Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.02.2014, Az. VI ZR 144/13

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 7586

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI [X.]
Verkündet am:
25. Februar 2014
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
[X.] § 1 Abs. 1 Satz
1, § 2, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1
a)
Führt eine übermäßige Überspannung zu Schäden an üblichen Verbrauchsgerä-ten, liegt ein Fehler des Produkts [X.] vor.
b)
Nimmt der Betreiber des Stromnetzes Transformationen auf eine andere [X.] -
hier in die sogenannte Nie[X.]pannung für die Netzanschlüsse von Letztverbrauchern
-
vor, ist er Hersteller des Produkts [X.].
c)
In diesem Fall ist das Produkt [X.] erst mit der Lieferung des Netzbetreibers über den Netzanschluss an den [X.] in den Verkehr gebracht.
[X.], Urteil vom 25. Februar 2014 -
VI [X.] -
LG [X.]

[X.]

-

2

-

Der VI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Februar 2014 durch den Vorsitzenden Richter Galke
und
die Richter Wellner, Pauge, [X.]
und Offenloch

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 16. Zivilkammer des [X.] vom 5. März 2013 wird auf Kosten der [X.] zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger macht gegen die Beklagte
Schadensersatz
wegen eines Überspannungsschadens
geltend.
Die Beklagte ist Betreiberin eines
kommuna-len
Stromnetzes und stellt dieses den Stromproduzenten (Einspeisern) und [X.] zur Verfügung. Dazu transformiert
sie den Strom
auf eine andere Spannungsebene (Nie[X.]pannung).
Der Kläger ist mit seinem Haus an das Nie[X.]pannungsnetz der [X.] angeschlossen.
Am 6.
Mai 2009 gab es eine Störung der Stromversorgung
im
Wohnvier-tel
des [X.].
Nach einem Stromausfall
trat
in seinem
Hausnetz eine Über-spannung
auf, durch die
mehrere
Elektrogeräte
und die Heizung
beschädigt
wurden. Die
Ursache für die Überspannung lag in der Unterbrechung von zwei 1
2
-

3

-

sogenannten
[X.]-Leitern
([X.] = protective earth neutral)
in der Nähe des Hauses des [X.], über die sein Haus mit der Erdungsanlage verbunden war.

Kosten gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] das Urteil des Amtsgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer vom [X.] zu-gelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des amtsge-richtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des
Berufungsgerichts
steht dem Kläger nach §
1 Abs.
1 [X.] ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte abzüg-lich der Selbstbeteiligung gemäß
§
11 [X.] zu. [X.] sei nach §
2 [X.] vom Schutzbereich des Gesetzes als Produkt umfasst. Ein Fehler im Sinne des §
3 [X.] liege vor, wenn berechtigte Sicherheitser-wartungen hinsichtlich des gelieferten Stroms enttäuscht würden, also wenn er unzulässige Spannungs-
oder Frequenzschwankungen aufweise. Die Beklagte sei jedenfalls deshalb im Sinne des §
4 [X.] als Herstellerin
der fehlerhaf-ten [X.] anzusehen, weil sie das Produkt -
durch Transformation auf eine andere Spannungsebene
-
verändert habe.
Ansprüche aus dem [X.] seien nicht durch §
18 Nie-[X.]pannungsanschlussverordnung ([X.])
gesperrt. Der Norm könne keine Be-3
4
5
-

4

-

schränkung der Haftung auf verschuldensabhängige Tatbestände entnommen werden.

II.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
Das Berufungsgericht hat mit Recht eine Haftung der [X.] für die durch die Überspannung verursachten Schäden gemäß §
1 Abs.
1 Satz
1, §
2, §
3 Abs.
1, §
4 Abs.
1 [X.] bejaht.
1. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass durch einen Fehler des Produkts
[X.]
Schäden an üblichen Verbrauchs-geräten des [X.] entstanden sind. Gemäß §
2 [X.] ist neben bewegli-chen Sachen auch [X.] ein Produkt im Sinne des Produkthaftungsgeset-zes. Nach den getroffenen Feststellungen wies die [X.] aufgrund der Überspannung einen Fehler gemäß §
3 Abs.
1 [X.]
auf, der die Schäden an den Elektrogeräten
und der Heizung
verursacht hat.

