Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.10.2023, Az. XI ZR 72/22

11. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 7357

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Prämiensparvertrag: Zeitlich begrenzter Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts der Sparkasse


Leitsatz

Bei einem Prämiensparvertrag, bei dem die Prämien auf die Sparbeiträge stufenweise bis zu einem bestimmten Sparjahr steigen, ist das Recht der Sparkasse zur ordentlichen Kündigung nach Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen auch dann (nur) bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe ausgeschlossen, wenn in der Vertragsurkunde die Sparprämie auch für Folgejahre ausdrücklich aufgeführt ist (Fortführung Senatsurteil vom 14. Mai 2019 - XI ZR 345/18, BGHZ 222, 74).

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des [X.] vom 29. März 2022 aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil der 10. Zivilkammer des [X.] vom 15. September 2020 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt der Kläger.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Feststellung des Fortbestandes eines mit der Beklagten geschlossenen Sparvertrags.

2

Die Parteien schlossen am 31. Oktober 2001 einen Sparvertrag mit variabler Verzinsung. In dem Vertragsformular "[X.] flexibel" heißt es auszugsweise wie folgt:

"1. Sparbeiträge

Der Sparer wird bis zum 1./15. jeden Monats/Kalendervierteljahres, beginnend am 01.11.2001, Sparbeiträge von 400,00 [X.] auf das oben genannte Sparkonto einzahlen.

[…]

3. Zinsen und Prämien

Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, [X.]. 2,500 %, am Ende eines Kalender-/Sparjahres eine verzinsliche [X.] gemäß der nachfolgenden Prämienstaffel auf die geleisteten Sparbeiträge des jeweils abgelaufenen Sparjahres, […]

Die [X.] beträgt nach

                     

6 J     

8,000%    

10 J   

25,000%   

14 J   

45,000%   

18 J   

50,000%

3 J     

3,000%

7 J     

10,000%

11 J   

30,000%

15 J   

50,000%

19 J   

50,000%

4 J     

4,000%

8 J     

15,000%

12 J   

35,000%

16 J   

50,000%

20 J   

50,000%

5 J     

6,000%

9 J     

20,000%

13 J   

40,000%

17 J   

50,000%

FJ    

50,000%

4. Beendigung des Sparvertrages

4.1 Verfügung nach Kündigung: Es gilt eine dreimonatige Kündigungsfrist. Die Kündigung bewirkt, dass der Sparer innerhalb eines Monats nach Ablauf der Kündigungsfrist über den gekündigten Betrag verfügen kann. Macht der Sparer von diesem Recht ganz oder teilweise Gebrauch, wird der Vertrag damit insgesamt beendet.

[…]

4.3 Werden die vereinbarten Sparbeiträge nicht rechtzeitig erbracht, können sie innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit nachgeholt werden. Wenn der Sparer die vereinbarten laufenden Sparbeiträge auch dann nicht erbringt, wird der Sparvertrag beendet; weitere Einzahlungen sind dann nicht mehr möglich.

[…]

5. Ergänzende Vereinbarungen

[…]

5.2 Die Sparkasse weist ausdrücklich darauf hin, dass ergänzend ihre derzeit geltenden Bedingungen für den [X.] und ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen ([X.]) Vertragsbestandteil sind. Die Bedingungen hängen/liegen in den Kassenräumen zur Einsichtnahme aus. Der Kontoinhaber erhält ein Exemplar dieser Bedingungen, sofern er es wünscht."

3

Nr. 26 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthält folgende Regelung:

"Soweit weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart sind, können der Kunde und bei Vorliegen eines sachgerechten Grundes auch die Sparkasse die gesamte Geschäftsbeziehung oder einzelne Geschäftszweige jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen."

4

Mit Schreiben vom 24. Juni 2019 kündigte die Beklagte den Sparvertrag unter Hinweis auf die Niedrigzinsphase mit Wirkung zum 1. Oktober 2019.

5

Der Kläger hat unter anderem begehrt festzustellen, dass der Sparvertrag nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 24. Juni 2019 beendet worden sei. Das [X.] hat die Klage insoweit mit Teilurteil abgewiesen. Auf die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht die Entscheidung abgeändert und die beantragte Feststellung getroffen. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision hat Erfolg. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

I.

