Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.04.2004, Az. 4 StR 577/03

4. Strafsenat | REWIS RS 2004, 3657

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] StR 577/03vom14. April 2004in der Strafsachegegenwegen Mordes u.a.- 2 -Der 4. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 14. April 2004 gemäߧ 349 Abs. 4 StPO [X.] Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil [X.] vom 16. Juni 2003 mit [X.] aufgehoben.2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eineandere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des[X.]s zurückverwiesen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mitversuchtem Mord zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die hiergegen ge-richtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen undmateriellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge Erfolg; eines [X.] auf [X.] bedarf es daher nicht.1. Nach den Feststellungen des [X.]s handelt es sich bei [X.] um eine auffällige Persönlichkeit, die durch "emotionale Unreife"und eine "egozentrische subjektivistische Verabsolutierung des [X.]" geprägt ist ([X.]). Gegenüber seiner früheren [X.] [X.], mit der er von 1991 bis zum Jahre 1996 zusammenlebte, zeigte [X.] "sich steigernde Aggressivität", die schließlich dazu führte, daß er zweimalgerichtlich in der Psychiatrie untergebracht und u.a. wegen [X.] -bung, Bedrohung und Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe verurteiltwurde.Im Jahre 1998 lernte der Angeklagte die aus [X.] stammende [X.]kennen; beide heirateten im Juni 1999. Der Angeklagte war "extremeifersüchtig". Er wurde seiner Ehefrau gegenüber gewalttätig, verfolgte undüberwachte sie und sperrte sie schließlich in der gemeinsamen Wohnung ein.Als ihr die Flucht gelang, ging sie in ein Frauenhaus. Der Angeklagte akzep-tierte die Trennung jedoch nicht, fand ihren Aufenthaltsort heraus und stellte [X.]. Er drohte ihr wiederholt, er werde sich eine Waffe besorgen und sie tö-ten. Ab Juni 2001 ging [X.]eine Beziehung zu dem Koch [X.]. ein; beide zogen Ende September 2001 zusammen. Ende des [X.]/Anfang 2002 wurde die Ehe des Angeklagten geschieden.Wegen der von ihr angezeigten Mißhandlungen durch den [X.] Frau [X.]am 11. April 2002 richterlich vernommen werden. [X.] des 10. April 2002 entschloß sich der Angeklagte, zu ihr zu fahren. [X.] versuchen, sie von einer Aussage gegen ihn abzubringen, da er - [X.] erneuten Verurteilung - den Widerruf seiner Bewährungsstrafe befürch-tete. Als er [X.]. vor der mit [X.]gemeinsam bewohnten [X.] traf, forderte er diesen auf, ihn mit in die Wohnung kommen zu lassen,schlug ihn an den Kopf und sagte: "Wegen euch beiden gehe ich nicht in [X.]." In der Wohnung kam es zu einem heftigen Streit, bei dem der Ange-klagte äußerte: "Wenn ich ins Gefängnis gehe, will ich nicht, daß ihr glücklichseid." Am Ende des ca. zwei- bis dreiminütigen Streitgesprächs (fispätestensjetzt") faßte der Angeklagte endgültig den Entschluß, Frau [X.]und an-schließend ihren Lebensgefährten [X.]. zu töten. Er zog ein Klappmesser aus- 4 -der rechten Hosentasche, öffnete es und stach mehr als 20mal mit [X.] auf [X.] ein. Als sie schließlich blutüberströmt zu [X.], wandte sich der Angeklagte mit dem Messer in der Hand ([X.] f., 11)dem in das Bad geflüchteten [X.]. mit den Worten zu: "Jetzt bist Du ander Reihe." Er versuchte die Tür zu öffnen und rüttelte zehn bis zwanzig Se-kunden lang daran. Da [X.]. die Badezimmertür von innen zuhielt, gelang [X.] nicht. Als ein Nachbar - alarmiert durch die Hilferufe - herbeieilte, flüchteteder Angeklagte. Frau [X.]verstarb am 11. April 2002 an den Folgen derStichverletzungen.2. Nach Auffassung des [X.]s hat der Angeklagte sowohl hin-sichtlich der Tötung der [X.] als auch hinsichtlich der versuchtenTötung des [X.]