Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.02.2016, Az. IX ZR 12/14

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 15589

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:250216UIXZR12.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL

IX ZR 12/14

Verkündet am:

25. Februar 2016

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 129 Abs. 1, § 134 Abs. 1
Erbringt eine von mehreren verbundenen Gesellschaften, denen die Bank eine ge-meinschaftliche Kreditlinie eingeräumt hatte, eine Zahlung durch eine geduldete Überziehung ihres Kontos, benachteiligt dies ihre Gläubiger, auch wenn mit der [X.] die Verbindlichkeit einer verbundenen Gesellschaft getilgt wird.

[X.], Urteil vom 25. Februar 2016 -
IX ZR 12/14 -
O[X.]

[X.]

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Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Februar 2016
durch [X.] [X.],
[X.] Dr. Gehrlein, [X.], die Richterin [X.] und den Richter Dr.
Schoppmeyer

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 19. Dezember 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter in dem auf einen Antrag vom 17. September 2010 am 27. Oktober 2010 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der D.

GmbH (fortan: Schuldnerin), einer Tochtergesellschaft der
A.

AG, über deren Vermögen am 29. November 2010 ebenfalls das Insol-venzverfahren eröffnet wurde. Die A.

AG
schuldete der Beklagten nach ei-

23. De-zember 2009 überwies die Schuldnerin diesen Betrag von ihrem Konto bei der D.

Bank,
die den verbundenen Gesellschaften eine gemeinsame [X.]
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A.

AG verfügte zu diesem Zeitpunkt noch über liquide Mittel in Höhe von 28.197,8

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung der von der Schuld-nerin geleisteten Zahlung unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Schen-kungsanfechtung
nach § 134 Abs. 1 [X.]. Das [X.] hat die Klage [X.]. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewie-sen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Be-gehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Ent-scheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht hat gemeint, die Überweisung der Schuldnerin sei nicht nach § 134 [X.] anfechtbar, weil bereits nicht feststehe, dass die [X.] der Zahlung aus dem Vermögen der Schuldnerin stammten. Wenn, wie der Kläger vortrage, am [X.] sowohl die Schuldnerin als auch die A.

AG zahlungsunfähig gewesen seien und die ihnen eingeräumte Kreditlinie nicht mehr zur Verfügung gestanden habe, könne die Überweisung nur durch eine geduldete Überziehung dieser gemeinsamen Kreditlinie bestritten worden sein. Wegen des bei der Überweisung angegebenen Verwendungszwecks "[X.]/Vergleich vom November 2009 mit der A.

"
sei von einer Überzie-hung der
Kreditlinie durch die A.

AG auszugehen.

2. Diese Ausführungen sind rechtlich nicht haltbar.
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a) Der Insolvenzanfechtung unterliegen gemäß § 129 Abs. 1 [X.] nur Rechtshandlungen, welche die Insolvenzgläubiger objektiv benachteiligen. Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die Rechtshandlung entweder die [X.] vermehrt oder die [X.] verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners vereitelt, erschwert oder verzögert hat, [X.] wenn sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten. Demnach scheidet eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger aus, wenn die angefochtene Rechtshandlung nicht das haftende Vermögen des [X.], sondern dasjenige eines [X.] betroffen hat ([X.], Urteil vom 17.
Dezember 2015 -
IX ZR 287/14, [X.], 282
Rn. 13 mwN).

Schöpft der Schuldner neue Gelder aus einer lediglich geduldeten Kon-toüberziehung und fließen diese aufgrund einer vom Schuldner veranlassten Überweisung von der Bank direkt dem Empfänger zu, benachteiligt dies die Gläubiger des Schuldners, weil die Zuwendung an den Empfänger nur infolge und nach Einräumung des vom Schuldner beantragten Überziehungskredits bewirkt
werden kann. Eine solche Direktzahlung kann [X.] nicht anders behandelt werden, als wenn Geldmittel, auf die der Schuldner kei-nen Anspruch hatte, ihm durch ein neu gewährtes Darlehen zunächst überlas-sen und sodann zur Deckung von Verbindlichkeiten verwendet werden ([X.], Urteil vom 6. Oktober 2009 -
IX ZR 191/05, [X.]Z 182, 317 Rn. 14 f; vom 1. Juli 2010 -
IX ZR 70/08, [X.], 1756 Rn. 12).

