Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.02.2019, Az. IX ZR 5/18

9. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 10570

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Gegenstand

Abwicklung einer Rechtsanwaltskanzlei: Übertragung des Eigentums an den Handakten durch den Abwickler auf die Mandanten des früheren Rechtsanwalts


Leitsatz

Der Abwickler kann das Eigentum an den Handakten des früheren Rechtsanwalts auf dessen Mandanten übertragen.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 14. Dezember 2017, berichtigt durch Beschluss vom 25. Januar 2018, wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens vor dem [X.] trägt der Kläger 2/5 und der Beklagte, der seine Revision zurückgenommen hat, 3/5.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom 6. Februar 2014 über das Vermögen der früheren Rechtsanwältin [X.]     (nachfolgend: Schuldnerin) am 24. Juli 2014 eröffneten Insolvenzverfahren.

2

Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten widerrief die [X.] am 4. Juli 2013 die Zulassung der Schuldnerin als Rechtsanwältin. In der [X.] vom 5. Juli bis 31. Dezember 2013 war der beklagte Rechtsanwalt als Abwickler der Kanzlei der Schuldnerin bestellt. Die laufenden von der Schuldnerin für Mandanten geführten Rechtsstreitigkeiten übertrug der Beklagte auf sich selbst oder andere Rechtsanwälte.

3

Vorliegend nimmt der Kläger im Wege der Stufenklage den Beklagten auf Rechnungslegung hinsichtlich seiner Tätigkeit als Abwickler der Kanzlei der Schuldnerin in Anspruch, auf Auskunft über die in seinem Besitz befindlichen Akten der Schuldnerin und Herausgabe dieser Akten, auf [X.] und auf Schadensersatz hinsichtlich der Honorare der Schuldnerin, die infolge verspäteter Rechnungslegung und Auskunft nicht mehr beitreibbar sind. Das [X.] hat den Beklagten durch Teilurteil auf der ersten Stufe zur Rechnungslegung und Auskunftserteilung über die in seinem Besitz befindlichen Akten der Schuldnerin verurteilt. Die Verurteilung des Beklagten zur Rechnungslegung ist rechtskräftig geworden. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Verurteilung zur Auskunftserteilung dahin eingeschränkt, dass der Beklagte über die in seinem Besitz befindlichen Akten der Schuldnerin mit Ausnahme derjenigen Handakten, die von ihm oder anderen Anwälten aus seinem Haus als laufende Verfahren übernommen worden sind, Auskunft zu erteilen hat. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des [X.].

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

5

Das [X.]erufungsgericht hat zur [X.]egründung seiner Entscheidung ausgeführt:

6

Die Erfüllung von Informationspflichten sei nicht erforderlich, wenn feststehe, dass der Gläubiger des Informationsanspruchs auf Grund der Auskunft keinesfalls etwas fordern könne. Scheide ein Anspruch auf Herausgabe aus, sei auch ein Anspruch auf Auskunft nicht gegeben. Ein Anspruch auf vollständige Herausgabe der Akten und Auskunftserteilung sei nicht begründet.

7

Der Auskunfts- und Herausgabeanspruch umfasse zunächst die allgemeinen Kanzleiakten der Schuldnerin. Hinsichtlich der Handakten sei zwischen den bei Übernahme der Abwicklung bereits abgeschlossenen Verfahren und den noch laufenden Verfahren zu differenzieren. Soweit die Verfahren bei Übernahme der Abwicklung bereits erledigt gewesen seien, habe der [X.] als Abwickler die betreffenden Akten an den Kläger herauszugeben. Die Schuldnerin sei Eigentümerin der Handakten, soweit sie keine Unterlagen der Mandanten enthielten. Ein Recht, dem Kläger die Akten vorzuenthalten, begründe § 55 [X.] nicht. Da der Abwickler nicht verpflichtet sei, diese Akten aufzubewahren, habe er sie herauszugeben.

