Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.05.2015, Az. 4 StR 577/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 10698

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDE[X.]GERICHT[X.]HOF

IM NAMEN DE[X.] VOLKE[X.]

URTEIL
4
[X.]tR
577/14

vom
21. Mai 2015
in der [X.]trafsache
gegen

1.

2.

wegen
zu 1.:
versuchter Anstiftung zum Mord

zu 2.:
Verdachts des versuchten Mordes

-
2
-
Der 4.
[X.]trafsenat des [X.] hat in der [X.]itzung am 21.
Mai 2015 aufgrund der Hauptverhandlung vom 12. März 2015, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzende [X.]in
am [X.]
[X.]ost-[X.]cheible,

[X.]in
am [X.]
Roggenbuck,
[X.] am [X.]
Dr. [X.],
[X.],
Dr. Quentin

als beisitzende [X.],

[X.] beim [X.]

-
in der Verhandlung -,
[X.]taatsanwältin beim [X.]

-
bei der Fortsetzung der Verhandlung und bei der Verkündung -

als Vertreterinnen
des
[X.]s,

Rechtsanwalt

-
in der Verhandlung -,
Rechtsanwalt

-
in der Verhandlung -

als Verteidiger
des Angeklagten [X.].

,

Rechtsanwalt

-
in der Verhandlung -,
Rechtsanwalt

-
in der Verhandlung -

als Verteidiger des Angeklagten [X.]

,

Justizangestellte

-
in der Verhandlung -,
Justizangestellte

-
bei der Verkündung -

als Urkundsbeamtinnen
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
Auf die Revisionen der [X.]taatsanwaltschaft und des Ange-klagten [X.].

wird das Urteil des [X.]
vom 11.
März 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die [X.]ache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine als [X.]chwurgericht zuständige [X.]trafkammer des [X.] zurückverwiesen.
Die sofortige Beschwerde der [X.]taatsanwaltschaft gegen die in dem vorgenannten Urteil getroffene [X.] ist damit gegenstandslos.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten [X.].

wegen versuchter Anstiftung
zum Mord zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Den Angeklagten
[X.]

hat es freigesprochen und eine Entschädigungsentscheidung wegen
erlittener Untersuchungshaft getroffen. Gegen dieses Urteil haben die [X.] zuungunsten beider Angeklagter und der Angeklagte [X.].

Revisi-
on eingelegt. Die [X.]taatsanwaltschaft erstrebt mit der Rüge der Verletzung ma-teriellen Rechts eine Verurteilung beider Angeklagter wegen versuchten ge-meinschaftlichen Mordes. Mit der sofortigen Beschwerde wendet sie sich gegen die Entschädigungsentscheidung bezüglich des Angeklagten [X.]

. Der An-
1
-
4
-
geklagte [X.].

erhebt eine Verfahrensrüge und die allgemeine [X.]achrüge. Alle
drei Revisionen sind begründet.
I.
1.
Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Der Angeklagte [X.]

ist der [X.] des in seiner libanesisch-kurdischen
Großfamilie sehr respektierten Angeklagten [X.].

. Während einer Hochzeits-
feier am 12.
Juni 2011 erstachen zwei [X.]öhne des [X.]

C.

den ältesten [X.] des Angeklagten [X.].

, I.

[X.]

. Der Ange-
klagte [X.].

war über den gewaltsamen Tod seines [X.]es bestürzt und trau-
matisiert. Innerhalb der Großfamilie [X.].

wurde als Vergeltung für den Tod des
I.

[X.]

gefordert, ein hinsichtlich seiner [X.]tellung geeignetes Mitglied
der Familie C.

zu töten.
Am 8.
Februar 2012 fand auf telefonische Veranlassung des Angeklag-ten [X.].

ein Treffen auf dem Autoplatz der Familie in G.

statt, an dem
neben den beiden Angeklagten ein weiterer [X.] des Angeklagten [X.].

, O.

[X.]

, sein Bruder A.

[X.]

sowie ein [X.].

, dessen Identität nicht ge-
klärt werden konnte, teilnahmen. [X.]pätestens zu diesem Zeitpunkt sprachen die Anwesenden über die Möglichkeit einer Vergeltung für den Tod I.

