Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.07.2007, Az. IX ZR 77/06

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 2760

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 19. Juli 2007 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] §§ 76, 313 Abs. 2 Satz 3 Soll der Treuhänder mit der Anfechtung beauftragt werden, so hat hierüber die Gläu-bigerversammlung durch Beschluss zu entscheiden. Dies gilt auch für ein vereinfach-tes Insolvenzverfahren, an dem nur ein Gläubiger beteiligt ist. [X.], Urteil vom 19. Juli 2007 - [X.] - [X.] [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juli 2007 durch [X.] [X.], die Richter [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] [X.] für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 13. März 2006 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: [X.](fortan Schuldner), über dessen Vermögen auf [X.] des [X.] mit Beschluss vom 3. März 2003 das verein-fachte Insolvenzverfahren eröffnet wurde, hatte mit notarieller Urkunde vom 14. Februar 2002 Kaufpreisansprüche gegen seine frühere Ehefrau an die [X.] abgetreten. Als Gegenleistung hatte sich die [X.] verpflichtet, den Schuldner bei [X.] zu pflegen. 1 Der Kläger wurde zum Treuhänder bestellt. Er nimmt die [X.] im Wege der Insolvenzanfechtung auf Rückabtretung sowie Rückzahlung zwi-schenzeitlich erhaltener 18.406,53 • in Anspruch. Das Finanzamt ist einziger Gläubiger im Verfahren. Es hat den Kläger mit schriftlicher Erklärung vom 2 - 3 - 16. November 2004 mit der Durchführung der Insolvenzanfechtung gegen die [X.] beauftragt. Das [X.] hat die [X.] antragsgemäß verurteilt. Das [X.] hat der Berufung der [X.]n stattgegeben und die Klage abge-wiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klaganspruch weiter. 3 Entscheidungsgründe: Die Revision hat in der Sache keinen Erfolg. 4 [X.] Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in [X.], 357 veröffent-licht ist, hat ausgeführt, der Kläger sei zur Insolvenzanfechtung nicht berechtigt. Nach § 313 Abs. 2 [X.] sei der Treuhänder hierzu nur befugt, wenn die [X.] ihn beauftrage. Auch wenn nur ein Gläubiger, wie vorliegend gegeben, vorhanden sei, könne auf das Erfordernis der Beauftragung im Wege der Gläubigerversammlung nicht verzichtet werden. Die Gläubigerversammlung bestehe nicht nur aus den Gläubigern und dem Treuhänder, sondern sie finde im Rahmen einer Gerichtsverhandlung statt, an der das Insolvenzgericht [X.] habe. Dem Gericht komme eine neutrale Stellung zu. Es habe insbe-sondere die Aufgabe, zwischen Gläubiger und Treuhänder, die nicht zwingend gleichlaufende Interessen verfolgen müssten, zu vermitteln. In der Gläubiger-versammlung hätte das Gericht darüber befinden müssen, ob die Beauftragung 5 - 4 - des Treuhänders sachdienlich sei, wenn es nur einen Gläubiger gebe, dem das durch die Anfechtung Erlangte zufließe. Der Umstand, dass nur ein Gläubiger vorhanden sei, spreche gerade nicht für die Entbehrlichkeit einer förmlichen Gläubigerversammlung. Im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft könne der Kläger die Rechte des Finanzamts nicht verfolgen. Es fehle am notwendigen, schutzwür-digen Interesse an der Prozessführung. Mit seiner Aufgabe als Partei kraft Am-tes im öffentlichen Interesse sei die Tätigkeit des Treuhänders für einen [X.] nicht vereinbar. Der vorgegebene [X.] zwischen Insolvenzmasse und dem nicht bevorrechtigten Gläubiger sei auch bei [X.] eines einzigen Gläubigers nicht aufgehoben. 6 I[X.] Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand. 7 1. Im vereinfachten Insolvenzverfahren werden die Aufgaben des [X.] durch den Treuhänder wahrgenommen. Im Gegensatz zum Re-gelinsolvenzverfahren steht das Anfechtungsrecht nicht ihm zu, sondern jeder Insolvenzgläubiger ist zur Anfechtung von Rechtshandlungen nach den §§ 129 bis 147 [X.] berechtigt. Diese die Gläubigerautonomie betonende Regelung (vgl. [X.], Z[X.] 1999, 305) wird nunmehr durch § 313 Abs. 2 Satz 3 [X.], eingeführt durch das [X.] 2001, ergänzt. Danach kann die Gläubigerversammlung auch den Treuhänder mit der [X.]