Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.02.2017, Az. XII ZB 405/16

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 15583

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:150217BXII[X.]405.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 405/16
vom

15. Februar 2017

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG §§ 63 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2, 219 Nr. 3; [X.] §§ 14 Abs. 1 u. 4, 45 Abs. 1; [X.] § 4 Abs. 5
a)
Die [X.] des § 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 FamFG gelten nicht für einen Muss-Beteiligten, der im ersten Rechtszug nicht als Beteiligter hinzugezogen worden und dem der instanzabschließende Beschluss nicht bekanntgegeben worden ist.
b)
Das bei der [X.] zu begründende Anrecht ist nicht als monatlicher Rentenbetrag, sondern als Kapitalbetrag in Höhe des [X.] zu bestimmen.

[X.], Beschluss vom 15. Februar 2017 -
XII [X.] 405/16 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-

Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 15. Februar 2017
durch
den Vorsitzenden Richter Dose,
[X.] Klinkhammer, Schilling, Dr.
Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Be-schluss des 3. [X.]s für Familiensachen des [X.] vom 27. Juli 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Ober-landesgericht zurückverwiesen.
[X.]: 1.305

Gründe:
I.
Auf den
am 28. August 2014
zugestellten Antrag hat das [X.] die am 26. Juli 1996
geschlossene Ehe des Antragstellers (im Folgenden: Ehemann) und der Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Das [X.] hat Versorgungsaus-künfte für die von ihm angenommene Ehezeit vom 1. Juli 1996 bis 31. August 2014
eingeholt. Danach hat der Ehemann unter anderem ein betriebliches An-recht bei der Beteiligten zu 6 erworben, dessen Ehezeitanteil der [X.] mit einer
monatlichen Rentenhöhe von

angegeben und als Ausgleichswert eine monatliche Rentenhöhe von 404,69

vorgeschlagen hat. 1
-
3
-

Den

n-gegeben
und daraus
-
nach

-
einen mit dem Ausgleichswert
korrespondierenden
hälftigen
Kapitalwert von

errechnet.
Das [X.] hat mit am 16. März 2015 verkündetem Be-schluss das
Anrecht auf Verlangen des Versorgungsträgers extern geteilt und zulasten des Anrechts des Ehemanns bei der Beteiligten zu 6 ein Anrecht zu-31.
August 2014, auf einem für sie
zu errichtenden [X.] bei der [X.] begründet sowie die Beteiligte zu 6 verpflichtet, 1. September 2014
bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den [X.] an den Versorgungsträger der Ehefrau
zu zahlen. Diese
Ent-scheidung ist der [X.], die nicht am erstinstanzlichen Verfahren beteiligt worden ist,
nicht zugestellt worden. Allen übrigen Beteiligten
ist die Entscheidung
bis spätestens 24. April 2015
zugestellt worden.
Am 2. Februar 2016 hat die [X.] Beschwerde eingelegt, nachdem sie am 27. Januar 2016
Kenntnis
von der Entscheidung erlangt hatte. Auf die Beschwerde hat das [X.] die
erstinstanzli-che Entscheidung hinsichtlich des betroffenen
Anrechts
abgeändert
und zulas-ten des Anrechts des Ehemanns bei der Beteiligten zu 6 ein Anrecht zugunsten einem für sie zu errichtenden [X.] bei der [X.] begründet sowie die Beteiligte zu 6 ver-

% p.a. ab dem 1. September 2014
bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich an den Versorgungsträger der Ehefrau zu zahlen. Hier-gegen richtet sich die
zugelassene Rechtsbeschwerde der Ehefrau.
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4
-