[X.]

und fassten dabei als potentielles Opfer den Nebenkläger als Oberhaupt der Familie C.

ins Auge, dessen Tod nach ihrem Verständnis geeignet war,
seiner Familie einen gleichwertigen Verlust zuzufügen. Dass bereits zu diesem Zeitpunkt ein konkreter Tatplan gefasst wurde, einen körperlichen Angriff auf den Nebenkläger zu verüben, konnte die [X.]trafkammer nicht feststellen. Die 2
3
4
-
5
-
Anwesenden kamen vielmehr überein, zunächst die Möglichkeit einer Vergel-tungsmaßnahme, insbesondere wann und wo
sich der Nebenkläger in Freiheit bewegte, aufzuklären. Aus diesem Grund fuhren der Angeklagte [X.]

, der
gesondert verfolgte A.

[X.]

und der [X.].

mit dem PKW nach B.

.
Ihnen war bekannt, dass sich der Nebenkläger im offenen Vollzug in der Justiz-vollzugsanstalt B.

befand und sich zeitweise im [X.]tadtgebiet von B.

aufhielt.
In einer [X.]pielhalle erhielten A.

[X.]

und [X.].

von einer unbe-
kannten Person Hinweise, wo der Nebenkläger üblicherweise anzutreffen war. Der
Angeklagte [X.]

und seine Begleiter begaben sich sodann in die Ba.

straße und hielten nach dem Nebenkläger Ausschau, den sie gegen
17.25
Uhr in einem Internet-Café entdeckten. [X.]

entschloss sich nunmehr,
die sich bietende Gelegenheit zu nutzen und gemeinsam mit seinen Begleitern den Nebenkläger zu töten. Er fragte deshalb die beiden anderen, ob jemand ein Messer dabei habe, was diese jeweils bejahten, und schlug vor, den Nebenklä-

Dem Angeklagten [X.]

kamen Bedenken wegen eines Anschlags auf
den Nebenkläger. Er rief um 17.27
Uhr seinen Vater in der Hoffnung an, dass dieser, der die Ahndung der Tötung seines [X.]es ausdrücklich staatlichen [X.]tellen hatte überlassen wollen, einen Angriff ganz oder jedenfalls zu diesem Zeitpunkt ablehnen würde.
Der Angeklagte [X.].

, der über die Mitteilung des [X.] des Neben-
klägers überrascht war, entschloss sich jedoch nunmehr spontan, dem [X.] nachzugeben und den Nebenkläger
töten zu lassen. Ihm war bewusst, dass der Nebenkläger nicht mit einem Angriff auf seine kör-5
6
7
-
6
-
perliche Integrität rechnete. Wörtlich erklärte der Angeklagte [X.].

in dem Tele-
fonat, nachdem er sich nach der Bewaffnung der nach B.

gereisten Per-
sonen erkundigt und von [X.]

erfahren hatte, dass der Angeklagte [X.]

und [X.].

.

-
raufhin der Angeklagte [X.]

-
derung des Angeklagten [X.].

.

-
derung des Angeklagten [X.].

Der Angeklagte [X.]

war

entgegen seiner Äußerung in dem Telefo-
nat gegenüber dem Angeklagten [X.].

nicht bereit, an dem Überfall auf den
Nebenkläger mitzuwirken. Er begab sich daher im [X.] an das Telefonat zu A.

[X.]

und [X.].

und erklärte ihnen, er werde sich nicht an einem
Angriff auf den Nebenkläger beteiligen. A.

[X.]

beschimpfte ihn daraufhin
als Feigling, spuckte vor seine Füße und forderte ihn auf, sich zu entfernen. Der Angeklagte [X.]

verließ sodann den Ort des Geschehens und ließ sich von
seinem Bruder Al.

[X.]

aus B.

abholen. Ob er zuvor [X.].

und A.

[X.]

vom Inhalt des Telefonats unterrichtete, hat das [X.] nicht festzu-
stellen vermocht.
Kurze Zeit später verließ der Nebenkläger das Café. Er rechnete zu [X.] Zeitpunkt nicht mit einem Angriff. In etwa zwei Metern Entfernung erblickte er den [X.]