Ein Produkt hat nach §
3 Abs.
1 [X.] einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände berechtigter-weise erwartet werden kann. Abzustellen ist dabei nicht auf die subjektive Si-cherheitserwartung des jeweiligen Benutzers, sondern objektiv darauf, ob das Produkt diejenige Sicherheit bietet, die die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält (vgl. Senatsurteile vom 16. Juni 2009 -
VI
ZR 107/08, [X.]Z 181, 253 Rn.
12 mwN; vom 17. März 2009 -
VI
ZR 176/08, [X.], 649 Rn.
6; vom 5. Februar 2013 -
VI
ZR 1/12, [X.], 469 Rn.
12).
Die nach §
3 Abs.
1 [X.] maßgeblichen Si-cherheitserwartungen beurteilen sich grundsätzlich nach denselben objektiven 6
7
8
-

5

-

Maßstäben wie die Verkehrspflichten des Herstellers im Rahmen der delikti-schen Haftung gemäß §
823 Abs.
1 [X.] (vgl. Senatsurteil vom 16. Juni 2009 -
VI
ZR 107/08, aaO mwN).
Dabei
kann die Beachtung gesetzlicher Sicher-heitsvorschriften
oder die Befolgung technischer Normen, wie z.B. DIN-Normen oder sonstiger technischer Standards,
von Bedeutung sein, wobei dies aller-dings nicht bedeutet, dass ein Produkt bei Befolgung solcher Normen immer als fehlerfrei angesehen werden müsste
(vgl. BT-Drucks. 11/2447, S.
19; Kullmann in Kullmann/[X.]/[X.]/[X.], Produzentenhaftung, Kza
3604
II
3
b bb
[Stand: Juni
2010]; [X.]/[X.], [X.],
73.
Aufl., §
3 [X.] Rn.
4; zu Verkehrssicherungspflichten Senatsurteil vom 9. September 2008 -
VI
ZR 279/06, [X.], 1551 Rn.
16 mwN).

Die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für den Netzanschluss und dessen Nutzung für die [X.]sversorgung in Nie[X.]pannung vom 1.
November 2006 (Nie[X.]pannungsanschlussverordnung -
[X.], [X.] I S.
2477, zuletzt geändert durch Art.
4
der Verordnung vom 3. September 2010, [X.] I S.
1261) konkretisiert in ihrem Anwendungsbereich die berechtigten Sicherheitserwartungen an das Produkt [X.]
(vgl.
zu der Vorgängerver-ordnung [X.], BB 1991, 917, 920; [X.]., Die Haftung der Versor-gungsunternehmen für Störungen in der [X.], 1988, S.
247 f.;
[X.] in [X.]/[X.], Kommentar zur [X.]-Richtlinie Pro-dukthaftung, Band
1, 1986, Art.
2 Rn.
80 mit Fn.
48; [X.]/[X.], [X.], Neubearb. 2014, §
2 [X.] Rn.
49). Gemäß
§
16 Abs.
3 [X.] hat der Netzbetreiber Spannung und Frequenz möglichst gleichbleibend zu halten;
all-gemein übliche Verbrauchsgeräte und Stromerzeugungsanlagen müssen ein-wandfrei betrieben werden können
(siehe auch [X.]/de Wyl, IR 2007, 77, 80; zu Spannung und Frequenz §
7 [X.], §
5 Abs.
1 Stromgrundversorgungsver-ordnung
-
StromGVV).

