Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.11.2011, Az. XII ZR 47/10

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 1174

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
XII ZR 47/10
Verkündet am:

23. November 2011

Breskic,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] §§ 313, 1578 Abs. 1 Satz 2 aF, 1578 b; ZPO § 323 aF; EGZPO § 36
a)
Dass der Unterhaltspflichtige mit der Herabsetzung gemäß §
1578 Abs.
1 Satz
2 [X.] aF eines nach altem Recht nicht befristbaren Unterhaltsanspruchs -
hier Anspruch auf Altersunterhalt
-
ausgeschlossen war, steht
einer Herabsetzung und/oder Befristung des Unterhalts nach §
1578
b [X.] nicht entgegen.
b)
Der durch die Eheschließung bedingte Wegfall eines aus einer früheren Ehe her-rührenden Unterhaltsanspruchs stellt keinen ehebedingten Nachteil im Sinne von §
1578
b
[X.] dar.
[X.], Urteil vom 23. November 2011 -
XII ZR 47/10 -
OLG [X.]

AG Mülheim an der Ruhr

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 23.
November 2011
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Hahne
und die Richter [X.], Dr.
Klinkhammer, Schilling und Dr.
Nedden-Boeger
für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 8. Senats für
Familiensachen des [X.] vom 17.
März 2010 aufgehoben, soweit zum Nachteil des [X.] erkannt [X.] ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der 1939 geborene Kläger begehrt mit seiner Abänderungsklage den Wegfall des Unterhaltsanspruchs der 1932 geborenen Beklagten, seiner ge-schiedenen Ehefrau.
Die Parteien schlossen 1978 die Ehe und lebten seit 1983 voneinander getrennt. Seit 1987 ist die Scheidung der kinderlos gebliebenen Ehe rechtskräf-tig. Die Beklagte war von 1955 bis 1977 in erster Ehe verheiratet; diese
Ehe 1
2
-
3
-
wurde wegen Verschuldens des Ehemanns im Jahr 1977 geschieden.
[X.] gegen ihren ersten Ehemann machte die Beklagte nicht gel-tend.
Mit
Vergleich, den die Parteien im Scheidungstermin 1987 schlossen, verpflichtete sich der Kläger zu einer monatlichen Unterhaltszahlung an die [X.] von 1.010
DM. Im Rahmen eines Abänderungsverfahrens schlossen die Parteien 1990 einen zweiten Vergleich, in
dem der Unterhalt auf monatlich 1.250
DM heraufgesetzt wurde. Ihren letzten Vergleich schlossen die Parteien am 2.
April
2003
in einem von der Beklagten
im Jahr 1996 eingeleiteten [X.]. In jenem Verfahren, in
dem der Kläger widerklagend die [X.] des titulierten Unterhaltsanspruchs begehrte, vereinbarten die Parteien für die [X.] ab Januar 2005 einen monatlichen Unterhalt von 700

a-sis der beiderseitigen Renteneinkünfte der Parteien sowie des [X.] des [X.].
Auf die im August 2009 rechtshängig gewordene Abänderungsklage hat das Amtsgericht den Unterhalt für die [X.] ab Juni 2010 auf 500

und bis zum 30.
Juni 2011 befristet. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Klage ab-gewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:
Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des [X.] und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungs-gericht.
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5
-
4
-

I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, die in [X.], 1912 veröffentlicht ist,
wie folgt begründet:
Der durch Vergleich titulierte Unterhaltsanspruch könne nach Maßgabe des §
313 [X.] nur abgeändert werden, wenn bei den Umständen, die zur Grundlage des Vergleichs geworden seien, nach dessen Abschluss eine schwerwiegende Veränderung eingetreten wäre und die Parteien aufgrund der Veränderung den Vergleich in der vorliegenden Form nicht geschlossen hätten. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben. Auf der Grundlage der aktuellen Renteneinkünfte der Parteien sei von einem Unterhaltsanspruch von rund 728

