Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.09.2011, Az. VI ZR 229/09

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 3400

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BUND[X.]SG[X.]RICHTSHOF

IM NAM[X.]N D[X.]S VOLK[X.]S

URT[X.]IL
VI [X.]/09
Verkündet am:

13. September 2011

Holmes

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 826 A, [X.], Gg
a)
[X.]in Bevollmächtigter kann aus §
826 [X.] haften, wenn er bei [X.]rrichtung einer Gesellschaft die ihm erteilte Generalvollmacht missbraucht.
b)
[X.]ine fehlerhafte Gesellschaft setzt auf den Abschluss eines Gesellschafts-vertrags gerichtete Willenserklärungen zwischen den Beteiligten voraus. [X.] liegen grundsätzlich nicht vor, wenn ein Mitgesellschafter die ihm erteilte Vollmacht überschreitet.
[X.], Urteil vom 13. September 2011 -
VI [X.]/09 -
OLG [X.]/Main

LG [X.]/Main

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
13.
September 2011
durch den
Vorsitzenden
Richter Galke und die
Richter Zoll, Wellner, Pauge und Stöhr
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts [X.] am Main vom 24.
Juni 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und [X.]ntscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin, eine Tochter des Beklagten, begehrt Schadensersatz und Feststellung, dass der Beklagte für [X.]ingriffe in die Verfügungsbefugnis über ihr Vermögen schadensersatzpflichtig ist.
Die Klägerin verfügte unter anderem über Grundbesitz und ein erhebli-ches Geldvermögen. Ihr Vermögen und das ihrer Schwester wurde aufgrund einer Generalvollmacht vom Beklagten verwaltet. Meinungsverschiedenheiten im August 2003 führten zur [X.]rklärung beider Töchter,
dass sie von dem [X.] in Zukunft informiert werden wollten, bevor er die ihm erteilten [X.] nutze. Nach dem Vortrag der Klägerin haben ihre Schwester und sie
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zudem am 5.
September 2003 einen Brief an den Beklagten geschrieben, durch den ihm der künftige Gebrauch der Vollmacht nur unter der Maßgabe einer [X.] internen Abstimmung mit den Töchtern gestattet werde.
In der Folge schloss der Beklagte unter Nutzung der Generalvollmachten einen Gesellschaftsvertrag mit sich selbst ab, der die Gründung der K.
&
S.
G. GbR
2 zum Gegenstand hatte. In diese Gesellschaft brachte er das gesamte Vermögen seiner Töchter ein. Zugleich traf er die Regelung, dass allein er zur Geschäftsführung dieser Gesellschaft berechtigt sei und alle Verfügungen der Töchter bezüglich der Gesellschaft bis zum 18.
Dezember 2022 ausgeschlos-sen seien. Diesen Gesellschaftsvertrag modifizierte der Beklagte anschließend, indem er anstelle einer die Vermögenswerte beider Töchter haltenden Gesell-schaft zwei Gesellschaften bürgerlichen Rechts gründete, in die er als wesentli-chen Vermögenswert jeweils das Vermögen einer Tochter einbrachte, während die jeweils andere Schwester und er nur zu einem Bruchteil von je 0,5
% am Gesellschaftsvermögen beteiligt waren.
Die Umschreibung der auf die Klägerin laufenden Konten veranlasste der Beklagte unter Bezugnahme auf den Gesellschaftsvertrag. Die Bank nahm die Umschreibung ohne Rücksprache mit der Klägerin vor mit der Folge, dass die-ser
die Verfügungsmöglichkeit über ihr Geldvermögen komplett entzogen [X.]. In der Folge wurde im Auftrag des Beklagten als "Geschäftsführer" der K.
&
S.
G. GbR
2 die Übertragung sämtlicher, hohe [X.] aufwei-senden Konten auf die [X.] GmbH
vor-genommen, deren alleiniger Gesellschafter der Beklagte ist.
Das Landgericht
hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Das Ober-landesgericht
hat sie auf die Berufung des
Beklagten abgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche 3
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4

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wegen des von ihr behaupteten, auf die Vorgehensweise des Beklagten zu-rückzuführenden Schadens weiter.

