Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.12.2012, Az. IV ZB 18/12

4. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 465

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Gegenstand

Kostenerstattung nach AGB-Kontrollklage eines eingetragenen Verbraucherverbands: Erstattungsfähigkeit der Reisekosten des in Parallelverfahren tätigen auswärtigen Prozessbevollmächtigten


Leitsatz

Ein nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 4 UKlaG in die Liste qualifizierter Einrichtungen eingetragener Verbraucherverband ist unabhängig von seiner Geschäftsorganisation in durchschnittlich schwierigen Fällen unter dem Gesichtspunkt der Kostenerstattung gehalten, einen am Gerichtsort ansässigen Prozessvertreter zu beauftragen. Reisekosten zum Prozessgericht zählen in diesen Fällen nicht zu den notwendigen Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.], 18. Zivilsenat, vom 10. Mai 2012 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.

Streitwert: 256,24 €

Gründe

1

I. Die [X.]en streiten um die Erstattungsfähigkeit von Reisekosten des in [X.]     ansässigen [X.]s des [X.] für ein in beiden Instanzen in [X.]      betriebenes Streitverfahren nach dem Unterlassungsklagengesetz ([X.]).

2

Der Kläger ist ein nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 4 [X.] in die Liste qualifizierter Einrichtungen eingetragener Verbraucherverband, der auf dem Gebiet des Versicherungswesens tätig ist und seinen Sitz in [X.]     hat. Er nahm in 18 Parallelverfahren bei verschiedenen Gerichten im gesamten [X.] Versicherungsunternehmen auf Unterlassung der in ihren Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung ([X.]) im Wesentlichen gleich lautend aufgenommenen so genannten [X.] in Anspruch. Nach dieser hat der Versicherungsnehmer alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte.

3

Im Streitfall ließ sich der Kläger - wie auch in den übrigen Verfahren - von dem an seinem Sitz niedergelassenen und auch sonst für ihn tätigen Prozessbevollmächtigten vertreten.

4

Die Klage hatte ganz überwiegend Erfolg und die Beklagte die Kosten zu tragen.

5

Im Kostenfestsetzungsverfahren hat das [X.] die für beide Instanzen angemeldeten [X.] (Fahrtkosten, Abwesenheitsgeld, Auslagen) von insgesamt 256,24 € nicht anerkannt. Die dagegen eingelegte Beschwerde hat das [X.] zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen, mit der der Kläger seinen Festsetzungsantrag in vollem Umfang weiterverfolgt.

6

II. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

7

1. Das Beschwerdegericht meint, gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO sei der streitgegenständliche Kostenaufwand zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig gewesen. Als eingetragener [X.] sei der Kläger nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung in der Lage und gehalten gewesen, einen am Gerichtsort ansässigen Prozessbevollmächtigten mit seiner Vertretung zu beauftragen und ihn für die entsprechende Wahrnehmung des Mandats schriftlich und telefonisch zu informieren. Sein Einwand, die von ihm beschäftigten [X.] seien mit anderen Tätigkeiten als der Instruktion von [X.]n ausgelastet gewesen, sei entgegen der Auffassung des [X.]s Düsseldorf ([X.] 2007, 78) unbeachtlich. Besondere Gründe, die Beklagte mit solchen Mehrkosten zu belasten, seien nicht gegeben. Insbesondere hätte der Kläger auch am Gerichtsort für diese Streitverfahren ausreichend qualifizierte Rechtsanwälte finden können. Ebenso habe er die Parallelverfahren mit den an verschiedenen Gerichtsorten ansässigen Rechtsanwälten selbst koordinieren können.

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2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

9

Das Beschwerdegericht hat mit Recht angenommen, dass es dem Kläger [X.] von § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung möglich gewesen wäre, am jeweiligen Gerichtsort ansässige [X.] zu mandatieren. Reisekosten für den an seinem Sitz niedergelassenen und von ihm mit allen Parallelverfahren betrauten Anwalt seines Vertrauens sind daher nicht erstattungsfähig.

a) Zutreffend ist der vom Beschwerdegericht für die Kostenerstattungsfrage zugrunde gelegte rechtliche Ansatz. Maßstab für die Erstattungsfähigkeit von Reisekosten nach § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO ist, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige [X.] die kostenauslösende Maßnahme ex [X.] als sachdienlich ansehen durfte; dabei trifft sie die Obliegenheit, unter mehreren gleichgearteten Maßnahmen die kostengünstigere auszuwählen ([X.], Beschluss vom 10. Juli 2012 - [X.] 106/11, [X.], 1128 Rn. 8).

