Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.11.2013, Az. II ZB 16/12

II. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1033

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZB 16/12
vom
19. November 2013
in dem Rechtsstreit

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Der I[X.] Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19.
November 2013
durch
den
Vorsitzen[X.]
Dr.
Bergmann, [X.] Dr.
Strohn, die Richterin Dr.
Reichart sowie [X.]
Drescher
und Born beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 6.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts [X.]
vom 29.
Mai
2012
wird auf Kosten der
Beklagten als unzulässig verworfen.
Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde:
2.796,50

Gründe:

[X.] Die Beklagten haben gegen das
Urteil des [X.], durch das sie verurteilt worden sind, an die Klägerin weitere 2.796,50

Berufung eingelegt

April 2012, einem Freitag,
verlängert. Am Morgen des 16

April 2012
wurde die Be-rufungsbegründung in dem Nachtbriefkasten des Berufungsgerichts
vorgefun-den und erhielt, weil sie sich nach Darstellung des zuständigen Justizwacht-meisters
N.

oberhalb
der um Mitternacht des 13.
April 2012 fallenden Klappe
befand, den Eingangsstempel vom 16

April
2012 mit dem Zusatz
Prozessbevollmächtigte der Beklagten
behauptet hingegen, die Berufungsbegründung am 13.
April 2012 vor Mitter-nacht in den Nachtbriefkasten eingeworfen zu haben.

Die Berufungsbegründung sei, so seine Schilderung in der vom [X.] durchgeführten Beweisaufnahme, im Laufe des Vormittags des 1
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13.
April 2012 geschrieben worden und habe erst fertig vorgelegen, als die

sei. Üblicherweise würden Schriftsätze von Auszubildenden
seines Büros

gebracht, wo man sich den Empfang bestätigen lasse. Er, der Prozessbevoll-mächtigte der Beklagten,
habe an diesem Tag um 14.00
Uhr zu Hause sein müssen. Nachdem er den Schriftsatz gegen 13.00
Uhr unterschrieben gehabt habe, habe er ihn selbst auf dem Heimweg mit dem Auto zum Oberlandesge-richt gebracht.
Das Berufungsgericht ist
nach Anhörung des [X.] N.

als weiteren Zeugen als Ergebnis der Beweisaufnahme von einem non liquet ausgegangen und hat die Berufung der Beklagten als unzulässig verwor-fen
sowie
den Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte
Berufungsbe-gründungsfrist abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der [X.].
I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§
574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1,
§
522 Abs.
1 Satz 4,
§
238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des
§
574 Abs.
2 ZPO
nicht gegeben
sind. Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch erfordert sie eine Entscheidung des [X.] zur Fort-bildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Die Angaben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten seien in sich wider-spruchsfrei und an sich nachvollziehbar. Ihnen stünde jedoch die nicht minder glaubhafte Aussage des Zeugen N.

entgegen, der am 16.
April 2012 den Nachtbriefkasten gelehrt und die Eingänge mit Stempeln versehen habe. Dieser habe bekundet, die Klappe des [X.] sei an dem betreffenden [X.] gefallen. Man könne die vor Freitag 24.00 Uhr und die danach eingegangene Post gut daran unterscheiden, dass sich bei der ab Sonnabend eingegangenen Post die Nordwest-Zeitung befinde. Dementspre-3
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chend lege er die Post von Freitag und die von Sonnabend und
Sonntag auf zwei getrennte Stapel; die Post ab Samstag auf die Nordwest-Zeitung. Diese Stapel lägen auch nicht nebeneinander, sondern ein beträchtliches Stück [X.] entfernt, um eine Vermischung zu vermeiden. Wenn einmal ein Brief herunterfalle, lasse sich dieser grundsätzlich gut wieder zuordnen, weil die [X.] nicht nebeneinander lägen und der Stapel mit der späteren Post gut an der Tageszeitung zu erkennen sei. Er könne sich nicht daran erinnern,
dass am Morgen des 16.
April 2012 ein Briefumschlag von einem der Stapel gefallen sei. Der von ihm abgezeichnete Eingangsstempel vom 16.
April 2012 besage, dass der [X.] oberhalb der Klappe gelegen habe. [X.] von anderen Senaten hinsichtlich etwaiger Funktionsstörungen des [X.] habe es nicht gegeben.
Aufgrund der beiden Aussagen, so das Berufungsgericht,
könne es sich nicht die Überzeugung bilden, dass der Eingangsstempel unrichtig und der Schriftsatz tatsächlich bereits am 13.
April 2012 eingelegt worden sei.
Das un-klare Beweisergebnis gehe zu Lasten der Beklagten. Ein [X.] sei nicht glaubhaft gemacht.
2. Die Rechtsbeschwerde
wendet sich ohne Erfolg gegen die Feststel-lung des Berufungsgerichts, die
Beklagten
hätten
den ihnen obliegenden [X.], dass die Berufungsbegründung
noch vor Ablauf der verlängerten Frist am 13.
April 2012
bei Gericht eingegangen sei, nicht geführt.
a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Berufungs-gericht keine zu hohen
Anforderungen an den nach §
418
Abs. 2 ZPO von den Beklagten zu erbringenden Gegenbeweis gestellt. Der Eingangsstempel vom 16.
April
2012
erbringt, wovon das Berufungsgericht
zu Recht ausgeht, gem. §
418 Abs.
1 ZPO
vollen Beweis für einen (verspäteten) Einwurf des Schriftsat-zes in den
Nachtbriefkasten des
Berufungsgerichts. Der Beweis einer [X.] der darin bezeugten Tatsachen ist zwar zulässig (§
418 Abs. 2 ZPO) und hieran dürfen nach ständiger Rechtsprechung wegen der Beweisnot des Beru-6
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fungsführers hinsichtlich gerichtsinterner Vorgänge auch keine überspannten Anforderungen gestellt werden ([X.], Urteil
vom 2.
November
2006 -
III
ZR
10/06, [X.], 603 Rn.
5). Da der Außenstehende in der Regel kei-nen Einblick in die Funktionsweise des gerichtlichen [X.] sowie in das
Verfahren bei dessen Leerung und damit keinen Anhaltspunkt für etwaige Fehlerquellen hat, ist es zunächst Sache des Gerichts, die insoweit zur Aufklä-rung nötigen Maßnahmen zu ergreifen ([X.], Beschluss vom 8.
Mai 2007 -
VI [X.], [X.], 3069 Rn.
12; Urteil