, der ein Messer mit spitz zulaufender, mindestens 15
cm langer
Klinge, dessen Herkunft die Kammer nicht klären konnte, in der
ausgestreckten Hand hielt und so auf den Nebenkläger zuging, dass ihm ein Fluchtweg [X.] war. [X.].

hatte sich dem Nebenkläger inzwischen von hinten genä-
hert und ergriff ihn. [X.]odann stachen sowohl [X.]

als auch [X.].

mehrfach auf
8
9
-
7
-
den Körper, den Nacken und den Hinterkopf des [X.] ein. Als beide davon ausgingen, dass der stark blutende Nebenkläger die Verletzungen nicht überleben werde, standen sie auf und liefen fort.
Der Nebenkläger erlitt durch zahlreiche [X.]tich-
und [X.]chnittwunden schwerste Verletzungen, die mit erheblichem Blutverlust verbunden waren. [X.]ein Leben konnte durch eine Notoperation gerettet werden.
2.
Das [X.] hat die Äußerungen des Angeklagten [X.].

im Rah-
men des Telefonats am 8.
Februar 2012 als versuchte Anstiftung zum Mord (§§
211, 30 Abs.
1 [X.]tGB) gewertet. Den Angeklagten [X.]

hat es freigespro-
chen, da es eine Beteiligung an dem Überfall auf den Nebenkläger nicht fest-stellen konnte und einer Verurteilung wegen [X.]ichbereiterklärens zum Mord ge-mäß §
30 Abs.
2 [X.]tGB jedenfalls ein Rücktritt vom
Versuch der Beteiligung nach §
31 Abs.
1 Nr.
2 [X.]tGB durch freiwilliges Aufgeben des Vorhabens entge-genstehe.
II.
Die vom [X.] vertretenen Revisionen der [X.]taatsanwalt-schaft haben Erfolg.
Der
Freispruch des Angeklagten [X.]

und die Verurteilung des Ange-
klagten [X.].

(nur) wegen versuchter Anstiftung zum Mord halten der recht-
lichen Nachprüfung nicht stand. Das angefochtene Urteil beruht auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung.
10
11
12
13
-
8
-
1.
[X.]pricht der Tatrichter den Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das durch das Revisionsgericht hinzunehmen, denn die Beweiswürdigung ist grundsätzlich [X.]ache des [X.]. Der Beurteilung durch das
Revisionsgericht unterliegt insoweit nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der [X.]chuld des Angeklagten überzogene Anforderungen stellt (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile vom 9.
Juni 2005

3
[X.]tR
269/04, NJW 2005, 2322, 2326 und vom 16.
August 2012

3
[X.]tR
180/12, N[X.]tZ-RR 2013, 20).
[X.]ind mehrere einzelne Erkenntnisse angefallen, so ist eine Gesamt-würdigung vorzunehmen. In deren Rahmen darf ein auf [X.] gestütztes Beweisanzeichen, dessen Bedeutung für sich genommen
unklar bleibt, nicht vorab isoliert nach dem [X.] beurteilt werden.
Beweisanzeichen können nämlich in einer Gesamtschau wegen ihrer Häufung und gegenseitigen Durchdringung die Überzeugung von der Richtigkeit eines Vorwurfs begründen (st. Rspr., vgl. nur [X.], Urteile vom 6.
Februar 2002

1
[X.]tR 513/01, NJW
2002, 2188; vom 11.
April 2002

4
[X.]tR
585/01, N[X.]tZ-RR 2002, 243; vom 30.
März 2004

1
[X.]tR
354/03, N[X.]tZ-RR 2004, 238; vom 24.
Februar 2015

5
[X.]tR
621/14 jeweils mwN). Hat der Angeklagte Angaben gemacht, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine (ausreichenden) [X.] gibt, sind diese in die Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses einzu-beziehen und nicht ohne weiteres als unwiderlegt dem Urteil zu Grunde zu le-gen. Ihre Zurückweisung erfordert nicht, dass sich das Gegenteil der Behaup-tung positiv feststellen ließe (st. Rspr., vgl. nur [X.], Beschluss vom 25.
April 2007

1
[X.]tR
159/07, [X.][X.]t 51, 324, 325; Urteil vom 28.
Januar 2009

2
[X.]tR
531/08, N[X.]tZ 2009, 285; [X.] in KK-[X.]tPO, 7.
Aufl.,
§
261 Rn.
57 jeweils
14
15
-
9
-
mwN). Auch im Übrigen gebietet es der [X.] nicht, zugunsten des [X.] Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr., vgl. [X.], Urteil vom 23.
März 1995