9
-

6

-

Danach liegt ein Verstoß gegen die berechtigten Sicherheitserwartungen in das Produkt [X.] jedenfalls dann vor, wenn eine Überspannung
wie im Streitfall zu Schäden an üblichen Verbrauchsgeräten
führt (vgl.
[X.]/de Wyl, aaO; [X.] in Danner/[X.], Energierecht, IV., §
16 [X.] Rn.
9 f.
[Stand: Januar 2007]; de Wyl/[X.]/[X.], Netzanschluss-
und Grundver-sorgungsverordnungen, 2008, §
16 [X.] Rn.
3). In diesem Fall ist der Bereich der Spannungsschwankungen,
mit denen der Verkehr rechnen muss,
nicht mehr eingehalten. Es wird allgemein angenommen, dass zumindest bei über-mäßigen
Frequenz-
oder
Spannungsschwankungen eine Haftung nach §
1 [X.] ausgelöst werden kann
(vgl.
[X.] in Foerste/[X.], [X.], 3.
Aufl., §
47 Rn.
26; [X.], Produkthaftung,
2014,
§
3 Rn.
299; [X.], [X.] 151 (1987), 1, 18; Kullmann
in Kullmann/[X.]/[X.]/[X.], Produzentenhaftung, Kza 3603
II 1 [Stand: September 2008]
und in [X.], 6.
Aufl., §
2 Rn.
5; [X.], [X.], 691, 697;
[X.], 6.
Aufl., §
2 [X.] Rn.
3; [X.]/[X.], aaO, §
2 [X.] Rn.
1 aE; [X.]/[X.], aaO, Rn.
45; [X.]/[X.], NJW 2007, 3601, 3604).

Die Revision wendet ohne Erfolg
ein, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass
nach den Ausführungen
des
gerichtlichen
Sachverständi-gen die redundante Auslegung des Nie[X.]pannungsnetzes der [X.] dem Stand der Technik sowie der geübten Praxis in vielen [X.] Verteilungs-netzen entsprochen und die Anforderungen an die ausreichende Versorgungs-qualität erfüllt
habe. Denn abzustellen ist bei der verschuldensunabhängigen Haftung nach dem [X.] allein auf den Fehler des Produkts, nicht hingegen darauf, ob
und ggf. welche Fehler dem [X.] selbst oder den diesem nachfolgenden Prozessen anhafteten. Im Streitfall
war das
Produkt [X.] fehlerhaft, weil -
wegen
der Unterbrechung der beiden [X.]-Leiter
-
eine übermäßige Überspannung auftrat.
[X.] kann,
wie 10
11
-

7

-

die von der Revision angesprochenen Fälle zu beurteilen sind, in denen
die
Un-regelmäßigkeiten auf besondere Umstände wie etwa Naturgewalten zurückzu-führen sind.

2.
Die Beklagte ist als Herstellerin
des fehlerhaften Produkts [X.] gemäß §
4 Abs.
1 Satz
1 [X.] anzusehen.

a) Nach dieser Vorschrift ist Hersteller im Sinne des Produkthaftungsge-setzes, wer das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein [X.] hergestellt hat. Ebenso wie
Art.
3 Abs.
1 der Richtlinie 85/374/[X.] des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts-
und Verwaltungsvorschriften der Mitglied-staaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte ([X.]. Nr. L 210 vom 7.
August 1985, [X.], zuletzt geändert durch Art. 1 der Richtlinie 1999/34/[X.] vom 10.
Mai 1999, [X.]. Nr. L 141 vom 4. Juni 1999, S.
20) definiert
§
4 Abs.
1 Satz
1 [X.] weder den Begriff des [X.] noch den Begriff des Herstellers direkt. Er bestimmt nur, wer dem [X.] haftungsrechtlich zugeordnet werden muss (vgl. [X.]/[X.], Produkthaftungsrecht und [X.]
-
Produkt-haftungsrichtlinie, 2.
Aufl., [X.] §
4 Rn.
4; [X.], aaO, §
49 Rn.
2). Wer im Einzelfall Hersteller des Produkts [X.] ist, ist im We-ge einer richtlinienkonformen Auslegung des §
4 Abs.
1 Satz
1 [X.] zu ermitteln (vgl.
[X.], Urteil vom 29. Mai 1997 -
C-300/95, Slg.
1997, I-2649
Rn.
38;
[X.],
aaO,
§
3 Rn.
277; [X.]/[X.], aaO, Einl. zum [X.] Rn.
43 ff.). Die Auslegung muss sich so weit wie möglich am Wort-laut und Zweck der Richtlinie ausrichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen (vgl. [X.], Urteile vom 26. November 2008 -
VIII
ZR 200/05, [X.]Z 179, 27 Rn.
19 mwN; vom 21. Dezember 2011 -
VIII
ZR 70/08, [X.]Z 192, 148 Rn.
24 mwN).
In diesem Zusammenhang ist im Streitfall insbesondere zu berücksichtigen, dass die Richtlinie 85/374/[X.] unter anderem das Ziel 12
13
-