b) Nach diesen Maßstäben kann im Streitfall eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger der Schuldnerin nicht verneint werden. Der Überweisungs-auftrag erfolgte zu Lasten eines Kontos der Schuldnerin. Die Gläubigerbenach-6
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teiligung liegt in einem solchen Fall darin, dass die Mittel des Überziehungskre-dits nicht zunächst in das Vermögen der Schuldnerin gelangt und dort für den Zugriff der Gesamtheit ihrer Gläubiger
verblieben sind. Der Umstand, dass die ausführende Bank der Schuldnerin und ihrer Muttergesellschaft eine gemein-same Kreditlinie eingeräumt hatte, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Er be-sagt
nur, dass sowohl die Schuldnerin als auch die Muttergesellschaft im Rah-men der gemeinsamen offenen Kreditlinie Darlehensmittel abrufen
konnten. [X.] eine der verbundenen Gesellschaften Kreditmittel in Anspruch, gleichviel ob diesseits oder jenseits der eingeräumten Kreditlinie, war insoweit nur diese Gesellschaft Darlehensnehmerin.
Nur ihre Gläubiger wurden benachteiligt, wenn die Bank das Darlehen nicht an die [X.], sondern zu Lasten ihres Kontos direkt an einen [X.] auszahlte.
Dabei
ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts unerheblich, ob die Überweisung der Tilgung einer eigenen Verbindlichkeit der Insolvenzschuldnerin, einer Schuld der [X.] oder derjenigen eines [X.] diente. Entscheidend für die Frage der Gläubigerbenachteiligung ist allein, dass die Zahlung auf der Grundlage einer zwischen der Insolvenzschuldnerin und der [X.] erfolgte.

3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als
richtig dar (§ 561 ZPO).

a) Die von § 134 Abs. 1 [X.] vorausgesetzte
Unentgeltlichkeit der Leis-tung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die A.

AG zum Zeitpunkt der Zahlung der Schuldnerin noch über liquide Mittel verfügte, die den [X.] geringfügig überstiegen.

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aa) Nach gefestigter Rechtsprechung des [X.] ist die [X.] einer fremden Schuld als unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 [X.] anfechtbar, wenn die gegen den [X.] gerichtete Forderung des [X.] wertlos war; dann hat der Zuwendungsempfänger wirtschaft-lich nichts verloren, was als Gegenleistung für die Zuwendung angesehen wer-den kann ([X.], Urteil vom 17. Oktober 2013 -
IX ZR 10/13, [X.], 2182 Rn.
6 mwN; vom 29. Oktober 2015 -
IX [X.], [X.], 44 Rn. 6). Von
der Wertlosigkeit der Forderung des Zuwendungsempfängers
ist regelmäßig nicht erst dann auszugehen, wenn über das Vermögen des [X.] wegen Zahlungsunfähigkeit bereits das Insolvenzverfahren eröffnet war, sondern schon
dann, wenn
er materiell zahlungsunfähig, mithin
insolvenzreif war ([X.], Urteil vom 22. Oktober 2009 -
IX ZR 182/08, [X.], 2283 Rn. 8; vom 17. Juni 2010 -
IX [X.], [X.], 1421 Rn. 7; vom 18. April 2013
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IX [X.], [X.], 1079 Rn. 6; vom 17. Oktober 2013 -
IX ZR 10/13, [X.], 2182 Rn.
7).
Ist der Schuldner zahlungsunfähig, dürfen Forderungen nicht mehr im Wege der [X.] verwertet werden. Dies wi-derspräche dem Grundsatz, dass bei Insolvenzreife des Schuldners eine ge-meinschaftliche Befriedigung der Gläubiger in dem dafür vorgesehenen Verfah-ren stattzufinden hat. Der Leistungsempfänger kann sich in einem solchen Fall nur dann darauf berufen, noch [X.] gegen seinen Schuldner gehabt zu haben, wenn er
trotz dessen
Zahlungsunfähigkeit
insol-venzbeständig auf noch vorhandene Vermögensgegenstände hätte zugreifen können.
Die Darlegungs-
und Beweislast hierfür trägt der [X.] ([X.], Urteil vom 17. Juni 2010, aaO Rn. 8 f).

bb) Die im Streitfall getroffenen Feststellungen rechtfertigen danach nicht die Beurteilung, bei der Zahlung der Insolvenzschuldnerin an die Beklagte habe es sich um eine entgeltliche Leistung gehandelt. Der Kläger hat vorgetragen, 10
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die A.