. aus niedrigen Beweggründen gehandelt: Er habe vordem Hintergrund der gescheiterten Beziehung durch eine Art "Bestrafung" derbeiden Opfer seine frustrationsbedingten Aggressionen an den Tatopferndurch deren Tötung abreagieren wollen. Spätestens als er im Verlauf [X.] endgültig realisiert habe, daß Frau [X.] sich erneut sei-nem Willen und seinen Vorstellungen nicht beugen, gegen ihn aussagen [X.] damit gegebenenfalls ins Gefängnis bringen würde, habe er sich [X.], sie für ihr nicht willfähriges Verhalten zu bestrafen. Er habe Frau[X.] als ein Objekt betrachtet, dem er keinen eigenen Personalwert zuer-kannt habe. Die bei ihm im Laufe der Monate aufgebaute Frustration, [X.] und Enttäuschung habe er in der Gewalttat abreagiert. Seine heftige Ge-mütsbewegung, die aufgeladene Tatsituation, die Verbitterung, Wut und Eifer-sucht, aus der er gehandelt habe, habe er selbst verschuldet. Seine Gefühleseien als niedrig einzustufen, weil sie ihrerseits auf niedriger Gesinnung be-ruhten. Er habe das eigene Ich in egozentrischer subjektivistischer [X.] 5 -tierung des eigenen Standpunkts als das einzig Wirkliche gelten lassen und seiallein verantwortlich für die eskalierende Konfliktentwicklung gewesen. Der An-geklagte sei sich auch der Umstände, die den Antrieb zu seinem Handeln [X.] verwerflich erscheinen ließen, bewußt gewesen. Er habe die [X.] wollen und dies gewußt. Anzeichen für eine Einschränkung seines"[X.]" lägen nicht vor. Vielmehr ergebe sichaus seinen wiederholten Todesdrohungen, daß er gedanklich in der Lage ge-wesen sei, seine gefühlsmäßigen Regungen zu beherrschen und [X.] Die rechtliche Bewertung des Tatgeschehens durch das [X.] als Mord und Mordversuch aus (sonst) niedrigen Beweggründen hat kei-nen Bestand, weil wesentliche Gesichtspunkte, die der Annahme der erforderli-chen subjektiven Komponente dieses [X.] entgegenstehen könnten,im Urteil nicht erörtert werden.Nach der Rechtsprechung des [X.] ist für die Annahmedes [X.] der niedrigen Beweggründe unerläßlich, daß dem Täter beider Tat die Einsicht in die Niedrigkeit seiner Beweggründe aufgrund seiner gei-stig-seelischen Verfassung nicht versperrt ist (vgl. [X.]R StGB § 211 Abs. [X.], 26; [X.] StV 2004, 205 m.w.N.). Das hat das Land-gericht an sich nicht verkannt. Es erörtert jedoch bei der gebotenen [X.] nicht, ob die festgestellten [X.], die der psych-iatrische Sachverständige als fiandere schwere seelische Abartigkeitfi qualifi-ziert hat ([X.]) - auch wenn sie den Grad erheblich verminderter Schuldfä-higkeit nicht erreichten (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR346/03) - gegen das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des [X.] 6 -merkmals sprechen (vgl. [X.] StV 2004, 205; [X.]R StGB § 211 Abs. 2 [X.] Beweggründe 24). Dies rügt die Revision zu Recht. Da das [X.] zu-dem davon ausgegangen ist, daß der Angeklagte Frau [X.]deshalb aufge-sucht hat, um sie von einer Aussage gegen ihn abzubringen, und er sich [X.]") am Ende des Streitgesprächs im Zustand "heftiger Gemütsbe-wegung" ([X.], 15, 17) dazu entschloß, sie und ihren Lebensgefährten zutöten - das Schwurgericht seinen Feststellungen somit eine affektiv geprägte,sich aus der Situation entwickelnde Tat zugrundelegt - hätte es diese Prüfungbesonders sorgfältig vornehmen müssen (vgl. [X.]R StGB § 211 Abs. 2 [X.] Beweggründe 11, 16, 39; [X.] NStZ 2001, 87).Der Schuldspruch kann daher nicht bestehen bleiben; die Sache bedarfinsgesamt neuer Verhandlung und [X.] Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:Die nunmehr entscheidende Strafkammer wird die von der Revision unddem Generalbundesanwalt in seinem Aufhebungsantrag vom 17. Februar 2004beanstandete fehlende Erörterung der unterschiedlichen Aussagen des Zeu-gen [X.]. im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung [X.] 7 -In der Urteilsformel wird der Anrechnungsmaßstab für die vom [X.] erlittene Auslieferungshaft anzugeben sein (§ 51 Abs. 4Satz 2 StGB; vgl. [X.]/[X.] 51. Aufl. § 51 Rdn. 5, 10, 18).Maatz Kuckein Athing

Meta

4 StR 577/03

14.04.2004

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.04.2004, Az. 4 StR 577/03 (REWIS RS 2004, 3657)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 3657

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.