8

-

verfolgt, den Schutz der Verbraucher zu gewährleisten (vgl. [X.], Urteil vom 21. Dezember 2011
-
C-495/10, [X.], 34 Rn.
22, 31 -
Dutrueux).
b) Zur
Richtlinie 85/374/[X.]
hat der [X.] unter Be-zugnahme auf die Begründung des [X.] vom 9. September 1976 (Bulletin der [X.], Beilage 11/76, [X.]. zu Art. 1 Nr. 6 = BT-Drucks. 7/5812, S.
6 f. zu Art.
1 Buchst.
e) darauf hingewiesen, dass nach Abwägung der jewei-ligen Rollen der verschiedenen in den Herstellungs-
und Vertriebsketten tätig werdenden Wirtschaftsteilnehmer die Entscheidung getroffen wurde, die [X.] für durch fehlerhafte Produkte verursachte Schäden in
der durch die [X.] geschaffenen rechtlichen Regelung grundsätzlich dem Hersteller und nur in einigen beschränkten Fällen dem Importeur und dem Lieferanten aufzubürden. Da der Lieferant in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle lediglich das [X.] Produkt unverändert weitergibt und nur der Hersteller die Möglichkeit hat, auf die Qualität des Produktes einzuwirken, wird es als angebracht angesehen, die Haftung für fehlerhafte Produkte auf den Hersteller zu konzentrieren (vgl. [X.], Urteil vom 10. Januar 2006 -
C-402/03, [X.], 1409 Rn.
27
ff. -
Skov
und Bilka; Urteil vom 21. Dezember 2011
-
C-495/10, aaO, Rn.
25 -
Dutrueux).

c) Bei der Auslegung des Herstellerbegriffs ist der enge Zusammenhang zu dem Produktbegriff des §
2 [X.] zu berücksichtigen (vgl. [X.]/[X.], aaO,
§
4 [X.] Rn.
12; [X.], aaO,
§
49 Rn.
3).
Der Herstellerbegriff setzt danach grundsätzlich das "Erzeugen eines Produkts" im Sinne des §
2 [X.] voraus (vgl. Kullmann in Kull-mann/[X.]/[X.]/[X.], aaO, [X.] [Stand: Juni 2009]).
Nach der Begründung des [X.] vom 9.
September 1976 sind mit dem Begriff des Herstellers alle Personen gemeint, die in eigener Verantwortung an dem Prozess der Herstellung des Produkts beteiligt waren (vgl. Bulletin der [X.], 14
15
-

9

-

Beilage 11/76, [X.]. zu Art.
2 Nr.
7 = BT-Drucks. 7/5812, S.
7 zu Art.
2 Buchst.
a). In diesem Sinne wird auch im vierten Erwägungsgrund der Richtlinie ausgeführt, dass es der Schutz des Verbrauchers erfordert, dass alle am
Pro-duktionsprozess Beteiligten haften, wenn das Endprodukt oder der von ihnen gelieferte Bestandteil oder Grundstoff fehlerhaft ist (vgl. [X.], Urteil vom 21.
Dezember 2011
-

C-495/10, aaO, Rn.
23 -
Dutrueux; [X.]/[X.], aaO,
§
4 Rn.
3 f.).

