Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.04.2021, Az. III R 36/20

3. Senat | REWIS RS 2021, 6985

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Gegenstand

Rückforderung von zu Unrecht gezahltem Kindergeld bei grenzüberschreitenden Sachverhalten


Leitsatz

1. Für die Frage, ob Kindergeld behalten werden darf oder zurückzuzahlen ist, kommt es auf das Vorliegen von Kindergeldfestsetzungs- oder Aufhebungsbescheiden an und nicht auf den abstrakten materiell-rechtlichen Kindergeldanspruch.

2. Bei der Rückforderung von zu Unrecht gezahltem Kindergeld ergibt sich bei länderübergreifenden Sachverhalten keine Anspruchskonkurrenz des Anspruchs nach den europarechtlichen Regelungen der VO Nr. 883/2004 und VO Nr. 987/2009 mit dem Rückforderungsanspruch nach den nationalen Vorschriften.

3. Ein etwaiger Erstattungsanspruch des deutschen Leistungsträgers gegen einen ausländischen Leistungsträger nach den europarechtlichen Bestimmungen ist kein auf steuerrechtlichen Gründen beruhender öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO. Ein Ausgleichsanspruch zwischen den Mitgliedstaaten nach der VO Nr. 987/2009 berührt daher nicht den Rückforderungsanspruch der Familienkasse gegen den Kindergeldberechtigten.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 26.05.2020 - 6 K 263/18 aufgehoben, soweit der Klage gegen den Rückforderungsbescheid vom 03.07.2018 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 12.09.2018 stattgegeben wurde.

Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.

Unter Aufhebung der Kostenentscheidung des Finanzgerichts werden die Kosten des gesamten Verfahrens der Klägerin auferlegt.

Tatbestand

I.

1

Im Revisionsverfahren ist noch streitig, ob zu Unrecht gezahltes Kindergeld von der Klägerin und [X.] (Klägerin) zurückgefordert werden kann.

2

Die Klägerin hat ihren Wohnsitz im Inland. Sie ist [X.] Staatsangehörige und Mutter der in ihrem Haushalt lebenden Kinder L (geboren 2006) und [X.] (geboren 2012). Sie hat das alleinige Sorgerecht für die Kinder. Der von der Klägerin geschiedene Kindesvater lebt in [X.] und übt dort seit Januar 2017 eine Erwerbstätigkeit aus. Die Klägerin ist nicht erwerbstätig und bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes.

3

Die [X.]eklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) zahlte für die Kinder zunächst laufend Kindergeld. Nach Kenntniserlangung von der Erwerbstätigkeit des Kindesvaters hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Januar bis Juli 2017 mit [X.]escheid vom 03.07.2018 teilweise auf. Sie führte aus, [X.] Kindergeld sei gegenüber den [X.]n Leistungen nachrangig, für den genannten Zeitraum bestehe nur noch ein Anspruch in Höhe des Unterschiedsbetrages. Zugleich forderte sie den bereits überzahlten [X.]etrag in Höhe von insgesamt 1.529,92 € von der Klägerin zurück.

4

Den dagegen eingelegten Einspruch wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 12.09.2018 zurück und hielt daran fest, dass der für die Kinder in [X.] bestehende Anspruch vorrangig sei.

5

Im anschließenden Klageverfahren trug die Familienkasse vor, der [X.] Träger habe mitgeteilt, dass der in [X.] lebende und arbeitende Kindesvater dort mangels Sorgerechts keinen Anspruch auf Familienleistungen habe. Dabei habe der [X.] Träger aber die Regelung des Art. 60 der Verordnung ([X.]) Nr. 987/2009 des [X.] und des Rates vom 16.09.2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung ([X.]) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ([X.] --A[X.]lEU-- 2009 Nr. L 284, S. 1) in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung (VO Nr. 987/2009 --Durchführungsverordnung--) außer [X.] gelassen. Dies bedeute für den Streitfall, dass [X.] aufgrund der Erwerbstätigkeit des Kindesvaters vorrangig zuständig sei. Mangels Sorgerechts folge daraus zwar kein Anspruch des Kindesvaters, die in der [X.]undesrepublik Deutschland lebende Kindesmutter müsse in [X.] jedoch so behandelt werden, als ob sie dort leben und den [X.]n Rechtsvorschriften unterliegen würde. Daher seien die [X.]n Familienleistungen zu Recht angerechnet und der überzahlte [X.]etrag sei zutreffend zurückgefordert worden. Den [X.] Verordnungen sei auch nicht zu entnehmen, dass die Familienkasse verpflichtet wäre, das zu erstattende Kindergeld vom [X.]n Träger einzufordern. Unabhängig davon habe sie erfolglos versucht, eine Erstattung von [X.]r Seite zu erlangen. Nach mehrmaliger Erinnerung, zuletzt mit Schreiben vom 13.06.2019, habe der [X.] Träger der Familienkasse lediglich eine [X.]escheinigung übersandt, wonach [X.] keine Familienleistungen für die Zeit von Januar bis Juli 2017 gewähre. Daraufhin habe die Familienkasse den [X.]n Träger erneut um Erstattung ersucht und ausdrücklich auf einen Anspruch der Kindesmutter hingewiesen.

