Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.03.2018, Az. IX ZR 2/18

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 13065

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:010318BIXZR2.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 2/18
vom

1. März 2018

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 239 Abs. 1, § 246 Abs. 1, § 78 Abs. 4; [X.] § 53
Verstirbt ein sich in einem Rechtsstreit selbst vertretender Rechtsanwalt, tritt eine Unterbrechung des Verfahrens auch dann ein, wenn für ihn ein allgemeiner Vertreter bestellt war, dessen Vertretungsbefugnis mit dem Tod des Rechtsanwalts endet.

[X.], Beschluss vom 1. März 2018 -
IX ZR 2/18 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.]
Dr.
Kayser, die Richter
Prof. Dr. Gehrlein,
Prof. Dr. Pape, Grupp
und
die Richterin [X.]

am
1. März 2018
beschlossen:

Das Verfahren
ist wegen Todes des [X.] unterbrochen
(§ 239 Abs. 1 ZPO).

Gründe:

I.

Der klagende Rechtsanwalt nimmt die Beklagten auf Zahlung von An-waltsvergütung in Anspruch. Im Wege der Widerklage verlangen die Beklagten von dem Kläger Schadensersatz wegen einer vermeintlichen anwaltlichen Fehlberatung. Das Berufungsgericht hat durch Urteil vom 29.
Juni 2017, das dem Kläger am 5.
Juli 2017 zugestellt worden ist,
der Klage teilweise stattgege-ben und die Widerklage abgewiesen.

Die [X.] hat durch Bescheid vom 22.
Mai
2017 Assessor

B.

für den Zeitraum vom 1.
Juni bis einschließlich 31.
Juli 2017 als Vertreter für den Kläger in seinen Geschäften als Rechtsanwalt
bestellt.
Der Kläger ist
am 11.
Juli 2017
verstorben; Erben sind nicht bekannt. Durch Bescheid vom 18.
Juli 2017 hat die [X.] Rechtsanwalt

[X.]

für die Zeit bis zum 1
2
-
3
-
18.
Oktober 2017 zum Abwickler der Kanzlei des [X.]
ernannt.
Die Anord-nung
ist
durch Bescheid vom 16.
Oktober 2017 bis zum 31.
März 2018
verlän-gert
worden.

Der [X.] hat den Beklagten durch Beschluss vom 14.
Dezember 2017 Prozesskostenhilfe zur Durchführung einer Nichtzulassungsbeschwerde ge-währt, soweit ihr
Widerklagebegehren abgewiesen worden ist. Die Beklagten, denen der [X.]sbeschluss am 22.
Dezember 2017
zugestellt worden ist,
ha-ben am 3.
Januar 2018 verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

II.

Der Rechtsstreit ist durch den Tod des [X.] am 11. Juli 2017 unter-brochen worden, weil er zu diesem Zeitpunkt nicht durch einen Prozessbevoll-mächtigten vertreten war

239 Abs.
1, §
246 Abs.
1 ZPO). Bei dieser Sachla-ge kann nicht über das Wiedereinsetzungsgesuch der Beklagten entschieden werden.

1. Im Falle des Todes einer Partei tritt gemäß §
239 Abs.
1 ZPO eine Unterbrechung des Verfahrens bis zur Aufnahme durch den Rechtsnachfolger ein. Dies gilt gemäß §
246 Abs.
1 ZPO nicht, wenn eine Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten stattfand.

