Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.11.2017, Az. XII ZB 389/16

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 2319

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[X.]:[X.]:BGH:2017:151117BXIIZB389.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 389/16

vom

15. November 2017

in der Abstammungssache

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
[X.] Art. 6 Abs. 1 und 2; [X.] § 1600 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und 3
a)
Bei Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater ist der Antrag des leiblichen [X.] auf Anfechtung der [X.]chaft stets un-begründet (Fortführung von Senatsbeschluss vom 18.
Oktober 2017

XII
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zur [X.] bestimmt und Senatsurteil BGHZ 170, 161 =
[X.], 538).
b)
Eine Auslegung des Gesetzes dahin, dass die Anfechtung dennoch möglich sei, wenn der leibliche Vater seinerseits eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind habe und mit ihm in einer Familie zusammenlebe, ist nicht zulässig.
c)
Das mit einer
bestehenden sozial-familiären Beziehung einhergehende Elternrecht
des rechtlichen [X.] ist auch in dieser Konstellation gegenüber dem grundrecht-lich geschützten Interesse des leiblichen [X.], die
rechtliche [X.]tellung er-langen zu können, vorrangig (im [X.] an [X.] 108, 82 =
[X.], 816 und Senatsurteil BGHZ 170, 161 =
[X.], 538).

BGH, Beschluss vom 15. November 2017 -
XII ZB 389/16 -
OLG Hamm

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 15.
November 2017 durch [X.] und
die Richter Prof.
Dr.
[X.],
Schilling, Dr.
Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 3 wird der Be-schluss des 12. [X.] des [X.] vom 13. Juli 2016 (Erlassdatum: 20. Juli 2016) [X.].
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des [X.] vom 27. Januar 2016 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der [X.] werden dem Antragsteller auferlegt.
Wer

Gründe:
I.
In der vorliegenden Abstammungssache ficht der Antragsteller ([X.] zu
2) als biologischer Vater die [X.]chaft des Beteiligten zu
3 zu dem im Januar 2013 geborenen Kind (Beteiligte zu
1) an und begehrt seine Feststel-lung als rechtlicher Vater.