7

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner unter anderem in [X.], 768 veröffentlichten Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

8

Der [X.]n stehe zwar grundsätzlich ein ordentliches Kündigungsrecht zu. In dem veränderten Zinsumfeld sei ein sachgerechter Grund zur ordentlichen Kündigung im Sinne von Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen zu sehen. Doch hätten die [X.]en dieses Kündigungsrecht durch die in dem Prämiensparvertrag enthaltene Prämienstaffel konkludent bis zum Ablauf des zwanzigsten Sparjahres abbedungen.

9

Welche Bedeutung der Vereinbarung einer Prämienstaffel zukomme, die wie im vorliegenden Fall auch für den [X.]raum nach Erreichen der höchsten Prämienstufe explizit weitere Sparjahre und die für diese geltenden Prämien ausweise, sei höchstrichterlich noch nicht entschieden. Insbesondere das Grundsatzurteil des [X.] (Urteil vom 14. Mai 2019 - [X.], [X.], 74) befasse sich nicht mit einer der streitgegenständlichen vergleichbaren Prämienstaffel. Nach dem Wortlaut des Vertragsmusters der [X.]n erscheine zwar eine Auslegung dahingehend denkbar, dass die [X.] durch Abdruck der Prämienstaffel allein eine Vertragsbindung für mindestens 15 Vertragsjahre habe eingehen wollen. Hierfür spreche, dass die Verträge über das Modell "S-Prämiensparen" keine feste Vertragslaufzeit vorsähen und folglich auf unbefristete [X.] abgeschlossen worden seien. Selbst der nicht rechtlich vorgebildete durchschnittliche Verbraucher müsse grundsätzlich damit rechnen, dass solche Verträge auch von der Gegenseite im Wege der ordentlichen Kündigung beendet werden könnten.

Demgegenüber sei aber die Ansicht vorzuziehen, dass durch die konkrete Ausgestaltung der Prämienstaffel das ordentliche Kündigungsrecht der [X.]n für die Dauer sämtlicher im Vertrag explizit genannter Sparjahre habe ausgeschlossen sein sollen. Der Vertrag sei nicht befristet und enthalte auch keinen expliziten Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts der Sparkasse. Allerdings sei die Gestaltung des [X.] gerade im Hinblick auf die Beendigungsrechte der [X.]en verwirrend gestaltet. Es erwecke für den durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Verbraucher eher den Eindruck, dass überhaupt nur die Kunden den Vertrag ordentlich kündigen könnten. So normiere das Vertragsformular explizit nur ein ordentliches Kündigungsrecht des Kunden. Ein solches der Sparkasse werde weder explizit geregelt noch zumindest im systematischen Kontext darauf verwiesen, dass Nr. 26 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der [X.]n unberührt bleibe. Dass die [X.] zur ordentlichen Kündigung berechtigt sein solle, ergebe sich daher nur aus dem pauschalen Verweis der Ziffer 5.2 des [X.] auf die ergänzende Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der [X.]n, die vom typischen Verbraucher indes nicht gelesen würden. In Anbetracht der großen Bedeutung des Kündigungsrechts für die Renditeerwartung der Verbraucher komme der Erwähnung bestimmter Sparjahre in der Prämienstaffel eine beson[X.] herausgehobene Bedeutung zu.

Für den durchschnittlichen Verbraucher lege ferner die sprachliche Unterscheidung des [X.] zwischen den auf das fünfzehnte Sparjahr folgenden Sparjahren 16 bis 20 einerseits und dem als "Folgejahre" bezeichneten anschließenden [X.]raum andererseits eine unterschiedliche vertragliche Behandlung dieser [X.]räume nahe. Zudem dürfte die Prämienstaffel der [X.]n durch Nennung der nominal extrem hohen Prämien für den [X.]raum bis zum Ablauf des zwanzigsten Sparjahres gerade einen besonderen subjektiven [X.] bei solchen Verbrauchern geweckt haben, die die langfristig abnehmende wirtschaftliche Relevanz der Prämien im Verhältnis zur Basisverzinsung nicht verstanden hätten. Für einen längerfristigen Ausschluss des Kündigungsrechts spreche ferner, dass der vom [X.] für relevant erachtete besondere wirtschaftliche [X.] der Prämienstaffel auch über das Jahr des erstmaligen Erreichens der höchsten Prämienstufe hinaus bestehen könne.

