Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.04.2015, Az. AK 9/15

3. Strafsenat | REWIS RS 2015, 11757

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BUND[X.]SG[X.]RICHTSHOF

B[X.]SCHLUSS

AK 9/15
vom
30.
April 2015
in dem Strafverfahren
gegen

wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland

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Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] sowie des Angeschuldigten und seiner Verteidiger am 30. April 2015 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:

Die Untersuchungshaft hat [X.].

[X.]ine etwa weiter erforderliche Haftprüfung durch den Bundesge-richtshof findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem [X.] übertragen.

Gründe:
Der Angeschuldigte, ein [X.] und [X.] St[X.]tsangehöri-ger, wurde aufgrund des Haftbefehls des [X.]rmittlungsrichters des [X.] vom 14.
Oktober 2014 (2 [X.] 432/14) am 15. Oktober 2014 festge-nommen und befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft.

Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeschuldigte sei im Juli 2013 aus der [X.] nach [X.] ausgereist und ha-be sich der dort bestehenden Organisation "Jabhat al-nusra li-ahli ash-sham (Hilfsfront für das Volk [X.]; [X.])" angeschlossen, deren Zwecke und deren Tätigkeiten darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§
212 StGB)
zu begehen. Nach einer Waffenausbildung habe er ab [X.] 2013 bis zu seiner Rückkehr nach [X.] im Juni 2014 in der syri-1
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schen Region [X.] die Ziele dieser Organisation dadurch gefördert, dass er in deren dort eingerichteten Kontrollposten Wachdienste verrichtet und an den Lagebesprechungen der örtlichen Kräfte teilgenommen habe (Mitgliedschaftli-che Beteiligung an einer terroristischen Organisation im Ausland außerhalb der [X.], strafbar nach § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB).

Wegen dieses Sachverhalts hat der [X.] gegen den Angeschuldigten unter dem 30. März 2015 Anklage beim St[X.]tsschutzsenat des [X.] erhoben.

Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.

1. Der Angeschuldigte ist des ihm vorgeworfenen Tatgeschehens
dringend verdächtig.

a) Nach gegenwärtigem [X.]rkenntnisstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

[X.]) Die [X.]" (im Weiteren [X.]) wurde [X.]nde 2011 von [X.] und anderen [X.] der seinerzeitigen Organisation "Islamischer St[X.]t im lrak" ([X.]) im Auf-trag des [X.]-Anführers Abu Bakr
[X.] in [X.] gegründet und sollte als Ableger der [X.] Organisation im Nachbarland operieren. Die Gründung wurde im Januar 2012 in einem im [X.] veröffentlichten Video bekannt ge-geben. Zwischen den beiden Gruppierungen kam es im April 2013 zum Bruch, als [X.] die [X.] [X.] und [X.] im neu 3
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ausgerufenen "Islamischen St[X.]t im [X.] und [X.]" ([X.]) ausrief. [X.] wies dies als Anführer der [X.] zurück, betonte die [X.]igenständig-keit seiner Gruppierung und legte den Treueid auf [X.] der [X.], [X.], ab. Seitdem fungiert die [X.] als Regionalorganisation von [X.] in [X.].

Ziel der [X.] ist der Sturz des [X.] in [X.], das sie durch einen [X.] St[X.]t auf der Grundlage ihrer eigenen Interpretation der Sharia ersetzen will. Darüber hinaus erstrebt sie die "Befreiung" des histori-schen Großsyrien, das heißt [X.]s einschließlich von Teilen der südlichen [X.], des [X.], [X.], [X.] und der palästinensischen Gebiete. Diese Ziele verfolgt die [X.] mittels militärischer Operationen, aber auch durch Sprengstoffanschläge, Selbstmordattentate, [X.]ntführungen sowie gezielte Tö-tungen von Angehörigen des [X.] Militär-
und [X.]. [X.] werden der Gruppierung bis [X.]nde 2014 mehr als 1.500 Anschläge [X.], bei denen mindestens 8.700 Menschen getötet wurden. So hat sich die [X.] auch zu mehreren Selbstmordanschlägen auf Angehörige der [X.] am 14. April 2014 und am 25. Mai 2014 mittels mit Sprengstoff beladener Fahrzeuge bekannt.