II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des angefoch-tenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesge-richt.
1. Das [X.] hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Beschwerde sei als fristgerecht eingelegt anzusehen. Mangels schriftlicher Bekanntgabe an die [X.] habe die einmonatige Be-schwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG ihr
gegenüber nicht zu laufen begonnen.
Auch die fünfmonatige Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG habe gegenüber der [X.] nicht zu laufen begonnen, denn dies würde voraussetzen, dass die Zustellung an sie nicht habe
bewirkt werden können.
Auf den Fall,
dass ein zwingend zu [X.] tatsächlich nicht am Verfahren beteiligt worden sei, sei die Vorschrift nicht anwendbar. Dafür spreche schon, dass die Versagung des Beschwerderechts für einen "vergessenen", zwingend am Verfahren zu [X.]
nur schwer
mit Art. 103 Abs. 1 und Art. 20 Abs.
3 GG zu vereinbaren wäre. Die grundsätzlich gegebenen Möglichkeiten einer Wiedereinsetzung oder eines
Wiederaufnahmeverfahrens
reichten zur Gewährleistung der im Grundgesetz verankerten Rechte nicht aus, weil auch diese nur in engen Grenzen
gewährt werden könnten. Eine
Rechtsmittelfrist für die [X.] könne daher allenfalls in entsprechender An-wendung des § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG durch die Kenntnisnahme von dem Beschluss am 27. Januar 2016
in Gang gesetzt worden sein; diese Frist sei allerdings gewahrt.
Die Beschwerde sei auch begründet, da die vom [X.] gefass-te [X.] den unzutreffenden Eindruck aufkommen lasse, dass die [X.] der Ehefrau im Falle des [X.] einen bestimmten monatlichen Rentenbetrag schulde; richtigerweise würden Pflichten 3
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im Rahmen einer externen Teilung aber lediglich insoweit begründet, als der Versorgungsträger der ausgleichspflichtigen Person den Ausgleichswert als Kapitalbetrag an den Versorgungsträger der ausgleichsberechtigten Person zu zahlen habe. Sei dieser Betrag nicht bereits als Kapitalwert bestimmt, so habe der Versorgungsträger den korrespondierenden Kapitalbetrag zu zahlen. Einer Feststellung des an sich vom Versorgungsträger des [X.] an-gegebenen [X.] in der [X.] bedürfe es dann nicht. Die [X.] müsse nämlich hinreichend bestimmt und zur Zwangsvollstre-ckung im Verhältnis zwischen den beteiligten Versorgungsträgern geeignet sein. Das für den Ausgleichsberechtigten bei der [X.] zu begründende Rechtsverhältnis richte
sich allein nach den Rechtsgrundlagen des Zielversorgungsträgers.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in al-len Punkten stand.
a) Mit rechtlich zutreffenden Erwägungen ist das [X.] von der Zulässigkeit der Erstbeschwerde ausgegangen. Nachdem die [X.]skasse entgegen der zwingenden Vorschrift des § 219 Nr. 3 FamFG weder am erstinstanzlichen Verfahren beteiligt noch ihr der erstinstanz-liche Beschluss zugestellt worden war, konnte eine Rechtsmittelfrist für sie [X.] nicht vor der Möglichkeit einer Kenntnisnahme von dem Beschluss be-ginnen.
aa) Allerdings ist in Rechtsprechung und Literatur
umstritten, welche [X.] für einen zwingend am Verfahren zu [X.] laufen, wenn dieser tatsächlich nicht am Verfahren beteiligt worden ist, auch anderwei-tig keine Kenntnis vom Verfahren erlangt hat und ihm der
instanzabschließende Beschluss nicht bekannt gegeben worden ist.
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6
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(1) Verbreitet
ist die Auffassung, wonach
in einem solchen Fall die Rechtsmittelfrist für den vergessenen Beteiligten mit der zeitlich letzten schriftli-chen Bekanntgabe an die formell Beteiligten in Gang gesetzt
werde. Dies sei im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit erforderlich
und entspreche auch der Intention des Gesetzgebers, wie sie
in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des [X.] zu § 63 Abs. 3 FamFG (BT-Drucks. 16/9733 S. 289) zum Ausdruck komme. Danach stelle die vom [X.] vorgeschlagene Einfügung klar, dass derjenige, der
am erstinstanzli-chen Verfahren nicht beteiligt gewesen sei, aber von dem Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt werde und daher beschwerdebefugt sei, nur fristgemäß Beschwerde einlegen könne, bis die Frist für den letzten Beteiligten abgelaufen sei. Der vergessene Beteiligte werde ausreichend dadurch geschützt, dass er nach Ablauf der für ihn maßgeblichen
Rechtsmittelfrist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen könne
([X.] Beschluss vom 4. Oktober 2011 -
17 W 16/11 -
juris Rn. 12 ff.; [X.] FamRZ
2011, 396, 397;
[X.]/Sternal FamFG 19. Aufl. § 63 Rn. 45 ff., 45d;
Bumiller/[X.]/[X.] FamFG 11. Aufl. § 63 Rn. 6; [X.] 2011, 361, 363;
Preuß [X.] 2010, 265, 276
ff.; [X.] [X.] 2009, 725, 727
f.; [X.] 2010, 425, 431; Bassenge/[X.]/[X.] FamFG 12. Aufl. § 63 Rn. 5; [X.]/[X.] ZPO 31. Aufl. § 63 FamFG Rn. 6; [X.] Das Rechtsmittelrecht nach dem FamFG S. 88; vgl. auch [X.] [X.] 2010, 2, 8 ff.).
Vereinzelt wird vertreten, dass für diesen Fall die fünfmonatige Frist des § 63 Abs. 3 FamFG gelte (vgl. [X.] 2010, 32, 37).