. 8 - 5 - Die mit § 313 Abs. 2 [X.] a.F. erfolgte Verlagerung der [X.] auf die Gläubiger, die eine Vereinfachung des Verfahrens und eine kostengünstige Abwicklung ermöglichen sollte (Beschlussempfehlung und [X.] zum Entwurf einer Insolvenzordnung, [X.] 12/7302 [X.]), hat, wie der Novellengesetzgeber festgestellt hat, in der Praxis eine wirksame Durchsetzung der Anfechtung in nicht wenigen Verbraucherinsolvenzverfahren verhindert. Mit der zusätzlichen Möglichkeit, dem Treuhänder die Durchsetzung der Anfechtung zu übertragen, sollte die bisherige Zurückhaltung der Gläubiger und deren Informationsdefizit, was die einzelnen Anfechtungsumstände anging, überwunden werden (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze, [X.] 14/5680, [X.]). Die vom Gesetzgeber gewählte Verfahrens-weise, die Beauftragung des Treuhänders durch die Gläubigerversammlung auszusprechen, bedeutet zugleich, dass hierdurch von der zunächst angestreb-ten Verfahrensvereinfachung und einer kostengünstigen Abwicklung Abstand genommen wurde. Die Einschaltung der Gläubigerversammlung führt zu einem organisatorischen Mehraufwand für die Gläubiger und das gemäß § 74 [X.] beteiligte Insolvenzgericht. 9 2. Nach § 313 Abs. 2 Satz 3 [X.] kann die Beauftragung des [X.] nur durch Beschluss der Gläubigerversammlung erfolgen. Als Gläubiger-versammlung ist dabei ausschließlich eine vom Insolvenzgericht einberufene und vom Gericht geleitete Zusammenkunft der Gläubiger anzuerkennen ([X.]/Prütting/[X.], [X.] § 313 Rn. 2a; [X.]/[X.]/[X.], [X.] 2002, 5; [X.], Z[X.] 2002, 358, 359). Eine spontane oder eine vom Verwalter einberufene Zusammenkunft ist keine Gläubigerversammlung im vorgenannten Sinn. 10 - 6 - Beschlüsse, die nicht durch die vom Gericht geleitete Gläubigerver-sammlung gefasst werden, sind keine Beschlüsse im Sinne von § 76 [X.] und daher nichtig ([X.]/Prütting, [X.] § 76 Rn. 7). Entgegen auf den Wortlaut des § 76 Abs. 2 [X.] bezogenen Erwägungen ist für die Durchführung einer Gläu-bigerversammlung nicht die Anwesenheit von mindestens zwei Gläubigern [X.]. Wie bereits zum Recht der Konkursordnung anerkannt (Jäger/[X.], KO 8. Aufl. § 94 Rn. 2; [X.]/[X.], KO 11. Aufl. § 94 Rn. 2), ist es auch für das Verfahren der Beschlussfassung nach § 76 [X.] ausreichend, dass mindestens ein Gläubiger anwesend ist und von seinem Stimmrecht Gebrauch macht (HK-[X.]/[X.], [X.] 4. Aufl. § 76 Rn. 5; [X.], [X.] 12. Aufl. § 76 Rn. 18). 11 3. Entgegen der Ansicht der Revision kann bei einem Verbraucherinsol-venzverfahren, an dem nur ein Gläubiger beteiligt ist, nicht von den [X.] abgewichen werden. 12 a) Der Gesetzgeber hat mit der Einführung einer Anfechtungsmöglichkeit durch den Treuhänder in § 313 Abs. 2 Satz 3 [X.] von der bisherigen Verfah-rensvereinfachung, die durch eine Verlagerung der [X.] auf die Gläubiger gekennzeichnet war, wieder Abstand genommen. Die von ihm gewählte Verfahrensweise, die Beauftragung im Wege der Beschlussfassung durch eine Gläubigerversammlung vorzunehmen, dient, worauf das Berufungs-gericht zutreffend hingewiesen hat, dem Ausgleich möglicher unterschiedlicher Interessen, was durch die [X.] seitens des Insolvenzgerichts ge-währleistet wird. Die Abhaltung einer Gerichtsverhandlung sichert ferner, dass etwaige Stimmrechtsausschlüsse beachtet werden (vgl. HK-[X.]/[X.] aaO § 76 Rn. 5; [X.]