Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.04.2014, Az. V ZB 110/13

V. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6329

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

V ZB 110/13

vom

10. April 2014
in der Zurückschiebungshaftsache

-
2
-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am
10. April 2014
durch die
Vorsitzende Richterin [X.], [X.] Lemke, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richter
Dr.
[X.] und
Dr. Kazele

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des [X.] vom 18. Juli 2013 im Kostenpunkt und insoweit
aufgehoben, als
zum Nachteil des Betroffenen entschie-den worden ist.

Es wird festgestellt, dass der Beschluss des [X.] vom 23. Juni 2013 den Betroffenen auch in dem Zeitraum vom 18. Juli 2013 bis zum 2. August 2013 in seinen Rechten ver-letzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des
Betroffenen in allen Instanzen werden der [X.] auferlegt.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 3.000

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Gründe:
I.
Der
Betroffene
ist
Staatsangehöriger von [X.]. Nachdem er sich zunächst in [X.] aufgehalten und später einen Asylantrag in [X.]
gestellt hatte, reiste er am
23.
Juni 2013 über [X.] in das [X.] ein, ohne über einen Aufenthaltstitel
zu verfügen.
Die beteiligte Behörde erließ noch am selben Tag eine Verfügung über die Zurückschiebung des Betroffenen nach [X.]
und beantragte [X.], die das Amtsgericht ebenfalls am 23.
Juni 2013 anordnete
und bis zum 3.
August 2013 befristete.
Am 8.
Juli 2013 stellte der Betroffene einen Asylantrag in [X.].
Die [X.] Behörden erklärten am 10.
Juli 2013 die Bereitschaft zur Rückübernahme.
Auf die
Beschwerde des Betroffenen hat das [X.] mit Beschluss vom 18.
Juli
2013 festgestellt, dass die Haftanordnung ihn
bis zum 17.
Juli 2013 (dem Tag der persönlichen Anhörung im Beschwerdeverfahren) in seinen Rechten verletzt habe; im Übrigen hat das [X.] die Beschwerde [X.]. Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt der Betroffene, der am 2. August 2013 aus der Haft entlassen wurde,
die Feststellung, dass der Beschluss des Amtsgerichts ihn auch über den 17.
Juli 2013 hinaus in seinen Rechten verletzt hat.
II.
Das Beschwerdegericht meint,
die Mängel der erstinstanzlichen Haftan-ordnung seien im Beschwerdeverfahren behoben, insbesondere die unzulängli-chen Angaben zur erforderlichen Haftdauer ausreichend ergänzt worden.
Die beteiligte Behörde
sei für die Antragstellung zuständig. Der erst aus der Haft 1
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gestellte Asylantrag stehe nach §
14 Abs.
3 Satz
1 Nr.
5 AsylVfG der [X.] nicht entgegen. Dass eine Rücküberstellung nach [X.] wegen der dortigen Menschenrechtslage vor den Verwaltungsgerichten mit [X.] angefochten werden könne, lasse sich nicht mit der erforderlichen Sicher-heit prognostizieren.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist nach Erledigung der Hauptsache mit dem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG ohne Zulassung nach
§ 70 Abs. 3 Nr.
3 FamFG statthaft (vgl. nur Senat, Beschluss vom 29. April 2010

V
ZB
218/09, [X.] 2010, 359, 360), form-
und fristgerecht gemäß § 71 FamFG eingelegt und hat Erfolg.
Der
Betroffene ist durch den die Haft anordnenden Beschluss des [X.] auch in dem Zeitraum
vom
18. Juli 2013
bis 2. August 2013 in seinen Rechten verletzt. Das Beschwerdegericht hätte die Haftanordnung nicht [X.] dürfen, weil im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr davon auszugehen
war, dass
die Zurückschiebung des Betroffenen innerhalb der bis zum 3.
August 2013 befristeten Haftdauer würde erfolgen können.
1.
Da die Haft nach §
57
Abs.
3, § 62 Abs.
3 Satz
1 [X.] der [X.] dient, darf sie nicht aufrechterhalten werden, wenn sich im Beschwerdeverfahren ergibt, dass eine Zurückschiebung innerhalb des angeordneten Haftzeitraums nicht mehr durchgeführt werden kann. Eine mögli-che, aber (noch) nicht angeordnete Haftverlängerung ist dabei nicht zu berück-sichtigen. Die Aufrechterhaltung der angeordneten [X.]
bis zu der Entscheidung über eine Haftverlängerung ist nämlich nicht zulässig. Sie diente dann nicht mehr unmittelbar der Sicherung der Zurückschiebung. Eine nur mit-5
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telbare Sicherung dieses Zwecks sieht das Gesetz nicht vor (vgl. Senat, [X.] vom 21.
März 2013

