Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.03.2015, Az. XII ZB 571/13

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 14255

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 571/13
vom
11. März 2015
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG § 63 Abs. 3 Satz 2; ZPO § 233 D
Maßgeblich für den Lauf der Beschwerdefrist nach §
63 Abs.
3 Satz
2 FamFG ([X.] mit Ablauf von fünf Monaten nach [X.]) ist lediglich der Umstand, dass die schriftliche Bekanntgabe des wirksam erlassenen Beschlusses an den be-reits förmlich beteiligten Rechtsmittelführer unterblieben ist. Warum die Bekanntgabe nicht erfolgt ist, ist ohne Belang (im [X.] an Senatsbeschluss vom 10.
Juli 2013

XII
[X.]
411/12
Z 2013, 1566).
[X.], Beschluss vom 11. März 2015 -
XII [X.] 571/13 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII. Zivilsenat des [X.] hat am 11.
März 2015
durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin [X.] und [X.], Dr.
Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 16.
Zivilsenats
Senat für Familiensachen
des [X.] vom 2.
Oktober 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das [X.] zurückverwiesen.
Verfahrenswert: 12.144

Gründe:
A.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Verwerfung seiner Beschwerde gegen einen [X.].
Das Amtsgericht hat in der
mündlichen Verhandlung vom 27.
Juli 2012 Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 29.
August 2012 bestimmt. An diesem Tag hat
es in nicht öffentlicher Sitzung
einen Beschluss unter Be-zugnahme auf die [X.] verkündet, wonach die Ehe geschieden, der Versorgungsausgleich durchgeführt und der Antragsteller zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts von monatlich 727

. [X.] hat den Tenor der Entscheidung, die sie zunächst ohne Gründe abgesetzt 1
2
-
3
-
hatte, ebenso wie das Verkündungsprotokoll unterschrieben. Eine Zustellung an die Beteiligten ist zunächst nicht
erfolgt. Nachdem der vollständig abgefasste [X.] am 15.
Juli 2013 auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts eingegangen war, ist dieser der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 19.
Juli 2013 zugestellt worden.
Mit am 19.
August 2013 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt und diese am 17.
September 2013 gegenüber
dem [X.] begründet. Die Beschwerde richtet sich ge-gen die Abtrennung seines Antrags auf Aussetzung der Kürzung des [X.] sowie gegen die Entscheidung zum nachehelichen Unterhalt. Nach entsprechendem Hinweis hat das [X.] die Beschwerde als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Rechtsbeschwerde.

B.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.

I.
Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde folgt aus §
117 Abs.
1 Satz
4 FamFG, §
522 Abs.
1 Satz
4 [X.]. §
574 Abs.
1 Nr.
1, Abs.
2 ZPO. Sie hat grundsätzliche Bedeutung und dient zudem der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

3
4
5
-
4
-
II.
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
1. Das [X.] hat seine Entscheidung damit begründet, dass die Monatsfrist zur Einlegung der Beschwerde nach §
63 Abs.
1 FamFG nicht gewahrt sei. Da die Entscheidung dem Antragsteller
nicht zugestellt worden sei, habe die Beschwerdefrist gemäß §
63 Abs.
3 Satz
2 FamFG mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung zu laufen begonnen. Die Norm sei nicht dahin-gehend auszulegen, dass sie nur eingreife, wenn eine Zustellung aus [X.] oder rechtlichen Gründen an einen erstinstanzlich Beteiligten nicht mög-lich gewesen sei. Dies zeige auch ein Blick auf §
117 Abs.
1 Satz
2 FamFG. Danach betrage die Beschwerdebegründungsfrist in Ehe-
und Familienstreitsa-chen zwei Monate und beginne mit der schriftlichen Bekanntgabe des [X.], spätestens fünf Monate nach Erlass des Beschlusses, vorliegend also der Verkündung. Eine Wiedereinsetzung sei zu versagen, da die Verfah-rensbevollmächtigte des Antragstellers es schuldhaft unterlassen habe, sich über die im [X.] ergangene Entscheidung zu informieren. Daran ändere auch nichts, dass die Auslegung des §
63 FamFG streitig sei. Wenn die Rechtslage zweifelhaft sei, müsse der Anwalt den für seinen Mandanten si-chersten Weg gehen.
2. Dies
hält rechtlicher Überprüfung nur teilweise stand. Zwar war die Beschwerde tatsächlich verfristet. Jedoch hätte das [X.] dem Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einräumen müssen.
a) Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass die Beschwerde nach §
63 Abs.
3 Satz
2 FamFG verfristet ist.