8

Handakten zu den Verfahren, die der [X.] als Abwickler übernommen habe und die noch nicht abgeschlossen seien, seien im vorliegenden Fall nicht herauszugeben. Das Eigentum an diesen Handakten habe die Schuldnerin verloren, weil die Verfahren im Einverständnis der Mandanten auf Rechtsanwälte im Hause des [X.]n übertragen worden seien. Daraus folge, dass die Mandate gegenüber der Schuldnerin gekündigt worden seien, so dass diese keine Rechte an den Akten habe. Die Akten seien von dem Abwickler an die Mandanten herausgegeben und übereignet worden (§ 929 [X.]), die sie in einem nächsten Schritt an den neuen Anwalt herausgegeben hätten. Die Herausgabe habe auch an den neuen Anwalt direkt, ohne den Zwischenschritt der Übergabe an den Mandanten, erfolgen können. Zu der Übereignung sei der [X.] als Abwickler berechtigt gewesen, weil er hinsichtlich der anwaltlichen Rechte und Pflichten an die Stelle der Schuldnerin getreten sei. Durch den Übergang der Akten aus der Kanzlei der Schuldnerin auf die neuen Anwälte habe die Schuldnerin und damit auch der Kläger sämtliche Herausgaberechte verloren.

9

Auch insolvenzrechtlich spreche nichts gegen die Übernahme der Handakten durch einen neuen Rechtsanwalt. Zwar unterfielen die Handakten grundsätzlich dem [X.]. Da der [X.] nur bis zum 31. Dezember 2013 zum Abwickler bestellt und das Verfahren erst am 24. Juli 2014 eröffnet worden sei, bestehe kein Anhalt dafür, dass Handakten erst nach Verfahrenseröffnung auf einen neuen Anwalt übergegangen seien.

Durch die [X.]eschränkung des Herausgabeanspruchs entstünden dem Kläger keine unzumutbaren Nachteile. Er könne Auskunft verlangen, welche Mandanten nach Übernahme der Abwicklung das Mandatsverhältnis zu der Schuldnerin beendet hätten und ob der Schuldnerin gegen diese Mandanten noch offene Gebührenforderungen zustünden.

II.

Diese Ausführungen halten im Ergebnis rechtlicher Prüfung Stand.

1. Zutreffend hat das [X.]erufungsgericht dem Kläger einen Auskunftsanspruch hinsichtlich der Handakten aberkannt, die von dem [X.]n oder anderen Anwälten als laufende Verfahren übernommen wurden.

Die Auskunftspflicht des Abwicklers aus § 666 [X.], § 53 Abs. 9 Satz 2, § 55 Abs. 3 Satz 1 [X.] setzt grundsätzlich nicht voraus, dass der Auftragsgeber die begehrte Information zur Vorbereitung weiterer Ansprüche benötigt. Vielmehr genügt das allgemeine Interesse des Auftragsgebers, die Tätigkeit des [X.]eauftragten zu kontrollieren (vgl. [X.], Urteil vom 3. November 2011 - [X.]/11, [X.], 58 Rn. 13). Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Auskunftspflicht ohne Einschränkungen besteht. Der Anspruch aus § 666 [X.] ist grundsätzlich von dem Auftrag beziehungsweise Geschäftsbesorgungsverhältnis abhängig, dessen Absicherung er dient. Inhalt und Grenzen der Auskunftspflichten sind anhand des konkreten Rechtsverhältnisses zu bestimmen, wobei auf dieser Grundlage nach Treu und Glauben der Maßstab der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit gilt. Die Erfüllung der Informationspflichten aus § 666 [X.] ist jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn feststeht, dass der Gläubiger des Informationsanspruchs auf Grund der Auskunft und Rechenschaftslegung keinesfalls etwas fordern könnte ([X.], Urteil vom 16. Juni 2016 - [X.], [X.], 1569 Rn. 29). Im Streitfall dient das Auskunftsbegehren nach der ausdrücklichen, von dem Kläger gewählten Antragsfassung ausschließlich der Vorbereitung eines Herausgabeanspruchs hinsichtlich der im [X.]esitz des [X.]n befindlichen Akten. Damit ist das Auskunftsbegehren an den verfolgten Anspruch auf Herausgabe der Akten gekoppelt. [X.]esteht ein Anspruch auf Herausgabe der Akten nicht, kann der Kläger, der mit Rücksicht auf den ihm rechtskräftig zuerkannten Anspruch auf Rechnungslegung ein weitergehendes mit dem Herausgabeverlangen verbundenes Informationsinteresse nicht dargelegt hat, folgerichtig über deren Verbleib keine Auskunft verlangen.

