Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 06.04.2011, Az. 6 PB 20/10

6. Senat | REWIS RS 2011, 7917

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Gegenstand

Unterbliebene Beteiligung in den Tatsacheninstanzen; absoluter Revisionsgrund; Rechtsmitteleinlegung


Leitsatz

1. Auf § 547 Nr. 4 ZPO kann sich nur derjenige berufen, dessen ordnungsgemäße Vertretung im Prozess unterblieben ist.

2. Im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren kann ein Rechtsmittel auch derjenige einlegen, der von Amts wegen zu beteiligen war, jedoch zu Unrecht nicht am Verfahren der Vorinstanz beteiligt worden ist.

Gründe

1

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 78 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg. Die allein erhobenen Verfahrensrügen gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 3, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greifen nicht durch.

2

1. Dies gilt zunächst, soweit der Beteiligte zu 2 den absoluten Revisionsgrund gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG i.V.m. § 547 Nr. 4 ZPO geltend macht. Nach der letztgenannten Bestimmung ist eine Entscheidung stets als auf einer Rechtsverletzung beruhend anzusehen, wenn ein Beteiligter am Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern er nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

3

Auf diese Vorschrift kann sich der Beteiligte zu 2 nicht berufen, weil er nicht geltend macht, er sei am Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze beteiligt worden, sondern diese Rüge auf die Beteiligte zu 3 bezieht. Denn dieser Zulassungsgrund kann nur von demjenigen Beteiligten geltend gemacht werden, dessen Anhörung in den Vorinstanzen unterblieben ist.

4

Die gesetzlichen Vorschriften über die Vertretung einer [X.] im Prozess dienen dem Schutz der vertretenen [X.]. Allein sie soll davor geschützt werden, dass sie ihre prozessualen Rechte nicht wahrnehmen konnte, weil sie nicht gesetzlich vertreten war. Das Fehlen der Vertretungsmacht eines Vertreters berührt und beschwert nur den Vertretenen, falls dieser die Erklärung und Handlungen seines Vertreters nicht gegen sich gelten lassen will. Ein solcher Mangel kann daher nur von der [X.] geltend gemacht werden, die in der Vorinstanz nicht ordnungsgemäß vertreten war (vgl. [X.], Beschluss vom 9. September 2010 - 4 [X.] 354/10 - juris Rn. 11; [X.], in: [X.] § 73 [X.]). Entsprechendes muss gelten, wenn man den Schutzbereich von § 547 Nr. 4 ZPO auf die unterbliebene Beteiligung ausdehnt. Unter dieser Prämisse kann sich auf § 547 Nr. 4 ZPO nur derjenige berufen, dessen Beteiligung in den [X.] unterblieben ist. Der Beteiligte zu 2 (Jugendvertreter) kann daher nicht zulässigerweise geltend machen, die Anhörung der Beteiligten zu 3 ([X.] und Auszubildendenvertretung) sei vor dem Oberverwaltungsgericht unterblieben.

5

2. Mit der Verfahrensrüge nach § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 ArbGG kommt der Beteiligte zu 2 gleichfalls nicht zum Zuge. Er kann nicht geltend machen, der Anspruch der Beteiligten zu 3 auf rechtliches Gehör sei durch das Oberverwaltungsgericht verletzt worden.

6

Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist durch Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet. Ein Verstoß gegen dieses prozessuale Grundrecht kann nur von demjenigen geltend gemacht werden, bei dem die Gehörsverletzung nach seiner Rechtsbehauptung eingetreten ist. Im Verfahren wegen Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde kann der Beschwerdeführer daher nur geltend machen, dass sein eigener Anspruch auf rechtliches Gehör in der Vorinstanz verletzt worden sei. Davon geht die Gesetzesformulierung in § 72a Abs. 6 ArbGG als selbstverständlich aus. Liegt die behauptete Gehörsverletzung in einer unterbliebenen Beteiligung, so kann sich darauf nur derjenige berufen, dessen Anhörung vor dem Oberverwaltungsgericht unterblieben ist (vgl. Beschluss vom 15. Mai 1991 - BVerwG 6 P 15.89 - BVerwGE 88, 183 <185> = [X.] 250 § 32 BPersVG Nr. 5 S. 2).