V
ZB
122/12, juris Rn.
9).
2. Aus der maßgeblichen [X.] im Zeitpunkt der ursprünglichen Haftanordnung erschien zwar eine Zurückschiebung bis zum 3.
August 2013 durchführbar. Während des Beschwerdeverfahrens trat aber in Folge des von dem Betroffenen gestellten Asylantrags eine wesentliche Änderung ein. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Zurückschiebung
auch während des [X.] zulässig ist.
Die beteiligte Behörde hat
nämlich

wie dem angegriffenen Beschluss zu entnehmen ist

angekündigt, dass vor einer Rück-überstellung des Betroffenen die Rechtsmittelfrist für die Anfechtung des erwar-teten Bescheides des [X.] ([X.]) abge-wartet werden sollte. Mithin sollte die
Zurückschiebung erst nach dem be-standskräftigen Abschluss des
Asylverfahrens erfolgen.
Damit war
der
Progno-se, ob die Zurückschiebung innerhalb der Haftdauer erfolgen kann, auch diese Erklärung der beteiligten Behörde zugrunde
zu legen. Bei Berücksichtigung
die-ser Erklärung aber konnte nicht mehr von einer Zurückschiebung innerhalb der angeordneten Haftdauer ausgegangen werden.
Der Bescheid des [X.]
lag im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung am 18.
Juli 2013 lediglich als Entwurf
vor und war demgemäß noch nicht zuge-stellt. Selbst bei einer Zustellung am folgenden Tag
(19.
Juli)
hätte die Be-standskraft frühestens nach Ablauf der zweiwöchigen Klagefrist (§
74 Abs.
1 AsylVfG)
am 3.
August 2013 eintreten können. Nach den Ausführungen der beteiligten Behörde im Haftantrag
wären aber

im Anschluss an die Abstim-mung mit dem Zielland [X.] über eine Überstellung, die nach den Erfahrun-gen der Behörde 14
Tage in Anspruch nimmt
und die gegebenenfalls parallel zum Ablauf der Klagefrist hätte erfolgen können

zumindest noch mehrere wei-tere Tage für die [X.] sowie für Postläufe erforderlich
gewesen. 8
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Infolgedessen
konnte im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr mit einer Zurückschiebung bis zum 3. August 2013 gerechnet werden; im Übrigen hatte
der Betroffene in der Anhörung vor dem Beschwerdegericht
angekündigt, den erwarteten Bescheid des [X.]
anzufechten.
3. Soweit das Beschwerdegericht ausführt, die beteiligte Behörde beab-sichtige
nunmehr, in Vollzug des

noch nicht erlassenen

Bescheids des [X.]
eine Abschiebung durchzuführen, führt dies zu keiner anderen Bewer-tung. Die Voraussetzungen für die Anordnung von Haft zur Sicherung einer Ab-schiebung
lagen zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht vor.
Auch eine [X.] vollziehbare Ausreisepflicht des Ausländers darf nicht durch Abschiebung durchgesetzt werden, wenn es an einer für die Vollstreckung erforderlichen Voraussetzung fehlt.
Hierzu gehört die nach § 59 [X.] notwendige Abschiebungsandrohung (vgl. Senat, Beschluss vom 16.
Mai 2013

[X.], NVwZ 2013, 1361 Rn. 9). Zwar kann die Abschie-bungsandrohung zugleich

wenn die Ausreisepflicht nicht durch einen Verwal-tungsakt (bspw. durch eine Ausweisungsverfügung nach §§ 53 bis 55
[X.]) statuiert worden ist

die dem Haftrichter nachzuweisende Rückkehr-entscheidung nach Art. 6 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger -
ABl. Nr. L 348 [X.]) begründen. Ohne die

hier fehlende

Abschiebungsandrohung darf eine Siche-rungshaft nach §
62 Abs. 3 [X.] aber grundsätzlich nicht angeordnet oder aufrechterhalten werden. Dass es einer solchen hier ausnahmsweise nicht [X.] (z.B.
nach § 59 Abs. 1 Satz 3 [X.] oder nach § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylVfG),
lässt sich weder dem Haftantrag noch ergänzenden Angaben der be-teiligten Behörde im Rahmen der Anhörung
des Betroffenen entnehmen (vgl.
zu 10
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den notwendigen Darlegungen Senat, Beschluss vom 12.
Dezember 2013

V
ZB 214/12, juris, Rn. 8
mwN).
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs.
2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 [X.] analog.
Die Festsetzung des [X.] folgt aus § 128c Abs. 2 [X.] i.V.m. § 30 Abs. 2 [X.], §
136 Abs. 1 Nr. 2 GNotKG.
Stresemann

Lemke

Schmidt-Räntsch

[X.]

Kazele

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 23.06.2013 -
270 [X.] 52/13 -

LG [X.], Entscheidung vom 18.07.2013 -
2 [X.] -

12

Meta

V ZB 110/13

10.04.2014

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.04.2014, Az. V ZB 110/13 (REWIS RS 2014, 6329)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6329

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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