Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.02.2013, Az. VI ZR 290/11

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 8438

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI [X.]
Verkündet am:

5. Februar 2013

Böhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 249 ([X.]); [X.] § 139, § 308
a)
Zwar kann sich daraus, dass ein angemietetes Ersatzfahrzeug nur für geringe Fahrleistungen benötigt wird, die Unwirtschaftlichkeit der Anmietung ergeben. Doch kann im Einzelfall die Erforderlichkeit der Anmietung deshalb zu bejahen sein, weil der Geschädigte auf die ständige Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs angewiesen ist.
b)
Ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung kann demjenigen Geschädigten zustehen, der Ersatz der Kosten für einen Mietwagen nicht beanspruchen kann. Der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung kann im Rechtsstreit (konklu-dent) hilfsweise geltend gemacht werden, ist aber auf Zahlung an den Geschädig-ten, nicht auf Freistellung von den Kosten des Vermieters gerichtet. Das Gericht hat insoweit auf eine sachdienliche Antragstellung hinzuwirken.

[X.], Urteil vom 5. Februar 2013 -
VI [X.] -
LG [X.]

[X.]

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-

Der VI.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 13. Dezember
2012
durch den Vorsitzenden [X.], [X.], die Richterin [X.], den Richter Pauge
und die
Richterin von Pentz
für Recht erkannt:
Auf die Revision
der Klägerin
wird
das Urteil der
2. Zivilkammer
des Landgerichts [X.]
vom 26. Oktober
2011
aufgehoben.
[X.] wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht
zurück-verwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Beklagte hat
der
Klägerin
unstreitig
den
bei einem Verkehrsunfall am 8.
April
2008
entstandenen Schaden in vollem Umfang zu ersetzen.
Die [X.] streiten
-
nach Abschluss eines Teilvergleichs hinsichtlich der Reparaturkos-ten
-
nur noch darüber, ob und ggfls. in welchem Umfang die Klägerin auch Er-satz für die angefallenen Mietwagenkosten in Höhe von 5.390,95

beanspru-chen kann. Die Reparaturzeit dauerte 93 Tage. Die Klägerin mietete vom 9.
April bis zum 11.
Juli 2008 ein Ersatzfahrzeug an. Mit diesem Fahrzeug legte die Klägerin insgesamt 553
km (ca. 6
km/Tag) zurück.
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-

Auf die angefallenen Mietwagenkosten leistete die Beklagte eine Zahlung in Höhe von 1.395

en Taxikosten in Höhe von 15

ausging.
Die Klage ist darauf gerichtet gewesen, die Klägerin von der Rech-nung des Autovermieters in Höhe von weiteren 3.995,95

nd an sie, die Klägerin, 402,82

Das Amtsgericht hat
die Beklagte verurteilt, die Klägerin von der Rech-nung des Autovermieters in Höhe von 1.860

gerin 359,50

. Das Berufungsgericht hat auf die Beru-fung der Beklagten die Klage vollständig abgewiesen und
die [X.] der
Klägerin, die ungeachtet unterschiedlich formulierter (Hilfs-)Anträge auf Freistellung bzw. Zahlung in Höhe der Klagesumme gerichtet war,
zurückge-wiesen. Dagegen wendet
sich die
Klägerin
mit der vom Berufungsgericht zuge-lassenen Revision.
Das Berufungsgericht hat durch ein
Mitglied als Einzelrichter entschieden, nachdem die Sache durch [X.] vom 18.
April 2011 von der vollständig besetzten Kammer auf den Berichterstatter als
Einzelrichter übertragen worden war.

Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht führt im Wesentlichen
aus:
Die Entscheidung des Amtsgerichts könne keinen Bestand haben, weil das Amtsgericht der Klägerin etwas zugesprochen habe, was diese nicht [X.] habe (§
308 Abs.
1 [X.]). Der zuerkannte Anspruch auf [X.] betreffe einen anderen Streitgegenstand als der von der Kläge-rin zur Entscheidung gestellte Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten.
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Hinsichtlich der Mietwagenkosten gelte: Die Klägerin sei mit dem Miet-fahrzeug mit einer durchschnittlichen täglichen Fahrstrecke von 6
km deutlich unter dem Durchschnittswert von 20
km/täglich geblieben, der in der Recht-sprechung und Literatur bei abstrakter Betrachtungsweise als Grenze für die Erforderlichkeit zur Anmietung eines Ersatzwagens gesehen werde.
Konkrete Umstände, die über die Fahrleistung hinaus geeignet wären, das Anmieten eines Ersatzfahrzeugs zu rechtfertigen, lägen hier nicht vor. So-weit die Klägerin angegeben habe, dass sie aus persönlichen und beruflichen Gründen auf die ständige Verfügbarkeit eines Fahrzeugs angewiesen gewesen sei, um mit diesem beispielsweise zur Arbeit, zur Bank oder zu [X.] zu fahren, sei nicht ersichtlich, dass insofern ein Ausweichen auf den öffentli-chen Nahverkehr oder das Herbeirufen eines Taxis/Gütertaxis
zu einem sol-chen erheblichen Mehraufwand an Zeit und Kosten geführt hätte, der die [X.] der Zumutbarkeit überschreiten würde. Kein wirtschaftlich vernünftig den-kender Geschädigter hätte in der konkreten Situation (Verzögerung der Repara-tur des Unfallfahrzeugs) mit Blick auf die Höhe der anfallenden Mietwagenkos-ten an der Anmietung eines
Ersatzfahrzeugs festgehalten.
Selbst wenn die entsprechenden Behauptungen der Klägerin, wonach zum Zeitpunkt der Anmietung des Ersatzfahrzeugs eine weitaus höhere Fahr-leistung beabsichtigt gewesen sei, die Klägerin jedoch auf die Zurücklegung längerer Fahrstrecken mit dem Mietwagen verzichtet habe, um das Mietfahr-zeug weitgehend zu schonen und weil sie sich mit diesem unsicher gefühlt ha-be, als wahr unterstellt würden, sei der Klägerin ein Verstoß gegen ihre Scha-densminderungspflicht vorzuwerfen. Denn spätestens, nachdem für die Kläge-rin feststand, dass sie das Fahrzeug aus den oben genannten Erwägungen heraus nicht umfangreich nutzen werde, habe sie auf dessen weitere [X.] verzichten müssen.
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II.
Die
dagegen gerichtete
Revision
der Klägerin
ist begründet. Das
ange-fochtene Urteil ist rechtsfehlerhaft, soweit das Berufungsgericht annimmt,
die Beklagte habe der Klägerin für die Ausfallzeit über den bereits gezahlten Betrag hinaus keine weitere Entschädigung zu leisten.
1. Ohne Erfolg bleibt die Rüge der Revision, die Einzelrichterin habe nicht als [X.] entschieden, weil die Sache grundsätzliche Be-deutung habe, so dass eine Rückübertragung auf die Kammer geboten [X.] sei.
Anders als bei Beschlüssen im Beschwerdeverfahren, in denen der [X.] die Rechtsbeschwerde wegen Grundsätzlichkeit zugelassen hat (vgl. [X.], Beschluss vom 13.
März 2003 -
IX
ZB 134/02, [X.]Z 154, 200), ist der Einzelrichter im Berufungsverfahren der zur Entscheidung gesetzlich zuständi-ge Richter, wenn das vollbesetzte Berufungsgericht ihm die Sache zur Ent-scheidung übertragen hat und kein [X.] nach §
526 Abs.
2 Nr.
1 [X.] vorliegt, der voraussetzt, dass sich die grundsätzliche Bedeutung aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt. Der Einzelrichter ist durch den Übertragungsbeschluss des Kollegiums zur Entscheidung über die Berufung befugt, auch wenn das Kollegium die grundsätzliche Bedeutung der Sache von ihm abweichend beurteilt hat (vgl. [X.], Urteile
vom 16.
Juli 2003
-
VIII
ZR 286/02, NJW 2003, 2900, 2901; vom 16.
Juni 2004
-
VIII
ZR 303/03, NJW 2004, 2301; vom 10.
November 2005
-
III
ZR 104/05, [X.], 150
Rn.
9).
Er kann auch ohne [X.] die Revision zulassen (vgl. etwa [X.]/[X.], 4.
Aufl., §
543 Rn.
28; Musielak/Ball, [X.], 9.
Aufl., §
543 Rn.
3; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 33.
Aufl., §
526 Rn.
2; Zöl-ler/[X.], [X.], 29.
Aufl., §
526 Rn.
12 und §
543 Rn.
18a). Im Übrigen ergibt 9
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sich aus
§
526 Abs.
3 [X.], dass ein Rechtsmittel -
außer im Fall der Willkür
-