2. Das [X.]erufungsgericht hat der Klage stattgegeben, soweit der Kläger Auskunft über allgemeine Kanzleiakten und über abgeschlossene Verfahren betreffende, im [X.]esitz des [X.]n befindliche Handakten verlangt. Insoweit ist die Entscheidung des [X.] in Rechtskraft erwachsen. Gegenstand des Revisionsverfahrens bildet allein noch ein Auskunftsbegehren hinsichtlich der Handakten, die bei [X.]eginn der Abwicklertätigkeit laufende Verfahren zum Gegenstand haben. Unstreitig hat der [X.] in seiner Eigenschaft als Abwickler die laufenden Verfahren der Schuldnerin unter Überlassung der Handakten entweder selbst übernommen oder auf andere Anwälte übertragen. [X.]ei dieser Sachlage hat die Schuldnerin das Eigentum an den Handakten verloren. Folglich scheidet ein Herausgabeanspruch auf der Grundlage des neben § 667 [X.] anwendbaren § 985 [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 21. Dezember 1960 - [X.], [X.]Z 34, 122, 123 f; [X.]/[X.], 7. Aufl., § 667 Rn. 7) aus. Mithin besteht auch keine Auskunftspflicht des [X.]n.

a) Die Schuldnerin war Eigentümerin der Handakten, soweit es sich um [X.] handelte, die sie für sich selbst gefertigt hatte oder die für sie bestimmt waren. Das von dem Kläger verfolgte [X.]egehren trägt diesem Umstand Rechnung, weil es sich auf die Herausgabe der im Eigentum der Schuldnerin stehenden Aktenteile beschränkt.

aa) Die [X.]estandteile einer Handakte können, wenn diese - wie im Streitfall - geheftet ist, voneinander getrennt werden, ohne dass der eine oder andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird (§ 93 [X.]). Aus dieser Erwägung sind die einzelnen in einer Handakte vereinigten Schriftstücke nicht wesentliche [X.]estandteile einer Sache, sondern können Gegenstand besonderer Rechte sein. Mangels Anwendbarkeit des § 947 [X.] handelt es sich um einen Inbegriff von Sachen im Sinne des § 260 [X.]. Darum können an den einzelnen Schriftstücken, welche in einer Handakte zusammengefasst werden, unterschiedliche Eigentumsrechte bestehen ([X.], JW 1926, 2222).

bb) Urkunden, Schriftstücke und andere Unterlagen, die der Mandant dem Rechtsanwalt überlässt, werden Inhalt der Handakte. Das Eigentum des Mandanten an diesen Schriftstücken wird durch die Einfügung in die Handakte nicht berührt ([X.]/von [X.], DStR 1998, 694, 696; [X.]/[X.], [X.]. 2010, 115, 118 f; [X.], [X.]. 2017, 440, 441). Schriftstücke, die der Anwalt in Wahrnehmung seines Auftrags für den Mandanten entgegennimmt und an ihn gemäß § 667 [X.], § 50 Abs. 3 [X.] hinauszugeben hat, gehen unmittelbar in das Eigentum des Mandanten über. Der Anwalt wird bei dem Eigentumserwerb hinsichtlich der dinglichen Einigung als Vertreter (§ 164 Abs. 1 [X.]) und hinsichtlich der Übergabe als [X.]esitzmittler (§§ 929, 868, 675 [X.]) des Mandanten tätig ([X.]/von [X.], aaO; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Anwaltshaftung, 5. Aufl., [X.] IV Rn. 159; Weinland in [X.]/Gehrlein/[X.], Handbuch der [X.]eraterhaftung, 2018, [X.] 3 Rn. 36). Die ihm gehörenden Unterlagen sind dem Mandanten spätestens mit [X.] ([X.], aaO Rn. 163). Dagegen erwirbt der Rechtsanwalt das Eigentum an den Schriftstücken, die er für sich selbst gefertigt hat oder die für ihn bestimmt sind ([X.]/von [X.], aaO; [X.], aaO Rn. 159; Weinland, aaO).

b) Der auf die im Eigentum der Schuldnerin stehenden Teile der Handakten gerichtete Herausgabeanspruch (§ 985 [X.]) ist nicht begründet, soweit die Handakten Verfahren zum Gegenstand haben, die der [X.] selbst übernommen oder auf andere Rechtsanwälte übertragen hat. Die Eigentumsrechte der Schuldnerin an diesen Handakten sind untergegangen.