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3
-
Der Beteiligte zu
3 und die Kindesmutter (Beteiligte zu
4) haben zwei gemeinsame (2007 und 2011 geborene) Söhne. Sie unterhielten eine Bezie-hung, ohne zusammenzuleben. Der Beteiligte zu
3 kam jedoch nahezu täglich in den Haushalt der Mutter, um sich um diese und die Kinder zu kümmern. Im [X.] 2011 kam es zur Trennung, nachdem die Kindesmutter eine Beziehung zum Antragsteller aufgenommen hatte. Ende 2012 trennten sich die Kindes-mutter und der Antragsteller. Nach der Geburt der Tochter im Januar 2013 kümmerte sich der Beteiligte zu
3 um alle drei Kinder. Er erkannte die Vater-schaft für die Tochter an. Die Kindesmutter ist allein sorgeberechtigt.
Anfang 2014 nahm die Kindesmutter die Beziehung zum Antragsteller wieder auf. Dieser hielt sich von nun an regelmäßig in ihrer Wohnung auf und kümmerte sich ebenfalls um die
drei Kinder. Der Beteiligte zu
3 strengte [X.] ein Umgangsverfahren an. Dieses endete mit einer Vereinbarung. Nach dieser ist er berechtigt, alle drei Kinder jedes
zweite Wochenende zu sich zu nehmen, wobei die Tochter aufgrund ihres jungen Alters zunächst nicht bei ihm übernachten sollte. Der Beteiligte zu
3 nimmt dieses Umgangsrecht weiterhin wahr. In der Folgezeit trennten sich die Kindesmutter und der Antragsteller [X.], kamen aber jeweils wieder zusammen. Seit Oktober 2016 sind sie mit-einander verheiratet.
Mit seinem seit August 2014 anhängigen Antrag ficht der Antragsteller die
[X.]chaft des Beteiligten zu
3 an. Das Amtsgericht hat das zuständige Jugendamt zum Ergänzungspfleger des Kindes bestellt. Dieses hat für das Kind die [X.]chaft angefochten, während der Verfahrensbeistand sich gegen die Anfechtung ausgesprochen hat. Das Amtsgericht hat molekulargenetische Gut-achten eingeholt, die den Ausschluss der
[X.]chaft des Beteiligten zu
3 und eine [X.]chaftswahrscheinlichkeit des Antragstellers von 99,9999999% ("[X.]chaft praktisch erwiesen") ergeben haben.
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4
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Das Amtsgericht hat den vom Jugendamt als Ergänzungspfleger gestell-ten Antrag als unzulässig zurückgewiesen, weil die allein sorgeberechtigte [X.] der Anfechtung widersprochen habe. Den vom Antragsteller gestellten [X.] hat es als unbegründet zurückgewiesen, weil eine sozial-familiäre Bezie-hung des Kindes zum Beteiligten zu
3 bestehe. Auf die Beschwerde des [X.]stellers hat das [X.] antragsgemäß festgestellt, dass nicht der Beteiligte zu
3, sondern der Antragsteller Vater des Kindes ist. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu
3, der eine Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses erstrebt.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Das [X.] hat zur Begründung seiner in [X.], 2135 veröffentlichten Entscheidung ausgeführt, der Antragsteller sei der leibli-che Vater des Kindes und habe seinen Antrag auch innerhalb der [X.] gemäß §
1600
b Abs.
1 [X.] gestellt. Es gehe damit allein um die Frage, ob die zwischen dem Kind und dem Beteiligten zu
3 bestehende
sozial-familiäre Beziehung die Anfechtung der [X.]chaft ausschließe.
Es sei nicht zweifelhaft, dass zwischen Kind und rechtlichem Vater bis heute eine sozial-familiäre Beziehung im Sinne von §
1600 Abs.
2 und 3 [X.] bestehe. Danach sei eine sozial-familiäre Beziehung anzunehmen, wenn der rechtliche Vater für
das Kind tatsächliche Verantwortung trage oder getragen habe. Zwar greife die Regelvermutung nach §
1600 Abs.
3 Satz
2 [X.], wenn der rechtliche Vater mit der Mutter des Kindes verheiratet sei oder mit dem Kind längere [X.] in häuslicher Gemeinschaft gelebt habe, hier nicht ein. Auch au-5
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ßerhalb der [X.] nach §
1600 Abs.
3 Satz
2 [X.] könne aber eine ausreichende Verantwortungsübernahme bestehen, da der [X.] bewusst nur eine Regelvermutung formuliert und keine weitere [X.] vorgenommen habe, um einzelfallgerechte Lösungen zu ermöglichen. Jedenfalls im [X.] nach der Geburt der Tochter habe neben der Mutter ausschließlich der Beteiligte zu
