Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.10.2011, Az. X R 25/10

10. Senat | REWIS RS 2011, 2174

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Gegenstand

Investitionsabzugsbetrag: Anforderungen an die Benennung des Wirtschaftsguts


Leitsatz

1. NV: Ein Wirtschaftsgut, das der Steuerpflichtige voraussichtlich anschaffen will, ist jedenfalls dann nicht in den beim FA einzureichenden "Unterlagen" benannt, wenn der Steuerpflichtige es gegenüber dem FA lediglich telefonisch benannt hat und das FA darüber einen Vermerk anfertigt, der Steuerpflichtige im Veranlagungs-, Einspruchs- und Klageverfahren aber in schriftlicher Form ein anderes Wirtschaftsgut benannt hat .

2. NV: Die Bezeichnung "Studiobedarf" für eine in einem Fotostudio geplante Investition stellt keine ausreichende Benennung des Wirtschaftsguts "seiner Funktion nach" dar .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus dem Betrieb eines Fotostudios. Sie ermittelt ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich und wird einzeln zur Einkommensteuer veranlagt.

2

In ihrem Jahresabschluss zum 31. Dezember 2007 bildete sie einen "Sonderposten mit Rücklageanteil" in Höhe von 14.000 €. Auf eine Rückfrage des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt --[X.]--) erläuterte ihr Prozessbevollmächtigter schriftlich, beabsichtigt sei der Erwerb einer "[X.]" mit voraussichtlichen Anschaffungskosten von 35.000 €. Das [X.] sah diese Position als [X.]sbetrag an und veranlagte erklärungsgemäß.

3

In der Gewinnermittlung für das Streitjahr 2008 machte die Klägerin einen weiteren [X.]sbetrag von 18.000 € für "[X.]" mit voraussichtlichen Anschaffungskosten von 45.000 € geltend. Ausweislich eines Vermerks der Veranlagungsbeamtin über ein am 3. Dezember 2009 mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin geführtes Telefongespräch soll dieser erklärt haben, der [X.]sbetrag entfalle nur in Höhe von 12.000 € auf "[X.]"; hierzu werde noch eine detaillierte Zusammenstellung nachgereicht. In Höhe der verbleibenden 6.000 € sei der [X.] für eine Erhöhung der voraussichtlichen Anschaffungskosten der "[X.]" von bisher 35.000 € auf nunmehr 50.000 € vorgenommen worden.

4

Mit dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid vom 18. Januar 2010 setzte das [X.] die Einkommensteuer 2008 auf 5.784 € fest. Einen [X.]sbetrag ließ es nicht zum Abzug zu. Zur Begründung führte es aus, hinsichtlich des "[X.]" fehlten die notwendigen Angaben; hinsichtlich der "[X.]" sei bereits im Jahr 2007 ein [X.] vorgenommen worden, so dass für dasselbe Wirtschaftsgut kein nochmaliger Abzug gewährt werden könne.

5

Mit ihrem Einspruch begehrte die Klägerin, den [X.]sbetrag von 18.000 € für "[X.]" zu gewähren. Nach Zurückweisung des Einspruchs verfolgte sie dieses Ziel im Klageverfahren weiter. Sie vertrat die Auffassung, nach der ab 2007 geltenden Rechtslage müsse die geplante Investition nicht mehr individuell bezeichnet werden. Der [X.]sbetrag entfalle allein auf den "[X.]"; eine anderweitige Aussage --gemeint sind die vom [X.] behaupteten telefonischen Angaben zur Erhöhung des [X.]sbetrags für die "[X.]"-- sei nie protokolliert worden.

6

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage insoweit statt, als es eine Erhöhung des im Vorjahr für die "[X.]" vorgenommenen [X.]sbetrags um 6.000 € für zulässig hielt. Das Wirtschaftsgut sei in den Unterlagen für den Veranlagungszeitraum 2007 hinreichend bezeichnet worden; die neuen Anschaffungskosten seien aufgrund des [X.] aktenkundig. Dem Gesetzeswortlaut sei nicht zu entnehmen, dass auch die Erhöhung eines [X.]sbetrags schriftlich anzuzeigen sei. Eine solche Erhöhung sei --entgegen der Verwaltungsauffassung (Schreiben des [X.] --BMF-- vom 8. Mai 2009, [X.], 633, Rz 6)-- zulässig. Die Verwaltungsauffassung könne weder auf den Gesetzeswortlaut noch auf die Gesetzesmaterialien oder auf den Gesetzeszweck gestützt werden.