d)
Hersteller ist demnach jeder, in dessen Organisationsbereich das Pro-dukt entstanden ist (vgl. [X.]/[X.], [X.], 149, 151; [X.], aaO, §
4 [X.] Rn.
6; [X.]/[X.], [X.], 8.
Aufl., §
4 [X.] Rn.
2; Soergel/[X.], [X.], 13.
Aufl., §
4 [X.] Rn.
3; [X.] auch [X.], [X.] 2012, 197, 201; [X.]/[X.], aaO,
§
4 [X.] Rn.
10). Der Umkehrschluss aus der Lieferantenhaftung nach §
4 Abs.
3 [X.] ergibt, dass die Herstellung vom Produktvertrieb bzw. Pro-dukthandel abzugrenzen ist ([X.]/[X.], aaO,
Rn.
8). Für die Abgren-zung ist entscheidend, ob in die Produktgestaltung oder in eine wesentliche Produkteigenschaft eingegriffen wird oder ob eine im Vergleich mit dem [X.] nur unerhebliche Manipulation am Produkt erfolgt ([X.]/[X.], aaO Rn.
37; [X.]/[X.], aaO,
Rn.
23; [X.], aaO,
Rn.
12; siehe auch
die Beispiele bei Kullmann
in Kull-mann/[X.]/[X.]/[X.], aaO, [X.]
[Stand: September
2008];
[X.].
[X.], 6.
Aufl., §
4 Rn.
16
ff.). Dabei kommt es insbesondere auf die sicherheitsrelevanten Eigenschaften des Produktes an
(vgl. [X.], NJW-RR 2001, 458; [X.], aaO,
Rn.
7, 12). Es kommt hingegen nicht darauf an, ob der Hersteller zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produkts feststellbar war oder nicht. Dieser Gesichtspunkt kann allein für die Frage von Bedeutung sein, ob ein Lieferant gemäß §
4
Abs.
3 [X.] wie 16
-

10

-

ein Hersteller haftet (Senatsurteil vom 21. Juni 2005 -
VI
ZR 238/03, [X.], 1297, 1298).

e) Nach diesen Grundsätzen ist die Beklagte im Streitfall als Herstellerin
des Produkts [X.]
anzusehen. Dies
ergibt sich bereits aus der Feststel-lung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte als Betreiberin des Stromnetzes in
W. Transformationen auf eine andere Spannungsebene, nämlich die soge-nannte Nie[X.]pannung für die Netzanschlüsse von Letztverbrauchern,
vor-nimmt. In
diesem
Fall wird
-
an[X.] als bei einem reinen Lieferungs-
oder Wei-terverteilungsunternehmen
-
die Eigenschaft des Produkts [X.] durch den Betreiber des Stromnetzes in entscheidender Weise verändert, weil es nur nach der Transformation für den Letztverbraucher mit den üblichen Verbrauchsgerä-ten nutzbar ist. Folgerichtig wird
auch im Schrifttum
angenommen, dass
in ei-nem solchen Fall der "Lieferant"
der [X.]
mit der von ihm geänderten Ei-genschaft
als Hersteller anzusehen ist (vgl. [X.], aaO, Rn.
12; [X.], BB 1991, 917, 921; Schweers, Vertragsbeziehungen und Haftung im no-vellierten [X.], 2001, S.
141; [X.]/[X.], aaO, 3605; für eine
-
regelmäßig gegebene
-
Haftung nach §
4 Abs.
3 [X.]
Witzs-trock, [X.], 1457, 1460).
3.
Die Revision beruft sich auch ohne Erfolg auf den Haftungsausschluss nach §
1 Abs.
2 Nr.
2 [X.].
Sie meint, das Berufungsgericht habe rechts-fehlerhaft nicht berücksichtigt, dass das Produkt [X.] zu dem Zeitpunkt, zu dem der Strom in das Nie[X.]pannungsnetz eingespeist worden sei, keine unzulässigen Spannungs-
und Frequenzschwankungen aufgewiesen habe und damit nicht fehlerhaft gewesen sei. Damit setzt sie jedoch den Zeitpunkt des Inverkehrbringens zu früh an. Der
Strom ist nicht mit der Einspeisung in das Nie[X.]pannungsnetz in den Verkehr gebracht worden, sondern erst mit der 17
18
-