Auf dieser Grundlage handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des [X.] bei entstehenden reisebedingten höheren Kosten eines [X.]s im Allgemeinen um notwendige Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung, wenn eine vor einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte [X.] einen an ihrem Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt ([X.], Beschlüsse vom 20. Mai 2008 - [X.] 92/07, NJW-RR 2009, 283 unter [X.] a; vom 25. Januar 2007 - [X.], [X.], 2048 unter III 1 a und vom 11. März 2004 - [X.], [X.], 93 unter II a; jeweils m.w.N.).

Das gilt allerdings nicht, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts feststeht, dass ein eingehendes Mand[X.]ngespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sein wird ([X.]sbeschlüsse vom 28. Juni 2006 - [X.], [X.], 1562 Rn. 8 und vom 21. September 2005 - [X.], [X.], 136 unter 2 [X.]; jeweils m.w.N.).

Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn die [X.] - wie etwa gewerbliche Unternehmen mit entsprechend organisierter eigener Rechtsabteilung - den Rechtsstreit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vorbereitet und daher in der Lage ist, einen am auswärtigen Gerichtsort niedergelassenen Rechtsanwalt in ausreichendem Umfang schriftlich zu instruieren ([X.]sbeschlüsse aaO m.w.N.).

Insoweit hat der [X.] anerkannt, dass zu diesen [X.]en, denen eine solche umfassende schriftliche Instruktion zur Prozessführung abzuverlangen ist, grundsätzlich Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] ([X.], Beschluss vom 18. Dezember 2003 - [X.], NJW-RR 2004, 856 unter [X.]) und Verbraucherschutzverbände gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 1 [X.] ([X.], Beschluss vom 2. Oktober 2008 - [X.], [X.], 374 Rn. 9; [X.]sbeschluss vom 21. September 2005 aaO unter 2 [X.]) zählen.

b) Nach diesen Grundsätzen war der Kläger kostenrechtlich gehalten, einen Bevollmächtigten am Gerichtsort zu beauftragen.

Er gehört zu der Gruppe von [X.], von denen nach der Rechtsprechung des [X.] in typischen und durchschnittlich schwierigen Fällen grundsätzlich die schriftliche Information ihrer Bevollmächtigten zu fordern ist ([X.], Beschluss vom 2. Oktober 2008 aaO; [X.]sbeschluss vom 21. September 2005 aaO).

Das Beschwerdegericht hat ferner die gesamten Umstände des Falles rechtsfehlerfrei dahingehend gewürdigt, dass auch unter Berücksichtigung der Parallelverfahren die Einschaltung des [X.]        Anwalts nicht notwendig war, weil der Kläger Prozessbevollmächtigte am Gerichtsort selbst hätte unterrichten können.

aa) Ohne Erfolg versucht die Rechtsbeschwerde dem die Besonderheiten des [X.] mit seiner Einbeziehung von 17 weiteren Parallelverfahren entgegenzuhalten, die zum Zeitpunkt der Beauftragung des Anwalts ausnahmsweise eine persönliche Kontaktaufnahme als unverzichtbar hätten erscheinen lassen, um die erforderliche Koordination des Vorgehens gegen verschiedene in einem Wirtschaftsverband verbundene Unternehmen mit einheitlichen Argumenten sicherzustellen.

Es ging in allen Verfahren allein um die von den in Anspruch genommenen Versicherern in ihren [X.] jeweils verwandte inhaltsgleiche [X.]. Die Bedenken gegen die Wirksamkeit einer solchen Klausel waren seit der Terminsnachricht des [X.]s im Verfahren IV ZR 352/07 und einer späteren Veröffentlichung ([X.], r+s 2010, 221) weitgehend aufgedeckt. Der Sachverhalt war insoweit unstreitig und der [X.] und dessen Vor- und Aufarbeitung auch aus ex-[X.]-Sicht im Wesentlichen festgelegt. Angesichts dessen hätte der mit [X.] besetzte Kläger auch durch schriftliche/fernmündliche Instruierungen wechselnder [X.] am jeweiligen Gerichtsort (vgl. [X.]sbeschluss vom 28. Juni 2006 aaO Rn. 11) für eine sachgerechte anwaltliche Interessenvertretung sorgen können, ohne die Beklagtenseite mit zusätzlichen Kosten zu belasten.

Die von der Rechtsbeschwerde betonte erforderliche Koordination in einer Hand am Geschäftsort des [X.] durch seinen Hausanwalt vor allem im Interesse einer einheitlichen Argumentation in den verschiedenen Prozessen und Abwehr von sonst gegebenenfalls teilweise akzeptierten einzelnen Gegenargumenten verliert demgegenüber an Gewicht. Die von ihr beschworene Gefahr einer nicht hinzunehmenden Schwächung der Stellung des [X.] bei der Wahrnehmung der ihm zugewiesenen und von ihm übernommenen [X.] ist bei der gegebenen überschaubaren Sach- und Rechtslage weder im Streitfall noch in den übrigen Parallelverfahren zu erkennen.