aa) Der auf Herausgabe klagende Eigentümer muss sowohl sein Eigentum als auch den [X.]esitz des [X.]n an der herauszugebenden Sache zur [X.] der Klageerhebung beweisen ([X.], Urteil vom 12. Mai 1982 - [X.], [X.], 749, 750; [X.]/[X.], 7. Aufl., § 985 Rn. 243; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., § 985 Rn. 41 ff). Niemand kann zu einer Leistung verurteilt werden, deren Unmöglichkeit im [X.]punkt der Verurteilung bereits feststeht. Demnach ist eine Herausgabeklage nach § 985 [X.] abzuweisen, wenn im [X.]punkt der letzten mündlichen Verhandlung der [X.] den [X.]esitz an der herauszugebenden Sache verloren hatte ([X.], aaO).

bb) Ein Herausgabeanspruch ist schon deshalb nicht begründet, weil die Schuldnerin im Zuge der Mandatsbeendigung das Eigentum an den laufenden Verfahren betreffenden Handakten verloren hat.

(1) Die öffentliche [X.]estellung eines Kanzleiabwicklers erfolgt zum Schutz der Mandanten, für die im Interesse der Rechtssicherheit die reibungslose Fortführung der laufenden Angelegenheiten sichergestellt werden soll, und in diesem Zusammenhang auch zur Wahrung des Ansehens der Anwaltschaft. Zur [X.]eendigung der schwebenden Angelegenheiten stehen dem Abwickler gemäß § 55 Abs. 2 Satz 3 [X.] die anwaltlichen [X.]efugnisse zu, die der frühere Rechtsanwalt hatte. Der Abwickler gilt gemäß § 55 Abs. 2 Satz 4 [X.] für die schwebenden Angelegenheiten als von der [X.] bevollmächtigt, sofern diese nicht für die Wahrnehmung ihrer Rechte in anderer Weise gesorgt hat. Die [X.] ist weder an den Abwickler gebunden, noch muss sie ihren Auftrag von dem Abwickler fortführen lassen ([X.]/[X.]/Schwärzer, [X.], 9. Aufl., § 55 Rn. 21a). Darum entscheidet der Mandant als Herr des Verfahrens darüber, ob er eine Fortsetzung der Mandatsbetreuung durch den Abwickler wünscht ([X.]/[X.]/Schwärzer, aaO Rn. 21). Folglich waren die Mandanten der Schuldnerin in Einklang mit der Würdigung des [X.]erufungsgerichts berechtigt, erteilte Mandate zu kündigen ([X.]/[X.]/Schwärzer, aaO Rn. 21a; [X.]/[X.] in [X.]/Wolf/Göcken, Anwaltliches [X.]erufsrecht, 2. Aufl., § 55 [X.] Rn. 26). Zudem können Anwaltsverträge einvernehmlich zwischen dem Abwickler und dem Mandanten aufgehoben werden (Nolzen, Die Abwicklung einer Rechtsanwaltskanzlei, 2008, S. 33; [X.]/[X.], [X.]. 2010, 115, 116). Die Angelegenheiten der Mandanten der Schuldnerin wurden im Rahmen neuer Verträge von dem [X.]n selbst oder anderen Rechtsanwälten übernommen. Ob eine vom Abwickler veranlasste Überführung laufender Verfahren auf sich selbst oder andere Rechtsanwälte dem Sinn und Zweck der Abwicklung entspricht, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

(2) Anlässlich der [X.] hat der [X.] als Abwickler namens der Schuldnerin deren Eigentum an den Handakten ([X.]/[X.]/Schwärzer, aaO § 53 Rn. 64, § 55 Rn. 35c; [X.] in Hartung/[X.], [X.]/[X.], 6. Aufl., § 53 [X.] Rn. 118) auf die Mandanten übertragen (§ 929 Satz 1 [X.]).

(a) Die Einigung über den Eigentumsübergang ist ein dinglicher Vertrag, dessen Zustandekommen sich nach den allgemeinen für Rechtsgeschäfte geltenden Regeln richtet. Erforderlich sind deshalb zum einen ein Übereignungsangebot des bisherigen Eigentümers und zum anderen eine Annahme dieses Angebots durch den Erwerber. Ob der [X.] vorhanden ist, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen der Auslegung von Rechtsgeschäften ([X.], Urteil vom 16. Oktober 2015 - [X.], [X.], 1887 Rn. 9).