[X.]ntscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts besteht
eine grundsätzliche Haf-tung des Beklagten
aus
§
826 [X.], weil sich bereits aus der Gründung der K.
&
S.
G. GbR
2 bzw. dem Inhalt des Gesellschaftsvertrags der GbR ein [X.] Missbrauch
der erteilten Vollmacht
ergebe. Der aufgrund der Gene-ralvollmacht im Wege des Insichgeschäfts geschlossene Gesellschaftsvertrag nehme der Klägerin über einen Zeitraum von 19 Jahren hinweg jede Möglich-keit, über ihr von dem Beklagten in die GbR eingebrachtes Vermögen zu verfü-gen. Der Beklagte habe sich ganz offensichtlich zielgerichtet eine von der erteil-ten Vollmacht losgelöste, von der Klägerin bis 2022 faktisch nicht [X.], alleinige Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Klägerin geschaffen. [X.]in derartiger Missbrauch der Generalvollmacht stelle sich gemäß §
138 Abs.
1 [X.] als sittenwidrig dar.
Die Klägerin habe jedoch die geltend gemachten Schäden bzw. die Wahrscheinlichkeit eines künftigen Schadenseintritts nicht schlüssig dargelegt. Sie gehe davon aus, Verfügungen des Beklagten über das in die GbR einge-brachte Vermögen begründeten
einen eigenen unmittelbaren Schaden der Klä-gerin. Dabei verkenne sie, dass die in Vollzug gesetzte GbR
2 nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft bis zu ihrer Kündigung als wirksam zu behandeln sei. [X.]ine schlüssige Schadensdarlegung müsste daher
aufzei-gen, dass sich die Verfügungen des Beklagten schädigend auf das Auseinan-6
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dersetzungsguthaben der Klägerin auswirkten bzw. im Hinblick auf den Fest-stellungsantrag auswirken könnten. Die Klägerin habe
aber
auch nach einem Hinweisbeschluss nicht dargelegt, inwiefern sich die Verfügungen des [X.] schädigend auf das [X.] ausgewirkt haben.

II.
Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit Recht macht
die Revision geltend, die Klägerin
müsse
zur Begrün-dung eines Schadens nicht
darlegen, inwiefern sich die Verfügungen des [X.] schädigend auf ihr [X.] ausgewirkt haben, weil die GbR
2 nicht nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft zu behandeln sei.
1. [X.] nicht zu beanstanden
ist allerdings die
Auffassung
des Berufungsgerichts,
der Gesellschaftsvertrag sei gemäß §
138 [X.] nichtig
und der Beklagte hafte grundsätzlich nach § 826 [X.], weil er bei [X.]rrichtung der Gesellschaft die ihm erteilte Generalvollmacht missbraucht
habe. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen liegt bereits aufgrund der [X.] ein Missbrauch der Generalvollmacht vor, weil der -
faktisch unwi-derrufliche
-
[X.]ntzug der Verfügungsbefugnis über ihr Vermögen über einen Zeit-raum von 19 Jahren hinweg eine Verletzung der vermögenswerten Interessen der Klägerin darstellt (vgl. [X.], Urteil vom 25.
Februar 2002 -
II
ZR 374/00, [X.], 756
f.; siehe auch Urteil vom 1.
Juni 2010 -
XI
ZR 389/09, NJW 2011, 66 Rn.
16). Dass die Klägerin
an der GbR zu 99
% beteiligt sein
und ihr
das in die GbR eingebrachte Vermögen wirtschaftlich weiterhin gehören sollte, ist insoweit unerheblich. Maßgeblich ist, dass ihr
die Verfügungsbefugnis über ihr Vermögen für einen langen Zeitraum entzogen und sie dadurch
in
ihrer Ver-8
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-

tragsfreiheit zu stark eingeschränkt wurde. Zudem umging der Beklagte damit zugleich den für eine Generalvollmacht anerkannten Grundsatz der Befugnis des Vollmachtgebers zum jederzeitigen Widerruf (vgl. [X.], Urteile vom 26.
Februar 1988 -
V
ZR 231/86, [X.], 714, 715; vom 1.
Juni 2010 -
XI
ZR 389/09, aaO mwN).
Aufgrund dieses Vollmachtsmissbrauchs war die im Namen der Klägerin abgegebene Willenserklärung des Beklagten zur [X.]rrichtung der GbR unwirksam und zugleich der Gesellschaftsvertrag nach §
138 [X.] nichtig, weil es sich bei der Gesellschaftsgründung um ein Insichgeschäft
des [X.] handelte und der Missbrauch der Vertretungsmacht ihm -
und damit allen Beteiligten
-
bekannt war. [X.]s ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass [X.], die Angestellte, Bevollmächtigte oder sonstige Vertreter einer [X.] im [X.]inverständnis mit dem Vertragsgegner hinter dem Rücken des Ge-schäftsherrn und zu dessen Nachteil treffen, gegen die guten Sitten verstoßen
und nichtig sind
(vgl. [X.], Senatsurteil vom 17.
Mai 1988 -
VI
ZR 233/87, [X.], 1380, 1381; [X.], Urteile vom
14.
Juni 2000
-
VIII
ZR 218/99, [X.], 1551, 1552; vom 25.
Februar 2002 -
II
ZR 374/00, aaO; vom 1.
Juni 2010 -
XI
ZR 389/09, aaO,
Rn.
13, 18).
Im Hinblick darauf kommt es auf die in der Revisionsverhandlung erhobene Gegenrüge des Beklagten nicht an.
2. Rechtsfehlerhaft ist allerdings die Begründung, mit der das Berufungs-gericht die schlüssige Darlegung des Schadens bzw. des künftigen Scha-denseintritts verneint
hat. Die Klägerin muss entgegen der Auffassung des Be-rufungsgerichts zur schlüssigen Schadensdarlegung nicht vortragen, dass sich die Verfügungen des Beklagten schädigend auf ihr Auseinandersetzungsgutha-ben (vgl. §§
730
ff. [X.]) ausgewirkt haben. Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft stehen der von der Klägerin insbesondere in der Klageschrift und in dem Schriftsatz vom 12.
Mai 2009 substantiiert dargelegten Schadensbe-rechnung nicht entgegen. Das Berufungsgericht hat verkannt, dass eine [X.]
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7