/Prütting [X.] § 76 Rn. 22). Auch bei der Beteiligung nur eines Gläubigers können diese Umstände von Bedeutung sein. 13 - 7 - b) Die vom Gesetzgeber gewählte Systematik, wonach - anders als bei der Anfechtung durch einen Gläubiger - dem Treuhänder die [X.] allein durch die Gläubigerversammlung übertragen werden kann, lässt keinen Raum für die von der Revision angestrebte Ausnahmeregelung. Würde für ein Insolvenzverfahren, an dem nur ein Gläubiger beteiligt ist, vom [X.] der Gläubigerversammlung Abstand genommen werden, müsste zudem geklärt werden, ob dies auch für sonstige Verfahren, an denen nur wenige Gläubiger beteiligt sind, gleichermaßen zu gelten hat. Die von der Revision angeführten Gesichtspunkte einer Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung würden sich dort ebenso stellen. Eine hinreichend klare Abgrenzung der Verfahren mit einem oder nur wenigen weiteren Gläubigern zu den übrigen Verfahren wäre kaum möglich. Für die vom Senat vertretene [X.] spricht auch die vom Gesetzgeber in § 313 Abs. 2 [X.] getroffene [X.], nach der [X.] nur dann entstehen sollen, wenn die Gläubigerversammlung den Auftrag zur Anfechtung erteilt hat, während in allen übrigen Fällen der Anfechtende Erstattung seiner Kosten nur aus dem durch den Rechtsstreit [X.] erhält. 14 Auch der von der Revision weiter geltend gemachte Gesichtspunkt, das Insolvenzgericht sei in seinem Eröffnungsbeschluss zunächst von der [X.] des schriftlichen Verfahrens (§ 312 Abs. 2 [X.]) ausgegangen, ist nicht geeignet, die Beschlussfassung in der Gläubigerversammlung für entbehrlich anzusehen. Das Insolvenzgericht hat seine Entscheidung selbst unter den [X.] anderweitiger Erkenntnisse gestellt und deshalb davon gesprochen, es werde vorerst keine Gläubigerversammlung einberufen. Die Beauftragung des Treuhänders zur Anfechtung ist aber ein Umstand, der die Abhaltung einer vom Gericht durchzuführenden Gläubigerversammlung notwendig macht. 15 - 8 - 4. Der Ansicht der Revision, aus der durch den Gläubiger ausgesproche-nen Beauftragung könne eine gewillkürte Prozessstandschaft zur Führung des vorliegenden Anfechtungsprozesses abgeleitet werden, ist nicht zu folgen. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, für die Einräumung einer gewillkürten Prozessstandschaft fehle es an einem schutzwerten rechtli-chen Bedürfnis. 16 Wird der Treuhänder im Wege der Beauftragung durch die Gläubigerver-sammlung mit der Führung eines Anfechtungsprozesses betraut, so kann er, im Gegensatz zu dem von der Gläubigerversammlung beauftragten Gläubiger, den Auftrag zur Anfechtung nicht ablehnen. Soweit die Gläubigerversammlung von ihrem in § 313 Abs. 2 Satz 3 [X.] verankerten Recht der Beauftragung Gebrauch macht, erwächst aus dieser Entscheidung eine entsprechende Pflicht des Treuhänders zum Tätigwerden ([X.]/[X.], [X.] 12. Aufl. § 313 Rn. 85). Nach entsprechender Beauftragung durch die Gläubigerversammlung führt der Treuhänder den Prozess als Partei kraft Amtes in gesetzlicher [X.] ([X.]/[X.] aaO Rn. 86). 17 Die Annahme einer zulässigen gewillkürten Prozessstandschaft setzt nach gefestigter Rechtsprechung des [X.] ein schutzwürdiges Interesse des Prozessstandschafters an der Rechtsverfolgung voraus (vgl. [X.] 119, 237, 242; 125, 197, 199; [X.], Urt. v. 3. April 2003 - [X.] ZR 287/99, NJW 2003, 2231, 2232). Angesichts des vom Gesetzgeber für notwendig er-achteten Verfahrensweges zur Erlangung der gesetzlichen Prozessstandschaft ist kein berechtigtes Interesse des Treuhänders erkennbar, eine zusätzliche Möglichkeit zur Prozessführung zu erhalten. 18 - 9 - 5. Ob ein einzelner Gläubiger den Treuhänder im Wege der Vertretung mit der Durchführung der Anfechtung betrauen kann (so [X.], Z[X.] 2002, 358, 359), bedarf hier keiner Entscheidung. Eine derartige Prozessführung [X.] nicht dessen Eigenschaft als Treuhänder, sondern würde ein Tätigsein als Vertreter des jeweiligen Gläubigers bedeuten. Die Frage eines Parteiwechsels auf [X.]eite wurde in der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2006 vor dem Berufungsgericht erörtert und klägerseits ausdrücklich verneint. 19 Dr. [X.] [X.] [X.]
[X.] Dr. [X.]

Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 06.09.2005 - 1 O 117/03 - [X.], Entscheidung vom [X.]

Meta

IX ZR 77/06

19.07.2007

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.07.2007, Az. IX ZR 77/06 (REWIS RS 2007, 2760)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 2760

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