(2) Anderer Auffassung zufolge
beginnt
eine Rechtsmittelfrist für einen vergessenen Beteiligten ohne eine nachgeholte Bekanntgabe an ihn überhaupt 9
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nicht zu laufen ([X.], 1913, 1914; [X.] [X.], 68, 69 und [X.], 333; [X.] FamRZ 2014, 681; OLG Düsseldorf [X.], 521 und [X.], 1048, 1049; Musielak/[X.] FamFG 5. Aufl. § 63 Rn. 10; [X.]/[X.]/[X.] Familienrecht 6.
Aufl. § 9 [X.] Rn. 15; [X.] 2009, 268, 270; Brambring [X.] 2009, 394, 395; [X.] Rpfleger 2011, 53, 64; vgl. auch [X.] [X.] 7. Aufl. Rn. 1393; [X.] DNotI-Report 2009, 145, 150).
Teilweise wird vertreten, die Rechtsmittelfrist beginne für den vergesse-nen Beteiligten in entsprechender Anwendung des § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG mit dem Empfang der Entscheidung in Textform zu laufen
([X.]. Rn. 615; Prütting/[X.]/[X.] FamFG 2. Aufl. § 63 Rn.
7a; MünchKommFamFG/[X.] 2. Aufl. § 63 Rn. 34
ff.).
Beides wird
-
wie auch in der angefochtenen Entscheidung -
damit begründet, dass [X.] die Verfahrensgrundrechte des vergessenen Beteiligten verletzt würden.
bb)
Zutreffend ist die Auffassung, wonach eine Rechtsmittelfrist für den nicht hinzugezogenen Beteiligten jedenfalls nicht vor der Möglichkeit seiner
Kenntnisnahme von der anzufechtenden Entscheidung beginnt.

(1) Für das Verfahren auf Auskunftserteilung nach dem [X.] hat der [X.] bereits durch Beschluss vom 5. Dezember 2012 (I [X.] 48/12 -
NJW-RR 2013, 751 Rn. 21 ff.) entschieden, dass der Wort-laut des § 63 Abs. 3 FamFG keinen hinreichenden Anhaltspunkt dafür
bietet, dass die dort geregelte Beschwerdefrist auch für diejenigen gelten soll, die am erstinstanzlichen Verfahren nicht
beteiligt waren, aber durch
den
Beschluss in ihren Rechten beeinträchtigt werden und daher beschwerdebefugt sind. Die davon abweichende Begründung zur Beschlussempfehlung des [X.]es zu § 63 Abs. 3 FamFG kann
danach für die Auslegung der Vorschrift 12
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nicht maßgeblich sein. Die vorrangig am objektiven Sinn und Zweck des Geset-zes zu orientierende Auslegung kann
nicht durch Motive gebunden werden, die im Gesetzgebungsverfahren dargelegt wurden, im Gesetzeswortlaut aber kei-nen Ausdruck gefunden haben
([X.] Beschluss vom 5. Dezember 2012

I
[X.] 48/12

NJW-RR 2013, 751 Rn. 21).
Die Beschwerdefrist des § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG kann
zudem nicht für einen in seinen
Rechten Betroffenen gelten, dessen
Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), ein
faires Verfahren (Art. 20 Abs. 3 GG) und die Gewährleistung von Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) sonst verletzt würde.
Einen Anspruch auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren hat
nicht nur derjenige, der an einem gerichtlichen Verfahren als Partei oder in ähnlicher Stellung beteiligt ist, sondern auch derjenige, der unmittelbar rechtlich von ei-nem solchen Verfahren betroffen ist
(vgl. [X.] 101, 397, 404
mwN). Die Rechtsschutzgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG erfordert
zwar keine zeitlich unbegrenzte Zugänglichkeit des Rechtsweges; der Anspruch des Einzelnen auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle darf
aber nicht in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. [X.] 101, 397, 408
mwN; [X.] Beschluss vom 5. Dezember 2012

I
[X.] 48/12

NJW-RR 2013, 751 Rn. 23).