11

-

Belieferung des [X.] über den Netzanschluss.
Zu diesem Zeitpunkt war das Produkt [X.] fehlerhaft.
a) Nach §
1 Abs.
2 Nr.
2 [X.] ist die Ersatzpflicht des Herstellers ausgeschlossen, wenn nach den Umständen davon auszugehen ist, dass das Produkt den Fehler, der den Schaden verursacht hat, noch nicht hatte, als der Hersteller es in den Verkehr brachte. Der Begriff des Inverkehrbringens, den die Richtlinie nicht definiert, ist unter Berücksichtigung der Zielsetzung der Richtli-nie und des mit ihr verfolgen Zwecks auszulegen.
Die Fälle, in denen der [X.] sich von seiner Haftung befreien kann
(Art.
7 der Richtlinie), sind dabei
im Interesse der durch ein fehlerhaftes Produkt Geschädigten eng auszulegen
(vgl. [X.], Urteile vom 10. Mai 2001 -
C-203/99, NJW 2001, 2781 Rn.
14
f. -
Veedfald; vom 9. Februar 2006 -
C-127/04, [X.], 825 Rn.
23
ff. -
O'Byrne).
Nach der Rechtsprechung des [X.] setzt ein In-verkehrbringen
voraus, dass das Produkt den vom Hersteller eingerichteten Prozess der Herstellung verlassen hat und in einen Prozess der Vermarktung eingetreten ist, in dem es in ge-
oder verbrauchsfertigem Zustand öffentlich an-geboten wird (vgl. [X.], Urteil vom 9. Februar 2006 -
C-127/04, aaO
-
O'Byrne, zu Art. 11 der Richtlinie;
[X.] in [X.]/[X.], [X.], 2.
Aufl., §
1 [X.] Rn.
17;
[X.], aaO, §
1 [X.] Rn.
24 ff.; [X.]/[X.], aaO, §
1 [X.] Rn.
44 ff.). Die [X.] und die Begründungen zum Entwurf des [X.] haben eine [X.]äuterung des Begriffs des [X.] nicht als erforderlich angesehen, weil sich der Begriff "aus seinem natürli-chen Wortsinn von selbst verstehe" (Bulletin der [X.], Beilage 11/76, [X.]. zu Art.
5 = BT-Drucks. 7/5812, S.
8 sowie BT-Drucks. 11/2447, S.
14). Die amtli-che Begründung zu §
1 [X.] führt dazu aus, ein Produkt sei gewöhnlich in 19
20
-

12

-

den Verkehr gebracht, wenn es in die [X.] gegeben worden sei, also wenn der Hersteller es aufgrund seines Willensentschlusses einer anderen Person außerhalb seiner Herstellersphäre übergeben habe (BT-Drucks. 11/2447, S.
14). Diese Ansicht wird
jedenfalls
hinsichtlich des [X.] geteilt, weil aus seiner Perspektive ein Inverkehrbringen nur die Abgabe an den Handel oder an den Endverbraucher sein könne ([X.], aaO, Art.
7 Rn.
15; vgl. auch
§
6 des [X.] [X.]es,
wonach ein Produkt in den Verkehr gebracht
ist, sobald es der Unternehmer einem an-deren in dessen Verfügungsmacht oder zu dessen Gebrauch übergeben hat).

b) Bei der Übertragung dieser Grundsätze
auf den Streitfall ist zu [X.], dass Art.
7 der Richtlinie 85/374/[X.] im Unterschied zu deren Art.
11 eng auszulegen ist (vgl. [X.], Urteil vom 9. Februar 2006 -
C-127/04, aaO
-
O'Byrne). Zudem sind die Besonderheiten des Produkts [X.] zu berück-sichtigen. Im Hinblick darauf
liegt
ein Inverkehrbringen des Produkts [X.]
erst mit der Lieferung
des von dem Netzbetreiber
übergabefähig transformierten Stroms über den Netzanschluss
an den [X.]
vor
(vgl. [X.] in [X.]/[X.], aaO; [X.], BB 1991, 917, 923; [X.]., Die Haftung der Versorgungsunternehmen für Störungen in der [X.], 1988, S.
245, 250 f.; Schweers, Vertragsbeziehungen und Haftung im novellierten [X.], 2001, S.
142). Denn aus der Nie[X.]pannungsan-schlussverordnung ergibt sich, dass der Netzbetreiber gerade für die [X.] am
Netzanschluss
verantwortlich ist. Der Netzanschluss verbindet das [X.]sversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung mit der elektrischen Anlage des Anschlussnehmers.
Er beginnt an der Abzweigstelle des [X.] und endet grundsätzlich mit der Hausanschlusssicherung
(vgl. §
5 [X.]). Netzanschlüsse werden durch den Netzbetreiber hergestellt (§
6 Abs.
1 Satz
1 [X.]). Sie gehören
noch
zu den Betriebsanlagen des [X.] (§
8 Abs.
1 Satz
1 [X.]). Die Nutzung durch den Letztverbraucher mit den 21
-

