-schwerde durch das Beschwerdegericht nach §
574 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 ZPO ändert hieran nichts ([X.], Beschluss vom 25.
Juni 2009 -
IX ZB 161/08, [X.], 553 Rn. 5; vom 7.
Februar 2013 -
IX
ZB 43/12, [X.], 518 Rn. 7, [X.] mwN).

b) So liegt der Fall hier. Die Entscheidungen des [X.] nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen die [X.] dies ausdrücklich vorschreibt (§
6 Abs.
1 Satz
1
[X.]). Die [X.] sieht weder ein Recht eines einzelnen Insolvenzgläubigers vor, die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters zu beantragen
([X.], Beschluss vom 20.
September 2007 -
IX ZB 239/06, [X.]; vom 16.
Dezember 2010 -
IX ZB 238/09, Z[X.] 2011, 131 Rn. 7), noch enthält sie ausdrückliche Bestimmungen über ein Beschwerderecht gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts, kei-nen Sonderinsolvenzverwalter einzusetzen.
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aa) Lehnt das Insolvenzgericht es ab, einen Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen, steht dem einzelnen Insolvenzgläubiger gegen diese Entscheidung daher kein Beschwerderecht zu. Dies ist in der Rechtsprechung geklärt ([X.], Beschluss vom 20.
September 2007 -
IX ZB 239/06, [X.]; vom 5.
Februar 2009
-
IX ZB 187/08, [X.], 529
Rn. 2 ff, insb. 7 ff; vom 30.
September 2010
-
IX ZB 280/09, [X.], 940 Rn. 5). Auch das Beschwerdegericht geht [X.] aus. Noch nicht entschieden ist, ob ein einzelner Gläubiger
aufgrund eines
von der Gläubigerversammlung abgeleiteten Beschwerderechts in entspre-chender Anwendung von §
57 Satz 4, §
59 Abs. 2 Satz 2 [X.] beschwerdebe-fugt ist (vgl. [X.], Beschluss vom 2.
März 2006 -
IX ZB 225/04, [X.], 474 Rn. 12; vom 5.
Februar 2009 aaO Rn.
7, 9; vom 30.
September 2010 aaO). Dies kann auch weiterhin
dahinstehen. In jedem Fall setzt ein solches Be-schwerderecht eines einzelnen Gläubigers
voraus, dass ein Beschluss der Gläubigerversammlung vorliegt, einen Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen. §
57 Satz 4, §
59 Abs. 2 Satz 2 [X.] dienen nur dazu, eine Entscheidung der Gläubigergesamtheit durchzusetzen, nicht jedoch dazu, das Recht eines [X.] Gläubigers zu verwirklichen ([X.], Beschluss vom 5.
Februar 2009 aaO Rn.
9; vom 30.
September 2010 aaO).

Im Streitfall fehlt es bereits an einem wirksamen Beschluss der [X.]. Zwar hat das Beschwerdegericht nicht geprüft, ob ein solcher Beschluss getroffen worden ist. Wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung zutref-fend aufzeigt, gibt es jedoch offensichtlich keinen
entsprechenden Beschluss der Gläubigerversammlung. Die entsprechenden Feststellungen kann der Senat selbst treffen, nachdem die maßgeblichen Tatsachen sich aus den Akten des Insolvenzverfahrens ergeben und es ausgeschlossen ist, dass weitere [X.] erforderlich sein werden. Eine aus §
57 Satz 4, §
59 Abs.
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Satz 2 [X.] abgeleitete Beschwerdebefugnis eines einzelnen Gläubigers [X.] allenfalls dann, wenn die Gläubigerversammlung einen förmlichen [X.] getroffen hat, einen Sonderinsolvenzverwalter einzusetzen. Dies setzt zum einen eine vom Insolvenzgericht einberufene und geleitete Gläubigerver-sammlung voraus (§
76 Abs.
1 [X.]); zum anderen muss insbesondere die Ta-gesordnung öffentlich bekannt gemacht worden sein (§
74 Abs.
2 Satz 1 [X.]). Zu einer ordnungsgemäßen Bekanntmachung der Tagesordnung gehört eine wenigstens schlagwortartige Bezeichnung der Tagesordnungspunkte ([X.], Beschluss vom 20.
März 2008 -
IX ZB 104/07, [X.], 1030 Rn. 3; vom 21.
Juli 2011 -
IX ZB 128/10, [X.], 1626 Rn. 7). Trifft die Gläubigerver-sammlung einen Beschluss über einen Gegenstand, der bei der öffentlichen Bekanntmachung nicht als Tagesordnungspunkt aufgeführt worden ist, ist die-ser Beschluss der Gläubigerversammlung regelmäßig nichtig ([X.], Beschluss vom 21. Juli 2011
aaO).