Die [X.] ist militärisch-hierarchisch organisiert. Ihr Anführer ist weiterhin [X.], dem ein aus fünf bis sechs Personen gebildeter [X.] zugeordnet ist. Unterhalb dieser Führungsebene stehen die [X.] der kämpfenden [X.]inheiten, die ihrerseits untergliedert sind in die vor Ort agierenden Kampfgruppen. Die Zahl der Kämpfer der [X.] wird derzeit auf 4.000 bis 6.000 geschätzt. Ihre militärische Ausbildung erhalten diese in einem verzweigten Netz von Trainingslagern. Daneben gibt es Hinweise auf soge-nannte "[X.]" in den von der [X.] kontrollierten Gebieten, die reli-7
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giöse Angelegenheiten regeln und den Aufbau eines eigenen Justiz-
und [X.] vorantreiben. Für ihre Öffentlichkeitsarbeit bedient sich die [X.] der eigenen
Medienstelle "al-manara al-baida" ("Der weiße Leuchtturm"), über die sie im [X.] Verlautbarungen, Operationsberichte und [X.] verbreitet. Darüber hinaus unterhält sie ein Netzwerk von "[X.]" in [X.], die ihre Berichte über Twitter-Kanäle veröffentlichen.

bb) Spätestens im Juni 2013 fasste der Angeschuldigte -
nach dem [X.] seines [X.] genannt "A.

" bzw. "Ab.

" -
den
[X.]ntschluss, nach [X.] auszureisen, um an der Seite einer der dort [X.] islamistisch geprägten Organisationen am bewaffneten Kampf gegen das Assad-Regime teilzunehmen. Am 1. Juli 2013 verließ er zusammen mit der gesondert verfolgten M.

, seiner [X.]hefrau nach islamischem Ritus, und den vier im gemeinsamen Haushalt lebenden Kindern die [X.] und fuhr mit ihnen im Pkw über die [X.] nach [X.]. Noch im Juli 2013 wurde der Angeschuldigte dort als Mitglied in die [X.] aufgenommen und erhielt von dieser zunächst eine etwa zweiwöchige Ausbildung an der Waffe, für die er sich weisungsgemäß selbst ein Gewehr [X.], ein Maschinenge-wehr und Handgranaten besorgte. In der Folge leistete der Angeklagte Wach-dienste an den von
der [X.] im Raum [X.] eingerichteten Kontrollposten und beteiligte sich an den täglichen Lagebesprechungen der dortigen örtlichen [X.]. Anfang Januar 2014 reiste die gesondert verfolgte B.

mit ihren zwei Kindern dem Angeschuldigten aus [X.] nach [X.] nach und schloss mit diesem die [X.]he als Zweitfrau nach islamischem Ritus. Von der [X.] erhielt der Angeschuldigte eine Alimentation von 100 Dollar monatlich je Familie nebst Wohnung und Übernahme der Krankenversorgung.

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Am 26. Juni 2014
kehrte der Angeschuldigte auf dem Luftweg über
[X.] nach [X.] zurück. Die gesondert Verfolgten M.

und B.

waren bereits am 12. Juni bzw. 23. Mai 2014 zurückgereist.

b) Zum dringenden Tatverdacht nimmt der Senat Bezug auf das in der Anklageschrift des [X.]s vom 30. März 2015 umfassend dar-gelegte [X.]rgebnis der bisherigen [X.]rmittlungen und auf die dort im [X.]inzelnen be-zeichneten Beweismittel.

c) Da der Vorwurf der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländi-schen terroristischen Organisation (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB) die Fortdauer der Untersuchungshaft trägt, lässt der Senat offen, ob dem Angeschuldigten auch, wie in der Anklageschrift angenommen, zur Last fällt, eine schwere st[X.]tsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben (§
89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB).

d) Die nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB erforderliche [X.]rmächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von Mitgliedern oder Unterstützern der [X.], u.a. soweit sie [X.] St[X.]tsangehörige sind, hat das [X.] am 15. Juli 2013 erteilt (4030 [X.] (985)
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21 701/2013).