6
7
8
9
-
5
-
aa) Gemäß dem auch in Ehe-
und Familienstreitsachen anwendbaren §
63 Abs.
1 FamFG (vgl. §§
113, 117 FamFG) beginnt die Beschwerdefrist von einem Monat grundsätzlich mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten; erforderlich ist hierfür die Bekanntgabe des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses (Musielak/[X.] FamFG 4.
Aufl. §
63 Rn.
3; [X.]/[X.] 30.
Aufl. §
63 FamFG Rn.
5). Nach §
63 Abs.
3 Satz
2 FamFG
beginnt die (Monats-)Frist allerdings spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses, wenn die schriftliche Bekanntgabe an einen Beteiligten nicht bewirkt werden kann. Dabei tritt in Ehe-
und Familien-streitsachen an Stelle des Erlasses die Verkündung der Entscheidung,
§
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG
und §§
329 Abs.
1, 310
f. ZPO ([X.] Be-schluss vom 13.
August
2013

2
UF
59/13

juris; vgl. auch Senatsbeschluss vom 19.
Oktober 2011

XII
[X.]
250/11
Z 2012, 106
Rn.
13).
bb) Gemessen hieran ist die erst im August 2013 eingelegte Beschwerde des Antragstellers verfristet. Die bereits am 29.
August
2012 verkündete [X.] ist ihm zwar erst am 19.
Juli 2013 [X.]. §
63 Abs.
3 Satz
1
FamFG bekanntgegeben worden. Jedoch begann
die Monatsfrist mit
Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung zu laufen.
Um diese zu wahren, hätte der [X.] bis Ende Februar 2013 Beschwerde einlegen müssen (vgl. §
113 Abs.
1 FamFG [X.]. §
222 Abs.
1 ZPO
und §
188 Abs.
3 BGB).
(1) Voraussetzung für den Fristenlauf des §
63 Abs.
3 Satz
2 FamFG ist zunächst, dass die Entscheidung wirksam verkündet wurde (vgl. Senatsbe-schluss vom 19.
Oktober 2011

XII
[X.]
250/11
-
FamRZ 2012, 106 Rn.
12). Dies ist hier der Fall.
(a) Nach der Rechtsprechung des [X.] stehen Verkün-dungsmängel dem wirksamen Erlass einer Entscheidung nur entgegen, wenn 10
11
12
13
-
6
-
gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende [X.] verstoßen wurde, so dass von einer Verlautbarung im Rechtssinne
nicht mehr gesprochen werden kann. Sind deren Mindestanforderungen hingegen gewahrt, hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Ent-stehen einer wirksamen Entscheidung nicht ([X.], 298 =
NJW 2007, 3210 Rn.
12 [X.]).
Grundsätzlich erbringt die Protokollierung der Verkündung der Entschei-dung in Verbindung mit der nach §
113 Abs.
1 FamFG [X.]. §
160 Abs.
3 Nr.
6 ZPO vorgeschriebenen Aufnahme der Entscheidungsformel in das Protokoll

sei es direkt oder, wie hier, als Anlage zum Protokoll (§
160 Abs.
5 ZPO)

