Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2010, Az. 2 StR 201/10

2. Strafsenat | REWIS RS 2010, 6046

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[X.] vom 9. Juni 2010 in der Strafsache gegen wegen versuchten schweren Raubes u.a. - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts am 9. Juni 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. Dezember 2009, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus unterblieben ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.]. 3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten unter Einbeziehung einer früheren Strafe aus einem Strafbefehl wegen "gefährlicher Körperverletzung in vier Fäl-len, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem schweren Raub, wegen Diebstahls, wegen Körperverletzung sowie wegen versuchter Nötigung" zu [X.] verurteilt und von dessen Unterbrin-gung in einer Entziehungsanstalt abgesehen. Seine auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützte Revision hat nur in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg. 1 - 3 - 1. Die Verfahrensrüge greift aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] vom 15. April 2010 nicht durch; Schuld und Strafausspruch des angefochtenen Urteils weisen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf; gleiches gilt, soweit die [X.] von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat. Insoweit ist die Revision unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. 2 2. Das Urteil kann jedoch nicht bestehen bleiben, soweit eine Entschei-dung zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus unterblieben ist. 3 a) Das [X.] hat sachverständig beraten festgestellt, dass bei dem Angeklagten eine ausgeprägte dissoziale Fehlentwicklung sowie daraus resul-tierend eine Alkoholabhängigkeit vorliege. Aufgrund einer akuten Alkohol-intoxikation sei der Angeklagte bei Begehung der hier abgeurteilten Taten in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt gewesen im Sinne des § 21 StGB ([X.] und 45). Dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB komme jedoch u.a. deshalb nicht in Betracht, weil Hauptur-sache der Kriminalität nicht die Alkoholabhängigkeit sondern die Dissozialität des Angeklagten sei, die durch Alkohol und Drogen verstärkt werde. Diese aus-geprägte - allerdings nicht krankhafte - Dissozialität sei primär und in erster Linie für die Begehung der Straftaten ursächlich ([X.]). 4 b) Der [X.] hat in seiner Antragsschrift dazu ausge-führt: 5 "Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet allerdings, dass sich das [X.] mit der Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht befasst hat. Das [X.] hat sich mit dieser Maßregel ersichtlich deshalb nicht auseinandergesetzt, weil die für 6 - 4 - die verfahrensgegenständlichen Taten angenommene erheblich verminderte Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) jeweils durch die hochgradige Tatzeitalkoholisie-rung des Angeklagten bewirkt wurde. Dies schloss eine Unterbringung des [X.] in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB indes noch nicht von vorneherein aus. Zwar kommt die Anwendung des § 63 StGB nur bei Personen in Betracht, deren Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderte Schuldfähigkeit durch einen länger andauernden und nicht nur vorübergehen-den Zustand im Sinne der §§ 20, 21 StGB hervorgerufen ist ([X.]St 34, 22, 27). In Fällen, in denen die Verminderung der Schuldfähigkeit letztlich auf [X.] zurückzuführen ist, kann § 63 StGB aber ausnahmsweise angewendet werden, wenn der Täter an einer krankhaften Alkoholsucht leidet oder in [X.] ist ([X.]St 34, 313, 314; [X.]R StGB § 63 Zustand 9)–. Anlass zur Prüfung geben die Ausführungen des Sachverständigen zur dissozialen Fehlentwicklung des Angeklagten. Danach steht die Dissozialität des Angeklagten für die Delinquenz des Angeklagten zwar im Vordergrund ([X.]); sie ist in erster Linie für die Straftaten des Angeklagten ursächlich ([X.]). Nach den Ausführungen des gehörten Sachverständigen hat der Angeklagte aufgrund seiner dissozialen Fehlentwicklung und der damit einher-gehenden Haltschwäche aber immer wieder einmal zum überbordenden Kon-sum psychotroper Substanzen geneigt ([X.]/42); aufgrund der dissozialen Entwicklung habe sich beim Angeklagten ein regelwidriger Umgang mit Alkohol sekundär realisiert ([X.]). Diese Feststellungen legen nahe, dass die dis-soziale Fehlentwicklung des Angeklagten nicht nur für die Straftaten, sondern auch für den Alkoholkonsum des Angeklagten ursächlich ist und diese dazu geführt hat, dass er die abgeurteilten Straftaten im Zustand [X.] erheblich verminderter Schuldfähigkeit beging. Die weiteren Ausführungen des gehörten Sachverständigen, wonach der Angeklagte im Zustand des [X.] - 5 - rausches zu aggressiver Enthemmung neige ([X.]), bestätigen dies. [X.] dafür ergeben sich zudem aus den [X.] und den [X.] des Angeklagten vom 20. November 2007 und vom 4. August 2008 ([X.]); zu den [X.] war der Angeklagte jeweils erheblich al-koholisiert–. Die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen einer die Unterbrin-gung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigenden krankhaften Alkoholsucht war auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil das [X.] - dem Sachverständigen folgend - die "Persönlichkeitsbesonderheit der Dissozialität" des Angeklagten als bloße "Fehlentwicklung" ([X.]), nicht aber als Krankheit gewertet hat ([X.]). Auch wenn diese Persönlichkeits-struktur des Angeklagten in ihrer Ausprägung noch nicht den Grad erreicht hat, der bereits für sich genommen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der [X.] geführt hat und die vom [X.] angenommene Verminde-rung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten letztlich erst durch seine jeweils aktuelle [X.] herbeigeführt worden ist, kann darin nach der Rechtsprechung des [X.] ein Zustand gesehen werden, der die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu rechtfertigen [X.] ([X.]St 44, 338; [X.] NStZ-RR 2007, 138)." 8 c) Dem folgt der Senat, weil nicht sicher auszuschließen ist, dass die [X.] nach sachverständiger Beratung bei Prüfung der [X.] - gen des § 63 StGB die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatri-schen Krankenhaus angeordnet hätte. Das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO steht nicht entgegen. [X.]

Meta

2 StR 201/10

09.06.2010

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2010, Az. 2 StR 201/10 (REWIS RS 2010, 6046)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6046

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