7

Demgegenüber sei für den "[X.]" kein [X.]sbetrag zu gewähren, weil die Bezeichnung der voraussichtlichen Investition zu unkonkret sei.

8

Mit seiner Revision vertritt das [X.] --unter weitgehender Heranziehung der von Pitzke ([X.], 2063, 2064) dargelegten [X.] weiterhin die Auffassung, für dasselbe Wirtschaftsgut könne ein [X.] nur in einem einzigen Wirtschaftsjahr vorgenommen werden.

9

Das [X.] beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Die Klägerin kann im Streitjahr 2008 für die beabsichtigte Anschaffung einer "[X.]" schon deshalb keinen [X.]betrag in Anspruch nehmen, weil sie einen solchen Abzug --jedenfalls im Einspruchs- und [X.] nicht beantragt hat.

a) Die Inanspruchnahme eines [X.]betrags erfordert --neben weiteren, hier nicht streitigen [X.], dass der Steuerpflichtige das begünstigte Wirtschaftsgut in den beim [X.] einzureichenden Unterlagen seiner Funktion nach benennt und die Höhe der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten angibt (§ 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).

Eine solche Benennung eines Wirtschaftsguts "[X.]" sowie die Höhe seiner voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten ist für das Streitjahr 2008 in den von der Klägerin beim [X.] einzureichenden "Unterlagen" nicht erfolgt.

Im Gegenteil hat die Klägerin in einer Anlage zu ihrer Gewinnermittlung ausdrücklich erklärt, der geltend gemachte [X.]betrag entfalle in voller Höhe auf "[X.]" mit voraussichtlichen Anschaffungskosten von 45.000 €. Auch im Einspruchsschreiben hat die Klägerin sich ausschließlich auf die geplante Anschaffung von "[X.]" bezogen. Dasselbe gilt für die Klagebegründung sowie den weiteren im Klageverfahren eingereichten Schriftsatz vom 9. Juli 2010.

Bei dieser Sachlage durfte das [X.] seine Entscheidung nicht allein auf den vom [X.] erstellten Telefonvermerk stützen und der Klägerin den --von ihr niemals in "Unterlagen" [X.] aufgestockten [X.]betrag für die Anschaffung einer "[X.]" gewähren. Der Telefonvermerk bezieht sich auf ein noch während des Veranlagungsverfahrens geführtes Gespräch. Die im Vermerk der Veranlagungssachbearbeiterin wiedergegebenen Aussagen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin sind jedenfalls durch dessen eindeutige --gegenteiligen-- Angaben im Einspruchs- und Klageverfahren überholt. Denn nach diesen schriftlichen Erklärungen sollte der Gesamtbetrag des [X.] --wie bereits in der Gewinnermittlung angegeben-- auf den "[X.]", nicht aber auf eine "[X.]" entfallen. Im Übrigen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Klageverfahren, nachdem das [X.] sich auf das Telefongespräch berufen hatte, ausdrücklich erklärt, die vom [X.] behauptete Aussage sei "nicht protokolliert" worden. Damit hat er sinngemäß bestritten, die vom [X.] wiedergegebene telefonische Aussage getätigt zu haben; zumindest aber hat er inhaltlich nicht mehr an dieser Aussage festgehalten. Das [X.] durfte sie daher nicht seiner Entscheidung zugrunde legen, ohne auf die abweichenden --schriftlichen--- Erklärungen im Einspruchs- und Klageverfahren einzugehen.

b) Danach kann offenbleiben, ob der Senat dem [X.] darin folgen könnte, dass § 7g EStG die Geltendmachung eines [X.]betrags für dasselbe Wirtschaftsgut auf ein einziges Wirtschaftsjahr beschränke.