auszugehen (auf Seiten des [X.]:
Regelaltersrente in Höhe von rund 1.148

-Rente in Höhe von rund 298

;
auf Seiten der Beklagten:
Regelaltersrente in Höhe von rund 318

). Damit lägen Veränderungen bei den für die Unterhaltshöhe erheblichen wirtschaftlichen Verhältnissen der Parteien, die zu einer Anpassung des titulierten Unterhaltsanspruchs zugunsten des [X.] führen könnten, nicht vor.
Eine schwerwiegende Veränderung der Vertragsgrundlage sei zwar durch die Änderung des Unterhaltsrechts zum 1.
Januar 2008 eingetreten. Dadurch sei die Befristungsmöglichkeit für den hier maßgeblichen Altersunter-halt grundsätzlich eröffnet
worden. Eine Befristung des Unterhaltsanspruchs scheide nach der gemäß §
1578
b Abs.
2 i.V.m. Abs.
1 [X.] vorzunehmenden Billigkeitsabwägung aber aus, weil bei der Beklagten durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit entstanden seien, für den eigenen Unterhalt zu sorgen.
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5
-
Da die erste Ehe der Beklagten aus Verschulden ihres früheren Ehe-manns geschieden worden sei, habe die Beklagte gegen diesen einen -
auch nach den Reformen des Unterhaltsrechts im Jahr 1977
und 2008
-
nicht befrist-baren Unterhaltsanspruch gemäß §
58 [X.] (EheG).
Der Umstand, dass die Beklagte den
Unterhaltsanspruch nach der Scheidung ihrer ersten Ehe für die relativ kurze [X.] bis zur Eheschließung der Parteien nicht geltend gemacht habe, sei für den Bestand ihres Unterhaltsanspruchs nicht erheblich gewesen.
Durch die Eheschließung der Parteien sei der vorstehende Unterhaltsanspruch der Beklagten kraft Gesetzes entfallen. Der Wegfall des Unterhaltsanspruchs führe insbesondere nach dem Eintritt der Beklagten ins Rentenalter zu erhebli-chen Nachteilen, weil das Scheidungsrecht bis zum 1.
Juli 1977 den [X.] nicht gekannt habe und die bedürftigen Ehegatten nach einer Scheidung auch ihren
Bedarf im Alter vollumfänglich durch Unterhalt hätten [X.] müssen.
Einer Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs stehe bereits entgegen, dass sich für eine kinderlose Ehe, die weniger als zehn Jahre gedauert habe, die rechtlichen Möglichkeiten der Unterhaltsherabsetzung seit dem Abschluss des Vergleichs im April 2003 nicht wesentlich geändert
hätten; eine schwerwie-gende Veränderung der Geschäftsgrundlage könne somit im Hinblick auf die Herabsetzbarkeit des streitgegenständlichen Unterhaltsanspruchs nicht [X.] werden.
Eine Abänderung des Unterhaltsanspruchs stünde zudem das durch §
36 EGZPO geschützte Vertrauen der Beklagten in die unbegrenzte Fortdauer ihres Unterhaltsanspruchs entgegen.