Februar 2012
-
V [X.], NJW-RR 2012, 701 Rn.
7). Allerdings bleibt es auch im Rahmen des bei der Prüfung nach §
522 Abs.
1 Satz
1 ZPO zu beachtenden
Freibeweisverfahrens
dabei, dass der dem Rechtsmittelführer obliegende Beweis für die rechtzeitige Begründung
des Rechtsmittels zur vollen, den Anforderungen des §
286 ZPO
genügenden Überzeugung des Gerichts geführt sein muss
([X.], Beschluss vom 22.
Dezember 2011 -
VII ZB 35/11, NJW-RR 2012, 509 Rn.
9 mwN).
An die Überzeugungsbildung werden insoweit keine geringeren oder höheren An-forderungen gestellt als sonst. Hiernach etwa verbleibende Zweifel gehen zu Lasten des Rechtsmittelführers
([X.], Beschluss vom 17. April 2012 -
XI
ZB
4/11, juris Rn.
18).
b) Danach
ist es auch bei vollständiger Überprüfung durch den erken-nenden Senat
nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht nach Aus-schöpfung der vorhandenen Beweismittel
sich durch die als in jeder Hinsicht glaubhaft angesehene Aussage des
für die Leerung des [X.] zu-ständigen Justizangestellten, des
Zeugen N.

, gehindert sieht, den als in sich widerspruchsfrei und an sich nachvollziehbar
bezeichneten Angaben des
als Zeugen vernommenen Prozessbevollmächtigten der Beklagten
zu folgen
(vgl. auch [X.], Urteil
vom 2. November 2006 -
III ZR 10/06, [X.], 603).
Die Rechtsbeschwerde zeigt keine Rechtsfehler in der Beweiswürdigung des Berufungsgerichts auf, sondern versucht lediglich ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts zu setzen. Dass sich der Zeuge 9
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N.

nicht mehr an den konkreten Schriftsatz erinnern konnte, ist verständ-lich und schmälert den Beweiswert seiner Aussage entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht. Ebenso wenig reicht es aus, wenn der Zeuge auf Nachfrage eingeräumt hat, es könne immer einmal passieren, dass ein Fehler vorkomme. Allein die kaum jemals völlig auszuschließende Möglichkeit, dass ein Nachtbriefkasten aus technischen Gründen nicht funktioniert oder bei der Abstempelung Fehler unterlaufen, reicht zur Führung des
Gegenbeweises nicht aus
([X.], Beschluss vom 8.
Mai 2007 -
VI [X.], [X.], 3069 Rn.
12 mwN).
Letztlich ist es auch nicht von entscheidender Bedeutung, dass der Nachtbriefkasten in der Vergangenheit defekt gewesen war. Anhaltspunkte für einen Defekt am 13. April 2012 hat die Beweisaufnahme nicht ergeben.
c) Diesem Ergebnis steht das Urteil des [X.] vom 17.
Februar 2012 (V
ZR
254/10, NJW-RR 2012, 701) nicht
entgegen. Nach dieser Entschei-dung
ist der Beweis der Unrichtigkeit des [X.] auch dann er-bracht, wenn unerklärlich bleibt, wie dieser auf den Schriftsatz gelangt ist, wenn
zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass ein Schriftstück zu einem ande-ren Zeitpunkt als aus dem Eingangsstempel ersichtlich bei Gericht eingegangen ist.
In diesem Fall muss der Berufungsführer nicht beweisen, wie es trotz [X.] der Berufungsbegründung dazu gekommen ist, dass diese den Eingangsstempel eines späteren Tages
trägt. Die Überzeugung, dass der [X.] entgegen dem Eingangsstempel an einem früheren Tag bei Gericht eingegangen ist, konnte sich das Berufungsgericht nach der Beweisaufnahme im vorliegenden Fall gerade nicht bilden.
3. Das Berufungsgericht hat den in zulässiger Weise (vgl. [X.], Urteil
vom 2. November 2006 -
III ZR 10/06, [X.], 603
Rn.
6) vorsorglich ge-stellten Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungs-frist gleichfalls rechtsfehlerfrei abgelehnt, weil die Beklagten nicht glaubhaft gemacht haben, dass sie ohne
ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist ge-hindert waren.
Da seine
Würdigung der Ergebnisse der
Beweisaufnahme aus 11
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7
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Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist, hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass die
Beklagten ein ihnen nach §
85 Abs. 2 ZPO zuzurech-nendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten nicht ausgeräumt haben.
Bergmann

Strohn

Reichart

Drescher

Born
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.12.2011 -
2 O 3030/10 -

O[X.], Entscheidung vom 29.05.2012 -
6 U 35/12 -

Meta

II ZB 16/12

19.11.2013

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.11.2013, Az. II ZB 16/12 (REWIS RS 2013, 1033)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1033

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