nicht auf eine erfolgte Übertragung auf den Einzelrichter gestützt werden kann (Senatsurteil vom 12.
Dezember 2006 -
VI
ZR 4/06, [X.]Z 170, 180 Rn.
5). Für den [X.] einer wesentlichen Änderung der Prozesslage
oder für Willkür ist im Streitfall nichts ersichtlich.
2. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber dagegen, dass das [X.] die Erstattungsfähigkeit der Mietwagenkosten verneint. Das kann im Hinblick auf die dazu gegebene Begründung nicht gebilligt werden.
a) Der durch die Instandsetzung eines beschädigten Fahrzeugs bedingte Nutzungsausfall ist regelmäßig ein nach §
249 Abs.
2 BGB zu ersetzender Schaden. Der Schädiger hat ihn
jedoch nicht unbegrenzt zu ersetzen. [X.] sind grundsätzlich nur insoweit zu ersetzen, als dies tatsächlich zur Herstellung des Zustands erforderlich ist, der ohne die Schädigung bestehen würde. Zur Herstellung erforderlich sind nur die Aufwendungen, die ein verstän-diger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbeseitigung zu wählen
(Senatsurteile
vom 12.
Oktober 2004 -
VI
ZR 151/03, [X.]Z 160, 377, 383; vom 2.
Februar 2010 -
VI
ZR 139/08, [X.], 545
Rn.
10; vom 27.
März 2012 -
VI
ZR 40/10, VersR
2012, 874
Rn.
8, jeweils
mwN). Davon, wie sich der [X.] des Geschädigten im Einzelfall während der Entbehrung tatsächlich gestaltet hat, hängt u.a.
ab, ob dieser sich im Zweifel mit dem inzwischen in der Praxis eingespielten Pau-schalbetrag begnügen muss oder ob er einen höheren Aufwand für Mietwagen oder Taxen beanspruchen kann (Senatsurteile vom 23.
März 1976 -
VI
ZR 41/74, [X.]Z 66, 239, 249; vom 10.
März 2009 -
VI
ZR 211/08, [X.], 697
Rn.
9).
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b) Das Berufungsgericht stellt darauf ab, dass die Anmietung eines Mietwagens unterhalb einer gewissen Kilometerleistung unwirtschaftlich sei und ein Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten deshalb nicht bestehe. Dem kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Ob eine Maßnahme des [X.] unwirtschaftlich ist, kann nur mit Blick auf die konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Es ist nicht zu beanstanden, wenn insoweit bestimmte Fallgruppen gebildet werden, die die Beurteilung erleichtern, weil nicht jedem einzelnen Umstand des [X.] eingehend nachgegangen werden muss. Nicht zu
billigen ist aber, dass [X.] Fallgruppen, in denen die Erforderlichkeit eines jederzeit verfügbaren Kraftfahrzeugs bei natürlicher Beurteilung auf der Hand liegt, einer undifferen-zierten Beurteilung aufgrund eines untauglichen Maßstabs
unterzogen werden.
Zwar kann sich daraus, dass ein Fahrzeug nur für geringe Fahrleistun-gen benötigt wird, die Unwirtschaftlichkeit der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs ergeben (vgl. z.B. [X.], NJW 2012, 1971
f.). Bei gewissen Sachver-halten kann aber alleine die Notwendigkeit der ständigen Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs rechtfertigen, ohne dass es auf die gefahrene Kilometerleistung ankommt (vgl. [X.], Urteil vom 13.
Dezember 2012 -
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C 330/11, juris
Rn.
13 f.).
Ob
ein solcher Sachverhalt im Streitfall vorliegt, kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen vom Revisionsgericht nicht beurteilt werden. Deshalb ist darauf abzustellen, dass das Berufungsgericht fehlerhaft seine Be-urteilung,
das Wirtschaftlichkeitsgebot
sei nicht eingehalten, alleine auf die täg-liche Kilometerleistung
gestützt hat.
Für die weitere Verhandlung und Entschei-dung wird zu beachten sein, dass die Klägerin als Geschädigte zur Erforderlich-keit der Inanspruchnahme eines Mietwagens konkret
vortragen muss.
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Es wird sodann zu prüfen sein, ob die Klägerin den Mietvertrag mit den erheblichen laufenden Kosten aufrechterhalten durfte, als sie feststellte, dass sie Schwierigkeiten bei der Bedienung des Mietfahrzeugs hatte, so dass sie es nur noch in geringem Umfang benutzte. Insoweit spricht einiges für die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Klägerin -
zumindest nach Ablauf eines [X.] Beurteilungszeitraums
-
eine preiswertere Möglichkeit hätte
suchen
müssen.
Bedenken gegen die Höhe der Ersatzforderung können sich auch [X.] ergeben, dass -
worauf die Revisionserwiderung hinweist
-
die Anmietung des Ersatzfahrzeugs zu einem [X.] erfolgte.