3 typische [X.] wahrgenommen. Er sei damit zunächst zu dem sozial-familiären Vater des Kindes geworden. Auch nachdem die Mutter wieder mit dem Antragsteller zusammengekommen sei, habe der Beteiligte zu
3 sich nicht aus der Vaterrolle für die Tochter [X.], sondern im Gegenteil ein Verfahren angestrengt, um den Umgang mit "seiner"
Tochter durchzusetzen.
Das Bejahen einer sozial-familiären Beziehung zwischen Kind und recht-lichem Vater führe aber nicht zwingend dazu, dem leiblichen Vater die [X.] zu versagen. Die Besonderheit des vorliegenden Falls beste-he darin, dass neben dem rechtlichen auch der leibliche Vater eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind habe. Auch nach der Einschätzung des vom Amtsgericht bestellten [X.] hätten beide Väter eine vertrauens-volle Beziehung zum Kind.
Nach dem Wortlaut des §
1600 Abs.
2 [X.] komme es auf die sozial-familiäre Beziehung des Kindes zu seinem leiblichen Vater zwar nicht an. Die historische und teleologische
Auslegung gebiete es jedoch, §
1600 Abs.
2 [X.] einschränkend dahin auszulegen, dass eine
sozial-familiäre Beziehung des Kindes zu seinem rechtlichen Vater einer Anfechtung durch den leiblichen Vater dann nicht entgegenstehe, wenn dieser seinerseits eine sozial-familiäre Bezie-hung zu dem Kind habe und mit ihm in einer Familie zusammenlebe. Art.
6 Abs.
2 [X.] schütze das Interesse des leiblichen [X.] eines Kindes, auch die rechtliche Stellung als Vater einzunehmen. Dieser Schutz vermittle zwar kein 9
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-
Recht, in jedem Fall vorrangig vor dem rechtlichen Vater die [X.]tellung ein-geräumt zu erhalten.
Der Gesetzgeber habe bei der Frage, ob dem rechtlichen oder dem leiblichen Vater der Vorrang einzuräumen sei, darauf abgestellt, ob der rechtliche Vater auch [X.] Vater sei; er habe dabei aber ersichtlich nicht die Konstellation der doppelten [X.]chaft vor Augen gehabt. Auch in den vom [X.] entschiedenen Fällen sei stets ausschlaggebend gewesen, dass im maßgeblichen [X.]punkt der letzten mündlichen Verhandlung allein der rechtliche Vater eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind
gehabt und mit ihm in einer Familie zusammengelebt habe. Die hier gegebene Konstel-lation sei jedoch eine andere. Der leibliche Vater habe zum maßgeblichen [X.]-punkt der letzten mündlichen Verhandlung eine sozial-familiäre
Beziehung zu seinem Kind. Art.
6 Abs.
2 Satz
1 [X.] enthalte das Gebot, möglichst eine Über-einstimmung von leiblicher und rechtlicher Elternschaft zu erreichen. Das Nega-tivmerkmal der sozial-familiären Beziehung zum rechtlichen Vater diene im Inte-resse des Kindes dem Schutz der bestehenden [X.] Familie. Lebe wie hier der leibliche Vater aber mit dem Kind und seiner Mutter als Familie zusammen und habe er selbst auch innerhalb dieser Familie eine sozial-familiäre Bezie-hung zu seinem Kind, falle diese Familie unter den Schutz des Art.
6 Abs.
1 [X.]. Der vom Gesetzgeber bezweckte Schutz der [X.] Familie könne in dieser Konstellation nur erreicht werden, wenn der leibliche Vater auch die Rolle
des rechtlichen [X.] einnehmen könne. Es reiche dabei nicht, den Vater auf sein Umgangsrecht nach §
1686
a Abs.
2 [X.] zu verweisen. Denn nur dem rechtlichen Vater werde durch §
1671 [X.] der Weg eröffnet, über die [X.] elterliche Sorge auch rechtliche Verantwortung für sein Kind zu tragen.
Soweit der Beteiligte zu
3 befürchte, bei Verlust seiner rechtlichen Vater-schaft den Kontakt zu "seiner"
Tochter zu verlieren, sei auf die bestehende Umgangsvereinbarung und darauf hinzuweisen, dass es der allein sorgebe-rechtigten Kindesmutter natürlich weiterhin unbenommen sei, den Umgang wie 11
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bisher zuzulassen. Sofern künftig erneut Streit über den Umgang aufkommen sollte, stünde ihm der Rechtsweg nach §
1685 Abs.
2 [X.] offen.
2. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Nach §
1600 Abs.
1 Nr.
2 [X.] ist zur Anfechtung der [X.]chaft auch der Mann berechtigt, der an Eides statt versichert, der Mutter während der [X.] beigewohnt zu haben. Die Anfechtung setzt in diesem Fall ge-mäß §
1600 Abs.