AG sei im Zeitpunkt der angefochtenen Überweisung zahlungsunfä-hig gewesen. Hiervon ist für das Revisionsverfahren auszugehen, weil die [X.] keine gegenteiligen Feststellungen getroffen haben. War die A.

AG zahlungsunfähig, war die gegen
sie gerichtete Forderung der Beklagten ohne Wert. Allein
der Umstand, dass die A.

AG noch über liquide Mittel ver-fügte, die knapp über der Höhe ihrer Verbindlichkeit gegenüber der Beklagten lagen, ändert daran nichts. Die in den Vorinstanzen getroffene Feststellung
zu den noch vorhandenen
liquiden
Mitteln
beruht auf dem Vortrag des [X.], der hierzu auf die Auswertung einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Bezug ge-nommen hat.
Um welche Art von liquidem Vermögen es sich handelte, ist nicht
festgestellt. Schon deshalb kann nicht beurteilt werden, ob die Beklagte die Möglichkeit gehabt hätte, sich aus diesem Vermögen im Wege der Ein-zelzwangsvollstreckung anfechtungsfest Befriedigung zu verschaffen. Die [X.] hat zu dieser Voraussetzung keinerlei Vortrag gehalten.

b) Die Leistung der Schuldnerin ist auch nicht bereits deshalb entgeltlich, weil die mit der Leistung getilgte Forderung der Beklagten auf einem Vergleich beruhte, nach dem restliche Werklohnansprüche der Beklagten gegen die
A.

AG und von dieser erhobene Gegenansprüche durch eine Zahlung der A.

e-klagten angeführte Rechtsprechung des Senats, wonach das gegenseitige Nachgeben im Rahmen eines Vergleichs regelmäßig nicht unentgeltlich erfolgt ([X.], Urteil vom 9. November 2006 -
IX [X.], [X.], 101 Rn. 15 ff), ist hier nicht einschlägig, weil der Kläger nicht die im Vergleich getroffene [X.] angefochten hat, sondern die von der Schuldnerin auf die Verpflich-tung der A.

AG aus dem Vergleich erbrachte Leistung. Der Umstand, dass mit dieser Leistung der im Vergleich vereinbarte Verzicht der Beklagten auf wei-tergehende Forderungen wirksam wurde, begründet im Verhältnis zur [X.]
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nerin ebenfalls nicht die Entgeltlichkeit der Leistung; insoweit kommt es, wie bei der durch die
Zahlung erfüllten Forderung, auf die Werthaltigkeit der Forderun-gen
an.

c) Der vom Kläger erklärten Schenkungsanfechtung steht auch nicht der Vorrang
einer konkurrierenden Deckungsanfechtung des Verwalters im Insol-venzverfahren über das Vermögen der
A.

AG entgegen (vgl. dazu [X.], Urteil vom 16. November 2007 -
IX ZR 194/04, [X.]Z 174, 228
Rn. 23 ff; vom 22. Oktober 2009 -
IX ZR 182/08, [X.], 2283 Rn. 12). Die Beklagte hat weder dargelegt, dass eine Deckungsanfechtung erklärt worden wäre, noch dass die Voraussetzungen einer solchen erfüllt wären.
Eine Deckungsanfech-tung durch den
Insolvenzverwalter der A.

AG käme nur in Betracht, wenn diese der Schuldnerin den Gegenwert der
Mittel, mit denen die Beklagte befrie-digt
wurde, aus ihrem Vermögen zur Verfügung gestellt hätte, die Befriedigung der Beklagten sich somit als mittelbare Zuwendung der A.

AG darstellen würde. Hierfür ist jedoch nichts ersichtlich.

4. [X.] kann folglich keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, wird sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (§ 563
Abs. 1 ZPO).
Dieses wird die erforderlichen Feststel-lungen zu der von der Beklagten bestrittenen Behauptung des [X.] treffen

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müssen, die A.

AG sei zum Zeitpunkt der angefochtenen Überweisung zah-lungsunfähig gewesen.

Kayser
Gehrlein
[X.]

[X.]
Schoppmeyer

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.05.2012 -
2-18 O 408/11 -

O[X.], Entscheidung vom 19.12.2013 -
3 U 157/12 -

Meta

IX ZR 12/14

25.02.2016

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.02.2016, Az. IX ZR 12/14 (REWIS RS 2016, 15589)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 15589

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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