Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.01.2018, Az. 4 StR 284/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2018, 14799

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:300118B4STR284.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 284/17

vom
30. Januar
2018
in der Strafsache
gegen

wegen Vergewaltigung
u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers
am 30.
Januar
2018
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO
beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 7.
Februar 2017
a)
im Fall
II.
2 der Urteilsgründe (Tat zum Nachteil des [X.]

) im Schuldspruch dahin geändert, dass
der Angeklagte der Nötigung schuldig ist,
b)
im Fall
II.
3 der Urteilsgründe (Tat zum Nachteil der Ne-benklägerin W.

)
sowie im Ausspruch über die Ge-
samtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgeho-ben.
Im Umfang der Aufhebung wird
die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.] zurück-verwiesen.
2.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung, sexueller Nötigung sowie vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und vier Monaten verurteilt. Seine Revision, mit der er die [X.] materiellen Rechts rügt, hat den aus der [X.] ersichtlichen 1
-
3
-
Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
I.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen Vergewaltigung zum Nachteil der Nebenklägerin W.

(Fall
II.
3
der Urteilsgründe) hat keinen Bestand.
1.
Das [X.] hat dazu im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
Nachdem der Angeklagte, die Nebenklägerin und ein gemeinsamer Be-kannter in den Abendstunden des 26.
Juli 2015 auf einem Platz in M.

über
mehrere Stunden hinweg Alkohol konsumiert hatten, begab sich die angetrun-kene
Nebenklägerin, begleitet von dem Angeklagten, auf den [X.]. An einer abgelegenen Stelle stieß der Angeklagte die völlig überraschte
Ne-benklägerin zu Boden, riss ihr die Kleider vom Leib, kniete sich auf sie und [X.] die Durchführung des [X.], während er ihr seinen Penis vor den Mund hielt. Als sie schrie und den Angeklagten zu kratzen versuchte, schlug er unter anderem dreimal mit seiner Faust gegen ihren Kopf.
Unter dem Eindruck der erlittenen Schläge und angesichts der überlegenen Körperkraft des Ange-klagten nahm die Nebenklägerin den Penis des Angeklagten daraufhin in ihren Mund. Da sie die Durchführung des [X.] aber nicht über sich brachte, drehte sie ihren Kopf weg, wodurch
das Geschlechtsteil des Angeklagten aus ihrem Mund
geriet. Daraufhin würgte sie der Angeklagte mit seinen Händen, um den Oralverkehr doch noch zu erzwingen. Nachdem die Nebenklägerin infolge des [X.] das Bewusstsein verloren hatte, ließ er
von ihr ab und entfernte sich vom Tatort.
2
3
4
-
4
-
2.
Das angefochtene
Urteil war im Fall
II.
3
aufzuheben. Die Beweiswür-digung leidet an durchgreifenden [X.]; sie ist insbesondere lücken-haft. Die Urteilsgründe belegen die Voraussetzungen einer vollendeten Verge-waltigung (hier: Oralverkehr) nicht.
a)
In einem Fall, in dem

wie im vorliegenden

Aussage gegen [X.] steht und die Entscheidung im Wesentlichen davon abhängt, welchen Anga-ben das Gericht folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (st. Rspr.; vgl. nur [X.],
Beschluss vom 25.
November 1998

2
StR
496/98, [X.], 108; Beschluss vom 23.
Mai 2000

1
StR
156/00, [X.], 496, 497). Deshalb ist es in [X.] Fällen in
der Regel erforderlich, die Entstehung und Entwicklung der betref-fenden Aussage im Urteil
zu erörtern ([X.], Beschluss vom 23.
Mai 2000 aaO; vgl. auch [X.], Beschluss vom 4.
Juli 2007

2
StR
258/07, [X.], 237, Rn.
6).
b)
Diesen erhöhten Anforderungen
wird das angefochtene Urteil nicht ge-recht.
aa)
Der Angeklagte hat den Tatvorwurf insgesamt bestritten. Dem [X.] Urteil ist zu entnehmen, dass die Nebenklägerin in der [X.] u.a. ung e-essen
zeitliche Einord-nung konnte sie nur im Wege der Rekonstruktion des [X.] vornehmen. Sie war sicher, dass der Angeklagte von ihr den [X.] verlangt hatte, zeigte sich jedoch 5
6
7
8
-
5
-
Penis des Angeklagten in den Mund genommen hatte. Im weiteren Verlauf der Vernehmung erklärte si

50
% [X.] hat sich vom Tageschehen einschließlich des [X.] auf der Grundlage der
von ihr
als glaubhaft eingestuften
Aussage der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung überzeugt. zwischen ihrer
Aussage bei der Polizei nach der Tat und in der Hauptverhand-
man schenke ihren Angaben dort keinen Glauben. Entscheidend für die Glaub-haftigkeit ihrer Angaben spreche, dass sie in ihrer zusammenhängenden Aus-sage davon ausgegangen sei, den Penis des Angeklagten im Mund gehabt zu haben,
und dass sie ihre Gefühle unmittelbar davor und danach habe beschrei-ben können. Es sei zwar möglich, dass der Angeklagte von seinem Vorhaben, den Oralverkehr zu vollziehen, Abstand genommen habe. Ein Grund dafür sei jedoch nicht ersichtr-

am Vorliegen eines vollendeten [X.]
verblieben.
bb)
Es kann dahinstehen, ob diese Erwägungen des [X.]
bereits für sich genommen den Anforderungen an eine widerspruchsfreie Würdigung des Beweisergebnisses noch genügen
oder
die Beweiswürdigung insoweit

auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten [X.] im [X.] (st. Rspr.; vgl. nur [X.],
Beschluss vom 7.
Juni 1979