Der [X.] konnte ein wirksames Übereignungsangebot gegenüber den Mandanten abgeben. Der Abwickler, der nur Mandate des ehemaligen Rechtsanwalts in eigener Person weiterführt ([X.], [X.]eschluss vom 21. April 1966 - [X.], NJW 1966, 1362), aber nicht in allgemeine Verträge und Eigentumsrechte des ehemaligen Rechtsanwalts einrückt ([X.]/[X.]/Schwärzer, aaO § 55 Rn. 20c), ist ebenso wie ein allgemeiner Vertreter gemäß § 53 Abs. 10 Satz 1, § 55 Abs. 3 Satz 1 [X.] in der Lage, namens des früheren Rechtsanwalts im bürgerlich-rechtlichen Sinne ([X.], [X.], 2004, [X.] ff; Nolzen, Die Abwicklung einer Rechtsanwaltskanzlei, 2008, [X.]) über Kanzleigegenstände und folglich auch die Handakten zu verfügen (Nolzen, aaO S. 34, 136; [X.]/[X.] in [X.]/Wolf/Göcken, Anwaltliches [X.]erufsrecht, 2. Aufl., § 55 [X.] Rn. 32; [X.]/[X.]/Schwärzer, aaO § 55 Rn. 33; [X.], aaO S. 86, 116 f; vgl. [X.], Urteil vom 17. Mai 1995 - [X.], NJW 1995, 2026, 2027; [X.]T-Drucks 11/3253, [X.]). Die weisungsfreie ([X.]/[X.]/Schwärzer, aaO), zudem unbeschränkte Verfügungsbefugnis des [X.]n aus § 53 Abs. 10 Satz 1, § 55 Abs. 3 Satz 1 [X.] ([X.], aaO S. 114) gilt generell bis zur [X.]eendigung der Abwicklung. Für einen der Wirksamkeit der Übereignung entgegenstehenden Missbrauch der Vertretungsmacht besteht kein Anhalt, wenn der Abwickler - wie im Streitfall - nach Vertragsende den Mandanten die Handakte zur Wahrnehmung ihrer [X.]elange durch einen neuen Anwalt übereignet. [X.]is zur [X.]eendigung der Abwicklung am 31. Dezember 2013 wurde wegen der erst auf den Antrag vom 6. Februar 2014 am 24. Juli 2014 erfolgten Verfahrenseröffnung eine vorrangige Verfügungsbefugnis des [X.] (§ 80 Abs. 1 [X.]) nicht begründet (vgl. [X.] in Hartung/[X.], [X.]/[X.], 6. Aufl., § 55 [X.] Rn. 103). Die Mandanten haben das Angebot auf Übereignung der Akten angenommen.

(b) Die zur Eigentumsübertragung ferner erforderliche Übergabe setzt voraus, dass der Erwerber unmittelbaren (§ 854 [X.]) oder mittelbaren (§ 868 [X.]) endgültigen [X.]esitz an der Sache erlangt ([X.], Urteil vom 16. Oktober 2015 - [X.], [X.], 1887 Rn. 21). Die Würdigung des [X.]erufungsgerichts, wonach das Eigentum der Schuldnerin von dem [X.]n auf der Grundlage einer entsprechenden Einigung durch Übergabe der Handakten auf die Mandanten übertragen wurde (§ 929 Satz 1 [X.]), ist, ohne dass es angesichts der unstreitigen tatsächlichen Weitergabe der Akten einer näheren Sachverhaltsklärung bedarf (vgl. [X.], Urteil vom 10. Dezember 1975 - [X.], [X.], 153, 154), nicht zu beanstanden.