6

Die Klage hatte Erfolg, soweit sie sich gegen die Rückforderung richtete.

7

Nach Ansicht des Finanzgerichts ([X.]) wurde die Kindergeldfestsetzung für den Streitzeitraum in Höhe des in [X.] bestehenden Anspruchs der Klägerin auf Familienleistungen zu Recht aufgehoben. Insoweit wies das [X.] die Klage ab. Das [X.] hob jedoch den Rückforderungsbescheid mit der [X.]egründung auf, die Familienkasse könne von der Klägerin den überzahlten [X.]etrag nicht nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung ([X.]) zurückfordern, da sie aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null nur den anderen Schuldner, den [X.]n Träger, auf Rückzahlung in Anspruch nehmen dürfe.

8

Mit der allein von der Familienkasse eingelegten Revision wird die Verletzung von [X.]undesrecht gerügt.

9

Die Familienkasse beantragt,
das Urteil des Niedersächsischen [X.] vom 26.05.2020 - 6 K 263/18 aufzuheben, soweit die Rückforderung des Kindergeldes durch die Familienkasse von der Klägerin durch das [X.] aufgehoben wurde und die Klage auch insoweit abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage auch insoweit, als die Klägerin die Aufhebung des Rückforderungsbescheids begehrt (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Entgegen der Auffassung des [X.] war die Klägerin verpflichtet, das bestandskräftig aufgehobene und gezahlte Kindergeld in Höhe von 1.529,92 € zurückzuzahlen.

1. Der Rückzahlungsanspruch der Familienkasse ergibt sich aus § 37 Abs. [X.].

Ist eine Steuervergütung wie das Kindergeld (§ 31 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes) ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, nach § 37 Abs. [X.] gegenüber dem Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrages. Diese Rechtsfolge tritt auch ein, [X.]n der rechtliche Grund für die Zahlung später wegfällt (§ 37 Abs. 2 Satz [X.]).

a) Im Streitfall ist das Kindergeld für den Streitzeitraum in Höhe von 1.529,92 € ohne Rechtsgrund gezahlt worden. Das [X.] hat die Klage, soweit sie sich gegen die am 03.07.2018 erfolgte teilweise Aufhebung des Kindergeldes für den Zeitraum Januar bis Juli 2017 richtete, abgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin keine Revision eingelegt. Durch die bestandskräftige (teilweise) Aufhebung des Kindergeldfestsetzungsbescheids in genannter Höhe ist der rechtliche Grund für die Zahlung weggefallen (§ 37 Abs. 2 Satz [X.]). Ob die Anrechnung der [X.] Familienleistungen zu Recht erfolgt ist, obwohl der [X.] Leistungsträger --möglicherweise zu [X.] einen Anspruch auf [X.] Familienleistungen verneint hat, kann aufgrund der Bestandskraft des Bescheids vom 03.07.2018, soweit er die teilweise Änderung der Festsetzung betraf, im vorliegenden Verfahren nicht mehr geprüft werden. Wird ein Bescheid über die Bewilligung von Kindergeld aufgehoben, steht mit Ergehen dieses Aufhebungsbescheids, solange dessen Vollzugsfolgen fortbestehen, fest, dass das auf der Grundlage des [X.] gezahlte Kindergeld zu Unrecht geleistet worden ist (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 24.08.2001 - VI R 83/99, [X.], 278, [X.] 2002, 47; [X.] vom 22.01.2004 - VIII B 289/03, [X.], 759). Es ist auch geklärt, dass es für die Frage, ob Kindergeld behalten werden darf oder zurückzuzahlen ist, auf das Vorliegen von Kindergeldfestsetzungs- oder Aufhebungsbescheiden --mithin auf die formelle [X.] ankommt und nicht auf den abstrakten materiell-rechtlichen Kindergeldanspruch (vgl. Senatsurteil vom 15.07.2010 - III R 32/08, [X.], 2237).

b) Die Klägerin ist Leistungsempfängerin des zu Unrecht gezahlten Kindergeldes. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist Leistungsempfänger i.S. des § 37 Abs. [X.] derjenige, demgegenüber die Finanzbehörde oder Familienkasse ihre --vermeintlich oder tatsächlich [X.] abgabenrechtliche Verpflichtung erfüllen will ([X.]-Urteile vom 23.10.2012 - VII R 63/11, [X.]/NV 2013, 689, und vom 18.09.2012 - VII R 53/11, [X.]E 239, 292, [X.] 2013, 710, Rz 13, m.w.N.).