Im Ergebnis könne letztlich dahinstehen, welcher der [X.] der Vorzug zu geben sei. Denn gemäß § 305c Abs. 2 [X.] trage die [X.] als Verwenderin des [X.] das Risiko der für sie unschwer vermeidbaren Unklarheit der von ihr gestellten Vertragsbedingungen.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Kündigung ist wirksam und die Klage damit unbegründet.

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings den Klageantrag dahin verstanden, dass er auf die Feststellung des Fortbestandes des [X.] über den 1. Oktober 2019 hinaus gerichtet ist und dass er so verstanden auch zulässig ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kann das Revisionsgericht die Würdigung prozessualer Erklärungen einer [X.] uneingeschränkt nachprüfen und Erklärungen selbst auslegen (Senatsurteile vom 16. Mai 2017 - [X.], [X.], 1258 Rn. 11 und vom 25. Juli 2023 - [X.], [X.], 1603 Rn. 18, zur Veröffentlichung in [X.] bestimmt, jeweils mwN). Die Auslegung darf auch im Prozessrecht nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften, sondern hat den wirklichen Willen der [X.] zu erforschen. Bei der Auslegung von [X.] ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (Senatsurteile vom 16. Mai 2017, aaO und vom 25. Juli 2023, aaO, jeweils mwN).

Hiernach ist das Begehren des [X.] allein auf die Feststellung des zwischen den [X.]en streitigen Fortbestandes des [X.] über den 1. Oktober 2019 hinaus gerichtet. Denn während der (Fort-)Bestand eines Vertrags der Feststellung nach § 256 Abs. 1 ZPO zugänglich ist, kann die Wirksamkeit einer Kündigungserklärung nicht Gegenstand einer allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO sein, weil es sich hierbei lediglich um eine Vorfrage über den Bestand eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses handelt (Senatsurteil vom 25. Juli 2023 - [X.], [X.], 1603 Rn. 19 mwN). Trotz der Bezugnahme auf die Kündigung der [X.]n vom 24. Juni 2019 ist das Klagebegehren bei verständiger Auslegung daher nicht auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungserklärung gerichtet, sondern dahin zu verstehen, dass Streitgegenstand der Feststellungsklage allein der Fortbestand des mit der [X.]n geschlossenen [X.] über den 1. Oktober 2019 hinaus ist (vgl. Senatsurteil vom 1. August 2017 - [X.], NJW-RR 2017, 1260 Rn. 14).

2. Das Berufungsgericht hat den Feststellungsantrag jedoch zu Unrecht als begründet erachtet. Die [X.] hat den Sparvertrag wirksam zum 1. Oktober 2019 gekündigt.

a) In zeitlicher Hinsicht ist auf den im Oktober 2001 abgeschlossenen Sparvertrag gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EG[X.] im Grundsatz das Bürgerliche Gesetzbuch in der am 1. Januar 2003 geltenden Fassung anzuwenden (vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 2019 - [X.], [X.], 74 Rn. 22).

b) Der Sparvertrag unterliegt dem Recht der unregelmäßigen Verwahrung und damit § 700 [X.] in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung.

aa) Die Abgrenzung zu einem Darlehensvertrag (§§ 488 ff. [X.]) hat anhand des vertraglichen Pflichtenprogramms zu erfolgen. Voraussetzung für einen unregelmäßigen Verwahrungsvertrag gemäß § 700 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist, dass vertretbare Sachen in der Art hinterlegt werden, dass das Eigentum auf den Verwahrer übergehen und dieser verpflichtet sein soll, Sachen von gleicher Art, Güte und Menge zurückzugewähren. Insoweit ist der unregelmäßige Verwahrungsvertrag im Grundsatz einseitig verpflichtend. Der Hinterleger geht keine Verpflichtung zur Hinterlegung ein; ihm kommt es in der Regel in erster Linie auf eine sichere Aufbewahrung der überlassenen Sache und daneben auf die jederzeitige Verfügbarkeit darüber an. Eine unregelmäßige Verwahrung scheidet daher aus, wenn der Sparer zur Erbringung der Spareinlage verpflichtet sein soll; denn die Verpflichtung, einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen, ist gemäß § 488 Abs. 1 Satz 1 [X.] die vertragstypische Pflicht des Darlehensgebers bei einem Darlehensvertrag (Senatsurteile vom 14. Mai 2019 - [X.], [X.], 74 Rn. 26 mwN und vom 25. Juli 2023 - [X.], [X.], 1603 Rn. 24).