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6
-
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
1. Für das Verfahren ist gemäß Art.
111 Abs.
1 [X.] noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem [X.]punkt eingeleitet worden ist. Die Abänderung des Prozessvergleichs richtet sich somit nach §
323 ZPO aF (vgl. nunmehr §§
238, 239
FamFG -
Senatsurteil [X.]Z 186, 1 =
[X.], 1238 Rn.
10).
2. Zu Recht geht die Revision davon aus, dass die Voraussetzungen für eine Abänderung des Vergleichs vorliegen.
a) Die Präklusionsvorschrift des §
323 Abs.
2 ZPO aF findet nach ständi-ger Rechtsprechung des [X.] auf Vergleiche keine Anwendung. Die Abänderung eines Prozessvergleichs richtet sich allein nach materiell-rechtlichen Kriterien (Senatsurteil [X.]Z 186, 1 =
[X.], 1238 Rn.
12
f.
mwN). Dabei ist -
vorrangig gegenüber einer Störung der Geschäftsgrundlage
-
durch Auslegung zu ermitteln, ob und mit welchem Inhalt die Parteien eine bin-dende Regelung hinsichtlich einer möglichen Herabsetzung
bzw. Befristung getroffen haben (vgl. Senatsurteil [X.]Z 186, 1 =
[X.], 1238 Rn.
13 mwN).
Die Parteien haben sich letztmalig im Jahr 2003 über den nachehelichen Unterhalt verständigt. Ob dieser Vergleich eine bindende Regelung hinsichtlich einer möglichen Begrenzung des Unterhaltsanspruchs der Beklagten (Herab-setzung bzw. Befristung) enthält, hat das Berufungsgericht nicht geprüft und demgemäß die gebotene Auslegung des Vergleichs unterlassen.
Hierauf kommt es für das Revisionsverfahren indes nicht entscheidend an. Denn selbst 12
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-
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-
wenn eine solche Auslegung zu dem Ergebnis gelangte, dass die Parteien eine spätere Begrenzung des Unterhalts hätten
ausschließen wollen, wäre eine [X.] bzw. Befristung nunmehr nach §
313 iVm §
1578
b [X.] eröffnet.
Von daher kommt es auch nicht auf die Frage an, ob der Senat die -
grundsätzlich dem Tatrichter obliegende
-
Auslegung des Vergleichs hier aus-nahmsweise selbst vornehmen könnte (vgl. dazu Senatsurteil [X.]Z 186, 1 =
[X.], 1238 Rn.
15
ff.,
17).
b) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Verän-derung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrages verlangt wer-den, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhal-ten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann, §
313 Abs.
1 [X.].
aa) Sofern die Parteien in ihrem Vergleich aus dem Jahre 2003 im [X.] auf die damals geltende Rechtslage eine Befristung des [X.] auf Dauer ausschließen wollten, stellte -
wovon das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen ist
-
die Änderung des Unterhaltsrechts zum 1.
Januar 2008 eine schwerwiegende Veränderung der Vertragsgrundlage dar, da nun-mehr der Anspruch auf Altersunterhalt erstmals einer Befristung zugänglich war.
[X.]) Gleiches gilt, soweit die Parteien in dem Vergleich die Möglichkeit [X.] späteren Herabsetzung ausschließen wollten.
Zwar hat das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt, dass sich die recht-lichen Verhältnisse -
bezogen auf die Möglichkeit der Herabsetzung
-
nicht we-17
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-
8
-
sentlich geändert
haben. Eine Herabsetzung des [X.] war gemäß §
1578 Abs.
1 Satz
2 [X.] aF
schon nach altem Recht möglich, wobei die da-nach maßgeblichen [X.] weitgehend deckungsgleich sind mit den in der Nachfolgevorschrift des §
1578
b Abs.
1 Satz
2 und 3 [X.] spezifi-zierten Billigkeitsgesichtspunkten
(Senatsurteile vom 29.
Juni 2011

XII
ZR
157/09
-
FamRZ 2011, 1721 Rn.
20 und vom 8.
Juni 2011

XII
ZR
17/09
-
FamRZ 2011, 1381
Rn.
21). Die mit Senatsurteil vom 12.
April
2006 (XII
ZR
240/03
-
FamRZ 2006,1006) vollzogene Rechtsprechungsände-rung betraf lediglich Fälle des Aufstockungsunterhalts, in denen statt auf das Kriterium der Ehedauer nunmehr vorrangig auf das Vorliegen [X.] Nachteile abzustellen war (Senatsurteil vom 29.
September
2010

XII
ZR
205/08
-
[X.], 1884 Rn.
23). Demgegenüber stand die Dauer der hier zu beurteilenden, kinderlos gebliebenen Ehe von rund neun Jahren einer Herabsetzung des [X.] nach §
1578 Abs.
1 Satz
2 [X.] aF schon nach altem Recht nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 28.
März 1990