Der [X.] war im Rahmen des gemäß § 53 Abs. 9, § 55 Abs. 3 Satz 1 [X.] mit der Schuldnerin kraft Geschäftsbesorgung ([X.], [X.]eschluss vom 24. Oktober 2003 - [X.] ([X.]) 62/02, [X.]Z 156, 362, 367; [X.] in Hartung/[X.], aaO § 55 [X.] Rn. 94, § 53 Rn. 80; [X.]/[X.]/Schwärzer, aaO § 55 [X.] Rn. 20a) begründeten [X.]esitzmittlungsverhältnisses unmittelbarer Fremdbesitzer der im Eigentum der Schuldnerin stehenden Akten ([X.] in Hartung/[X.], aaO § 53 [X.] Rn. 118; [X.]/[X.]/Schwärzer, aaO § 53 Rn. 64). Die gemäß § 929 Satz 1 [X.] erforderliche Übergabe fand statt, indem der [X.] als [X.]esitzmittler für die Schuldnerin den unmittelbaren [X.]esitz an den Akten auf die Mandanten übertrug (vgl. [X.]Z 137, 23, 25 ff; [X.]/[X.], [X.], 2017, § 929 Rn. 48). Anschließend konnten die Mandanten die ihnen übereigneten Handakten den neu gewählten Anwälten aushändigen. Als Alternative konnte eine Übergabe nach § 929 Satz 1, § 868 [X.] dadurch geschehen, dass der [X.] die Akten unter Aufgabe des unmittelbaren [X.]esitzes auf Weisung der Mandanten den diesen durch einen Geschäftsbesorgungsvertrag verbundenen (§ 675 [X.]) neuen Anwälten als [X.]esitzmittler der Mandanten aushändigte ([X.], Urteil vom 10. Dezember 1975 - [X.], [X.], 153, 154; [X.]/[X.], 7. Aufl., § 929 Rn. 56). Soweit der [X.] selbst Mandate übernahm, wurde die Übergabe der Handakten gemäß § 929 Satz 1, § 868 [X.] durch einen [X.]esitzmittlerwechsel vollzogen, indem der [X.] seinen [X.]esitzmittlerwillen vereinbarungsgemäß zugunsten der Mandanten und nicht mehr der Schuldnerin ausübte (vgl. [X.], Urteil vom 10. Oktober 1984 - [X.], [X.]Z 92, 280, 288; vom 22. Februar 2010 - [X.], NJW-RR 2010, 983 Rn. 23 f; [X.]/[X.], aaO § 929 Rn. 66).

cc) Jegliche Ansprüche der Schuldnerin aus § 985 [X.] an den Handakten scheitern danach jedenfalls an ihrem fehlenden Eigentum. Soweit der Anspruch die auf andere Anwälte übertragenen Akten zum Gegenstand hat, fehlt es zudem an einem [X.]esitz des [X.]n.

3. Ein aus § 667 Fall 1 [X.], § 53 Abs. 9 Satz 2, § 55 Abs. 3 Satz 1 [X.] eröffneter Anspruch auf Herausgabe der Handakten ist ebenfalls nicht begründet.

a) Der Abwickler einer Kanzlei muss gleich dem allgemeinen Vertreter eines Rechtsanwalts mit der [X.]eendigung seiner Tätigkeit gemäß § 667 [X.], § 53 Abs. 9 Satz 2, § 55 Abs. 3 Satz 1 [X.] das zur Ausführung des Auftrags Erhaltene und das aus der Geschäftsbesorgung [X.] herausgeben. Der Abwickler hat zur Ausführung des Auftrags die Handakten der Schuldnerin übernommen ([X.] in Hartung/[X.], [X.]/[X.], 6. Aufl., § 53 [X.] Rn. 84; [X.]/[X.]/Schwärzer, [X.], 9. Aufl., § 53 Rn. 64). Soweit der [X.] die Handakten Mandanten überlassen hat, ist er zu einer Herausgabe nicht in der Lage, so dass allenfalls sekundäre, von dem Auskunftsverlangen nicht umfasste Ansprüche aus §§ 280 ff [X.] verbleiben (vgl. [X.], Urteil vom 6. Juni 2002 - [X.]/01, [X.], 2459, 2460; vom 17. April 2008 - [X.], NJW-RR 2008, 1373 Rn.12).