4
[X.]tR
746/94,
NJW 1995, 2300; Urteil vom 12.
Dezember 2001

3
[X.]tR 303/01, [X.], 1057, 1059
mwN; Urteil vom 17.
Juli 2014

4
[X.]tR
129/14 mwN). Der Tatrichter ist ferner gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesent-lichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen, wenn sie geeignet sind, das [X.]rgebnis zu beeinflussen. Eine Beweiswürdigung, die über [X.] Verdachtsmomente ohne Erörterung hinweggeht, ist rechtsfehlerhaft ([X.], Urteil vom 16.
Mai 2002

1
[X.]tR
40/02,
N[X.]tZ 2002, 656, 657).
Voraussetzung für die Überzeugung des Tatrichters von einem bestimm-ten [X.]achverhalt ist nicht eine absolute, das Gegenteil oder andere Möglichkei-ten denknotwendig

zwingend"

ausschließende Gewissheit. Vielmehr [X.] ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an [X.]icherheit, das ver-nünftige
Zweifel nicht aufkommen lässt.
2.
Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des [X.]s zur Tatbeteiligung des Angeklagten [X.]

in mehrfacher Hinsicht nicht ge-
recht.
a)
Die [X.] lassen besorgen, dass das [X.] den Zweifelsgrundsatz auf einzelne Indizien angewendet und dabei mögliche Ab-läufe angenommen hat, für die sich aus den festgestellten Umständen keine Anhaltspunkte ergeben.

16
17
18
-
10
-
aa)
Dies gilt insbesondere für den Inhalt des Telefonats zwischen den Angeklagten [X.]

und [X.].

unmittelbar vor der Tat. Die Bekundung des An-
geklagten [X.]

in diesem Telefonat, er werde der Aufforderung zur Tötung
des [X.] Folge leisten, relativiert das [X.] u.a.
mit der Mut-maßung, dass der Angeklagte [X.]

seine Absicht, an der Vergeltungsmaß-
nahme nicht teilzunehmen, gegenüber seinem Vater nicht offen legen wollte, um diesen nicht zu enttäuschen bzw. aus Respekt vor dessen Autorität als Fa-milienoberhaupt. Hierauf hat sich der Angeklagte in seiner Einlassung nicht einmal selbst berufen. Die Formulierung im Urteil, der Inhalt des Telefonats .

, lässt
zudem besorgen, dass das [X.] bei
der Würdigung dieses Indizes von zu hohen Anforderungen ausgegangen ist. Denn Indiztatsachen kann die [X.] nicht damit abgesprochen werden, dass sie nur mögliche, nicht aber zwingende [X.]chlüsse zulassen.
bb)
Von demselben fehlerhaften Ansatz,

[X.]chluss möglich, geht das [X.] auch in Bezug auf das weitere gewichti-ge Indiz aus, dass bei der Tat zwei Messer verwendet wurden und lediglich der Angeklagte und [X.].

, nicht aber A.

[X.]

zunächst ein Messer mit sich
führten. Die naheliegende Möglichkeit, dass der Angeklagte [X.]

dem A.

[X.]

sein Messer für die Tat ausgehändigt haben könnte, relativiert die [X.]traf-
kammer mit der Erwägung, A.

[X.]

könne sich anderweitig ein Messer
beschafft, es etwa aus dem geparkten Kraftfahrzeug geholt oder in einem Ge-schäft in unmittelbarer [X.] erworben haben. Für beide Varianten gibt es keine konkreten Anhaltspunkte.
cc)
Das [X.] hat ferner bei der Beweiswürdigung Teile der Ein-lassung des Angeklagten [X.]

19
20
21
-
11
-
sie keine Bestätigung durch sonstige Beweismittel gefunden haben. [X.]o hat es allein aus der Einlassung des Angeklagten [X.]

, A.

[X.]

sei etwa so
groß wie er selbst, nämlich ca. 1,85
m,
gefolgert, der Angeklagte könne nicht der größere der beiden Täter gewesen sein. Demgegenüber hat die Zeugin
L.

bei einer Wahllichtbildvorlage geäußert, A.

