Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2012, Az. 4 StR 594/11

4. Strafsenat | REWIS RS 2012, 9907

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 594/11

vom
24. Januar
2012
in der Strafsache
gegen

wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.

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Der 4. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 24. Januar
2012
ge-mäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 8. Juli 2011 im Ausspruch über die Anordnung der Sicherungsverwahrung mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landge-richts zurückverwiesen.
2.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schwerer [X.] Erpressung in vier Fällen, davon in einem Fall in drei tateinheitlich zu-sammentreffenden Fällen und in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Kör-perverletzung, wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit versuchter räu-berischer Erpressung sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fäl-len und [X.] zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

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Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg. Im Übri-gen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
I.
1. Nach den Feststellungen des [X.]s verübte der vielfach vorbe-strafte Angeklagte etwa ein Jahr nach Entlassung aus über 10jähriger Strafhaft, der eine Verurteilung wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu Grunde lag, in einem Zeitraum von nur knapp zwei Monaten die hier abgeurteilten Straftaten. In den Fällen der (schwe-ren) räuberischen Erpressung ging er dabei jeweils in der Weise vor, dass er

vornehmlich zur Nachtzeit

seinen nichts ahnenden Opfern, denen er zufällig auf der Straße begegnete, zur Einschüchterung ein
Messer an den Hals bzw. vor das
Gesicht hielt und sie auf diese Weise zur Herausgabe von Geld oder Wertsachen veranlasste. In einem Fall verursachte er
durch den Einsatz des Messers bei dem
Geschädigten einen leichten Kratzer oberhalb der [X.] und versetzte ihn durch sein Handeln in Todesangst.
Der [X.] wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen liegt zu Grunde, dass der Angeklagte zwei von einem Fußballspiel heimkehrenden Zuschauern in den späten Abendstunden unvermittelt jeweils einen heftigen Schlag mit der Faust ins Gesicht versetzte, wodurch einer der Geschädigten seine Zahnprothese im Wert von 1.000
Euro vollständig einbüßte und auch heute noch unter Proble-men bei der Nahrungsaufnahme leidet.
Das [X.] hat wegen der Körperverletzungstaten Einzelstrafen von einem Jahr und drei Monaten bzw. sechs Monaten, wegen der Erpressungsta-2
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ten solche von (zweimal) fünf Jahren sechs Monaten, sechs Jahren drei Mona-ten bzw. sechs Jahren sechs Monaten verhängt.
2. Dem Urteil des [X.] vom 18. Juni 1999, durch das der Angeklagte wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körper-verletzung in zwei Fällen unter Festsetzung von Einzelstrafen in Höhe von sechs Jahren sechs Monaten sowie acht Jahren zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde, liegt im Wesentlichen folgendes Tatgeschehen zu Grunde:
Die beiden Taten dienten dem
Angeklagten zur gewaltsamen [X.] elektronischer Geräte bzw. von Betäubungsmitteln. In beiden Fällen ver-schaffte er sich maskiert,
mit einer Schreckschusswaffe ausgerüstet und von einem bzw. zwei ebenfalls maskierten Mittätern begleitet, die in einem Fall ih-rerseits mit einem Schlagring, einem bajonettartigen Messer
und einem Base-ballschläger bewaffnet waren, gewaltsam Zugang zu den Wohnungen der [X.]. Dort bedrohten und beleidigten sie die Anwesenden

jeweils einver-ständlich

nicht nur in massiver Form, sondern misshandelten sie unter Ver-wendung der mitgeführten Waffen bzw. Gegenstände
äußerst brutal, um ihren
Forderungen den nötigen Nachdruck zu verleihen,
und verletzten die Opfer teilweise schwer; in einem Fall führte der

vom gemeinsamen [X.] allerdings nicht umfasste

Einsatz des Messers durch einen der Mittäter zum Tod eines der [X.].
3. Das [X.] hat die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2, 3 Satz 1 StGB in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung bejaht und, insoweit sachverständig beraten, auch die materiellen Voraussetzungen für die [X.] als 5
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erfüllt angesehen. Von dem Angeklagten seien weiterhin schwerwiegende Straf

