Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.06.2011, Az. V ZB 139/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 5247

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 139/11

vom

30. Juni 2011

in der Abschiebungshaftsache

-
2
-

Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 30. Juni 2011 durch den [X.] [X.] [X.], die Richter [X.] und Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch,
die Richterin [X.] und [X.]
Czub
beschlossen:
Dem Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Ver-fahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin
Dr. [X.] bewilligt.
Die Vollziehung der mit Beschluss des [X.] vom 6.
April 2011 angeordneten und mit Beschluss der 8. Zivilkammer des [X.] vom 18.
Mai 2011 aufrechterhaltenen [X.] wird einstweilen ausgesetzt.

Gründe:
I.
Gegen den Betroffenen, nach eigenen Angaben russischer
Staatsange-höriger, wurde erstmals am 27.
August 2010 die Haft zur Sicherung der Ab-schiebung angeordnet. Er befindet sich seitdem mit Unterbrechungen zur Voll-streckung von Freiheitsstrafen in [X.]. Zuletzt hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 6.
April 2011 die Verlängerung der Haft bis zum 11.
Juli 2011 angeordnet.
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3
-

Die Beschwerde gegen diese Haftverlängerung hat das [X.] zu-rückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des
Betroffenen.
Im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt er die Aussetzung der
Vollzie-hung der Haftentscheidung.
II.
1. Der Aussetzungsantrag ist in entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG statthaft (st. Rspr. siehe nur Senat, Beschluss vom 14.
April 2011 -
V
ZB
76/11, Rn. 5 juris; Beschluss vom 18.
August 2010 -
V
ZB
211/10, [X.] 2010, 440).
2. Er ist auch begründet. Bei der gebotenen summarischen Prüfung ist davon auszugehen, dass die Rechtsbeschwerde Erfolg haben wird, weil die Verlängerung der Haft auf einer rechtsfehlerhaften Anwendung des
§
62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG beruhen dürfte. Daher ist die weitere Vollstreckung der Haftanordnung auszusetzen (vgl. Senat, Beschluss vom 14.
April 2011 -
V
ZB
76/11, Rn. 6 juris; Senat, Beschluss vom 5. Oktober 2010 -
V
ZB
222/10, [X.] 2011, 25).
a) Die Regelung des
§
62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG
lässt erkennen, dass im Regelfall die Dauer von drei Monaten Haft nicht überschritten werden soll und eine darüber hinausgehende Haftdauer nicht ohne weiteres als verhältnis-mäßig angesehen werden darf (Senat,
Beschluss vom 14.
April 2011 -
V
ZB
76/11, Rn. 7 juris;
Beschluss vom 25. März 2010 -
V
[X.]
9/10, NVwZ
2010, 1175, 1176,
Rn. 19). Daraus folgt, dass die Verlängerung einer auf drei Monate befristeten Haftanordnung unzulässig ist, wenn die Abschiebung aus Gründen unterblieben ist, die von dem Ausländer nicht zu vertreten sind (Senat, Beschluss vom 14.
April 2011 -

ZB
76/11, Rn. 7 juris;
Beschluss vom 25. März 2010 -
V
[X.] 9/10, NVwZ 2010, 1175, 1176 Rn. 19; Beschluss vom 11.
Juli 1996 -
V
ZB
14/96, BGHZ 133,
235, 238 f. zu § 57 Abs. 2 AuslG). Dies 2
3
4
5
-
4
-

erfordert eine Prognose, dass die Abschiebung innerhalb von drei Monaten, gerechnet ab dem Zeitpunkt der (ersten) Haftanordnung (Senat, Beschluss vom 14.
April 2011 -
V
ZB
76/11, Rn. 7, juris; Beschluss vom 10. Juni
2010 -
V
ZB
204/09, NVwZ
2010, 1172 Rn. 18; Beschluss vom 25. März 2010 -
V [X.] 9/10, NVwZ 2010, 1175, 1176 Rn. 18), überhaupt, also ohne Berücksichtigung der von dem Ausländer zurechenbar veranlassten Verzögerung, hätte durchge-führt werden können (Senat, Beschluss vom 14.
April 2011 -
V
ZB
76/11, Rn. 7, juris).
b) Diese Prognose hat der Haftrichter grundsätzlich auf alle im konkreten Fall ernsthaft in Betracht kommenden Gründe, die der Abschiebung entgegen-stehen oder sie verzögern können, zu erstrecken (Senat, Beschluss vom 14.
April 2011 -
V
ZB
76/11, Rn. 8, juris;
Beschluss vom 25. März 2010 -
V [X.] 9/10, NVwZ 2010, 1175, 1176 Rn. 17). Hierzu sind konkrete Angaben zum Ab-lauf des Verfahrens und zu dem Zeitraum, in welchem die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können, erforderlich (Senat, Beschluss vom 14.
April 2011 -
V
ZB
76/11 Rn. 8, juris;
Beschluss vom 25.
März 2010 -
V [X.] 9/10, NVwZ 2010, 1175, 1176 Rn. 17).
Hieran fehlt es. Das Beschwerdegericht hat schon nicht festgestellt, dass bei einer unterstellten [X.] bzw. [X.] Staatsangehörigkeit
des Betroffenen dieser übli-cherweise innerhalb von drei Monaten (§ 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG)
hätte
ab-geschoben werden können, wenn er Ausweispapiere seines Heimatlandes be-sessen
hätte. Nur dann aber könnte der Umstand von Bedeutung sein, dass für den Betroffenen [X.] beschafft werden müssen. Hierzu muss sich der [X.] verhalten. Soweit die Ausländerbehörde keine konkreten Tatsachen hierzu mitteilt, obliegt es gemäß §
26 FamFG dem Gericht nachzu-fragen (Senat, Beschluss vom 14.
April 2011 -
V
ZB
76/11 Rn. 8, juris;
Be-schluss vom 6. Mai 2010 -
V
ZB 193/09, [X.] 2010, 361, 363). Die Ent-scheidung des [X.] wird diesen Grundsätzen nicht gerecht. Feststellungen zu der üblichen Dauer einer Abschiebung eines [X.] bzw. 6
-
5
-

[X.]
Staatsangehörigen fehlen. Solche
Angaben lassen sich auch nicht dem Antrag der Beteiligten zu 2 vom 31.
März
2011
entnehmen. Ob die [X.] in Bezug genommenen Haftanträge der Beteiligten zu 2 vom 26.
August 2010 und vom 21.
Januar 2011 diesen Anforderungen genügen, kann nicht überprüft werden, da sie dem
jetzigen [X.] -
soweit ersichtlich
-
nicht bei-gefügt waren.
Krüger

Lemke

Schmidt-Räntsch

Stresemann

Czub

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 06.04.2011 -
110 [X.] 12/11 -

LG [X.], Entscheidung vom 18.05.2011 -
8 [X.]/11 -

Meta

V ZB 139/11

30.06.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.06.2011, Az. V ZB 139/11 (REWIS RS 2011, 5247)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5247

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V ZB 28/10

V ZA 9/10

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