[X.]

könnte der kleine-
re der beiden Täter gewesen sein, dessen Größe drei Zeugen auf 1,70 bis 1,75
m geschätzt haben, während der größere der beiden Männer 1,85 bis 1,90
m groß gewesen sei.
b)
Ein möglicherweise gewichtiges Indiz, nämlich das Tatmotiv der Ra-che des Angeklagten [X.]

als Bruder des von den [X.]öhnen des [X.]
getöteten I.

[X.]

, hat das [X.] in den Urteilsgründen überhaupt
nicht erwogen.
c)
Vor allem aber fehlt eine Gesamtwürdigung aller Indizien. Es liegen mehrere den Angeklagten [X.]

erheblich belastende Beweisanzeichen vor,
insbesondere objektivierbare,
wie der Inhalt des Telefonats zwischen beiden Angeklagten kurz vor der Tat und der Einsatz von zwei Messern. Die Urteils-gründe lassen indessen nicht erkennen, ob und wie das [X.] die einzeln abgehandelten Indizien in eine Gesamtschau einbezogen und gewichtet hat. Vielmehr lassen die Ausführungen des [X.]s besorgen, dass es ledig-lich rechtsfehlerhaft die einzelnen Indizien isoliert bewertet und ihnen für sich [X.] wäre indes erforderlich gewesen. Denn einzelne Belastungsindizien, die für sich genommen zum Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, können doch in ihrer Gesamtheit die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatrichters begründen.
22
23
-
12
-
3.
Auf der rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung hinsichtlich der Tatbetei-ligung des Angeklagten [X.]

beruht auch die Verurteilung des Angeklagten
[X.].

(nur) wegen versuchter Anstiftung zum Mord. [X.]ollte sich der Angeklagte
[X.]

an der Tat beteiligt haben, könnte auch die Mitwirkung des Angeklagten
[X.].

rechtlich anders zu beurteilen sein.
III.
Die Revision des Angeklagten [X.].

hat mit der erhobenen Verfahrens-
rüge, das [X.]chwurgericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§
338 Nr.
1 [X.]tPO), Erfolg.
1.
Ihr liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Nach Eingang der Anklageschrift am 4.
Juni 2012 bei der 10.
[X.]trafkam-mer des [X.]s teilte die der [X.]trafkammer angehörende [X.]in [X.] der Vorsitzenden mit, dass sie ein Liebesverhältnis zu einem als [X.]trafverteidiger tätigen Partner der Rechtsanwaltssozietät unterhalte, der auch der Verteidiger des Angeklagten [X.].

angehört. Hiervon unterrichtete die Vorsitzende das
Präsidium des [X.]s.
Am 28.
Juni 2012 erließ das Präsidium den 10.
Änderungsbeschluss zur Geschäftsverteilung für das [X.] [X.], nach dem die betreffende [X.]in aus der 10.
[X.]trafkammer ausschied und einer Zivilkammer zugewie-sen wurde. Gleichzeitig wurden der 10.
[X.]trafkammer zwei [X.] (mit 1,8
AK) zugewiesen. Zur Begründung wurde auf eine Überlastung
der 10.
[X.]trafkammer

24
25
26
27
28
-
13
-
Am 3.
August 2012 wurde erstmals mit der Hauptverhandlung begonnen. Am 2.
Hauptverhandlungstag rügte der Verteidiger des Angeklagten [X.].

die
Besetzung der [X.]chwurgerichtskammer.
Daraufhin erließ am 15.
August 2012 das Präsidium einen weiteren Be-schluss, in dem der Beschluss vom 28.
Juni 2012 klarstellend dahin ergänzt wurde, dass das Ausscheiden von
[X.]in [X.] aus der 10.
[X.]trafkammer vor dem Hintergrund ihrer engen persönlichen Beziehung zu einem [X.]trafverteidiger d-gericht [X.] in [X.]trafsachen auftreten, erfolgt sei. Durch einen Verbleib der [X.]in in der 10.
[X.]trafkammer sei ein effizientes Arbeiten der Kammer nicht mehr gewährleistet, da mit Ablehnungsgesuchen zu rechnen sei. Daher halte das Präsidium einen Verbleib der [X.]in im [X.]trafbereich vor dem Hintergrund der Entscheidung des [X.] vom 15.
März 2012 ([X.].
V
ZB
102/11) nicht für möglich. Bei der Umsetzung der [X.]in verblieb es.
Nach Aussetzung der Hauptverhandlung wurde mit dieser am 31.
August 2012 erneut begonnen. Der Verteidiger des Angeklagten [X.].