Ebenso hat auch der erkennende [X.]
bereits für das Kindschaftsver-fahren ausgesprochen, dass ohne die erforderliche Beteiligung der Mutter eine Entscheidung des Amtsgerichts nicht in formelle Rechtskraft erwachsen kann
([X.]sbeschluss vom 4. Juni 2014 -
XII [X.] 353/13 -
FamRZ 2014, 1357 Rn.
5).
(2)
Der materiell Betroffene könnte in einem solchen Fall auch nicht auf das Wiederaufnahmeverfahren gemäß § 48 Abs. 2 FamFG in Verbindung mit §
579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO (analog) anstelle des Zugangs
zum Rechtsmittelverfah-15
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9
-

ren verwiesen werden
(vgl.
[X.], 1913, 1914). Andernfalls ließe man nämlich eine unter Verletzung von [X.] Entscheidung in Rechtskraft erwachsen. Dies ist zwar auch bei der Anhö-rungsrüge nach § 321
a ZPO bzw. § 44 FamFG der Fall und begegnet
insoweit keinen durchgreifenden Bedenken. Indessen handelt
es sich bei der Anhö-rungsrüge um einen Rechtsbehelf, der zu einer Nachprüfung der angefochte-nen Entscheidung unter dem speziellen Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs nicht in einem neuen, sondern in demselben Verfahren und in derselben In-stanz führt. Im Verfahren der Wiederaufnahme geht
es hingegen nicht um die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung in demselben Verfahren und dessen Fortführung, sondern um ein neues Verfahren, wenn auch vor [X.]. Die mit Blick auf Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 i.V.m.
Art. 20 Abs. 3 GG den Gerichten obliegende Heilung vorangegangener [X.]-verstöße setzt indessen eine Gewährung des rechtlichen Gehörs und des effek-tiven
Rechtsschutzes noch in demselben Verfahren voraus. Demgegenüber ist der Verweis auf ein ordnungsgemäß geführtes späteres
Verfahren, mit dem der Gehörsverstoß "geheilt"
werde,
jedenfalls dann unzulässig, wenn bereits das erste Verfahren Rechtsfolgen auslöst, die in dem sich anschließenden Verfah-ren prozessual nicht mehr beseitigt werden können (vgl. [X.] 42, 172, 175
f.). Für die Auslegung des Rechtsmittelrechts und hier des § 63 Abs. 3 Satz
1 FamFG bedeutet dies, dass von [X.] wegen einer Auslegung der Vorzug zu geben ist, die eine Heilung des [X.]verstoßes durch Nachholung des rechtlichen Gehörs und des effektiven Rechtsschutzes noch im selben Verfahren erlaubt.
Hinzu kommt, dass die Anwendung der Regeln über die [X.] nicht ohne weiteres möglich ist, sondern es dazu einer über den Gesetzes-wortlaut hinausgehenden Auslegung und Anwendung sowohl des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO als auch des § 586 Abs. 2 Satz
2 ZPO bedürfte. So regelt § 579 18
-
10
-

Abs.
1 Nr. 4 ZPO unmittelbar lediglich den Fall der nicht ordnungsgemäßen ge-setzlichen Vertretung und betrifft den hier vorliegenden Fall einer unterbliebe-nen formellen Beteiligung am Verfahren allenfalls
in analoger Anwendung. §
586 Abs. 2 Satz
2 ZPO sieht für die Statthaftigkeit einer Wiederaufnahmekla-ge eine mit Eintritt der Rechtskraft und unabhängig von der Kenntnisnahme der Entscheidung beginnende Frist von fünf Jahren vor und bedarf, sollen die ver-fassungsrechtlich garantierten Rechte des nicht formell beteiligten Betroffenen geschützt werden, einer teleologischen Reduktion für den Fall der (analogen) Anwendung des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ([X.]/Greger
ZPO 31. Aufl.
§ 586 Rn.
20 ff.
zu § 586 Abs. 2 Satz
2 ZPO in den Fällen des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Beides begegnet auch mit Rücksicht auf das Gebot der Rechtsmittelklar-heit verfassungsrechtlichen Bedenken
und ist einem Verständnis des § 63 Abs.
3 Satz
1 FamFG, welches
[X.] für einen vergessenen Betei-ligten nicht in Lauf setzt, nicht vorzugswürdig (vgl. [X.]
FamRZ 2013, 1913, 1914).
Auch durch die
Vorschriften
über die
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand werden die Rechte vergessener
Beteiligter
nicht ausreichend gewahrt, da eine solche nur bis zum Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, beantragt oder ohne Antrag bewilligt werden
kann (§
18 Abs. 4 FamFG; § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m.
§ 234 Abs. 3 ZPO).
(3)
Für diese Auffassung spricht auch, dass der Gesetzgeber
durch Ge-setz vom 11. Oktober 2016 ([X.]) die Regelung des § 145 Abs. 3
FamFG eingefügt hat, wonach durch die Anschließung an die Beschwerde ei-nes Versorgungsträgers der Scheidungsausspruch nicht angefochten werden kann.
Zur Gesetzesbegründung wurde angeführt, dass eine Verbundentschei-dung -
einschließlich des [X.] -
nicht rechtskräftig werden könne, wenn ein Versorgungsträger entgegen § 219 Nr. 2
oder
3 FamFG nicht 19
20
-
11
-