2 [X.] voraus, dass zwischen dem Kind und seinem rechtli-chen Vater keine sozial-familiäre Beziehung besteht und dass der Anfechtende leiblicher Vater des Kindes ist.
Da der Antragsteller nach den nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen
leiblicher Vater des Kindes ist, kommt es im vorliegenden Fall [X.] an,
ob zwischen dem Beteiligten zu
3
als rechtlichem Vater und dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung besteht und diese die Anfechtung durch den biologischen Vater hindert. Beides ist im Ergebnis zu bejahen.
a) Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und dem Beteiligten zu
3 be-steht.
aa) Das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung setzt nach §
1600 Abs.
3 Satz
1 [X.] voraus, dass der rechtliche Vater für das Kind tatsächlich Verantwortung trägt.
Verantwortung trägt derjenige, der sich um die Pflege und Erziehung des Kindes kümmert (vgl. [X.] [X.], 816, 818). Eine Übernahme tat-sächlicher Verantwortung liegt nach §
1600 Abs.
3 Satz
2 [X.] in der Regel vor, wenn der rechtliche Vater mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere [X.] in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.
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Das Zusammenleben in einem Haushalt ist allerdings keine [X.]. Die Übernahme tatsächlicher Verantwor-tung kann auch in anderer Form erfolgen, indem der Vater etwa wesentliche Betreuungsleistungen für das Kind erbringt, ohne mit diesem dauerhaft in einem Haushalt zu leben (vgl. auch Senatsbeschluss [X.], 124 =
[X.], 1142 Rn.
14
f. zur ehelichen Lebensgemeinschaft). Dass die tatsächliche [X.] elterlicher Verantwortung nicht auf den Fall des Zusammenlebens in einem Haushalt beschränkt, sondern auch darüber hinaus möglich ist, zeigt sich etwa, wenn der rechtliche Vater nach Trennung der rechtlichen Eltern regelmä-ßige Kontakte zu dem Kind unterhält und sich hierbei um die Pflege und Erzie-hung des Kindes kümmert. Denn die sozial-familiäre Beziehung muss nur zwi-schen rechtlichem Vater und Kind bestehen und setzt nicht voraus, dass gleich-zeitig eine entsprechende
Beziehung des rechtlichen [X.] zur Mutter besteht. Auch bei regelmäßigen Umgangskontakten zwischen rechtlichem Vater und Kind ist mithin grundsätzlich vom Bestehen einer sozial-familiären Beziehung auszugehen (OLG Hamm [X.], 1185, 1186; [X.] [X.], 1674; MünchKomm[X.]/Wellenhofer 7.
Aufl. §
1600 Rn.
23).
bb) In zeitlicher Hinsicht kommt es abgesehen vom Fall, dass der rechtli-che Vater verstorben ist, für das Bestehen der sozial-familiären Beziehung auf den Abschluss der Beschwerdeinstanz als der letzten Tatsacheninstanz an (Senatsbeschluss vom 18.
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zur [X.] bestimmt [X.]; Senatsurteil BGHZ 170, 161 =
[X.], 538, 539).
Zu diesem [X.]punkt muss die sozial-familiäre Beziehung aktuell beste-hen. Es genügt nicht, dass der rechtliche Vater die tatsächliche Elternverant-wortung zu einem früheren [X.]punkt übernommen hatte, wenn diese zu einem späteren [X.]punkt beendet worden ist und bei Abschluss der letzten Tatsa-18
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cheninstanz nicht mehr besteht (Senatsurteil BGHZ 170, 161 =
[X.], 538, 539).
Im Übrigen setzt das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung keine bestimmte Mindestdauer voraus. Ein längeres Zusammenleben mit dem Kind ist zwar ein Indiz, nicht aber eine notwendige Voraussetzung für das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung. Diese kann bereits bei kürzerem [X.] bejaht werden, wenn dieses noch andauert und der Tatrichter überzeugt ist, dass der rechtliche Vater die tatsächliche Verantwortung für das Kind über-nommen hat und in einer Weise trägt, die auf Dauer angelegt erscheint ([X.], 161 =
[X.], 538, 539
f.). Eine sozial-familiäre Be-ziehung kann demzufolge insbesondere auch bei zusammenlebenden nicht verheirateten rechtlichen Eltern sogleich nach der Geburt des Kindes gegeben sein. Dass die Voraussetzungen der Regelannahmen nach §
1600 Abs.
3 Satz
2 [X.] zu diesem [X.]punkt (noch) nicht erfüllt sind, schließt dies nicht aus, weil es sich bei den Regelannahmen lediglich um