-

hafte Gesellschaft nicht zustande gekommen ist,
und deshalb falsche Anforde-rungen an die [X.] der Klägerin gestellt.
a) Im Streitfall handelt es sich nicht um eine fehlerhafte Gesellschaft, sondern um eine sogenannte Scheingesellschaft, auf die die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft und somit auch die Grundsätze der Abwicklung nicht anwendbar sind (ebenso [X.], Urteil vom 1.
Juni 2010 -
XI
ZR 389/09, aaO,
Rn.
21 in einem
dieselbe GbR betreffenden Urteil).
[X.]ine fehlerhafte Gesellschaft setzt wie jede Gesellschaft einen Gesell-schaftsvertrag voraus. [X.]s genügt zwar bei ihr das Vorliegen eines mangelhaften Vertrags. Dieser muss aber von dem tatsächlichen, wenn auch rechtlich fehler-haften Willen der Vertragschließenden getragen sein. Grundlegende Voraus-setzung für die Annahme einer fehlerhaften Gesellschaft ist mithin das Vorlie-gen von -
wenn auch fehlerhaften
-
auf den Abschluss eines Gesellschaftsver-trags gerichteten Willenserklärungen zwischen den Beteiligten (vgl. [X.], [X.] vom 14.
Oktober 1991 -
II
ZR 212/90, NJW 1992, 1501, 1502 mwN; vom 1.
Juni 2010 -
XI
ZR 389/09, aaO,
Rn.
20).
[X.]in rechtsgeschäftliches Handeln der Gesellschafter fehlt, wenn ein Mitgesellschafter die ihm erteilte Vollmacht überschreitet (vgl. [X.], Urteile vom 18.
Oktober 1962 -
II
ZR 12/61, [X.], 1353, 1354; vom 12.
Oktober 1987 -
II
ZR 251/86, [X.], 414, 416
f.; vom 14.
Oktober 1991 -
II
ZR 212/90, aaO; vom 1.
Juni 2010 -
XI
ZR 389/09, aaO). [X.]twas anderes gilt nur, wenn die übrigen Gesellschafter die [X.]rklärung für wirk-sam gehalten haben, weil sie etwa
davon ausgingen, der Mitgesellschafter sei wirksam vertreten worden und seine Zustimmung liege vor (vgl. [X.], Urteile vom 12.
Oktober 1987 -
II
ZR 251/86, aaO, 417; vom 14.
Oktober 1991 -
II
ZR 212/90, aaO; vom
1.
Juni 2010 -
XI
ZR 389/09, aaO),
oder wenn der Vertreter zwar ohne Vollmacht gehandelt hat, der Abschluss des Gesellschaftsvertrags aber vom Auftrag des Gesellschafters umfasst war und damit auf seinen Willen 11
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zurückzuführen ist (vgl. [X.], Urteile vom 16.
Dezember 2002 -
II
ZR 109/01, [X.]Z
153, 214,
221
f.;
vom
21.

März
2005
-
II
ZR 310/03, [X.], 1784, 1786; vom 1.
Juni 2010 -
XI
ZR 389/09, aaO). Im Streitfall liegen diese Aus-nahmen beim rechtsmissbräuchlichen Abschluss des Gesellschaftsvertrags nicht vor, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der Beklagte ei-genmächtig und in einem Insichgeschäft
gehandelt hat. Aus denselben Grün-den fehlt ein vom Willen aller Gesellschafter getragener Vollzug des Gesell-schaftsvertrags.
b) Nach den vorstehenden Ausführungen musste die Klägerin nicht dar-legen, inwiefern sich die Verfügungen des Beklagten schädigend auf ihr Ausei-nandersetzungsguthaben ausgewirkt haben bzw. im Hinblick auf den [X.] auswirken könnten. [X.]s reicht vielmehr aus,
dass sie -
wie insbe-sondere in der Klageschrift und im Schriftsatz vom 12.
Mai 2009 geschehen
-
substantiiert dargelegt hat, dass
die
Verfügungen des Beklagten einen eigenen Schaden der Klägerin begründet haben. Dazu hat das Berufungsgericht bisher
13
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-

keine Feststellungen getroffen. Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben und die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzu-verweisen (§
562 Abs.
1, §
563 Abs.
1 Satz
1 ZPO).

Galke Zoll

Wellner

Pauge

Stöhr
Vorinstanzen:
LG [X.]/Main, [X.]ntscheidung vom 04.07.2008 -
2/23 O 2/07 -

OLG [X.]/Main, [X.]ntscheidung vom 24.06.2009 -
23 [X.]/08 -

Meta

VI ZR 229/09

13.09.2011

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.09.2011, Az. VI ZR 229/09 (REWIS RS 2011, 3400)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3400

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZR 229/09

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