Beweis dafür, dass die Entscheidung auch in diesem Sinne ordnungsgemäß, das heißt auf der Grundlage einer schriftlich fixierten Entscheidungsformel ver-kündet worden ist. Denn jede Form der Verlautbarung

durch Verlesen der Entscheidungsformel oder durch Bezugnahme hierauf

setzt voraus, dass der Tenor im Zeitpunkt der Verkündung schriftlich niedergelegt war (Senatsurteil vom 13.
April 2011 -
XII
ZR
131/09

NJW 2011, 1741 Rn.
17).
Aus Gründen der Rechtssicherheit ist es indessen unverzichtbar, dass innerhalb der Fünf-Monats-Frist ein beweiskräftiges Protokoll über die Verkün-dung einer Entscheidung auf der Grundlage einer schriftlich fixierten Entschei-dungsformel erstellt wird. Denn allein durch das Protokoll kann bewiesen wer-den, dass und mit welchem Inhalt eine Entscheidung verkündet worden ist. Vom Zeitpunkt der Verkündung hängt wiederum der Beginn der Rechtsmittel-frist ab, falls die Entscheidung

wie hier

erst nach Ablauf der Fünf-Monats-Frist zugestellt worden ist (Senatsurteil vom 13.
April 2011 -
XII
ZR
131/09

NJW 2011, 1741 Rn.
20; [X.] Beschluss vom 13.
März 2012

VIII
[X.]
104/11

AnwBl 2012, 558 Rn.
12).
14
15
-
7
-
(b) Danach ist von einer wirksamen Verkündung auszugehen.
Zwar ist der angefochtene Beschluss unter Verstoß gegen §
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG [X.]. §
310 Abs.
2 ZPO verkündet worden, weil er nicht schrift-lich begründet war. Darin ist nach der Rechtsprechung des Senats aber kein der Wirksamkeit der Verkündung entgegenstehender Umstand zu sehen (Se-natsurteil vom 13.
April 2011 -
XII
ZR
131/09

NJW 2011, 1741 Rn.
16 [X.]). Ebenso wenig steht der Wirksamkeit der Verkündung der Umstand entgegen, dass das Amtsgericht den Tenor entgegen §
173 Abs. 1 GVG in nicht öffentli-cher Sitzung verkündet hat. Denn §§
63 Abs.
3 Satz
2,
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG
[X.]. §
311 ZPO setzen keine mangelfreie, sondern lediglich eine wirksame Verkündung voraus (Senatsbeschluss vom 29.
September 1993

XII
[X.]
49/93
-
FamRZ 1994, 438). Überdies erfolgte die Verkündung jedenfalls "beteiligtenöffentlich", so dass es den Beteiligten unbenommen blieb, an der Verkündung teilzunehmen.
(c) Schließlich ist nach den Feststellungen des [X.]s in-nerhalb der Fünf-Monats-Frist ein beweiskräftiges Protokoll über die Verkün-dung des Beschlusses erstellt worden.
Freilich wendet die Rechtsbeschwerde inhaltlich zutreffend ein, nach den getroffenen Feststellungen könne nicht davon ausgegangen werden, dass das Verkündungsprotokoll nebst Tenor innerhalb der Fünf-Monats-Frist zu den [X.] gelangt sei. Denn aus der dienstlichen Stellungnahme
der Richterin ergibt sich, dass sie das Protokoll erst im Juli 2013 in die Akten eingeheftet hat. [X.] der Auffassung der Rechtsbeschwerde führt dies jedoch auch unter Be-achtung der von ihr angeführten Entscheidungen des [X.] (Se-natsurteil vom 13.
April 2011 -
XII
ZR
131/09