bb) Nach diesen Maßgaben ist der Sparvertrag als unregelmäßiger Verwahrungsvertrag zu qualifizieren, weil sich der Kläger gegenüber der [X.]n nicht zur Zahlung der monatlichen Sparbeiträge verpflichtet hat, wohingegen die [X.] unter den Voraussetzungen von Ziffer 4 des [X.] zur Rückzahlung der Spareinlage verpflichtet ist.

Bei dem Vertragsformular handelt es sich um einen Vordruck der [X.]n und damit bereits dem ersten Anschein nach um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die der Senat selbst auslegen kann (vgl. Senatsurteile vom 14. Mai 2019 - [X.], [X.], 74 Rn. 28 mwN und vom 25. Juli 2023 - [X.], [X.], 1603 Rn. 26). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind ausgehend von den [X.] eines rechtlich nicht gebildeten [X.] so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten [X.] verstanden werden (Senatsurteil vom 25. Juli 2023, aaO mwN).

Wie der Senat bereits für insofern vergleichbare Sparverträge entschieden hat, lässt sich dem Wortlaut des [X.] keine Pflicht zur Zahlung des monatlichen Sparbeitrags entnehmen. Die Formulierung "Der Sparer wird bis zum 1./15. jeden Monats … einzahlen." enthält eine solche Verpflichtung nicht. Dies zeigt sich auch an der Regelung in Ziffer 4.3 des [X.], die an die Nichterbringung der Sparraten eine abweichende Rechtsfolge knüpft. Eine Verpflichtung des Sparers zur Erbringung der Sparbeiträge wäre auch nicht [X.] (vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 2019 - [X.], [X.], 74 Rn. 30).

c) Der [X.]n stand nach Erreichen der höchsten Prämienstufe ein Recht zur ordentlichen Kündigung aus Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen zu.

aa) Die nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts in den Vertrag einbezogene Klausel begegnet keinen Wirksamkeitsbedenken nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Sie macht nach Maßgabe des [X.] vom 5. Mai 2015 ([X.], [X.] 205, 220 Rn. 10 ff.) die Wirksamkeit einer Kündigung der [X.]n, einer Anstalt des öffentlichen Rechts, vom Vorliegen eines sachlichen Grundes abhängig (Senatsurteil vom 14. Mai 2019 - [X.], [X.], 74 Rn. 34).

bb) Das Recht zur ordentlichen Kündigung aus Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen war (lediglich) bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe ausgeschlossen, jedoch nicht darüber hinaus.

(1) Der Sparvertrag ist auf der Grundlage der vereinbarten Prämienstaffel und der weiteren vertraglichen Bestimmungen, die der Senat als Allgemeine Geschäftsbedingungen selbst auslegen kann, dahin zu verstehen, dass dem Sparer das Recht zukommt, einseitig zu bestimmen, ob er bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe spart. Bis zu diesem [X.]punkt ist für die [X.] das ordentliche Kündigungsrecht nach Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen ausgeschlossen.

Für [X.] mit einer vertraglich vereinbarten Prämienstaffel bis zum 15. Sparjahr hat der Senat bereits entschieden, dass diesen ein konkludenter zeitlich befristeter Ausschluss des Kündigungsrechts aus Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen zu entnehmen ist (Senatsurteil vom 14. Mai 2019 - [X.], [X.], 74 Rn. 38 ff.). Dies hat er mit dem besonderen [X.] begründet, den die beklagte Sparkasse mit der vereinbarten Prämienstaffel gesetzt hat. Die Sparkasse soll dem Sparer den Anspruch auf Gewährung der Sparprämien nicht jederzeit durch eine ordentliche Kündigung entziehen können (Senatsurteil, aaO Rn. 39). Demgegenüber kann ein Sparer trotz der unbefristeten Laufzeit des [X.] nicht erwarten, dass ihm mit dem Abschluss des [X.] eine zeitlich unbegrenzte Sparmöglichkeit eröffnet werden soll (Senatsurteil, aaO Rn. 41 f.).