rügte rechtzeitig
wiederum die Besetzung des [X.]chwurgerichts mit der Begründung, die Be-schlüsse des Präsidiums zur Umsetzung der
[X.]in [X.] seien nicht mit §
21e Abs.
3 [X.] vereinbar. Die [X.]chwurgerichtskammer wies den Besetzungsein-wand zurück.
2.
Die zulässig erhobene Rüge greift durch. Das Urteil kann schon [X.] keinen Bestand haben, weil es an einer hinreichenden Dokumentation der maßgeblichen Gründe fehlt, die das Präsidium zur Änderung der Geschäftsver-teilung am 28.
Juni 2012 veranlasst haben. Es kann
deshalb nicht beurteilt wer-den, ob die Auswechselung der [X.]in [X.] während des laufenden Ge-29
30
31
32
-
14
-
schäftsjahres gesetzmäßig war, oder ob der Angeklagte dadurch unter Verstoß gegen Art.
101 Abs.
1 [X.]atz
2 GG seinem gesetzlichen [X.] entzogen wurde.
a)
Gemäß §
21e Abs.
3 [X.] kann die Geschäftsverteilung im Laufe des Geschäftsjahres u.a. wegen dauernder Verhinderung einzelner [X.] geän-dert werden (vgl. [X.], Urteile vom 7.
Juni 1977

5
[X.]tR
224/77, [X.][X.]t
27, 209, 210; vom 8.
April 1981

3
[X.]tR
88/81, N[X.]tZ 1981, 489; Löwe/[X.]/
[X.], [X.]tPO, 26.
Aufl., §
21e [X.], Rn.
44). Da jede Umverteilung von Ge-schäftsaufgaben während des laufenden Geschäftsjahres mit Gefahren für das verfassungsrechtliche Gebot der Gewährleistung des gesetzlichen [X.]s verbunden ist (vgl. [X.], Urteil vom 9.
April 2009

3
[X.]tR
376/08, [X.][X.]t 53, 268, 273), ist es geboten, die Gründe, die eine derartige Umverteilung [X.], zu dokumentieren. Um dem Anschein einer willkürlichen Zuständigkeits-verschiebung entgegenzuwirken (vgl. [X.], NJW 2009, 1734, 1735), muss diese Dokumentation umfassend und nachvollziehbar sein ([X.], aaO; vgl. auch [X.],
Beschluss vom 25.
März 2015

5
[X.]tR
70/15; [X.]K-[X.]tPO/[X.], 4.
Aufl., §
21e [X.], Rn.
42).
Hinzu kommt, dass die revisionsgerichtliche Kontrolle nicht auf eine reine Willkürprüfung beschränkt ist, sondern sich auf die Überprüfung der [X.] der Änderung des [X.] erstreckt ([X.], NJW 2005, 2689, 2690; [X.], aaO, [X.][X.]t 53, 268, 275
f.). Auch deshalb muss die Dokumentation der Gründe für die Änderung des [X.] so detailliert ausgestaltet sein, dass dem Revisionsgericht eine Prüfung der Rechtmäßigkeit möglich ist ([X.], aaO). Die Dokumentation muss im erfor-derlichen Umfang grundsätzlich schon im Zeitpunkt der Präsidiumsentschei-dung, spätestens aber in dem Zeitpunkt vorhanden sein, in dem über einen Be-33
34
-
15
-
setzungseinwand nach §
222b Abs.
2 [X.]tPO zu entscheiden ist ([X.], aaO, [X.][X.]t 53, 268, 276
f.).
b)
Den vorgenannten Dokumentationsanforderungen genügt der Be-schluss des Präsidiums des [X.]s vom 15.
August 2012 nicht. Zur [X.] in der 10.
[X.]trafkammer wird dort lediglich ausgeführt, dass Mitglieder der Kanzlei Dr.