NJW 2011, 1741 Rn.
20 und [X.] Beschluss vom 13.
März 2012

VIII
[X.]
104/11
AnwBl 2012, 558 Rn.
12) 16
17
18
19
-
8
-
nicht zur Unwirksamkeit der Verkündung. Zwar heißt es dort, dass über den Beginn der Berufungsfrist

falls die Entscheidung erst nach Ablauf der Fünf-Monats-Frist zugestellt worden ist

vor Ablauf dieser Frist aus den Akten Ge-wissheit zu gewinnen sein muss.
Hieraus
folgt indessen nicht die Unwirksamkeit der Verkündung. Denn die Beweiskraft des Protokolls nach §
165 ZPO setzt zwar dessen Existenz vo-raus, nicht aber auch, dass es im Zeitpunkt der zu beweisenden Handlung, hier also der Verkündung, bereits in die Akten eingeheftet worden ist. Ist dies nicht erfolgt und ist dem Beteiligten damit die Möglichkeit verstellt, anhand der Akten festzustellen, ob bereits eine Entscheidung verkündet worden ist, kann dies bei einem hieraufhin eingetretenen Fristversäumnis gegebenenfalls eine Wieder-einsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen; die Wirksamkeit des Protokolls wird hiervon indes nicht berührt.
(2) Der so erlassene Beschluss ist dem
Antragsteller
nicht
[X.]. §
63 Abs.
3 Satz
2 FamFG bekanntgegeben worden.
Allerdings ist streitig, unter welchen Voraussetzungen §
63 Abs.
3 Satz
2 FamFG zur Anwendung gelangt.
(a) Nach überwiegender
Auffassung soll die Fünf-Monats-Frist nur dann beginnen, wenn die Bekanntgabe aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich war bzw. (vergeblich) versucht wurde, die Entscheidung dem be-treffenden Beteiligten zuzustellen ([X.] Beschluss vom 24.
Feb-ruar 2014

2
UF
148/13

juris; [X.], 470, 471; [X.] FamRZ 2013, 1913, 1914;
MünchKommFamFG/[X.] 2.
Aufl. §
63 Rn.
32; [X.]/[X.] 30.
Aufl. §
63 FamFG Rn.
6; [X.] in Bahrenfuss FamFG 2.
Aufl. §
63 Rn.
7; [X.]/[X.]/[X.]/[X.] FamFG 2.
Aufl. §
63 Rn.
10.1; Prütting/[X.]/[X.] FamFG 3.
Aufl. §
63 Rn.
11; [X.]/20
21
22
23
-
9
-
Weinreich/[X.] FamFG 4.
Aufl. §
63 Rn.
18; so jetzt wohl auch [X.]/[X.]/[X.] Familienrecht 6.
Aufl. §
63 FamFG Rn.
10).
(b) Nach der Gegenmeinung läuft die Fünf-Monats-Frist immer, wenn die Zustellung an den

bereits förmlich

Beteiligten (aus welchen Gründen auch immer) unterblieben ist ([X.] Beschluss vom 13.
August 2013

2
UF
59/13

juris; [X.] FamFG 18.
Aufl. §
63 Rn.
45
e, der sich für eine entsprechende Anwendung der Norm ausspricht; vgl. auch Senatsbe-schluss vom 10.
Juli 2013