Sämtliche angesprochenen
Fragen
können
nur im Zusammenhang tat-richterlich beurteilt werden.
3. Von [X.] beeinflusst ist auch die Auffassung des Berufungs-gerichts, einem Geschädigten, dem kein Anspruch auf Ersatz von [X.] zustehe, könne nicht (hilfsweise) eine Nutzungsentschä-digung zugesprochen werden.
a) Mit Recht beanstandet die Revision, dass das Berufungsgericht in der Zuerkennung einer Nutzungsausfallentschädigung durch das Amtsgericht
einen Verstoß gegen §
308 Abs.
1 [X.] gesehen hat. Nach
dieser Vorschrift
ist das Gericht nicht befugt, einer
Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Ungeachtet der Frage, ob es sich bei der Geltendmachung einer Nutzungsaus-fallentschädigung anstatt
eines (nicht durchsetzbaren)
Anspruchs auf Ersatz höherer
Mietwagenkosten überhaupt um einen anderen Streitgegenstand han-delt,
wovon auszugehen sein könnte, wenn beide Ansprüche
in einem Alterna-tivverhältnis stünden (so [X.], [X.] 2012, 259, 260),
gilt hier Folgendes:
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Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 8.
Oktober 2010 die Parteien [X.] hingewiesen, dass für den Fall, dass ein Anspruch auf Ersatz von [X.] nicht bestehen sollte, ein Anspruch auf [X.] in Betracht kommen könnte. Zugleich hat es einen Beweisbeschluss zu
den Umständen der langen Reparaturdauer erlassen. Nach Durchführung der Beweisaufnahme haben die Parteien die Anträge gestellt. Bei einer derartigen Prozesslage ist davon auszugehen, dass die klagende Partei die Auffassung des Gerichts, es könne auf anderer rechtlicher Grundlage ebenfalls ein -
wenn auch geringerer
-
Anspruch bestehen,
zur Kenntnis genommen und sich [X.] hilfsweise zu Eigen gemacht hat. Im Übrigen hat die Klägerin
sich
in ihrer Erwiderung auf
die Berufung der Beklagten
ausdrücklich auf den Standpunkt gestellt, dass ihr hilfsweise eine Nutzungsausfallentschädigung zustehe.