2. Im Streitfall ist der Kläger verstorben. Eine Unterbrechung des Verfah-rens ist eingetreten, weil es an einer Vertretung
durch einen Prozessbevoll-mächtigten fehlt.
3
4
5
6
-
4
-

a) Der Kläger durfte sich als zugelassener Rechtsanwalt in vorliegendem Rechtsstreit mit den Beklagten selbst vertreten (§
78 Abs.
4 ZPO). Verstirbt ein klagender Rechtsanwalt, der sich selbst vertreten hat, wird das Verfahren ent-sprechend der Regel des §
239 Abs.
1 ZPO grundsätzlich unterbrochen. Die Bestimmung des §
246 Abs.
1 ZPO, wonach bei Vertretung
durch einen Pro-zessbevollmächtigten der Tod der Partei
nur auf Antrag zu einer Aussetzung führt, beruht auf der Erwägung, dass die [X.] gemäß §
86 ZPO über den Tod des Mandanten hinaus fort
gilt. Mangels
Personenverschieden-heit von Mandant und
Prozessbevollmächtigtem ist §
246 Abs.
1 ZPO im
Fall des Versterbens eines sich selbst vertretenden Rechtsanwalts nicht einschlä-gig. Vielmehr gewinnt die Regelung des §
244 Abs. 1 ZPO Vorrang, wonach der Tod des Prozessbevollmächtigten das Verfahren unterbricht ([X.], Beschluss vom
29.
März 1990 -
III
ZB 39/89, [X.]Z 111, 104, 107; [X.] 1913, 876, 877; KG, NJW-RR 2008, 142, 143; [X.]/[X.], ZPO, 32.
Aufl., §
246
Rn.
2a; [X.]/[X.], 5.
Aufl., §
246 Rn.
8; [X.], ZPO, 23.
Aufl., §
246 Rn.
3; [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 4.
Aufl., §
246 Rn.
3; Musielak/[X.]/[X.], ZPO, 14.
Aufl., §
246 Rn. 2; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 38.
Aufl., §
246 Rn.
3; Prütting/Gehrlein/Anders, ZPO, 9.
Aufl., §
246 Rn.
5).

b) Ausnahmsweise
kommt es beim Tode eines sich selbst vertretenden Rechtsanwalts gemäß §
246 Abs. 1 ZPO nicht zu einer Unterbrechung des [X.], wenn der Rechtsanwalt durch eine andere
Person weiterhin wirksam vertreten wird
(vgl. [X.], Urteil vom 29.
Januar 1976 -
IX
ZR 28/73, [X.]Z 66, 59, 61). Dies ist etwa beim Versterben des Mitglieds einer Rechtsanwaltssozie-tät anzunehmen, dessen verfahrensmäßigen Belange
durch die weiteren vertre-tungsberechtigten Sozien wahrgenommen werden
([X.], [X.], 1388 f). 7
8
-
5
-
Gleiches wurde in der Vergangenheit angenommen, wenn für den Anwalt noch zu Lebzeiten ein allgemeiner Vertreter -
wie im Streitfall Assessor B.

-
bestellt worden war, dem gemäß §
53 Abs.
7 [X.] die vollen anwaltli-chen Befugnisse des Rechtsanwalts zustehen, den er vertritt.
Hier sollte eine
Verfahrensunterbrechung nicht stattfinden, weil der Vertreter auch noch nach dem Tod des Anwalts bis zu dessen
Löschung in der Liste der Rechtsanwälte gemäß §
54 [X.] aF zur
Vertretung berechtigt war ([X.], Urteil vom 27.
Juni 1973 -
VIII
ZR 220/72, [X.]Z 61, 84
ff; Beschluss vom 10.
November 1981
-
VIII
ZR 315/80, NJW 1982, 2324
f; vom 29.
März 1990, aaO; KG, aaO S.
143). Verbreitet wird auch nach Wegfall des §
54 [X.] aF angenommen, dass eine Unterbrechung des Verfahrens nicht erfolgt, wenn ein allgemeiner Vertreter be-stellt ist ([X.]/[X.], aaO §
78 Rn. 37; [X.]/[X.], aaO §
246 Rn. 2a; [X.]/[X.]/[X.], aaO; Prütting/Gehrlein/Anders, aaO §
244 Rn.
5, §
246 Rn.
5).

c) Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden, weil nach Strei-chung des §
54 [X.] aF die Befugnisse eines allgemeinen Vertreters mit dem Tod des vertretenen Anwalts erlöschen
und darum §
246 Abs. 1 ZPO nicht ein-greift.