XII
[X.]
411/12

FamRZ 2013, 1566 Rn.
16
ff., [X.] die Beschwerdefrist auch dann nach Ablauf der fünfmonatigen Frist des §
63 Abs.
3 Satz
2 FamFG beginnt, wenn die erforderliche Zustellung mit [X.] behaftet war).
(c) Die
letztgenannte Auffassung
ist zutreffend.
Maßgeblich für den Lauf der Beschwerdefrist nach §
63 Abs.
3 Satz
2 FamFG ist der Umstand, dass die schriftliche Bekanntgabe des Beschlusses an einen bereits förmlich beteiligten Rechtsmittelführer unterblieben ist. Warum die Bekanntgabe nicht erfolgt ist, ist ohne Belang. Dies ergibt sich aus der Ausle-gung der Norm.
(aa) Der überwiegenden Auffassung ist einzuräumen, dass der Wortlaut darauf hindeutet, die Bekanntgabe müsse aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen gescheitert sein. Denn nach §
63 Abs.
3 Satz
2 FamFG ist Vorausset-zung für den Fristenlauf, dass die schriftliche Bekanntgabe an einen Beteiligten nicht bewirkt werden kann. Jedoch hat der Gesetzgeber diese Formulierung nur deshalb gewählt, um die im erstinstanzlichen Verfahren förmlich Beteiligten von den materiell Betroffenen abzugrenzen, die nicht beteiligt worden sind und für die die Fünf-Monats-Frist nicht zur Anwendung gelangen soll.
24
25
26
27
-
10
-
Nach dem ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung sollte §
63 Abs.
3 FamFG lauten: "Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe
des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des [X.]". Mit dieser Regelung, die der Harmonisierung der Prozessordnung dienen sollte, wurde inhaltlich an §
517 Halbsatz
2
ZPO angeknüpft
(BT-Drucks. 16/6308 S.
206).
Die Gesetz
gewordene Fassung geht auf eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zurück. Die Änderung diente allein dem Wunsch, klarzu-stellen, wann die Beschwerdefrist endet und Rechtskraft eintritt, wenn erstin-stanzlich nicht alle materiell Betroffenen als Beteiligte zu dem Verfahren hinzu-gezogen wurden. Es sollte namentlich verhindert werden, dass ein übergange-ner und damit nicht beteiligter Versorgungsträger innerhalb von sechs Monaten nach Erlass des Beschlusses Beschwerde einlegen kann. Mit der [X.] sollte klargestellt werden, dass eine unterbliebene schriftliche [X.] des Beschlusses an den im erstinstanzlichen Verfahren nicht hinzugezoge-nen, aber materiell Beeinträchtigten die "Beschwerdeauffangfrist von fünf Mona-ten"
nach Erlass des Beschlusses nicht auslöst (BT-Drucks. 16/9733 S.
289; vgl. [X.] FamFG 18.
Aufl. §
63 Rn.
45
ff. [X.] zum Streitstand, [X.] Frist für diesen Betroffenen maßgeblich ist). Damit wollte der Gesetzgeber allein den Lauf der Rechtsmittelfrist für Beteiligte einerseits und am Verfahren nicht Beteiligte, aber materiell Betroffene, andererseits voneinander abgrenzen.
(bb) Neben dem Willen des Gesetzgebers spricht auch eine teleologi-sche Auslegung der Norm für das vom [X.] gefundene Ergebnis. Die Auffangfrist des §
63 Abs.
3 Satz
2 FamFG soll der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit für die Beteiligten dienen, wenn eine Bekanntgabe der [X.] an einen erstinstanzlich Beteiligten innerhalb der Fünf-Monats-Frist unterbleibt (vgl. Senatsbeschluss vom 10.
Juli 2013