13

-

üblichen Verbrauchsgeräten beginnt mithin beim Netzanschluss und setzt einen fehlerfreien Strom zum
Zeitpunkt
der Entnahme des Stroms aus dem [X.] der allgemeinen Versorgung
voraus.
Nur dies wird
den Interessen der durch die Richtlinie 85/374/[X.] geschützten geschädigten An-schlussnutzer
gerecht, für die entscheidend ist, dass ihnen eine fehlerfreie [X.] über ihren Stromanschluss zur Verfügung gestellt wird. Das Argu-ment der Revision, der Herstellungsprozess "Umwandlung von Strom aus [X.] in Nie[X.]pannung" sei mit der fehlerfreien Umspannung und Ein-speisung in das Nie[X.]pannungsnetz abgeschlossen, greift zu kurz. Zwar [X.] -
wie gezeigt
-
jedenfalls die Umspannung die Beklagte als Herstellerin im Sinne des [X.]es. Daraus folgt aber nicht, dass das Pro-dukt [X.] mit Abschluss des [X.] auch ihre Sphäre als Herstellerin verlassen hätte. Denn ihre Verantwortung für die
Qualität des gelieferten Stroms
(vgl. §
16 Abs.
3 und 4, §
7 [X.]) wirkt bis zum Zeitpunkt der Übergabe an den [X.]
weiter.
Die Beklagte, welche dafür nach §
1 Abs.
4 [X.] die Beweislast trägt, hat nichts dafür vorgetragen, dass zu dem nach den vorstehenden Ausführungen maßgeblichen Zeitpunkt ein fehler-freies Produkt vorgelegen hat.

4.
Das Berufungsgericht hat mit Recht
und von der Revision unbean-standet
angenommen, dass die Vorschrift des §
18 [X.] der Haftung der [X.] nicht entgegensteht. Es hat zutreffend auf die Begründung der [X.] hingewiesen, nach der §
18
[X.] die Haftung der Netzbetreiber nach dem [X.] unberührt lässt (BR-Drucks. 367/06, S.
60). Dementsprechend bezieht §
18 Abs.
1 Satz
1 [X.] sich schon dem Wortlaut nach nur auf die Haftung aus Vertrag, Anschlussnutzungs-verhältnis oder unerlaubter Handlung.

22
-

14

-

5.
Der erkennende
Senat ist nicht gehalten,
den Gerichtshof der [X.] gemäß Art.
267 Abs.
1 bis 3 AEUV um eine Vorabentscheidung zu ersuchen. Die Vorlagepflicht letztinstanzlicher Gerichte der Mitgliedstaaten entfällt, wenn die betreffende gemeinschaftsrechtliche Bestimmung bereits Ge-genstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum mehr bleibt (vgl. [X.], Urteile vom 6. Oktober 1982 -
C-283/81
-
CILFIT, Slg. 1982, 3415, 3429 f., Rn. 14 ff. und vom 15. Sep-tember 2005 -
C-495/03
-
Intermodal Transports,
Slg. 2005, [X.], 8206 Rn. 33 und ständig; [X.], Beschluss vom 22. März 2010 -
NotZ 16/09, [X.]Z 185, 30 Rn.
33). Angesichts der augenfälligen Herstellereigenschaft des den Strom transformierenden Netzbetreibers und der daraus folgenden Verantwortung für die Stromqualität bei der Übergabe an den Verbraucher ist letzteres der Fall.

Galke
Wellner
Pauge

[X.]
Offenloch

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 21.02.2012 -
39 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 05.03.2013 -
16 S 15/12 -

23

Meta

VI ZR 144/13

25.02.2014

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.02.2014, Az. VI ZR 144/13 (REWIS RS 2014, 7586)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7586

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VI ZR 144/13

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