widerlegbare

Indizien und nicht um eine gesetzliche Begrenzung des Begriffs der sozial-familiären Beziehung handelt (vgl. Senatsurteil BGHZ 170, 161 =
[X.], 538, 539
f.).
b) Das Anfechtungsbegehren des leiblichen [X.] ist nach §
1600 Abs.
2 [X.] nur begründet, wenn zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im [X.]punkt seines Todes bestanden hat. Darauf, ob auch zwischen leiblichem Vater und Kind eine sozial-familiäre Beziehung besteht, kommt es nach dem eindeutigen Wortlaut der ge-setzlichen Regelung nicht an.
aa) Für eine einschränkende Auslegung der Norm besteht entgegen der Auffassung des [X.]s keine Möglichkeit. Dass eine sozial-21
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familiäre Beziehung des Kindes zu seinem rechtlichen Vater, wie das Oberlan-desgericht meint, einer Anfechtung durch den leiblichen Vater dann nicht ent-gegenstehe, wenn dieser seinerseits eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind habe und mit ihm in einer Familie zusammenlebe, findet im Gesetz keine Grundlage und ergibt sich insbesondere nicht aus einer historischen oder teleo-logischen Auslegung.
(1) Die Anfechtung der [X.]chaft durch den leiblichen Vater ist durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der [X.]chaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes vom 23.
April 2004 ([X.]l.
I S.
598) eingeführt worden. Der Gesetzgeber kam damit einer Anord-nung des [X.]s nach, die dieses in seiner Entscheidung vom 9.
April 2003 ([X.] 108, 82 =
[X.], 816) getroffen hatte. Das [X.] hatte §
1600 [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung für insoweit mit Art.
6 Abs.
2 Satz
1 [X.] nicht vereinbar erklärt, als er den leibli-chen, aber nicht rechtlichen Vater eines Kindes ausnahmslos von der Anfech-tung einer [X.]chaftsanerkennung ausschloss. Dem lag die Erwägung zu-grunde, dass auch der leibliche, aber nicht rechtliche Vater eines Kindes unter dem Schutz von Art.
6 Abs.
2 Satz
1 [X.] stehe. [X.] Vater eines Kindes zu sein, mache diesen zwar allein noch nicht
zum Träger des [X.] aus Art.
6 Abs.
2 Satz
1 [X.]. Die Grundrechtsnorm schütze den leiblichen Vater aber in seinem Interesse, die Rechtsstellung als Vater des Kindes einzuneh-men. Dieser Schutz vermittle ihm kein Recht, in jedem Fall vorrangig vor dem rechtlichen Vater die [X.]tellung eingeräumt zu erhalten. Ihm sei jedoch vom Gesetzgeber die Möglichkeit zu eröffnen, die rechtliche Vaterposition zu erlan-gen, wenn dem der Schutz einer familiären Beziehung zwischen dem Kind und seinen rechtlichen Eltern nicht entgegenstehe und festgestellt werde, dass er der leibliche Vater des Kindes sei ([X.] 108, 82 =
[X.], 816, 818).
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-
(2) Damit hat das [X.] den verfassungsrechtlich gebotenen Rahmen einer gesetzlichen Neuregelung bereits dahin vorgegeben, dass das Anfechtungsrecht gesetzlich zu gewährleisten ist, wenn keine [X.] Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater besteht. Dass sich die Begründung
insoweit nicht nur auf den rechtlichen Vater, sondern auf beide rechtlichen
Eltern bezieht, ist schon deshalb nicht ausschlaggebend, weil für die Anfechtung der [X.]chaft das Bestehen oder Nichtbestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Mutter nicht erheblich sein kann. Dementsprechend stellt das Gesetz auch nicht auf eine sozial-familiäre Beziehung des Kindes mit seinen rechtlichen Eltern, sondern nur auf eine solche mit seinem rechtlichen Vater ab. Denn auch für das Elternrecht des rechtlichen [X.] kommt es nicht darauf an, ob dieser in familiärer Gemein-schaft mit der Mutter lebt oder nicht. Nach der Trennung von der Mutter bleibt er unverändert Träger des [X.]. Geht das Elternrecht des rechtlichen [X.] mit einer bestehenden sozial-familiären Beziehung einher, ist es auch in dieser Konstellation gegenüber dem grundrechtlich geschützten Interesse des leiblichen [X.], in die rechtliche [X.]tellung einrücken zu können, vorran-gig. Daran hat sich der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien [X.] orientiert (BT-Drucks. 15/2253 S.
11).
(3) Dem entspricht es zudem, dass das Kind nicht selten eine sozial-familiäre Beziehung auch zu seinem leiblichen Vater haben kann, sei es, dass dem leiblichen Vater