c) § 37 Abs. 2 Satz 1 [X.] räumt der Behörde auch keinen Ermessensspielraum ein. Da es sich bei dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch um einen Anspruch aus dem [X.] handelt, richtet sich seine Entstehung nach § 38 [X.] ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 37 [X.] Rz 27, m.w.N.). Hiernach entsteht der Anspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Die Familienkasse war daher nicht gehalten, bei der Entscheidung über den Erlass des angegriffenen Bescheids zu prüfen, ob die Rückforderung ermessenskonform war.

d) Der [X.] Leistungsträger war im Streitfall wegen dieses gegen die Klägerin gerichteten Rückforderungsanspruch auch nicht Gesamtschuldner (§ 44 [X.]) mit der Folge, dass bei der Inanspruchnahme eines Gesamtschuldners es grundsätzlich in das Ermessen der Behörde nach § 44 Abs. 1 Satz 1 [X.] gestellt ist, an [X.] sie sich [X.]det (vgl. [X.]-Urteile vom 18.03.1987 - II R 35/86, [X.]E 149, 267, [X.] 1987, 419; vom 08.08.1991 - V R 19/88, [X.]E 165, 307, [X.] 1991, 939; [X.] vom 11.07.2001 - VII R 28/99, [X.]E 195, 510, [X.] 2002, 267). Gemäß § 44 Abs. 1 [X.] sind Personen, die nebeneinander dieselbe Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis schulden oder für sie haften, Gesamtschuldner. Für den hier vorliegenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch ist der [X.] Leistungsträger nicht Rückforderungsschuldner.

Hieran ändert auch das Unionsrecht nichts (Verordnung ([X.]) Nr. 883/2004 des [X.] und des [X.] in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung --[X.] Nr. 883/2004-- (Grundverordnung), [X.] 2004 Nr. L 166, S. 1, und der [X.]). Ein etwaiger Erstattungsanspruch (vgl. Art. 6 Abs. 4, Abs. 5, Art. 60 Abs. 5 der [X.]) des [X.] Leistungsträgers gegen den [X.] Leistungsträger ist kein auf steuerrechtlichen Gründen beruhender Erstattungsanspruch i.S. des § 37 Abs. [X.], sondern ein zwischen den Mitgliedstaaten aufgrund einer internationalen Vereinbarung (möglicherweise) bestehender verfahrensrechtlicher Ausgleichsanspruch. Auch [X.]n sich dieser gegen den vorrangig zuständigen Mitgliedstaat auf Erstattung einer des nachrangig zuständigen Mitgliedstaats gezahlten Familienleistung richtet, kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der in § 37 Abs. [X.] geregelte Anspruch auf der Umkehrung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis i.S. des § 37 Abs. 1 [X.] beruht (vgl. [X.]-Urteil vom 12.11.2013 - VII R 15/13, [X.]E 243, 309, [X.] 2014, 359). An diesem Rechtsverhältnis ist der [X.] Leistungsträger nicht beteiligt.

e) Entgegen der Ansicht des [X.] steht der Familienkasse für das [X.] gezahlte Kindergeld in Höhe des vermeintlich bestehenden Anspruchs auf [X.] Familienleistungen daher auch kein weiterer (Haftungs-)Schuldner zur Verfügung, der eine ermessensgerechte Auswahlentscheidung unter den Schuldnern nach sich ziehen könnte.