XII
[X.]
411/12

FamRZ 28
29
30
-
11
-
2013, 1566 Rn.
18). Je restriktiver man den Anwendungsbereich des §
63 Abs.
3
Satz
2
FamFG sieht, desto größer ist indes die Gefahr, dass Entschei-dungen noch nach Jahren nicht in formelle Rechtskraft erwachsen.
([X.]) Zu Recht weist das [X.] schließlich darauf hin, dass sich eine andere Auslegung des §
63 Abs.
3 Satz
2 FamFG auch nicht in das System des im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Ange-legenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geregelten Rechtsmittelrechts hin-sichtlich der Ehe-
und Familienstreitsachen einfügen würde. Denn §
117 Abs.
1 Satz
3 FamFG regelt ausdrücklich, dass die Frist zur Begründung der Be-schwerde zwei Monate beträgt und mit der schriftlichen Bekanntgabe des [X.], spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des [X.] beginnt. Eine restriktive Auslegung des §
63 Abs.
3 Satz
2 FamFG könnte zu dem widersinnigen Ergebnis führen, dass zwar die Beschwerde noch [X.] eingelegt, aber nicht mehr rechtzeitig begründet werden kann.
b) Nicht frei von [X.] ist jedoch die Versagung der Wiederein-setzung in den vorigen Stand.
aa)
Gemäß §
113 Abs.
1 FamFG [X.]. §
233 ZPO ist Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn ein Beteiligter
ohne sein Verschulden verhindert war, eine Notfrist, zu der die Beschwerdefrist des §
63 FamFG zählt, einzuhalten. Dabei muss sich der Rechtsmittelführer das Verschulden seines
Verfahrensbevoll-mächtigten zurechnen lassen,
§
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG, §
85 Abs.
2 ZPO. Einer Wiedereinsetzung nach §
113 Abs.
1 FamFG [X.]. §
236 Abs.
2 Satz
2 ZPO steht nicht entgegen, dass der Rechtsmittelführer keinen entsprechenden Antrag gestellt hat. Denn das Gericht kann eine Wiedereinsetzung auch von Amts wegen gewähren, wenn die sie rechtfertigenden Tatsachen akten-
oder offenkundig oder glaubhaft gemacht worden sind und die nachzuholende Ver-31
32
33
-
12
-
fahrenshandlung vor oder innerhalb der Frist des §
234 Abs.
1 ZPO vorgenom-men wurde. Hierzu gehören auch die Tatsachen, die für das Verschulden der betreffenden Person von Bedeutung sind, wie etwa subjektive Vorgänge hin-sichtlich eines möglichen Irrtums und damit einhergehenden Verschuldens ([X.]/[X.]/[X.] ZPO 35.
Aufl. §
236 Rn.
4
f.).
Der Rechtsirrtum eines Rechtsanwalts ist
allerdings regelmäßig nicht [X.]. Nach der Rechtsprechung des [X.] muss ein Rechtsanwalt die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen. Eine irrige Auslegung des Verfahrensrechts kann als [X.] nur dann in Betracht kommen, wenn der [X.] die volle, von einem Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt aufge-wendet hat, um zu einer richtigen Rechtsauffassung zu gelangen. Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen, denn die [X.], die dem Anwalt die Verfahrens-führung überträgt, vertraut zu Recht darauf, dass er dieser als Fachmann ge-wachsen ist. Wenn die Rechtslage zweifelhaft ist, muss der bevollmächtigte Anwalt den sicheren Weg wählen. Von einem Rechtsanwalt ist zu verlangen, dass er sich anhand einschlägiger Fachliteratur über den aktuellen Stand der Rechtsprechung informiert. Dazu besteht umso mehr Veranlassung, wenn es sich um eine vor kurzem geänderte Gesetzeslage handelt, die ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit verlangt (Senatsbeschluss vom 3.
November 2010

XII
[X.]
197/10
FamRZ 2011, 100 Rn.
19 [X.]). Ein Rechtsirrtum ist jedoch ausnahmsweise als entschuldigt anzusehen, wenn er auch unter Anwendung der erforderlichen Sorgfaltsanforderungen nicht vermeidbar war (Senatsbe-schluss vom 5.
März 2014

XII
[X.]
220/11
amRZ 2014, 826 Rn.
11).
bb)
Gemessen hieran hat die Verfahrensbevollmächtigte
des Antragstel-lers die Fristversäumung zwar verschuldet. Das Verschulden ist im Ergebnis 34
35
-
13
-
aber, soweit es die Anwendung der Fünf-Monats-Frist anbelangt, nicht kausal für die Fristversäumung geworden.
(1) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde traf die Verfahrens-bevollmächtigte
des Antragstellers die Obliegenheit, sich über die im Verkün-dungstermin vom 29.
August 2012 ergangene Entscheidung zu informieren.
Der Vorschrift des §
517 ZPO

und damit auch der Vorschrift des §
63 Abs.
3 Satz
2 FamFG

liegt der Gedanke zugrunde, dass eine [X.], die vor Gericht streitig verhandelt hat, mit dem Erlass einer Entscheidung rechnen muss und es ihr deshalb zugemutet werden kann, sich danach zu erkundigen, ob und mit welchem Inhalt eine Entscheidung ergangen ist (vgl. Senatsbe-schluss vom 21.
Juli 2010