wie vom [X.] seinerzeit zugleich entschieden worden ist

aufgrund einer früheren sozial-familiären Beziehung ein Umgangsrecht gemäß §
1685 Abs.
2 [X.] zusteht, sei es, dass er nach §
1686
a [X.] erstmals Umgangskontakte mit seinem leiblichen Kind erwirken kann (vgl. Senatsbeschluss [X.], 155 =
[X.], 2082
Rn.
19
ff.). In diesen Fällen kann der leibliche Vater auch neben dem rechtlichen Vater eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind aufbauen, ohne dass ihm dies zugleich 25
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12
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die Anfechtung eröffnen würde. Die vom [X.] hier weiter aufge-stellte Voraussetzung, zwischen dem leiblichen Vater, der Mutter und dem Kind müsse zusätzlich eine familiäre Beziehung bestehen, würde hingegen letztlich die sozial-familiäre Beziehung zur Mutter den Ausschlag geben lassen. Das würde aber sowohl dem Elternrecht des rechtlichen [X.] als auch der gesetz-lichen Systematik in §
1600 Abs.
2 und 3 [X.] widersprechen, die nur auf die Übernahme tatsächlicher Verantwortung für das Kind abstellt, nicht aber auf das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung des rechtlichen [X.] zur [X.]. Der Mutter steht ohnedies ein eigenes Anfechtungsrecht zu, das selbst von einer bestehenden sozial-familiären Beziehung des Kindes zum rechtlichen Va-ter nicht gehindert wird. Von diesem hat die Kindesmutter, die vor dem Amtsge-richt der [X.]chaftsanfechtung ausdrücklich widersprochen hat, im vorliegen-den Fall
keinen Gebrauch gemacht.
bb) Die wortlautgetreue Gesetzesanwendung entspricht somit den Vor-gaben des [X.]s. Dafür, dass der Gesetzgeber darüber hinausgehen und dem leiblichen Vater weitergehende Rechte einräumen wollte, als dies nach der Rechtsprechung des [X.]s mit Blick auf die widerstreitenden Grundrechtspositionen von rechtlichem und leiblichem Va-ter geboten war, ist nichts ersichtlich (ebenso BeckOGK [X.]/Reuß [Stand: 1.
Juli 2017] §
1600 Rn.
84 [X.]). Die Regelung in §
1600 Abs.
2 [X.] ist somit ihrem Wortlaut entsprechend als bewusste gesetzgeberische Entscheidung zu respektieren. Die Frage, ob die bestehende gesetzliche Regelung auch zukünf-tig noch rechtspolitisch wünschenswert erscheint oder ob den Interessen des leiblichen [X.] ein höherer Stellenwert gebührt, fällt schließlich in die alleinige Zuständigkeit des Gesetzgebers (Senatsbeschluss vom 18.
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zur [X.] bestimmt).

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13
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c) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Neuregelung ergeben sich nicht. Der Gesetzgeber hat sich bei der Gesetzesfassung an den Vorgaben des [X.]s orientiert, die dieses aus einer grundrechtlichen Bewertung der Interessenlage der Beteiligten entwickelt
hat. Dementsprechend hat das [X.] in seiner [X.] Rechtsprechung die gesetzliche Regelung nicht beanstandet ([X.] FamRZ 2015, 817
f. [X.]; vgl. Senatsbeschluss vom 18.
Oktober 2017

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zur [X.] bestimmt [X.]).
Die Gesetzeslage ist schließlich auch mit Art.
8 EMRK vereinbar
(vgl. [X.] FamRZ 2015, 817; Senatsbeschluss vom 18.
Oktober 2017

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zur [X.] bestimmt). Der [X.] hat die vom [X.] Gesetzgeber getroffene Entschei-dung als im Rahmen des nationalen [X.]
(vgl. etwa [X.] Urteil vom 22.
März 2012

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juris Rn.
64
ff.; [X.] FamRZ
2014, 1257 und [X.], 437). Zwar lag den Entscheidun-gen noch kein Fall wie der vorliegende zugrunde, in dem
das Kind zu dem leib-lichen wie dem rechtlichen Vater zugleich in einer sozial-familiären Beziehung steht und zudem mit dem leiblichen Vater und der Mutter zusammenlebt. Auch insoweit liegt es aber im Rahmen des nationalen [X.], dass der [X.] Gesetzgeber die Beseitigung der rechtlichen Abstammung als Statusbeziehung aus Gründen der Rechtssicherheit an geeignete generelle Kri-terien geknüpft und eine offene, zeitlich nicht fixierte Abwägung der beiderseiti-gen Interessen des leiblichen und des rechtlichen [X.] nicht vorgesehen hat (vgl. Senatsurteil BGHZ 170, 161 =
[X.], 538, 540). Den gleichwohl anzuerkennenden Interessen des leiblichen [X.] an einem familiären Leben mit seinem Kind
(vgl. [X.] [X.], 269 Rn.
61 und [X.], 1715, 1716) ist dann auf andere Weise Rechnung zu tragen, wie dies der Gesetzge-28
29
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14
-
ber durch die Gewährung eines Umgangsrechts des leiblichen [X.] in §
1686
a [X.] umgesetzt hat.

Dose

[X.]

Schilling

Nedden-Boeger

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.01.2016 -
130 [X.]/14 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 13.07.2016 -
II-12 [X.] -

Meta

XII ZB 389/16

15.11.2017

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.11.2017, Az. XII ZB 389/16 (REWIS RS 2017, 2319)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 2319

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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12 UF 145/15 (Oberlandesgericht Hamm)


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Wird zitiert von

II R 5/17

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XII ZB 389/16

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