Darauf, dass das Amtsgericht
die Beklagte, insoweit dem Antrag der Klägerin folgend, zur Freistellung verurteilt hat und auch der zur [X.] gestellte Antrag die fehlerhafte erstinstanzliche Antragstellung nur [X.] korrigiert, durfte das Berufungsgericht nicht streitentscheidend abstellen. Zwar ist ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung im Wege der Klage auf Zahlung an die Klägerin selbst zu verfolgen. Insoweit hätten aber das [X.] und sodann das Berufungsgericht auf eine sachgerechte Antragstellung hinwirken müssen (§
139 Abs.
1 Satz 2 a.E. [X.]).
b) Rechtsfehlerhaft ist die Ansicht des Berufungsgerichts, dem Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung stehe der Umstand entgegen, dass die Klä-gerin tatsächlich für die Dauer der Reparaturzeit einen Mietwagen angemietet habe, sich mithin einen Ausgleich für die unfallbedingt entzogene Nutzungs-möglichkeit gegen ein Entgelt "erkauft"
und diese Mietwagenkosten gegenüber der Beklagten auf Grund der Rechnung der Autovermietung auch konkret abge-rechnet habe. Das Berufungsgericht meint, der Nutzungsausfall könne dem
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Unfallgeschädigten nicht fiktiv zugesprochen werden, vielmehr müsse -
neben dem Vorliegen eines Nutzungswillens des Geschädigten
-
nachweislich ein Kraftfahrzeug nicht zur Verfügung gestanden haben. Zwar sei hier der PKW der Klägerin unfallbedingt nicht mehr fahrtüchtig gewesen, die Klägerin habe sich jedoch während des gesamten Reparaturzeitraumes ein Ersatzfahrzeug ange-mietet, so dass insoweit ein tatsächlicher Nutzungsausfall überhaupt nicht ein-getreten sei. In diesem Fall könne sie lediglich die erforderlichen Kosten für die
Anmietung eines Ersatzfahrzeugs als [X.] geltend machen, nicht jedoch zusätzlich
eine Nutzungsausfallentschädigung verlangen.
Diese Ausführungen begegnen in mehrfacher Hinsicht durchgreifenden Bedenken.
Zunächst geht es hier nicht darum, Mietwagenkosten und daneben "zu-sätzlich"
eine Nutzungsausfallentschädigung geltend zu machen. Es geht ledig-lich darum, ob der Geschädigte, der eine schadensrechtlich als unwirtschaftlich einzustufende Maßnahme (hier: Anmietung eines Mietwagens) ergreift, statt der dafür aufgewendeten, aber nicht ersatzfähigen Kosten zumindest die (meistens) geringere Nutzungsausfallentschädigung verlangen kann. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass die Nutzungsausfallentschädigung zu dem [X.] auf Ausgleich konkreter Vermögensnachteile, die dem Geschädigten durch Aufwendungen für die Erlangung einer ersatzweisen Nutzungsmöglich-keit (insbesondere Mietwagen-
oder Taxikosten) entstehen, in einem Alternativ-verhältnis steht (vgl. [X.], [X.] 2012, 259, 260). Jedenfalls hat der Geschädigte die Wahl, ob er einen konkreten Nutzungsausfallschaden oder
eine pauschalierte Entschädigung für den allgemeinen Verlust seiner Nut-zungsmöglichkeit verlangt.
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Es ist auch
rechtsfehlerhaft, im Ergebnis das Vorliegen eines ersatz-pflichtigen Schadens zu verneinen, weil der Geschädigte -
zu kostspielige
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Maßnahmen zur Beseitigung des Schadens unternommen habe. So kann bei-spielsweise der
Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Beseitigung des Fahr-zeugschadens nicht mit der Begründung verneint werden, der Geschädigte ha-be das Fahrzeug reparieren lassen und deshalb
keinen Schaden (mehr).
Auch beim Nutzungsausfallschaden ist eine solche Erwägung
verfehlt ungeachtet der Tatsache, dass die Rechtsprechung bei dieser Schadensart nicht auf den [X.] der Naturalrestitution zurückgreift
bzw. darüber hinaus geht
(vgl. [X.], Beschluss vom 9.
Juli 1986 -
GSZ
1/86, [X.]Z 98, 212, 217
ff., insb. 220
ff.).
Es ist ferner nicht unbedenklich, wenn das Berufungsgericht argumen-tiert, ein Nutzungsausfallschaden könne nicht fiktiv abgerechnet werden. Die Nutzungsausfallentschädigung stellt zwar keine aufgrund der Differenzhypothe-se abzurechnende Vermögenseinbuße dar. Vielmehr wird der Verlust von [X.] kompensiert, die sich aus der ständigen Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs ergeben. Das regelmäßig mit erheblichen finanziellen Aufwen-dungen verbundene Halten eines [X.] erfolgt fast ausschließlich, um den Wagen jederzeit nutzen zu können, insbesondere zum Fahren zur Verfü-gung zu haben. Der vorübergehende Fortfall der Benutzbarkeit ist deshalb
be-reits ein Vermögensschaden,
der einen Schadensersatzanspruch zur Entste-hung gelangen lässt
(vgl. [X.], Urteil vom 30.
September 1963 -
III
ZR
137/62, [X.]Z 40, 345, 348
f.).
Gleichwohl kann diese Vermögenseinbuße konkret auf der Grundlage angefallener Kosten für ein Ersatzfahrzeug als
auch abstrakt als Nutzungsausfallentschädigung auf der Grundlage der üblicherweise benutzten Tabellen berechnet werden. In letzterem Fall muss der Geschädigte nicht vor-tragen, dass ihn der Nutzungsausfall etwas gekostet hat. Erforderlich ist nur, dass ein
Nutzungswille bestand und sich die zeitweise [X.] des 26
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Fahrzeugs ausgewirkt hat (was etwa beim Vorhandensein eines zumutbar nutzbaren [X.] möglicherweise nicht der Fall ist).
4. [X.] ist danach unter Aufhebung des angefochtenen
Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird nunmehr unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats zu entschei-den haben.
Ob
ergänzende Feststellungen zu treffen sind, wird auch davon [X.], ob unter Berücksichtigung der (gemäß oben sub 2b) erforderlichen Erwägungen
die eventuell
zuzuerkennende Nutzungsausfallentschädigung die Grenze des ersatzfähigen Betrags darstellt.
Hinsichtlich eines Anspruchs auf Nutzungsausfallentschädigung wird
darauf hinzuwirken sein, dass sachdienli-che Anträge gestellt werden (vgl. oben sub 3a).
Die Gegenrügen der Revisi-onserwiderung zur Berechnung der Mietwagenkosten (Anmietung eines Ersatz-

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fahrzeugs zum [X.]) und zur Erstattungsfähigkeit der
außergerichtli-chen Rechtsverfolgungskosten wird das Berufungsgericht in Erwägung zu zie-hen haben.
Galke
Zoll
[X.]

Pauge
von Pentz

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 17.12.2010 -
5 C 497/08 -

LG [X.], Entscheidung vom 26.10.2011 -
2 S
6/11 -

Meta

VI ZR 290/11

05.02.2013

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.02.2013, Az. VI ZR 290/11 (REWIS RS 2013, 8438)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8438

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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