Diese Erwägungen gelten für die streitgegenständliche Prämienstaffel gleichermaßen. Die auf die Jahressparleistung von der [X.]n gewährte jährliche Prämie steigt nach dem dritten bis zum Ablauf des [X.] fortlaufend bis auf 50% an. Den dadurch gesetzten besonderen [X.] darf die [X.] nicht enttäuschen, indem sie dem Kläger den Anspruch auf Gewährung der Sparprämien vor Erreichen der Höchststufe durch eine ordentliche Kündigung entzieht.

(2) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts haben die [X.]en dagegen einen über das Ende des [X.] hinauswirkenden Ausschluss des Kündigungsrechts nicht vereinbart.

(a) Allerdings gehen Teile der Instanzrechtsprechung und der Literatur davon aus, dass bei einer im [X.] hinaus fortgeschriebenen Prämienstaffel der [X.] nicht mit Erreichen der Höchststufe erfüllt ist, sondern für die explizit genannten Folgejahre fortbesteht und das ordentliche Kündigungsrecht der Sparkasse für diese [X.] ausschließt (vgl. [X.], Urteil vom 8. März 2023 - 1 S 37/21, juris Rn. 16; [X.], [X.] 2021, 224; [X.], [X.] 2020, 300, 305; [X.], [X.] 2023, 260, 261; [X.], [X.] 2021, 464, 466; [X.]., [X.] 2022, 163, 171; [X.]., [X.] 2023, 163, 169 f.).

(b) Die überwiegende Ansicht nimmt demgegenüber an, dass das Kündigungsrecht nur bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe ausgeschlossen ist, auch wenn die anschließend konstante Prämienstaffel im Vertrag fortgeschrieben wird (vgl. BayObLG, Beschluss vom 27. Januar 2021 - 101 MK 1/20, unter [X.], veröffentlicht im Klageregister des [X.]; [X.], [X.], 736, 737; [X.], Beschluss vom 11. November 2021 - 5 U 4934/21, unter 2.2., n.v.; [X.], Urteil vom 15. Februar 2023 - 37 U 4167/22, unter [X.] a. (2), n.v.; [X.], Urteil vom 24. September 2020 - 31 O 232/20, juris Rn. 43 f.; [X.], Urteil vom 20. Mai 2021 - 3 O 241/20, juris Rn. 64 f.; [X.], Urteil vom 25. Juni 2021 - 18 C 814/20, juris Rn. 37; [X.] in [X.]/Bunte, [X.], [X.]., § 45 Rn. 101; Edelmann, BB 2021, 2451, 2452; Furche, [X.], 1041, 1049; [X.], [X.] 2022, 233, 237; [X.], [X.], 1957, 1962; Schultheiß/[X.], [X.], 601 Rn. 22 ff.; [X.], EWiR 2022, 321, 322 f.).

(c) Zutreffend ist die letztgenannte Ansicht.

Hierfür spricht maßgeblich, dass es in erster Linie die bis zum 15. Sparjahr kontinuierlich steigende Prämienhöhe ist, in welcher der von der [X.]n gesetzte besondere [X.] zu sehen ist (vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 2019 - [X.], [X.], 74 Rn. 42). Bei gleichbleibender Prämienhöhe besteht hingegen kein solcher [X.] ([X.], [X.] 2022, 233, 237; Schultheiß/[X.], [X.], 601 Rn. 24) und die bloße Nennung der auf die Höchststufe folgenden stagnierenden Prämien vermag entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts (ebenso [X.], [X.] 2023, 260, 261) keinen solchen zu begründen, mögen die Prämien auch nominal hoch erscheinen. Ob der Sparvertrag infolge einer für den Sparer günstigen Entwicklung der variablen Verzinsung diesem über die Höchststufe hinaus wirtschaftlich attraktive Erträge bietet, beeinflusst die Dauer des [X.] nicht. Eine solche bei Vertragsschluss nicht absehbare Änderung der Umstände begründet keine geschützte Erwartung des Sparers.

