Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2012, Az. IV ZB 27/11

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 5192

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 27/11
vom

27. Juni 2012

in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzen-de Richterin [X.], [X.], [X.], die Richterin
[X.] und [X.]

am 27. Juni 2012

beschlossen:

Der von der Antragstellerin zu den ordentlichen Gerichten beschrittene Rechtsweg ist unzulässig.

Die Sache wird an das Gericht des zulässigen Rechtswe-ges
das [X.]

verwiesen.

Gründe:

[X.] Die Antragstellerin erteilte am 7.
Juli 2011 der [X.] in [X.] den Auftrag zur Zustellung eines in kyrillischer Schrift geschriebenen Schriftstücks an das Generalkonsulat der [X.] in [X.]. Sie
trug dazu vor, dass sie und ihre beiden Kinder sich seit Jahren darum bemühten, die [X.] Staatsbürger-schaft aufzugeben, um sich in der [X.] einbür-gern zu lassen, die zuständigen [X.]n Behörden jedoch jede [X.] hierüber verweigerten. Ihrem Bevollmächtigten sei es seit über zwei Jahren nicht gelungen, mit dem [X.]n Generalkonsulat in [X.] in Kontakt zu kommen.
Sie sei daher auf die Zustellung über einen Gerichtsvollzieher angewiesen.
1
-
3
-

Der zuständige Obergerichtsvollzieher
lehnte die Übernahme des Auftrags unter Hinweis auf Art.
22 Abs.
3 des [X.] vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen ab. Hiergegen legte die Antragstellerin Erinnerung, hilfsweise sofortige Beschwerde ein. Das Amtsgericht [X.] hat die Erinnerung
unter Hinweis auf die Befreiung ausländischer Missionen von der [X.] Gerichtsbarkeit gemäß §§
18 bis 20 GVG zurückgewiesen. Die hiergegen von der Antragstellerin eingelegte sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg gehabt. Nach Auffas-sung des [X.] ist der Rechtsbehelf der Erinnerung ge-mäß §
766 ZPO nicht zulässig, da es sich nicht um vom [X.] vorzunehmende Zustellungen im Rahmen der Zwangsvollstreckung handele. Vielmehr werde der Gerichtsvollzieher als Justizbehörde i.S. von §
23 [X.] tätig, so dass der dort vorgesehene Rechtsweg eröff-net sei. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich die [X.] gegen diese Auffassung des [X.] und meint, gemäß §§
766, 573 ZPO seien die von ihr gewählten Rechtsmittel der [X.] und der sofortigen Beschwerde gegeben.

I[X.] Der von der Antragstellerin beschrittene Rechtsweg zu den or-dentlichen Gerichten ist nicht eröffnet. Vielmehr handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit gemäß §
40 Abs.
1 VwGO, so dass die Sache gemäß §
17a Abs.
2 Satz
1 GVG an das zuständige Verwaltungs-gericht zu verweisen ist.

1. Die rechtliche Einordnung von Maßnahmen des [X.]s, die nicht unmittelbar die
Art und Weise der Zwangsvollstreckung betreffen, wird nicht einheitlich beurteilt. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass eine Tätigkeit des Gerichtsvollziehers außerhalb der 2
3
4
-
4
-

Zwangsvollstreckung generell nicht unter §
766 ZPO falle, sondern er als Justizbehörde i.S. des §
23 [X.] tätig werde ([X.] Rpfleger 2011, 93; OLG Düsseldorf MDR 2008, 1365; [X.], 234; 235; OLG Karlsruhe MDR 1976, 54;
Baumbach/[X.]/[X.]/
[X.], ZPO 70.
Aufl. §
23 [X.] Rn.
4; Musielak/Lackmann, ZPO 9.
Aufl. §
766 Rn.
8; [X.]/Stöber, ZPO 29.
Aufl. §
766 Rn.
5; §
23 [X.] Rn.
10; [X.]/[X.], ZPO 3.
Aufl. §
23 [X.] Rn.
45).
Andere nehmen demgegenüber an, dass in diesen Fäl-len der Rechtsweg nach §
23 [X.] nicht eröffnet sei, sondern es [X.], das Vollstreckungsgericht als zuständiges Gericht anzusehen ([X.] 1984, 856; [X.] Rpfleger 1976, 367).