aa) Tatsächlich
endet die allgemeine Vertreterstellung in Anwendung von §
53 [X.]
mit Ablauf eines etwaigen Bestellungszeitraums, mit Widerruf der Bestellung sowie mit dem Tod sowie mit dem Verlust der [X.] des vertretenen Anwalts ([X.], [X.], 4.
Aufl., §
53 Rn.
34; [X.]/[X.]/Schwärzer, [X.], 9. Aufl., § 53 Rn.
35b; [X.]/
Jonas/Jacoby, ZPO, 23. Aufl., § 86 Rn. 7; BT-Drucks. 16/11385, [X.]). Durch die Streichung des §
54 [X.] aF wurde der frühere Rechtszustand beseitigt, wonach Rechtshandlungen des Vertreters nach dem Tod des Vertretenen bis 9
10
-
6
-
zu dessen Löschung aus der Liste der Rechtsanwälte wirksam waren (Prütting, aaO; Schwärzer, aaO; BT-Drucks., aaO [X.]; der Hinweis von [X.]/[X.], aaO auf §
31 Abs. 5 [X.] hilft insoweit nicht weiter).

bb) Im Streitfall war noch zu Lebzeiten des [X.] für diesen mit [X.]

ein allgemeiner Vertreter
im Zeitraum
bis zum 31. Juli 2017 eingesetzt
worden.
Dessen [X.] endeten jedoch mit dem Tod des [X.] am 11.
Juli 2017. Erst am 18.
Juli 2017 wurde Rechtsanwalt
[X.]

zum Abwickler der Kanzlei des [X.] mit -
aufgrund späterer Verlän-gerung der Anordnung
-
Wirkung bis zum 31.
März 2018 berufen. Da der Kläger im Zeitraum vom 11. bis 18.
Juli 2017 nicht vertreten war, trat gemäß §
239 Abs. 1, §
246 Abs. 1 eine Unterbrechung des Verfahrens ein
(vgl. BT-Drucks. 16/11385, [X.]; [X.], ZPO, 23. Aufl., §
244 Rn. 9). Durch die nachfolgende Bestellung von Rechtsanwalt [X.]

als Abwickler wurde die eingetretene Unterbrechung weder
rückwirkend beseitigt noch beendet ([X.], Beschluss vom 23. April 1981 -
VII
ZB 10/81,
VersR 1981, 658; [X.], [X.], 1300;
[X.], aaO; [X.]/[X.], 5.
Aufl., §
244 Rn. 20).

3. Ist der Rechtsstreit unterbrochen, kann über das Gesuch der [X.] auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht entschieden werden.
Infolge der Verfahrensunterbrechung kann offen bleiben, ob eine Fristversäu-mung überhaupt vorliegt.

Während der Unterbrechung sind nicht nur die von einer Partei in [X.] der Hauptsache vorgenommenen Prozesshandlungen der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung (§
249 Abs. 2 ZPO). Der Regelung des 11
12
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-
7
-
§
249 ZPO ist vielmehr zu entnehmen, das auch Handlungen des Gerichts, die nach außen vorgenommen werden, grundsätzlich unwirksam sind ([X.], [X.] vom 29.
März 1990 -
III
ZB 39/89, [X.]Z 111, 104, 107). Bei dieser Sachlage
kann gegenwärtig über den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten nicht befunden werden.
Im Unterschied zu Entscheidungen in der Hauptsache war der [X.] durch die Verfahrensunterbrechung nicht gehindert, über das Gesuch der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu entscheiden ([X.], Beschluss vom 23. März 1966 -
Ib [X.], NJW 1966, 1126).

Kayser
Gehrlein
Pape

Grupp
[X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 29.11.2016 -
20 O 269/14 -

OLG [X.], Entscheidung vom 29.06.2017 -
6 U 8/17 -

Meta

IX ZR 2/18

01.03.2018

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.03.2018, Az. IX ZR 2/18 (REWIS RS 2018, 13065)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 13065

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZR 2/18

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