Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13.05.2013, Az. VIII B 162/11

8. Senat | REWIS RS 2013, 5977

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Gegenstand

Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht eines Rechtsanwalts


Leitsatz

NV: Die Ausschöpfung des Gesamtergebnisses des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) erfordert es, bei der Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht eines Rechtsanwalts, der bisher Verluste erzielt hat, die dem FG zur Kenntnis gebrachten in den Folgejahren erzielten Gewinne in die Betrachtung einzubeziehen.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) werden als Eheleute zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in beträchtlicher Höhe, außerdem ist er als Rechtsanwalt tätig.

2

Für die Jahre 1983 bis 1994 ergaben sich aus der [X.] des [X.] Verluste von insgesamt 24.168 €. In einem vorangegangenen Klageverfahren wegen Einkommensteuer 1991 bis 1994 beurteilte das [X.] ([X.]) die Tätigkeit des [X.] insoweit als Liebhaberei und ließ die Verluste unberücksichtigt. Das Urteil ist rechtskräftig, nachdem der [X.] ([X.]) die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger als unbegründet zurückgewiesen hat und die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen worden ist.

3

In den Streitjahren des vorliegenden Verfahrens ergaben sich für 1995 bis 2001 weiterhin Verluste aus der [X.] von insgesamt 19.654 €. Für die Streitjahre 2002 und 2003 ergaben sich ebenfalls negative Einkünfte, im Streitjahr 2004 erzielte der Kläger erstmals einen Gewinn von 18.386 €.

4

Im Klageverfahren wies der Kläger unter Vorlage der entsprechenden Einkommensteuerbescheide erfolglos darauf hin, dass er in den Folgejahren 2005 bis 2008 so hohe Gewinne aus der [X.] erzielt habe, dass sich insgesamt ein positives Ergebnis aus dieser Tätigkeit ergeben habe.

5

Das [X.] ließ die für die Streitjahre per Saldo aufgelaufenen Verluste aus der [X.] unter dem Gesichtspunkt der Liebhaberei unberücksichtigt und wies die Klage ab. Es hielt auch die vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --[X.]--) erlassenen Gewerbesteuermessbescheide für rechtmäßig, mit denen das [X.] einen Teil der als freiberuflich erklärten Einkünfte des [X.] als Einkünfte aus Gewerbebetrieb beurteilt hatte.

6

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügen die Kläger Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der [X.]sordnung ([X.]O).

Entscheidungsgründe

7

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist hinsichtlich der Einkommensteuer 1995 bis 2004 begründet und führt insoweit zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] (§ 116 Abs. 6 [X.]O). Hinsichtlich der [X.] und 2004 ist die Nichtzulassungsbeschwerde hingegen unbegründet.

8

1. Hinsichtlich der Einkommensteuer 1995 bis 2004 verstößt die Vorentscheidung gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O. Das [X.] hat seine Überzeugung nicht auf das Gesamtergebnis des Verfahrens gestützt.

9

Wie das [X.] zutreffend anhand der in der Vorentscheidung nachgewiesenen Rechtsprechung des [X.] ausgeführt hat, erfordert die Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht eine in die Zukunft gerichtete und langfristige Beurteilung. Verluste können nur dann steuerrechtlich nicht anerkannt werden, wenn aufgrund der bekannten Entwicklung des Betriebs eindeutig feststeht, dass der Betrieb von vornherein nicht in der Lage war, nachhaltig Gewinne zu erzielen.

Die Ausschöpfung des Gesamtergebnisses des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O) hätte es erfordert, auch die dem [X.] zur Kenntnis gebrachten Gewinne des [X.] in den Folgejahren in die Betrachtung einzubeziehen. Es ist kein sachlicher Gesichtspunkt erkennbar, der es rechtfertigt, die gebotene Totalprognose am Ende des [X.] enden zu lassen, der von der Finanzverwaltung nach Zweckmäßigkeit bestimmt wird und im vorliegenden Zusammenhang eher zufälligen Charakter hat.

Die Vorentscheidung ist danach hinsichtlich der Einkommensteuer 1995 bis 2004 aufzuheben. Das Verfahren ist insoweit an das [X.] zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 [X.]O), damit es die Einkünfteerzielungsabsicht des [X.] in vollem Umfang neu überprüfen kann.

2. Hinsichtlich der [X.] und 2004 ist die Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet. Ein Verfahrensfehler des [X.] ist insoweit nicht erkennbar.

Das [X.] hat nicht das rechtliche Gehör der Kläger verletzt. Schon in der Einspruchsentscheidung war im Einzelnen dargelegt, weshalb das [X.] die von der [X.] gezahlten Provisionen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb und nicht als Honorare für rechtsanwaltliche Beratung beurteilt hat. Dieser Streitpunkt hatte daher für die Kläger keinen überraschenden Charakter. Der als Rechtsanwalt sachkundige Kläger konnte damit rechnen, dass das [X.] insoweit der Auffassung des [X.] folgen würde. Das [X.] war nicht verpflichtet, vorab auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen.

Im Übrigen lässt das Vorbringen auch nicht erkennen, was genau die Kläger zu diesem Punkt noch hätten vortragen wollen und inwieweit dies entscheidungserheblich gewesen wäre. Das Vorbringen, es "hätte klägerseitig die Einschlägigkeit der Urteile hinsichtlich des Vorliegens von Einkünften aus selbständiger Tätigkeit auch hinsichtlich der Zahlungen der … nachgewiesen werden können, d.h. die Nichtgewerblichkeit der gesamten Leistung oder ggf. auch von Teilbeträgen hätte festgestellt werden können", ist unsubstantiiert.

Meta

VIII B 162/11

13.05.2013

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 26. September 2011, Az: 15 K 4697/08 E,G,U, Urteil

§ 18 EStG 1990, § 96 Abs 1 S 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 18 EStG 1997, § 18 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13.05.2013, Az. VIII B 162/11 (REWIS RS 2013, 5977)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5977

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