Gemäß Art. 60 Abs. 5 der [X.] Nr. 987/2009 kann zwar der Träger, der eine vorläufige Leistungszahlung vorgenommen hat, die höher ist als der letztlich zu seinen Lasten gehende Betrag, den zu viel gezahlten Betrag nach dem Verfahren des Art. 73 der Durchführungsverordnung vom vorrangig zuständigen Träger zurückfordern. Dieses Verfahren soll auch vermeiden, dass bei einer nachträglichen Feststellung der rückwirkend geltenden vorrangigen An[X.]dbarkeit der Rechtsvorschriften des anderen Mitgliedstaats, die Kindergeldfestsetzung --soweit ein Anspruch auf ausländische Familienleistungen besteht und vorrangig ist-- aufgehoben wird, [X.]n feststeht, dass der [X.] insgesamt keine höheren Leistungen als die ihm zustehenden inländischen und ausländischen erhalten hat. Wenn aber die Kindergeldfestsetzung bestandskräftig aufgehoben wurde, führt das in Art. 60 Abs. 5 i.V.m. Art. 73 der [X.] Nr. 987/2009 geregelte Verfahren nicht dazu, dass der ausländische Leistungsträger zum weiteren Schuldner des Erstattungsanspruchs nach § 37 Abs. [X.] wird oder für diesen haftet (vgl. § 191 [X.]). Die in Art. 6, Art. 60, Art. 73 der [X.] Nr. 987/2009 und Art. 68 der [X.] Nr. 883/2004 aufgenommenen Regelungen dienen einer engen und effektiven Zusammenarbeit zwischen den Trägern der verschiedenen Mitgliedstaaten und sind Ausfluss des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 des Vertrags über die [X.] ([X.] 2012, Nr. [X.] 326). Sie regeln u.a. das Verfahren der Mitgliedstaaten bei Meinungsverschiedenheiten, insbesondere bei der Überprüfung der in Art. 68 der [X.] Nr. 883/2004 getroffenen Koordinierungsregelungen und ermöglichen den Mitgliedstaaten auch im Interesse der Leistungsberechtigten vorläufige Entscheidungen zu treffen. Sie berühren aber nicht unmittelbar die Rechtsbeziehungen zwischen dem Leistungsempfänger, der ohne rechtlichen Grund eine Leistung erhalten hat, und dem [X.]. Die Regelungen aus der [X.] Nr. 883/2004 und aus der [X.] Nr. 987/2009 verleihen dem [X.]n weder materielle Leistungsansprüche noch begründen sie Ein[X.]dungen oder Einreden gegen die Durchsetzbarkeit öffentlich-rechtlicher Erstattungsansprüche. Der [X.] kann daher der gesetzlich vorgesehenen Erstattungspflicht für [X.] geleistetes Kindergeld nicht mit dem Einwand begegnen, der inländische Leistungsträger möge im Hinblick auf einen möglicherweise bestehenden Anspruch auf ausländische Familienleistungen die Rückzahlung von dem anderen Mitgliedstaat fordern. Es ist grundsätzlich allein Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten, die materiellen und formellen Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch bei [X.] gezahlten Familienleistungen festzulegen (Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten). Damit wird die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte des [X.]n auch nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert --Effektivitätsgrundsatz-- (vgl. [X.]-Urteil vom 09.05.2012 - I R 73/10, [X.]E 238, 1, [X.] 2013, 566, Rz 19, m.w.N.).

f) Der Rückforderung steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin möglicherweise keine Kenntnis von einem Anspruch auf ausländische Familienleistungen hatte. § 37 Abs. [X.] setzt kein Verschulden auf Seiten des Leistungsempfängers voraus. Der Rückzahlungsanspruch besteht vielmehr auch dann, [X.]n den Leistungsempfänger an der Fehlleistung kein Verschulden trifft oder [X.]n er diese nicht einmal erkannt hat (Senatsurteil vom 10.03.2016 - III R 29/15, [X.]/NV 2016, 1278, Rz 24). Der Rückforderungsanspruch ist Ausdruck eines übergeordneten und allgemein herrschenden Prinzips, dass derjenige, der vom Staat auf Kosten der Allgemeinheit etwas zu Unrecht erhalten hat, grundsätzlich verpflichtet ist, das Erhaltene zurückzuzahlen (ständige Rechtsprechung, [X.]-Urteil vom 09.07.2019 - X R 35/17, [X.]E 264, 421, [X.] 2019, 668, Rz 28; [X.] vom 22.07.2014 - VII R 38/13, [X.]/NV 2014, 1721, Rz 10, m.w.N.).

g) Einer Rückforderung steht auch nicht der Gesichtspunkt von Treu und Glauben oder der Verwirkungsgedanke entgegen (vgl. Senatsbeschluss vom 27.02.2007 - III B 1/06, [X.]/NV 2007, 1120). Zur Schaffung des erforderlichen Vertrauenstatbestandes ([X.]) müssen besondere Umstände hinzukommen, die die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs als illoyale Rechtsausübung erscheinen lassen. Dem Verhalten der Familienkasse muss die konkludente Zusage zu entnehmen sein, dass der Kindergeldempfänger mit einer Rückforderung des Kindergeldes nicht zu rechnen braucht (z.B. Senatsbeschluss vom [X.], [X.], 837, m.w.N.). Ein solches Verhalten ist vorliegend nicht erkennbar. Allein die in den [X.] Verordnungen enthaltenen Regelungen und Grundsätze über die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten reichen ohne ein besonderes Verhalten der Familienkasse nicht aus, zwischen der Klägerin und der Familienkasse ein konkretes Rechtsverhältnis als Grundlage für die An[X.]dung des Grundsatzes von Treu und Glauben zu begründen.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

III R 36/20

14.04.2021

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 26. Mai 2020, Az: 6 K 263/18, Urteil

§ 31 S 3 EStG 2009, § 37 Abs 2 AO, § 38 AO, § 44 AO, Art 68 EGV 883/2004, Art 6 EGV 987/2009, Art 60 EGV 987/2009, Art 73 EGV 987/2009, EStG VZ 2017

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.04.2021, Az. III R 36/20 (REWIS RS 2021, 6985)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 6985

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