4
StR 441/78, [X.]St 29, 18, 20
f.;
Urteil
vom 6.
Dezember 2007

3
StR
342/07, [X.], 146, 147)

wegen widersprüchlicher Ausführung zur Voll-endung eines [X.] an einem auf die Sachrüge zu
beachtenden Rechtsmangel leidet.
Die Beweiswürdigung
ist
insoweit
jedenfalls durchgreifend lückenhaft, weil die Angaben der Nebenklägerin bei der Polizei und die Um-stände der Aussageentstehung nicht mitgeteilt werden. Ob das [X.] die 9
-
6
-
Angaben der Nebenklägerin gerade zur Frage der Vollendung des [X.] zutreffend
bewertet hat, kann der Senat daher letztlich nicht überprüfen.
Der
s-sage bei der Polizei und ihren Angaben in der Hauptverhandlung vermag diese Lücke
nicht zu schließen, weil schon offen bleibt, ob sich die Abweichungen im Aussageinhalt auf das [X.]
(Oralverkehr)
oder lediglich auf [X.] am Rande beziehen. Es kommt hinzu, dass die im Urteil mitgeteilten Frag-mente der
Aussage
der Nebenklägerin
in der Hauptverhandlung erhebliche [X.] aufweisen, wovon auch die [X.] erkennbar ausgeht. Diese Widersprüche und Unsicherheiten betreffen jedoch
den Kern des [X.] einer vollendeten Vergewaltigung in Gestalt erzwungenen [X.]. Eine umfassende Darlegung aller
Bekundungen der Nebenklägerin vom Zeitpunkt der Anzeigeerstattung an war daher
umso mehr
geboten.
3.
Darüber hinaus begegnet die Annahme des [X.], der Ange-klagte habe auch die Voraussetzungen der
Qualifikationen des §
177 Abs.
4 Nr.
2a und [X.] aF bzw. §
177 Abs.
8 Nr.
2a und [X.] nF erfüllt, mit Blick auf die subjektive Tatseite durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Der subjektive Tatbestand setzt für beide Tatmodalitäten mindestens be-dingten Vorsatz voraus. Bezüglich Nr.
2a muss sich dieser auf die besonderen Folgen der Tat beziehen; ein gewöhnlicher Körperverletzungsvorsatz genügt nicht (MüKo-StGB/[X.], 3.
Aufl., §
177 Rn.
86). Auch hinsichtlich der Verursachung der Lebensgefahr muss der Täter (zumindest bedingt)
vorsätzlich gehandelt haben. §
18 StGB findet insoweit keine Anwendung (vgl. dazu i.E. [X.], Beschluss vom
12.
Dezember 2000

4
StR
464/00, [X.]St 46, 225, 226
ff. [X.]). Zu den diesbezüglichen Vorstellungen des Angeklagten verhalten sich die Urteilsgründe jedoch nicht.
10
11
-
7
-
Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
II.
1.
Im Fall
II.
2 der Urteilsgründe (Tat zum Nachteil des Nebenklägers
P.

) führt das Rechtsmittel des Angeklagten zu einer Änderung des Schuld-
spruchs.
Die [X.] hat in diesem Fall den Tatbestand der
sexuellen
Nöti-gung gemäß §
177 Abs.
1, 2 Nr.
5 StGB in der zum Zeitpunkt der Urteilsfällung geltenden Fassung
des Gesetzes
zur Verbesserung des Schutzes der sexuel-len Selbstbestimmung vom 4.
November 2016
(BGBl.
I 2460)
mit der [X.] angewendet, dass diese Vorschrift bei ansonsten gleichem Strafrahmen im Unterschied zu §
240 Abs.
1, 2 i.V.m. Abs.
4 Nr.
1 StGB aF einen minder schweren Fall vorsehe. Es hat indes die Voraussetzungen eines
solchen
min-der schweren Falles mit rechtlich nicht zu beanstandender Begründung ver-neint. Ist bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise (vgl. dazu [X.], StGB, 65.
Aufl., §
2 Rn.
10) der jeweilige Strafrahmen aber identisch, ist das zur Tatzeit geltende Recht anzuwenden ([X.], Beschluss vom 26.
Mai 1998

4
StR
184/98; [X.],
aaO,
Rn.
10a).
Der Senat ändert den Schuldspruch dahin ab, dass der Angeklagte der Nötigung schuldig ist. Der Strafausspruch bleibt davon unberührt. Nach den Urteilsgründen ist auszuschließen, dass das [X.] einen Fall angenom-men hätte, in dem trotz Erfüllung des [X.] der Strafrahmen des §
240 Abs.
4 Nr.
1 StGB aF nicht zur Anwendung gekommen wäre.
12
13
14
15
-
8
-
2.
Im Übrigen (Fall
II.
1 der Urteilsgründe, Tat zum Nachteil der Neben-klägerin [X.]

) hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils keinen Rechts-
fehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Sost-Scheible
Franke
Bender

Quentin
Feilcke
16

Meta

4 StR 284/17

30.01.2018

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.01.2018, Az. 4 StR 284/17 (REWIS RS 2018, 14799)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 14799

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