2. Die Entscheidung des [X.] stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar.

Denn die Klägerin kann auch für die beabsichtigte Anschaffung von "[X.]" keinen [X.] vornehmen, weil diese Angabe nicht die in § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG enthaltenen Voraussetzungen für die Benennung des begünstigten Wirtschaftsguts seiner Funktion nach erfüllt.

a) Das Erfordernis einer "Benennung" ist nach dem klaren Wortlaut der angeführten gesetzlichen Regelung auf das einzelne Wirtschaftsgut bezogen. Damit übereinstimmend wird in der Begründung zum Gesetzentwurf eines [X.] 2008 ([X.]) vom 27. März 2007 (BTDrucks 16/4841, 52) ausgeführt, das begünstigte Wirtschaftsgut sei "wie bisher" hinreichend zu beschreiben; jedes einzelne Wirtschaftsgut sei gesondert zu dokumentieren, Sammelbezeichnungen seien nicht ausreichend.

Auch der [X.] ableitbare-- Normzweck des § 7g EStG erfordert eine hinreichend genaue Benennung des jeweiligen Wirtschaftsguts, dessen künftige Anschaffung oder Herstellung beabsichtigt ist. Denn § 7g EStG dient der konkreten Investitionsförderung, nicht aber einer allgemeinen Liquiditätserleichterung (BTDrucks 16/4841, 51). Vor allem aber ist der [X.] nicht nur dann rückgängig zu machen, wenn gar keine Investition erfolgt, sondern auch dann, wenn ein anderes Wirtschaftsgut als dasjenige, das bei Vornahme des [X.] benannt worden ist, angeschafft oder hergestellt wird. Nach dem klaren Willen des Gesetzgebers muss das benannte mit dem später angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgut "funktionsgleich" sein (BTDrucks 16/4841, 53). Dieser gesetzgeberische Wille hat in der Formulierung des § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG seinen Niederschlag gefunden, indem dort auf die Anschaffung oder Herstellung "des begünstigten Wirtschaftsguts" abgestellt wird. Von der Anschaffung oder Herstellung einer ganzen Gattung von Wirtschaftsgütern oder gar von der Gesamtheit aller Wirtschaftsgüter, die betrieblich verwendet werden könnten, ist dort nicht die Rede.

Dies entspricht auch der Auslegung des § 7g EStG in der vor Inkrafttreten des [X.] geltenden Fassung (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 12. Dezember 2001 [X.], [X.], 448, [X.], 385, unter [X.]; vom 11. Oktober 2007 [X.], [X.], 151, [X.], 119, unter [X.], und vom 29. November 2007 [X.], [X.], 98, [X.], 471, unter II.3.). An den Anforderungen an die hinreichende Beschreibung des einzelnen Wirtschaftsguts sollte sich durch die Neufassung nichts ändern (BTDrucks 16/4841, 52).

Danach erweist sich die Verwaltungsauffassung (BMF-Schreiben in [X.], 633, Rz 41), wonach § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG eine räumliche Betrachtungsweise, d.h. die Begünstigung aller Wirtschaftsgüter, die in einem bestimmten räumlichen Zusammenhang (z.B. Büro, Werkshalle, Stall) stehen, nicht zulasse, als zutreffende Gesetzesauslegung.

b) Diese an die hinreichende Individualisierung des anzuschaffenden oder herzustellenden Wirtschaftsguts zu stellenden Voraussetzungen erfüllt die von der Klägerin verwendete Bezeichnung "[X.]" nicht.

Es handelt sich um eine Sammelbezeichnung, unter die nahezu sämtliche im Fotostudio der Klägerin verwendeten oder einsetzbaren Wirtschaftsgüter fallen würden. Die im Zeitpunkt einer tatsächlichen Investition vorzunehmende Überprüfung, ob das tatsächlich angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgut mit demjenigen funktionsgleich ist, für das der [X.] vorgenommen worden ist, wäre nicht möglich.

Meta

X R 25/10

19.10.2011

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 20. Juli 2010, Az: 16 K 116/10, Urteil

§ 7g Abs 1 S 2 Nr 3 EStG 2002 vom 14.08.2007

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.10.2011, Az. X R 25/10 (REWIS RS 2011, 2174)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2174

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