XII
ZR
64/89
-
FamRZ 1990, 857, 858
f.).
Jedoch
hat der Gesetzgeber mit §
1578
b [X.] den Bestand der bis da-hin einer Befristung nicht zugänglichen nachehelichen Unterhaltstatbestände nicht nur hinsichtlich der Dauer, sondern auch bezogen auf die Höhe des Un-terhalts einer Revision unterzogen. Nicht nur dass diese erstmals befristet wer-den können, mit §
1578
b Abs.
3 [X.] hat der Gesetzgeber zudem ausdrücklich die Möglichkeit geschaffen, Herabsetzung und Befristung zu kombinieren (BT-Drucks. 16/1830
Seite
19).
Damit kann die Herabsetzung im Rahmen der Billig-keitsabwägung von nun an nicht mehr isoliert betrachtet werden, sondern muss immer auch im Lichte einer kumulativ oder aber auch alternativ möglichen [X.] gesehen werden. Dadurch bekommen die jeweils anzusetzenden [X.] ein anderes Gewicht. Während nach altem Recht die Herabsetzung das einzige und damit auch das einschneidendste Mittel darstellte, um den [X.]
-
9
-
halt zu begrenzen, stellt es jetzt das mildere Mittel im Verhältnis zur Befristung dar.
c) Bei der sonach gemäß §
313 [X.] im Lichte des §
1578
b [X.] vorzu-nehmenden
Vertragsanpassung ist entgegen der Auffassung des Berufungsge-richts
eine Begrenzung des Unterhalts nicht ausgeschlossen. Vielmehr lässt die zu treffende Billigkeitsabwägung nach den getroffenen Feststellungen eine Herabsetzung sowie eine anschließend einsetzende Befristung geboten er-scheinen.
aa) Es fehlt bereits an ehebedingten
Nachteilen, die einer Begrenzung
des Unterhalts entgegenstehen könnten.
Vor allem stellt der vom Berufungsge-richt
zugrunde gelegte Umstand, dass der Ehegattenunterhaltsanspruch der Beklagten gegen ihren früheren Ehemann wegen der Heirat mit dem Kläger untergegangen sei, keinen solchen Nachteil dar.

(1) Ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ist nach §
1578
b Abs.
1 Satz
1 [X.] auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen
orientierte Bemessung des Unterhalts-anspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Nach §
1578
b Abs.
2 Satz
1 [X.]
ist ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zeit-lich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre.
Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung ergeben sich aus §
1578
b Abs.
1 Satz
2 und 3 [X.]. Danach ist bei der Billigkeitsabwägung vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die [X.] eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemein-22
23
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-
10
-
schaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung oder Erwerbstä-tigkeit während der Ehe sowie aus
der Dauer der Ehe ergeben. Ein [X.] Nachteil äußert sich in der Regel darin, dass der unterhaltsberechtigte [X.] nachehelich nicht die Einkünfte erzielt, die er ohne die Ehe und Kinderbe-treuung erzielen würde (vgl. Senatsurteile
vom 6.
Oktober
2010

XII
ZR
202/08
-
[X.], 1971 Rn.
19
und vom 20.
Oktober 2010

XII
ZR
53/09
-
[X.], 2059 Rn.
22).

(2) Gemessen hieran lassen sich den von den [X.] Feststellungen keine ehebedingten
Nachteile entnehmen.
Das Berufungsgericht hat verkannt, dass der Wegfall des [X.] der Beklagten gegen ihren ersten Ehemann
-
ungeachtet der fehlenden Feststellungen zur Werthaltigkeit des Anspruchs
-
bezogen auf die Ehe der [X.] keinen ehebedingten Nachteil im Sinne von §
1578
b [X.] darstellt.
Der Gesetzgeber wollte mit der Regelung des §
1578
b [X.] vielmehr ei-nen Ausgleich der Nachteile bewirken, die dadurch entstehen, dass der [X.] wegen der Aufgabenverteilung in der Ehe, insbesondere der Kinderbetreuung, nach der Scheidung nicht oder nicht ausreichend für seinen eigenen Unterhalt sorgen kann (BT-Drucks. 16/1830 S.
18). Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass die Nachteile, die allein durch den Akt der Eheschlie-ßung entstanden sind, keine Nachteile sind, die der Unterhaltsberechtigte auf-grund der Rollenverteilung in der Ehe erlitten hat.
Vielmehr tritt der Wegfall des Unterhaltsanspruchs aus erster Ehe als vom Gesetz zwingend vorgesehene Rechtsfolge ein.
Dass die Beklagte andere ehebedingte Nachteile im Sinne des §
1578
b [X.] erlitten hat, ist weder vom Berufungsgericht festgestellt noch sonst ersicht-lich.
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28
29
-
11
-
[X.]) Nach den bislang getroffenen Erwägungen des [X.]s stehen einer Begrenzung des Unterhalts ebenso wenig die nacheheliche Soli-darität bzw. der
Vertrauensschutz entgegen.