Der Erwähnung bestimmter Sparjahre kommt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch keine herausgehobene Bedeutung deshalb zu, weil das Vertragsformular im Hinblick auf die Beendigungsrechte der [X.]en verwirrend gestaltet wäre und für den durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Verbraucher den Eindruck erweckte, dass nur der Kunde den Vertrag ordentlich kündigen könnte. Das trifft bereits im Ausgangspunkt nicht zu. Das ordentliche Kündigungsrecht der [X.]n ist von dem Hinweis auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Ziffer 5.2 umfasst. Ob der Sparer diese im Einzelfall tatsächlich gelesen hat, ist für die Auslegung des Vertrags unmaßgeblich.

Die ausdrückliche Fortschreibung der Prämien über das Erreichen der höchsten Prämienstufe hinaus dient aus der Sicht eines [X.] lediglich der Verdeutlichung der Ausgestaltung der Prämienzahlungen für die Folgejahre (vgl. [X.], [X.] 2022, 233, 237; Schultheiß/[X.], [X.], 601 Rn. 22; aA [X.], Urteil vom 8. März 2023 - 1 S 37/21, juris Rn. 16). Bei dem vorliegenden Prämiensparvertrag handelt es sich um einen unbefristeten Vertrag (vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 2019 - [X.], [X.], 74 Rn. 41), der dem Sparer auch für die [X.] nach Erreichen der Höchststufe einen Anspruch auf entsprechende Prämienzahlungen gewährt, unabhängig davon, ob die Prämien für die Folgejahre ausdrücklich aufgeführt sind (vgl. Schultheiß/[X.], [X.], 601 Rn. 23; siehe auch [X.], Verfügung vom 18. Januar 2022 - [X.], juris Rn. 3). Die Annahme des Berufungsgerichts, an der Bezeichnung der Sparjahre 16 bis 20 einerseits und der Folgejahre ("[X.]") an[X.]eits lasse sich eine sprachliche Differenzierung ablesen, die eine unterschiedliche Behandlung dieser [X.]räume nahelege, überspannt den Wortlaut und ist im Übrigen auch inkonsequent (vgl. [X.], [X.] 2022, 233, 237). Wollte man aus der Nennung weiterer Sparjahre im Vertrag nach Erreichen der höchsten Prämienstufe eine geschützte Erwartung des Sparers ableiten, läge es vielmehr nahe, mit der Revisionserwiderung den Kündigungsausschluss auch auf die (weiteren) Folgejahre zu erstrecken (vgl. [X.], EWiR 2022, 321, 322 f.). Ein solches Verständnis liefe indes auf eine zeitlich unbegrenzte Sparmöglichkeit hinaus, die der Sparer aber redlicherweise nicht erwarten kann (vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 2019 - [X.], [X.], 74 Rn. 42).

(d) Schließlich geht auch die Annahme des Berufungsgerichts fehl, es könne dahinstehen, welcher Auslegungsvariante der Vorzug zu geben sei, da § 305c Abs. 2 [X.] greife. Dies ist nicht der Fall.

Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zwar gemäß § 305c Abs. 2 [X.] zu Lasten des Verwen[X.]. Unklar im Sinne der Vorschrift sind Klauseln, bei denen nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden Zweifel verbleiben und zumindest zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar sind. Hieran fehlt es aber. Nach der oben vorgenommenen Auslegung des [X.] verbleiben keine Zweifel.

cc) Die tatbestandliche Kündigungsvoraussetzung eines sachgerechten Grundes i.S.d. Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen liegt vor.

Ein solcher ist gegeben, wenn die Umstände, die die Sparkasse zur Kündigung veranlassen, derart beschaffen und zu bewerten sind, dass ein unvoreingenommener, vernünftiger Beobachter das Verhalten der Sparkasse für eine nachvollziehbare und der Sachlage nach angemessene Reaktion halten muss (Senatsurteil vom 14. Mai 2019 - [X.], [X.], 74 Rn. 45). Ein solcher Umstand ist in dem veränderten Zinsumfeld zu sehen, das sich zwar nicht wegen des variablen Zinssatzes negativ auf das Vertragsverhältnis auswirkt, es aber der [X.]n erschwert, die Erträge zu erwirtschaften, die sie benötigt, um die jährlichen Prämienzahlungen aufzubringen (vgl. Senatsurteil, aaO Rn. 46).