XII
[X.]
135/09

FamRZ 2010, 1646
Rn.
14 [X.]). Dies hat die Verfahrensbevollmächtigte
des
Antragstellers nach den Feststel-lungen des [X.]s zu keinem Zeitpunkt getan.
Diese Obliegenheit verliert nicht etwa deshalb an Gewicht, weil eine Be-gründung der Beschwerde angesichts der noch fehlenden [X.] nur eingeschränkt möglich gewesen wäre. Denn die Begründung eines Rechtsmittels gegen eine bis zum Ablauf der Fünf-Monats-Frist noch nicht zugestellte
Entscheidung darf sich darauf beschränken, eben dies als verfah-rensordnungswidrig zu rügen. Dies ergibt sich schon daraus, dass dem [X.] weitergehende Ausführungen vor Kenntnis der anzufechtenden Entscheidung nicht möglich sind (Senatsbeschluss vom 15.
Oktober 2003

XII
[X.]
102/02

FamRZ 2004, 22
f.).
Das Verschulden der Verfahrensbevollmächtigten ist schließlich auch kausal für die fehlende Kenntnis vom Erlass der Entscheidung. Zwar wendet die Rechtsbeschwerde insoweit zutreffend ein, dass sich anlässlich einer Nachfra-ge allein aus der Akte keine weiteren Erkenntnisse ergeben hätten, weil das 36
37
38
39
-
14
-
Protokoll nach Auskunft der Amtsrichterin erst später in die Akten eingeheftet worden ist. Jedoch wäre von der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers vor dem Hintergrund des anberaumten [X.]s zu erwarten gewe-sen, sich bei Gericht nach dem Sachstand zu
erkundigen. Die Annahme, dass ihr bei einer entsprechenden Nachfrage unzutreffend mitgeteilt worden wäre, es sei
bislang keine Entscheidung erlassen worden, liegt fern.
(2) Ebenfalls zu Recht ist das [X.] von einem Verschulden der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers ausgegangen, soweit sie sich nicht mit
dem zur Regelung des §
63 Abs.
3 Satz
2 FamFG bestehenden Meinungsstreit in Rechtsprechung und Literatur auseinandergesetzt hat.
In ihrem Schriftsatz
vom 24.
September
2013 hat
sie im Wesentlichen darauf verwiesen, dass sie trotz Unkenntnis des Beschlusses gezwungen ge-wesen wäre, Beschwerde einzulegen, ohne diese begründen zu können. Abge-sehen davon, dass in diesen Fällen keine über die Schilderung des Verfah-rensmangels hinausgehende Begründung verlangt werden kann, fehlt es an Vortrag zu einem möglicherweise entschuldbaren Irrtum seitens der [X.]. Selbst wenn man ihren Vortrag aus dem Parallelverfah-ren (XII
[X.]
572/13) heranzöge, genügte dieser nicht, um ein
Verschulden aus-zuschließen. Zwar hat die Verfahrensbevollmächtigte
in ihrem dort gestellten Wiedereinsetzungsantrag
ihre Rechtsauffassung näher begründet und auf die ihrer Auffassung nach bestehende Notwendigkeit hingewiesen, §
63 Abs.
3 Satz
2 FamFG restriktiv auszulegen. Aber auch dieser Vortrag genügt nicht, ihr Versäumnis zu entschuldigen. Denn es fehlt auch dort jede [X.] mit dem Streitstand (s.
hierzu Senatsbeschluss vom 3.
November 2010