Im Streitfall gibt es weder eine Bekanntmachung, dass die Gläubigerver-sammlung vom 22.
September 2014 über die Bestellung eines [X.] zu entscheiden haben sollte, noch hat die am 22.
September 2014 abgehaltene Gläubigerversammlung förmlich beschlossen, dass ein [X.] zu bestellen ist. Das Insolvenzgericht hat eine Gläubiger-versammlung mit dem einzigen Tagesordnungspunkt "Anhörung der Gläubiger-versammlung zur Entscheidung über die Anregung des Schuldnervertreters [...], einen Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen"
anberaumt; diese Anordnung ist öffentlich bekannt gemacht worden. Damit diente die Gläubigerversammlung lediglich der Meinungsfindung und Tatsachenaufklärung und eröffnete den [X.] rechtliches Gehör; eine Entscheidung der Gläubigerver-sammlung über die Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters war nach die-ser Tagesordnung nicht vorgesehen. Es war zulässig, die Tagesordnung der 12
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einberufenen Gläubigerversammlung in dieser Weise zu beschränken, weil kein gesetzlich zwingender Grund zur Einberufung einer Gläubigerversammlung [X.]. Insbesondere lag kein Antrag gemäß §
75 Abs.
1 [X.] vor. Vielmehr hat das Insolvenzgericht von seinem Ermessen Gebrauch gemacht, eine [X.] einzuberufen.

Das Insolvenzgericht hat die Gläubigerversammlung auch entsprechend der Tagesordnung durchgeführt. Das Insolvenzgericht
hat
ausweislich des [X.] während der Sitzung darauf hingewiesen, dass die Gläubigerversammlung dazu diene, die
Gläubiger anzuhören und ein Meinungsbild zu erhalten, eine Entscheidung über die Bestellung eines Insol-venzverwalters jedoch im [X.] durch das Gericht erfolgen solle. Eine förmliche Beschlussfassung ist ausweislich des Protokolls nicht erfolgt. Das Insolvenzgericht hat lediglich im Rahmen der Anhörung der Beteiligten die Äu-ßerungen der Schuldnerin und der weiteren Beteiligten zu 1 und 2 protokolliert, sie blieben bei der Anregung auf Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters beziehungsweise sprächen sich für die Bestellung eines [X.] aus. Unter den Umständen des Streitfalls stellt dies weder einen [X.] der Gläubigerversammlung dar noch können diese Äußerungen einen Beschluss der Gläubigerversammlung ersetzen. Auf die von der Rechtsbe-schwerde erörterten Fragen, welche der Beteiligten auf der [X.] stimmberechtigt und welche weiteren Insolvenzgläubiger teilnahmeberech-tigt waren, kommt es daher nicht an.

[X.]) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde
ergibt sich schließlich
nicht deshalb ein Beschwerderecht der weiteren Beteiligten zu 1 und 2, weil -
wie die Rechtsbeschwerde meint
-
ihre Äußerungen in der [X.] als Antrag auf teilweise oder vollständige Entlassung des Insolvenzverwal-13
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ters zu verstehen seien. Darauf kommt es schon deshalb nicht an, weil weder die Beteiligten einen solchen Antrag gestellt haben noch eine Gläubigerver-sammlung zu dieser Frage einberufen worden ist.

Kayser
Gehrlein
[X.]

[X.]
Schoppmeyer

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 21.01.2015 -
2 IN 288/05 -

LG [X.], Entscheidung vom 16.03.2015 -
19 [X.]/15 -

Meta

IX ZB 21/15

09.06.2016

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2016, Az. IX ZB 21/15 (REWIS RS 2016, 10245)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 10245

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZB 21/15

II ZB 14/10

IX ZB 238/09

IX ZB 280/09

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