7

Dagegen kann der Beteiligte zu 2 nicht einwenden, die Beteiligte zu 3 könne mangels ihrer Zuziehung vor dem Oberverwaltungsgericht den Gehörsverstoß nicht selbst rügen. Dieser Einwand trifft nicht zu. Ein Rechtsmittel kann auch derjenige einlegen, der nach § 83 Abs. 3 ArbGG von Amts wegen zu beteiligen war, jedoch zu Unrecht nicht am Verfahren der Vorinstanz beteiligt worden ist (vgl. Beschluss vom 8. Juli 1977 - BVerwG 7 P 28.75 - BVerwGE 54, 172 <173> = [X.] 238.32 § 91 [X.] Nr. 1 S. 3; [X.], Beschlüsse vom 19. Mai 1978 - 6 ABR 41/75 - AP Nr. 3 zu § 43 BetrVG 1972 Bl. 355, vom 10. September 1985 - 1 ABR 15/83 - AP Nr. 2 zu § 117 BetrVG 1972 Bl. 526R und vom 18. Oktober 1988 - 1 ABR 31/87 - [X.]E 60, 48 <54>). Nichts anderes gilt für die Jugendvertretung, wenn diese im Verfahren wegen Weiterbeschäftigung eines ihrer Mitglieder entgegen § 9 Abs. 4 Satz 2 BPersVG in der Vorinstanz nicht beteiligt worden ist. Sie kann daher z.B. Nichtzulassungsbeschwerde einlegen und dabei den Gehörsverstoß rügen, der in ihrer Nichtbeteiligung vor dem Oberverwaltungsgericht liegt.

8

3. Unabhängig von allen vorstehenden Ausführungen hat die Rüge des Beteiligten zu 2, das Oberverwaltungsgericht habe die Beteiligte zu 3 nicht beteiligt, in der Sache keinen Erfolg. Zwar trifft die vom Oberverwaltungsgericht verwandte Bezeichnung für die Beteiligte zu 3, nämlich "Jugend- und Auszubildendenvertretung beim [X.]" nicht vollständig zu; die richtige Bezeichnung lautet: "[X.] und Auszubildendenvertretung bei dem [X.]". Dieser [X.] ist jedoch nach Lage der Dinge unschädlich.

9

Bei Abschluss seiner Ausbildung zum Forstwirt am 31. Juli 2008 war der Beteiligte zu 2 Mitglied sowohl der Jugend- und Auszubildendenvertretung beim Betreuungsforstamt [X.] in [X.], Ortsteil [X.], einer nach § 6 Abs. 3 [X.] verselbstständigten Dienststelle, als auch der [X.] und Auszubildendenvertretung des [X.] und [X.] in [X.]. Dessen Rechtsnachfolger ist seit 1. Januar 2010 das [X.] (§ 26a [X.] i.d.[X.]. 18 des [X.] vom 5. November 2009, GVBl LSA S. 514, 523; Nr. 1 und 2 des [X.] vom 29. Dezember 2009, [X.] 2010, [X.]). Da für die Frage nach der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung nach Auffassung des [X.] auf die Verhältnisse in der [X.] abzustellen war (Beschlussabdruck S. 8 oben), hat es die Beteiligung der [X.] und Auszubildendenvertretung für erforderlich, aber auch ausreichend gehalten. Demgemäß hat es die Hinzuziehung der Beteiligten zu 3 bewirkt, indem es ihr unter dem 8. Juli 2010 alle wesentlichen Schriftstücke aus der Akte zugeleitet, sie zum Anhörungstermin geladen und ihr seinen Beschluss übersandt hat. Dass trotz des genannten [X.]s die Beteiligte zu 3 gemeint war, konnte bei dieser aus drei Gründen keinen Zweifeln begegnen: Erstens hat das Oberverwaltungsgericht die Dienststelle, bei welcher die Beteiligte zu 3 gebildet ist, sowie die dazugehörige Anschrift in [X.] richtig angegeben; schon deswegen lag die Annahme fern, die örtliche Jugendvertretung beim Betreuungsforstamt [X.] in [X.], Ortsteil [X.] könne gemeint gewesen sein. Zweitens hat das Oberverwaltungsgericht als Beteiligten zu 1 den Gesamtpersonalrat beim [X.] hinzugezogen, also diejenige Personalvertretung, welcher die Beteiligte zu 3 zugeordnet ist (§ 72 [X.]). Drittens gibt es beim [X.] außer der Beteiligten zu 3 keine weitere - örtliche - Jugendvertretung, so dass auch insofern eine Verwechslung ausgeschlossen war.

Meta

6 PB 20/10

06.04.2011

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: PB

vorgehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 10. November 2010, Az: 5 L 2/10, Beschluss

§ 547 Nr 4 ZPO, § 83 Abs 3 ArbGG, § 78 Abs 2 PersVG ST 2004

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 06.04.2011, Az. 6 PB 20/10 (REWIS RS 2011, 7917)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7917

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4 AZN 354/10

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