l-entwicklung als Hangtäter habe in der schweren [X.] ih-ren vorläufigen Höhepunkt gefunden; in dieser Tat sei die aggressive und anti-soziale Einstellung des Angeklagten bereits deutlich hervorgetreten. Die nach-folgende Verurteilung und die langjährige Strafhaft hätten keine Verhaltensän-derung bewirkt; vielmehr habe er sich nach der Haftentlassung nur kurze Zeit rechtstreu verhalten, dann seinen Drogenkonsum fortgesetzt und den Kontakt zu seiner Bewährungshelferin abgebrochen. Sein Verhalten sei von hoher De-liktfrequenz und ebenso hoher Rückfallgeschwindigkeit gekennzeichnet: Es sei bei ihm von einem eingeschliffenen kriminellen Verhaltensmuster auszugehen.
II.
Diese Begründung hält unter Berücksichtigung der neueren Rechtspre-chung des [X.] ([X.], Urteil vom 4. Mai 2011

2 BvR 2365/09
u.a., NJW 2011, 1931) rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. muss die Gesamtwürdigung des [X.] und seiner Taten ergeben, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch die die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder durch die schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, für die Allgemeinheit gefährlich ist. Nach der genannten Ent-scheidung des [X.] bedarf es wegen der derzeit verfas-r-

Die Gefahr schwerer Gewalt-
oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in 8
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der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist ([X.], Urteil vom 4. Mai 2011 aaO,
[X.]. 172). Die darin liegende Einschränkung im Vergleich zu den nach bisherigem Recht geltenden Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung betrifft die Straftatenkataloge und die konkrete [X.] der Straftaten, auf die sich der Hang beziehen

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d-nung des [X.] zur Weitergeltung von § 66 StGB ([X.], Beschluss vom 2. August 2011

3 [X.], [X.]. 12).
2. a) Gemessen daran erweist sich die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung als nicht hinreichend begründet.
Der Senat entnimmt der vom [X.] geforderten strengen Prüfung der Verhältnismäßigkeit allerdings nicht, dass hinsichtlich der Taten, deren künftige Begehung durch den Täter als möglich erscheint, [X.] oder Begehungsweisen vom Anwendungsbereich des §
66 StGB schlechthin ausgenommen sind. Jedenfalls sind schwere [X.] Erpressungen im Sinne der §§ 249, 250 Abs. 1, §§ 253, 255 StGB wegen der dafür angedrohten Mindeststrafe
von drei Jahren und der
für die [X.] damit regelmäßig verbundenen psychischen Auswirkungen grundsätzlich als atBeschluss vom 4. August 2011

3 [X.], [X.], 673, [X.]. 6 m.w.N.; einschränkend [X.], Urteil vom 19. Oktober 2011

2 [X.], [X.]. 13 ff.). Das muss erst recht für Taten wie die im angefochtenen Urteil abgeurteilten Fälle der besonders schweren räuberischen Erpressung gelten, insbesondere 10
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dann, wenn der Täter sein Opfer durch den Einsatz einer Waffe in Todesangst versetzt.
b) Die vom [X.] geforderte besonders strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung verlangt indes vom Tatrichter eine auf die Um-stände des Einzelfalles zugeschnittene, detaillierte Darlegung derjenigen Taten, die in Zukunft vom Täter zu erwarten sind. Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
Die Urteilsgründe enthalten zwar eine Wiedergabe der Einschätzung der medizinischen Sachverständigen und eine Darlegung des Lebensweges des Angeklagten unter Berücksichtigung seiner Delinquenzentwicklung. Bei der [X.] beschränkt sich das [X.] jedoch auf die Formulierung, vom Angeklagten seien auf Grund eines eingeschliffenen [X.],
erhebliche Straftaten
r-lich schwer geschädigt werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden ange-

im Zeitpunkt des landgerichtlichen Urteils durch die Entscheidung des [X.] bereits überhol-ten

Gesetzestextes vermag die erforderliche einzelfallbezogene Darlegung

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der vom Angeklagten zu erwartenden Straftaten auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe nicht zu ersetzen.
[X.] Roggenbuck Franke

Bender Quentin

Meta

4 StR 594/11

24.01.2012

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2012, Az. 4 StR 594/11 (REWIS RS 2012, 9907)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9907

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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4 StR 594/11

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3 StR 208/11

3 StR 235/11

2 StR 305/11

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