beteiligt oder einem beteiligten Versorgungsträger die Entscheidung nicht [X.] gegeben werde, denn die Beschwerdefrist für den betroffenen [X.] werde erst durch die schriftliche Bekanntgabe der Entscheidung an diesen in Gang gesetzt (§ 63 Abs.
3 FamFG). Werde der Fehler nicht bemerkt, sei die Erteilung eines fehlerhaften [X.] nicht ausgeschlos-sen und aufgrund dessen könne es bei einer kurzfristig nach dem Eheschei-dungsverfahren geschlossenen neuen Ehe zu einer Doppelehe kommen. Um deren komplizierte Rechtsfolgen zu vermeiden, werde das Anschlussrechtsmit-tel der Ehegatten zum Scheidungsausspruch im Falle des (späteren) Rechts-mittels eines Versorgungsträgers ausgeschlossen
(vgl. BT-Drucks. 18/6985 S.
16).
Mit diesen Erwägungen hat der Gesetzgeber es hingenommen, dass die Rechtsprechung -
entgegen der ursprünglich vom Rechtsausschuss des [X.] verfolgten Intention -
Rechtsmittel von vergessenen Beteiligten in ver-fassungskonformer Auslegung auch
noch nach Ablauf der für die übrigen Betei-ligten geltenden [X.] für zulässig erachtet
hat.
(4)
Aus der [X.]sentscheidung vom 11. März 2015 (XII [X.] 571/13
-
[X.], 839) ergibt sich nichts anderes. Dort hat der [X.] den Lauf der nach fünf Monaten beginnenden Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG für eine dem Beteiligten nicht zugestellte Entscheidung unter der Voraussetzung ange-nommen, dass der Beteiligte zum Verfahren hinzugezogen worden und die [X.] Entscheidung wirksam verkündet worden war. Dies ist hier nicht der Fall.
Die fünfmonatige Auffangfrist gilt
auch nicht analog für diejenigen, die
-
wie hier die [X.] -
am erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt worden
sind, aber von dem Beschluss in ihren Rechten beein-trächtigt werden, weil sonst deren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 21
22
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-
12
-

Abs. 1 GG), ein faires Verfahren (Art. 20 Abs. 3 GG) und die Gewährleistung von Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) verletzt würde. Sie haben -
anders als die zum Verfahren Hinzugezogenen
-
keine Kenntnis von dem Verfahren und daher auch keinen Anlass, sich nach dessen Stand zu erkundigen
(vgl. [X.] Be-schluss vom 5. Dezember 2012 -
I [X.] 48/12 -
NJW-RR 2013, 751 Rn. 26; s.
auch [X.]sbeschluss vom 21. Juli 2010 -
XII [X.] 135/09 -
FamRZ 2010, 1646
Rn. 14
mwN).
cc) Hier
kann offenbleiben, ob für denjenigen, der am erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt war, aber von dem Beschluss in seinen Rechten beein-trächtigt ist, keine Beschwerdefrist gilt oder ob die Beschwerdefrist für ihn in entsprechender Anwendung des § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG mit einer schriftli-chen Bekanntgabe des Beschlusses an ihn oder einer anderweitigen Kenntnis-nahme beginnt. Denn diese Frist wäre jedenfalls durch die am 2. Februar 2016 eingelegte Beschwerde eingehalten, nachdem die [X.] erstmals am 27. Januar 2016
Kenntnis von der Existenz und dem Inhalt des Beschlusses erhalten hat.
b) Die Erstbeschwerde war auch nicht etwa deshalb unzulässig, weil mit ihr keine sachliche Änderung
der Ausgangsentscheidung, sondern lediglich de-ren
Klarstellung
erstrebt worden sei, welche
im Wege einer
Berichtigung gemäß § 42 FamFG hätte ausgesprochen werden können und müssen.
Eine Berichtigung der erstinstanzlichen
[X.] gemäß § 42 FamFG wäre nur in Betracht gekommen, um einem
in der [X.] oder sprachlich falsch zum Ausdruck gebrachten, davon abweichenden tatsächlichen Entscheidungswillen des Gerichts Geltung zu verschaffen
([X.] NJW-RR 1986, 1447; [X.]/[X.] FamFG 19. Aufl. § 42 Rn.
21). Das hätte vorausgesetzt, dass
sich die Tatsache eines anderen, von der Formel abweichenden Entscheidungswillens aus dem Zusammenhang des 24
25
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13
-