XII
[X.]
197/10
FamRZ 2011, 100 Rn.
19 [X.]). Zu
Recht hat das Oberlan-desgericht in diesem Kontext hervorgehoben, dass die Verfahrensbevollmäch-40
41
-
15
-
tigte
des Antragstellers nicht einmal vorgetragen hat, den Lauf der Fünf-Monats-Frist in Betracht gezogen zu haben.
Dieses Verschulden der Verfahrensbevollmächtigten war für die Frist-
versäumung allerdings nicht kausal. Denn auch wenn sie sich in der gebo-
tenen Weise mit dem vorliegenden Streitstand auseinandergesetzt hätte, hätte sie nicht mit dem Lauf der Fünf-Monats-Frist des §
63 Abs.
3 Satz
2 FamFG
zu rechnen brauchen. Zu Recht weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, dass die von der Verfahrensbevollmächtigten vertretene Rechtsauffassung mit der veröffentlichten Entscheidung jedenfalls eines [X.]s übereinge-stimmt hatte, der sich die gängige Kommentarliteratur angeschlossen hatte, weshalb
ihr
Rechtsirrtum in diesem Ausnahmefall als unverschuldet anzusehen gewesen wäre (vgl. Senatsbeschluss vom 3.
November 2010

XII
[X.]
197/10

FamRZ 2011, 100 Rn.
23 [X.]; s. auch Senatsbeschlüsse vom 5.
März 2014

XII
[X.]
220/11
FamRZ 2014, 826 Rn.
12, vom 17.
Juli 2013

XII
[X.]
700/12

FamRZ 2013, 1567
Rn.
16 und vom 19.
Dezember 2012

XII
[X.]
169/12

FamRZ
2013, 437 Rn.
19).
Denn in der hier maßgeblichen Zeit zwischen Verkündung der Entschei-dung am 29.
August 2012 und Ablauf der Beschwerdefrist nach [X.] (§
63 Abs.
3 Satz
2 FamFG) Ende Februar 2013 lag nur eine einschlägige, in einer Fachzeitschrift veröffentlichte [X.]s-entscheidung vor; diese sprach
für die Auffassung der Verfahrensbevollmäch-tigten des Antragstellers ([X.] [Beschluss vom 18.
Juni 2012]
FamRZ
2013, 470, 471; s.
auch [X.] [Beschluss vom 29.
Januar 2013]
FamRZ 2013, 1913, 1914, dessen Entscheidung zu jenem Zeitpunkt allerdings noch nicht in
einer Fachzeitschrift veröffentlicht war). Ferner wurde diese Auffassung, die §
63 Abs.
3 Satz
2 FamFG beim bloßen Unterbleiben der Zustellung für nicht anwendbar hielt, von wesentlichen Teilen der Kommentarliteratur gestützt 42
43
-
16
-
(Joachim/[X.] in Bahrenfuss FamFG [2009]
§
63 Rn.
7; Prütting/[X.]/[X.] FamFG 2.
Aufl. [2011] §
63 Rn.
11; [X.]/[X.] 29.
Aufl. §
63 FamFG Rn.
6 und

damals noch
[X.] FamFG 17.
Aufl. [2011] §
63 Rn.
44; aA damals noch [X.]/[X.]/[X.] Familienrecht 5.
Aufl. [2010] §
63 FamFG Rn.
14 und [X.]/[X.]/[X.]/[X.] FamFG [2009]
§
63 Rn.
9).

III.
Gemäß §
117 Abs.
1 Satz
4 FamFG, §
522 Abs.
1 Satz
4
[X.]. §
577 Abs.
4 Satz
1 ZPO ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen. Dieses wird unter Berücksichti-gung der Ausführungen des Senats über die Wiedereinsetzung
und anschlie-ßend in der Sache zu entscheiden haben.
Dose

[X.]

Schilling

Nedden-Boeger

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 29.08.2012 -
2 F 20/11
-

OLG [X.], Entscheidung vom 02.10.2013 -
16 UF 204/13 -

44

Meta

XII ZB 571/13

11.03.2015

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.03.2015, Az. XII ZB 571/13 (REWIS RS 2015, 14255)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 14255

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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