2. [X.]s besteht jedenfalls der Haftgrund der Schwerkriminalität (§ 112 Abs.
3 StPO). Nach den Umständen kann nicht ausgeschlossen werden, dass ohne den Vollzug der Untersuchungshaft die alsbaldige Ahndung und Aufklä-rung der Tat gefährdet wäre.

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Der Angeschuldigte hat wegen des ihm vorgeworfenen Tatgeschehens mit nicht unerheblichem Freiheitsentzug zu rechnen. Seine bestehenden sozia-len Bindungen an die [X.] erscheinen nicht tragfähig genug, um den hiervon ausgehenden Fluchtanreizen verlässlich entgegenwir-ken zu können. Beschäftigungsverhältnisse werden nicht ersichtlich. Zwar un-terhielt der Angeschuldigte zum Zeitpunkt seiner Festnahme einen gemeinsa-men Wohnsitz mit der gesondert verfolgten M.

und den Kindern in R.

. Bereits
die Umstände seiner Ausreise im Juli 2013 belegen jedoch, dass dies den Angeschuldigten
nicht daran
hindern könnte, die [X.] erneut zu verlassen, er dabei vielmehr mit der Unterstützung und mit der Begleitung durch seine Familie rechnen könnte. Weiter sind keine Hin-weise auf eine zwischenzeitliche nachhaltige Loslösung des Angeschuldigten von der [X.] erkennbar. So erklärte der Zeuge [X.].

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der sich zur [X.] wie der Angeschuldigte in [X.] aufgehalten hatte -
dem die Rück-kehr des gemeinsamen Bekannten "A.

"
nach [X.] kritisie-renden Zeugen Be.

telefonisch: "Ich wusste schon, dass er nach hier kommen würde. Das war abgesprochen und da ist auch etwas neues, großes in Plan. Deswegen muss ich irgendwie an ihn rankommen."
(Sachakte VI Bl. 97 ff.). [X.]s ist deshalb zu besorgen, dass der Angeschuldigte weiterhin in ein Netz-werk Gleichgesinnter eingebunden ist, das ihm die Umsetzung des [X.]ntschlus-ses, unterzutauchen und sich weiterer Strafverfolgung zu entziehen, wesentlich erleichtern könnte.

Vor diesem Hintergrund kann der Zweck der Untersuchungshaft auch nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO).

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3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersu-chungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor. Die be-sondere Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen.

Das sachbearbeitende [X.] hat seine [X.]rmitt-lungen am 6. Februar 2015 abgeschlossen und den Abschlussbericht [X.]. Daneben
erforderliche Gutachten zur [X.]"
und zu sichergestellten Bild-
und Videodateien lagen bis 16. März 2015 vollständig vor. Die unter dem 30. März 2015 gefertigte Anklageschrift des [X.]s ging am 9. April 2015 beim zuständigen St[X.]tsschutz-senat des [X.] ein. Der Vorsitzende des St[X.]tsschutzsenats hat am 10. April 2015 deren Zustellung verfügt und eine [X.]r-klärungsfrist bis 11. Mai 2015 bestimmt.

Das Verfahren ist danach mit der in Haftsachen gebotenen Beschleuni-gung geführt worden.

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4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu [X.] Strafe.

[X.]

Pfister Mayer

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Meta

AK 9/15

30.04.2015

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.04.2015, Az. AK 9/15 (REWIS RS 2015, 11757)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 11757

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