(1) §
1578
b [X.] beschränkt sich nach dem Willen des Gesetzgebers allerdings nicht auf die Kompensation
[X.] Nachteile, sondern berück-sichtigt auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität. Auch wenn keine ehebedingten Nachteile vorliegen, ist eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des nachehelichen Unterhalts nur bei Unbilligkeit eines fortdauern-den Unterhaltsanspruchs nach den ehelichen Lebensverhältnissen begründet. Bei der insoweit gebotenen Billigkeitsabwägung hat das Familiengericht das im Einzelfall gebotene Maß der nachehelichen Solidarität festzulegen, wobei vor allem die in §
1578
b Abs.
1 Satz
3 [X.] aufgeführten Gesichtspunkte zu be-rücksichtigen sind. Die Ehedauer gewinnt im Rahmen dieser Billigkeitsabwä-gung durch eine wirtschaftliche Verflechtung an Gewicht, die insbesondere durch Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung gemein-samer Kinder oder der Haushaltsführung eintritt (Senatsurteil vom 2.
März 2011

XII
ZR
44/09
-
FamRZ
2011, 713 Rn.
21
ff.).
Bereits bei der Prüfung der Unbilligkeit nach §
1578
b [X.] ist außerdem zu berücksichtigen, ob der Unterhaltsanspruch tituliert ist. Denn einem titulierten oder durch Vereinbarung festgelegten Unterhalt kommt ein größerer Vertrau-ensschutz zu als einem nicht vertraglich festgelegten oder durch Titulierung gesicherten Anspruch. Wie das Gesetz in §
36 Nr.
1 EGZPO klarstellt, gilt dies bei Unterhaltstiteln oder -vereinbarungen nach der bis Dezember 2007 beste-henden Rechtslage in noch stärkerem Maße. Dass dieser Gesichtspunkt in §
36 Nr.
1 EGZPO gesondert geregelt ist, hindert seine Heranziehung im Rahmen von §
1578
b [X.] nicht. Da die Beurteilung der Begrenzung und Befristung nach §
1578
b [X.] vielmehr auf einer umfassenden Interessenabwägung be-30
31
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-
12
-
ruhen muss, ist die Berücksichtigung der Titulierung im Rahmen des §
1578
b [X.] sogar geboten. Dass damit die Zumutbarkeit nach §
36 Nr.
1 EGZPO be-reits in dem insoweit umfassenderen Tatbestand des §
1578
b [X.] aufgeht, ist unbedenklich, weil bei einem Zusammentreffen der Abänderung eines Alttitels mit der Befristung den gesetzlichen Wertungen des §
36 Nr.
1 EGZPO bereits im Rahmen der Befristung nach §
1578
b [X.] in vollem Umfang Rechnung getragen ist (Senatsurteil vom 30.
Juni 2010 -
XII
ZR
9/09
-
[X.], 1414 Rn.
32).
(2) Die vom Berufungsgericht
insoweit vorgenommene Billigkeitsabwä-gung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung ebenfalls nicht stand.
(a) Zwar obliegt die Billigkeitsabwägung im Rahmen des §
1578
b [X.] grundsätzlich dem Tatrichter. Diese kann vom Revisionsgericht lediglich auf Rechtsfehler überprüft werden, insbesondere darauf, ob das Berufungsgericht im Rahmen der Billigkeitsprüfung maßgebende
Rechtsbegriffe verkannt oder für die Einordnung unter diese Begriffe wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (Senatsurteil vom 11.
August 2010 -
XII
ZR
102/09
-
[X.], 1637 Rn.
47). Letzteres ist hier der Fall.
(b) Im Ergebnis unschädlich ist allerdings, dass das Berufungsgericht
die nach §
1578
b [X.] gebotene Billigkeitsabwägung der Sache nach unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes gemäß §
36 EGZPO durchgeführt hat, anstatt letzteren im Rahmen der Abwägung nach §
1578
b [X.] zu berücksich-tigen.
(c) Das [X.]
hat bei seiner Abwägung maßgeblich darauf abgestellt, dass die Beklagte aufgrund ihres Alters zusätzliche Einkünfte nicht mehr erzielen könne und zudem aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustan-des in ihren Möglichkeiten, ihren Lebensstandard einem niedrigeren Einkom-33
34
35
36
-
13
-
mensniveau anzupassen, erheblich eingeschränkt sei. Diese besonderen, durch Krankheit und hohes Alter erheblich erschwerten Lebensumstände der Beklagten lassen es nach Auffassung des [X.]s
gerechtfertigt erscheinen, ihrem Vertrauen auf den unbefristeten Fortbestand des Unterhalts-anspruchs ein höheres Gewicht beizumessen als dem Interesse des durch die langjährige Unterhaltszahlung belasteten [X.], aus seiner Verpflichtung [X.] zu werden.
Die
vorerwähnten
Gesichtspunkte, die bezogen auf Gesundheit und Alter jedenfalls auch dem Bereich der nachehelichen Solidarität zuzuordnen sind, rechtfertigen für sich genommen keine lebenslange Lebensstandardgarantie, wie sie sich als Konsequenz des Berufungsurteils in der Sache ergeben hätte. Bei seiner Abwägung hat das Berufungsgericht
-
im Gegensatz zum Amtsge-richt
-
nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Kläger bei einer nur rund neun Jahre langen Ehe und einem Zusammenleben von lediglich rund fünf Jahren über einen [X.]raum von zwanzig Jahren Unterhaltszahlungen
in nicht geringer Höhe an die Beklagte erbracht hat (vgl. dazu die Ausführungen in dem amtsge-richtlichen Urteil vom 12.
November 2009).
Hinzu kommt, dass aus der [X.] keine Kinder hervorgegangen sind. Dabei
ist auch die zu-nehmende
Entflechtung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der geschiedenen Ehegatten zu beachten, die um so
gewichtiger wird, je weiter die Scheidung zurückliegt, und dementsprechend das Maß der geschuldeten nach-ehelichen Solidarität begrenzt
(Senatsurteil vom 8.
Juni 2011