dem [X.] [X.] in [X.]trafsachen auftreten und daher durch den [X.] von [X.]in am [X.] [X.] in der 10.
[X.]trafkammer ein effizientes Arbeiten der Kammer nicht mehr gewährleistet sei, da mit Ablehnungsgesuchen zu rechnen sei.
Anhand dieser Begründung des [X.] kann das [X.] nicht überprüfen, ob tatsächlich die Effizienz der Arbeitsweise in der 10.
[X.]trafkammer im laufenden Geschäftsjahr durch eine mögliche Verhinde-rung der [X.]in infolge

nach Einschätzung des Präsidiums

begründeter Ablehnungsanträge in einer Weise in Frage gestellt sein konnte, dass eine

nur unter den engen Voraussetzungen des §
21e Abs.
3 [X.] zulässige

unterjährige Änderung des [X.] gerechtfertigt war. Es fehlt bereits an einer Darlegung der Anzahl der
Verfahren, in denen aufgrund einer Beteiligung der Kanzlei Dr.
R. und Partner Befangenheitsanträge drohen konnten. Darüber hinaus fehlt

was für die Einschätzung der Begründetheit möglicher Befangenheitsgesuche von Bedeutung gewesen wäre

jegliche Mit-teilung dazu, ob der Rechtsanwalt, zu dem die aus der [X.]trafkammer ausge-schiedene [X.]in eine Beziehung unterhielt, im Zeitpunkt der Änderung der Geschäftsverteilung selbst in einem vor der [X.]chwurgerichtskammer anhängigen Verfahren als Verteidiger oder [X.] tätig war. Die Begründung ist auch nicht durch das Präsidium des [X.]s bis zur Entscheidung über 35
36
-
16
-
den [X.] nach §
222b [X.]tPO nachgeholt worden (vgl. [X.], NJW 2009, 1734, 1735; [X.], aaO, [X.][X.]t 53, 268, 277
f.).
Erst
in dem Beschluss der 10.
[X.]trafkammer vom 2.
Oktober 2012, mit dem diese den [X.] vom 31.
August 2012 zurückgewiesen hat, wird ausgeführt, es sei der Kammer bekannt, dass Rechtsanwalt Dr.
R. zum Zeitpunkt des 10.
Änderungsbeschlusses zur Geschäftsverteilung für das [X.] [X.] nach eigener Erklärung bereits in vier zur Hauptverhand-lung anstehenden [X.]chwurgerichtssachen mandatiert sei; nach der dienstlichen Erklärung der Vorsitzenden [X.]in vom 3.
[X.]eptember 2012 handelte es sich hingegen nur um drei Verfahren.
Der [X.]enat kann auf der Grundlage dieser Begründungen nicht überprü-fen, ob im Zeitpunkt des 10.
Änderungsbeschlusses vom 28.
Juni 2012 tatsäch-lich die Wahrscheinlichkeit bestand, dass im verbleibenden 2.
Halbjahr des Ge-schäftsjahres
2012 in einer so großen Anzahl von Verfahren vor der 10.
[X.]traf-kammer zum Vertretungsfall führende Befangenheitsanträge gestellt werden konnten, dass die Änderung der laufenden Geschäftsverteilung zur [X.] der Effizienz der Arbeit der [X.]trafkammer nicht bis zum folgenden Ge-schäftsjahr aufgeschoben werden konnte.
37
38
-
17
-
IV.
Der [X.]enat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die [X.]ache an ein anderes [X.] zurückzuverweisen (§
354 Abs.
2 [X.]atz
1 [X.]tPO, letzte
Alternative).
[X.]ost-[X.]cheible
Roggenbuck
[X.]

Mutzbauer
Quentin
39

Meta

4 StR 577/14

21.05.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.05.2015, Az. 4 StR 577/14 (REWIS RS 2015, 10698)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 10698

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 577/14 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Revisionsgerichtliche Kontrolle der Änderung des Geschäftsverteilungsplans während des laufenden Geschäftsjahres; Anforderungen an die Dokumentation


1 Ws 123/20 (Oberlandesgericht Hamm)


5 StR 613/13 (Bundesgerichtshof)


5 StR 613/13 (Bundesgerichtshof)

Grundsatz des gesetzlichen Richters: Änderung des Geschäftsverteilungsplans zur Entlastung einer Strafkammer


3 StR 577/14 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

2 StR 344/14

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.