Die zusätzlich herausgestellten Unterschiede in der Rechtsprechung der verschiedenen Gerichte und in dem Vorgehen des jeweiligen [X.] vermögen schon wegen der tatsächlich nur auf eine Klausel beschränkten [X.] die Notwendigkeit einer persönlichen Kontaktaufnahme zum Zeitpunkt der Beauftragung des Anwalts nicht zu stützen; erforderlich war dies nach der rechtlich nicht zu beanstandenden tatrichterlichen Würdigung nicht (vgl. [X.]sbeschluss vom 21. September 2005 aaO unter 2 b cc).

bb) Die weiteren von der Rechtsbeschwerde erhobenen Bedenken gegen die Gleichstellung des [X.] mit [X.]en, die nach der vorgenannten Rechtsprechung des [X.] auf die schriftliche Instruktion von Anwälten für die Prozessführung verwiesen werden dürfen, greifen ebenfalls insgesamt nicht durch.

(1) Dem [X.]sbeschluss vom 21. September 2005 (aaO unter 2 [X.]) zur fehlenden Erstattungsfähigkeit von [X.] bei klagenden [X.] ist nicht eine weitgehende Anerkennung von Reisekosten eines am Geschäftssitz der klagenden [X.] ansässigen Rechtsanwalts zu entnehmen. Der [X.] hat vielmehr seine Entscheidung darauf gestützt, dass bei in der Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] eingetragenen [X.] wegen der für die Eintragung nach § 4 Abs. 2 Satz 1, Satz 4 Nr. 2 [X.] vorausgesetzten Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung nichts anderes gelten kann als bei Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen [X.] von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, die wie Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung behandelt werden. Das gilt für [X.] und Reisekosten gleichermaßen.

(2) Die nach Auffassung der Rechtsbeschwerde bestehenden Unterschiede zwischen [X.] und [X.] erlauben eine andere Beurteilung nicht.

Bei [X.] wird - was auch die Rechtsbeschwerde nicht verkennt - gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 [X.] unwiderleglich vermutet, dass sie - bei Förderung mit öffentlichen Mitteln wie beim Kläger - die mit der Wahrnehmung ihrer Aufgaben verbundenen Eintragungsvoraussetzungen erfüllen und ihnen deswegen die Klagebefugnis zusteht. Eine Differenzierung bei den [X.] - etwa nach der gewählten Struktur und Schwerpunktsetzung der Aufgaben, der Höhe der Fördermittel, den personellen Kapazitäten, dem spezifischen personellen Einsatz etc., wie sie die Rechtsbeschwerde erwägt - ist damit nicht zu vereinbaren.

(3) Aus diesem Grund kann auch mit dem Beschwerdegericht der Auffassung des [X.]s Düsseldorf (aaO) nicht zugestimmt werden, nach der der Einwand einer anderweitigen Auslastung beschäftigter Volljuristen im Einzelfall beachtlich sein soll. Auch das ist bereits höchstrichterlich anerkannt ([X.], Beschluss vom 2. Oktober 2008 - [X.], [X.], 374 Rn. 9).

(4) Die personelle, sachliche und finanzielle Ausstattung, die die schriftliche Unterrichtung von Prozessbevollmächtigten in geeigneten Fällen ermöglicht und kostenrechtlich verlangt, wird von dieser Fiktion ebenso erfasst. Unterlegene [X.]en müssen danach nicht hinnehmen, mit Kosten belastet zu werden, die sie bei anderer Organisation der Geschäfte des [X.]es nicht zu tragen hätten. Die zusätzlichen rechtspolitischen Überlegungen der Rechtsbeschwerde vermögen an der über diese Fiktion gesetzlich bindend festgelegten Qualifizierung von [X.] bei der Erfüllung ihrer Aufgaben ebenso wenig etwas zu ändern wie ihre sonst befürchtete Schwächung der Konfliktfähigkeit des [X.] und der damit verbundenen Gefahren für einen effektiven Verbraucherschutz. Eine Kostenerstattung kann nicht davon abhängig gemacht werden, wie ein Verbraucherverband die Schwerpunkte bei der Erfüllung seiner Aufgaben setzt (vgl. [X.], 1385, 1389 a.E.).

Mayen                                               [X.]                                                    Felsch

                         Lehmann                                           Dr. Brockmöller

Meta

IV ZB 18/12

12.12.2012

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Frankfurt, 10. Mai 2012, Az: 18 W 78/12

§ 91 Abs 2 S 1 Halbs 2 ZPO, § 3 Abs 1 S 1 Nr 1 UKlaG, § 4 UKlaG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.12.2012, Az. IV ZB 18/12 (REWIS RS 2012, 465)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 465

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