XII
ZR
17/09
-
FamRZ 2011, 1381 Rn.
36). Einer Befristung des nachehelichen Unterhalts steht nach der -
insoweit allerdings erst nach dem Berufungsurteil veröffentlich-ten
-
Senatsrechtsprechung auch nicht entgegen, dass der [X.] dadurch möglicherweise sozialhilfebedürftig würde (Senatsurteile vom 30.
März 2011 -
XII
ZR
63/09
-
FamRZ 2011, 875 Rn.
21
und vom 2.
März 2011
-
XII
ZR
44/09
-
FamRZ 2011, 713 Rn.
26
jeweils mwN).
37
-
14
-
Nach den getroffenen Feststellungen wäre dem Vertrauen der Beklagten vielmehr mit einer stufenweisen Herabsetzung und Befristung, wie sie etwa das Amtsgericht vorgenommen hat, hinreichend Rechnung getragen.
Eine unbefris-tete Unterhaltsverpflichtung, so wie sie das Berufungsgericht ausgesprochen hat, erscheint demgegenüber unter Berücksichtigung der Gesamtumstände für den unterhaltsverpflichteten Kläger unzumutbar.

III.
Das Berufungsurteil ist
aufzuheben und die Sache an das Berufungsge-richt
gemäß §
563 Abs.
1 Satz
1 ZPO zurückzuverweisen. Eine abschließende Sachentscheidung nach §
563 Abs.
3 ZPO ist dem Senat mangels Entschei-dungsreife nicht möglich.
Hahne

[X.]

Klinkhammer

Schilling

Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
AG Mülheim
an der Ruhr, Entscheidung vom 12.11.2009 -
22 [X.]/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 17.03.2010 -
II-8 UF 173/09 -

38
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Meta

XII ZR 47/10

23.11.2011

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.11.2011, Az. XII ZR 47/10 (REWIS RS 2011, 1174)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1174

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