2. Hierauf kommt es jedoch
schon deshalb nicht an, weil beide Rechtsmittel voraussetzen, dass der Weg in die ordentliche Gerichtsbar-keit eröffnet ist. Das ist hier nicht der Fall. Die Zivilprozessordnung findet nach §
3 Abs.
1 EGZPO nur auf bürgerliche Rechtsstreitigkeiten Anwen-dung, welche vor die ordentlichen Gerichte gehören. §
23 [X.] setzt [X.] auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts ein-schließlich des Handelsrechts, des Zivilprozesses, der freiwilligen Ge-richtsbarkeit oder der Strafrechtspflege voraus. Dieser besonderen Rechtswegregelung liegt die Annahme zugrunde, dass die ordentlichen Gerichte den Verwaltungsmaßnahmen in den aufgeführten Gebieten sachlich näher stehen als die Gerichte der allgemeinen Verwaltungsge-richtsbarkeit und über die zur Nachprüfung justizmäßiger Verwaltungsak-te
erforderlichen zivil-
und strafrechtlichen Erkenntnisse und Erfahrungen verfügen ([X.]sbeschluss vom 28.
März 2007

IV AR([X.]) 1/07, [X.], 376
Rn.
7).
5
-
5
-

§ 23 [X.]
ist als Ausnahme zu §
40 Abs.
1 VwGO eng auszule-gen. Seine
Anwendung ist nur dann gerechtfertigt, wenn sich die vom Gesetz vorausgesetzte Sachnähe der zur Überprüfung berufenen or-dentlichen Gerichtsbarkeit tatsächlich feststellen lässt ([X.]sbeschlüs-se
vom 28.
März 2007 aaO; vom 16.
Mai 2007
IV AR([X.]) 5/07, [X.], 1379 unter III 3 a; vom 16.
Juli 2003
IV AR([X.]) 1/03, [X.], 2989 unter 4). Auf dieser Grundlage hat der [X.] bereits entschieden, dass etwa Streitigkeiten über die Streichung aus der bei der [X.] geführten Liste vereidigter und ermächtigter Dolmetscher und Übersetzer (Beschluss vom 28.
März 2007 aaO) sowie über Maßnahmen im Rahmen dienstaufsichtlicher Tätigkeit (Beschluss vom 15.
November 1988
[X.] ([X.]) 5/88, [X.], 395; 399
f.) nicht unter die Rechtswegzuständigkeit des §
23 [X.] fallen. Auch das Bundesver-waltungsgericht legt § 23 [X.]
im Verhältnis zu §
40 Abs.
1 VwGO eng aus und fordert,
die in Rede stehende Amtshandlung müsse in Wahrnehmung einer Aufgabe vorgenommen werden, die der jeweiligen Behörde als ihre spezifische Aufgabe auf einem der in §
23 [X.] auf-geführten Rechtsgebiete zugewiesen sei (NJW 1989, 412, 414: verneint für
Streitigkeiten auf dem Gebiet der Öffentlichkeitsarbeit im Zusammen-hang mit Presseerklärungen der Staatsanwaltschaft).

Im Streitfall handelt es sich
weder um eine bürgerliche Rechtsstrei-tigkeit noch um einen
Justizverwaltungsakt auf dem Gebiet des bürgerli-chen Rechts.
Die Antragstellerin begehrt die Zustellung eines Schrift-stücks an das Generalkonsulat der [X.] in [X.] im Zusammenhang mit der von ihr beabsichtigten Aufgabe der [X.]n und dem Erwerb der [X.] Staatsangehörigkeit. Es geht mithin um Fragen des Ausländer-
und Staatsangehörigkeitsrechts sowie des damit 6
7
-
6
-

im Zusammenhang stehenden
Anwendungsbereichs der Wiener Abkom-men über diplomatische und konsularische Beziehungen bei Zustellun-gen. Als öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist
hierfür die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte begründet.
Nach Anhörung der Antragstellerin war die Sache daher gemäß §
17a Abs.
2 Satz
1 GVG an das zuständige [X.] zu verweisen.

[X.] [X.]

[X.]

[X.] Dr.
Karczewski
Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 10.08.2011 -
24 M 3616/11 -

LG [X.], Entscheidung vom 06.09.2011 -
4 [X.] -

Meta

IV ZB 27/11

27.06.2012

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2012, Az. IV ZB 27/11 (REWIS RS 2012, 5192)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5192

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IV ZB 27/11 (Bundesgerichtshof)

Rechtswegabgrenzung zwischen Zivilgerichtsbarkeit und Verwaltungsgerichtsbarkeit: Rechtsbehelf gegen Weigerung eines Gerichtsvollziehers bei Zustellungsbegehren an ein ausländisches …


IV AR (VZ) 1/07 (Bundesgerichtshof)


IX AR (VZ) 5/15 (Bundesgerichtshof)


IX AR (VZ) 2/15 (Bundesgerichtshof)


IX AR (VZ) 4/15 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

IV ZB 27/11

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.