Der von der Revisionserwiderung in diesem Zusammenhang gerügte Gehörsverstoß liegt nicht vor. Sie stellt die Veränderung des Zinsumfeldes nicht in Frage, sondern beanstandet lediglich, dass das Berufungsgericht nicht ausgeführt habe, ob dies auch eine Kündigung des streitgegenständlichen [X.] rechtfertige. Dies trifft indes nicht zu. Ganz im Gegenteil hat das Berufungsgericht in dem veränderten Zinsumfeld einen sachgerechten Grund zur ordentlichen Kündigung i.S.d. Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen gesehen und die Kündigung aus anderen Gründen für unwirksam gehalten. [X.] Vorbringen oder übergangene Beweisangebote zeigt die Revisionserwiderung nicht auf.

dd) Die ordentliche Kündigung der [X.]n hat auch die übrigen Voraussetzungen gewahrt. Sie ist erst für die [X.] nach dem Ablauf des [X.] und unter Beachtung der Auslauffrist von drei Monaten erklärt worden.

d) Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung geltend, die Kündigung sei nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 [X.]) wegen wi[X.]prüchlichen Verhaltens der [X.]n unwirksam.

Eine Rechtsausübung kann zwar unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines wi[X.]prüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (Senatsurteil vom 12. Juli 2016 - [X.], [X.] 211, 105 Rn. 20 mwN). Solche Umstände hat die Revisionserwiderung aber nicht aufgezeigt. Der von ihr insofern allein angeführte [X.]ablauf zwischen dem Ende des fünfzehnjährigen [X.] im Jahr 2016 und der Erklärung der [X.] lässt die Interessen des [X.] nicht vorrangig schutzwürdig erscheinen. Die [X.] war nicht gehalten, den Sparvertrag bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zu kündigen.

Aufgrund dessen kann sich der Kläger - was er in erster Instanz noch geltend gemacht hat - auch nicht auf den Einwand der Verwirkung berufen. Neben dem - hier nicht erfüllten - [X.]moment hat der Kläger auch keine besonderen, auf dem Verhalten der [X.]n beruhenden Umstände vorgetragen, die sein Vertrauen rechtfertigen, die [X.] werde ihr Kündigungsrecht nicht mehr geltend machen (vgl. Senatsurteil vom 12. Juli 2016 - [X.], [X.] 211, 105 Rn. 40 mwN).

III.

Das Berufungsurteil ist mithin auf die Revision aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und keine weiteren Feststellungen erforderlich sind, sondern die Sache nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine ersetzende Sachentscheidung getroffen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Zurückweisung der Berufung des [X.].

[X.]     

      

Grüneberg     

      

[X.]

      

Derstadt     

      

Ettl     

      

Meta

XI ZR 72/22

17.10.2023

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Nürnberg, 29. März 2022, Az: 14 U 3259/20, Urteil

§ 700 Abs 1 BGB, Nr 26 Abs 1 SparkAGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.10.2023, Az. XI ZR 72/22 (REWIS RS 2023, 7357)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7357


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. XI ZR 72/22

Bundesgerichtshof, XI ZR 72/22, 17.10.2023.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XI ZR 88/23 (Bundesgerichtshof)

Prämiensparvertrag: Ausschluss des Rechts der Sparkasse zur ordentlichen Kündigung auch nach Erreichen der höchsten Prämienstufe


14 U 3259/20 (OLG Nürnberg)

Berufung, AGB, Wirksamkeit, Zahlung, Anlageentscheidung, Vertrag, Verbraucher, Ablauf, Vereinbarung, Zinsen, Zeitpunkt, Anlage, Klage, Vertragsauslegung, konkrete …


XI ZR 221/22 (Bundesgerichtshof)

Kündigungsrecht einer Sparkasse bei einem Prämiensparvertrag mit Verhältnisprämienstaffel


1 S 54/20 (Landgericht Krefeld)


XI ZR 345/18 (Bundesgerichtshof)

Prämiensparvertrag einer Sparkasse: Rechtliche Einordnung; Ausschluss des Kündigungsrechts der Sparkasse bis zum Erreichen der höchsten …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.