Beschlusses selbst ergeben
hätte (vgl. [X.] NJW-RR 1986, 1447).
Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor, da das [X.] ausweislich der Entscheidungsgründe wollte
und dies
mit der [X.] übereinstimmt.
c)
Die Rechtsbeschwerde ist allerdings in der Sache begründet.
aa) Im Ausgangspunkt zutreffend und auch von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen hat das [X.] das bei der [X.] zu begründende Anrecht nicht als monatlichen Rentenbetrag, sondern als Kapitalbetrag in Höhe des [X.] bestimmt
14 Abs. 1, 4 [X.]). Dieser entspricht dem hälftigen [X.] nach § 45 Abs. 1 [X.] i.V.m. 4 Abs. 5 [X.]
und
bildet
die Grundlage für die spätere von der [X.] zu beziehende Versor-gung (vgl. § 7 Abs. 2 der Satzung der [X.]
Pensions-kasse VVaG,
Stand: 24. Oktober 2013).
bb) [X.] ist das [X.] allerdings von einem Ehe-zeitende am 31. August 2014 ausgegangen. Der Scheidungsantrag der Ehefrau ist dem Ehemann am 28. August 2014 zugestellt worden, wovon auch das [X.] ausgeht. Gemäß § 3 Abs. 1 [X.] endet die für den Versorgungsausgleich maßgebliche Ehezeit am letzten [X.] vor Zustellung des Scheidungsantrags, das ist hier der 31. Juli 2014.
Durch diesen Rechtsfehler ist
zwar die das Rechtsmittel führende Ehe-frau nicht beschwert, weil ein auf die kürzere Ehezeit ermittelter Ehezeitanteil, der sich aus monatlich erworbenen Bausteinen zusammensetzt, nicht höher ausfallen kann als der vom [X.] zugrunde gelegte. Der [X.] hat jedoch außerdem vom ehezeitlichen Kapitalwert der Versor-e-27
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30
-
14
-

setz eine Verrechnung von [X.] mit den Anrechten bei der externen
Teilung nicht zulässt, sondern nur bei der internen Teilung (§ 13 [X.]). Dieser weitere Rechtsfehler wirkt sich zulasten der Ehefrau aus. Dass er durch den erstgenannten, der Ehefrau günstigen Berechnungsfehler vollständig auf-gewogen wird, kann der [X.] nicht feststellen.
3.
Die angefochtene Entscheidung kann deshalb keinen Bestand haben. Der [X.] kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da die Einholung einer neuen Versorgungsauskunft
erforderlich ist,
bezogen auf das Ehezeitende am 31. Juli 2014
und ohne Berücksichtigung von [X.].
Bei der neuen
Abfassung der [X.] ist sodann zu beachten, dass das zu begründende Anrecht auf das Ehezeitende als den letzten [X.] vor Zustellung des Scheidungsantrags zu beziehen ist und nicht auf den ersten Tag des darauf folgenden Monats. Nur
die Verzinsung des [X.] beginnt am ersten Tag des darauf folgenden Monats, so dass sich das

31
32
-
15
-

Ehezeitende und der Beginn der Verzinsung um genau einen [X.].
Dose
Klinkhammer
Schilling

Nedden-Boeger
Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 16.03.2015 -
30 [X.]/14 -

OLG [X.], Entscheidung vom 27.07.2016 -
3 UF 12/16 -

Meta

XII ZB 405/16

15.02.2017

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.02.2017, Az. XII ZB 405/16 (REWIS RS 2017, 15583)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 15583

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
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Zitiert

XII ZB 405/16

I ZB 48/12

XII ZB 353/13

XII ZB 571/13

XII ZB 135/09

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x

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