b) Zudem besteht sowohl hinsichtlich der den Mandanten überlassenen als auch der im [X.]esitz des [X.]n befindlichen Handakten kein Herausgabeanspruch, weil der Abwickler von der Herausgabepflicht außer durch Erfüllung auch dann frei wird, wenn er das zur Ausführung des Auftrags Erhaltene oder aus der Geschäftsbesorgung [X.] bestimmungsgemäß verwendet hat ([X.], Urteil vom 6. Juni 2002, aaO; vom 17. April 2008, aaO Rn. 9; vom 8. Januar 2009 - [X.], [X.], 840 Rn. 19; vom 21. Juni 2012 - [X.], [X.], 3366 Rn. 27). Dies ist im Streitfall anzunehmen. Die Mandanten hatten die vertraglichen [X.]indungen zu der Schuldnerin nach § 55 Abs. 2 Satz 4 [X.] gelöst. Ist ein Auftrag durch Kündigung beendet ([X.]/Prütting/Offermann-[X.]urckart, [X.], 4. Aufl., § 50 Rn. 17; [X.]/[X.] in [X.]/Wolf/Göcken, Anwaltliches [X.]erufsrecht, 2. Aufl., § 50 [X.] Rn. 8), kann sich der Abwickler der Aufbewahrungspflicht des § 50 Abs. 2 Satz 2 [X.] entledigen, indem er die Handakten gemäß § 50 Abs. 2 Satz 3 [X.] an die Mandanten herausgibt ([X.]/[X.] in [X.]/Wolf/Göcken, aaO § 55 [X.] Rn. 69; [X.] in Hartung/[X.], [X.]/[X.], 6. Aufl., § 55 [X.] Rn. 89). Von dieser Möglichkeit hat der [X.] Gebrauch gemacht, um aufwendige Aufbewahrungspflichten zu vermeiden ([X.] in Hartung/[X.], aaO § 55 [X.] Rn. 92 f). Im Zusammenhang mit der Herausgabe war der [X.] gemäß § 53 Abs. 10 Satz 1, § 55 Abs. 3 Satz 1 [X.] kraft Gesetzes berechtigt, zugunsten der Mandanten über die im Eigentum der Schuldnerin stehenden Teile der Handakten zu verfügen. Weisungen der Schuldnerin unterlag er dabei nicht (§ 53 Abs. 10 Satz 2 [X.]). Folglich ist ein Herausgabeanspruch nicht gegeben, weil die betroffenen Gegenstände der Schuldnerin nicht mehr gebühren (vgl. [X.], Urteil vom 21. Dezember 2005 - [X.], [X.], 986 Rn. 10).

4. Durch die Abweisung des Auskunftsanspruchs wird der Kläger entgegen dem [X.] nicht rechtlos gestellt. Der Kläger hat das Auskunftsbegehren durch die gewählte Antragstellung ausdrücklich auf den Herausgabeanspruch beschränkt. Ein weitergehender Auskunftsanspruch kann ihm folglich gemäß § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht zugesprochen werden, zumal eine Klageerweiterung im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht zulässig ist ([X.], Urteil vom 3. April 2003 - [X.], [X.]Z 154, 342, 350 f; vom 29. Juni 2006 - [X.], [X.]Z 168, 179 Rn. 24).

Wie das [X.]erufungsgericht zutreffend ausführt, kann dem Kläger ein Auskunftsanspruch im Hinblick darauf zustehen, welche Mandate der Schuldnerin auf andere Rechtsanwälte übertragen wurden. Der Abwickler hat dem Insolvenzverwalter gemäß § 53 Abs. 9 Satz 2, § 55 Abs. 3 Satz 1 [X.], § 666 [X.] über den Stand eines jeden Auftrags, insbesondere über die Entstehung von Vergütungsforderungen und die Vereinnahmung von Gebühren, Rechenschaft zu erteilen ([X.], [X.], 2004, S. 128; Nolzen, Die Abwicklung einer Rechtsanwaltskanzlei, 2008, [X.]; [X.] in Hartung/[X.], [X.]/[X.], 6. Aufl., § 55 [X.] Rn. 55; [X.]/[X.] in [X.]/Wolf/Göcken, Anwaltliches [X.]erufsrecht, 2. Aufl., § 55 [X.] Rn. 32). Im Verhältnis zu dem [X.]n, dessen Tätigkeit als Abwickler im Streitfall geraume [X.] vor Verfahrenseröffnung endete, ist § 97 [X.], der nur Auskunftspflichten des Schuldners statuiert, nicht einschlägig (Nolzen, aaO S. 211; aA [X.] in Hartung/[X.], [X.]/[X.], 6. Aufl., § 55 [X.] Rn. 108). Ein solches von dem Herausgabeverlangen unabhängiges Auskunftsbegehren kann der Kläger, falls es nicht von der rechtskräftigen Verurteilung des [X.]n zur Rechnungslegung erfasst ist, gesondert verfolgen.

Kayser     

      

Gehrlein     

      

Grupp 

      

Möhring     

      

Schoppmeyer     

      

Meta

IX ZR 5/18

07.02.2019

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Braunschweig, 14. Dezember 2017, Az: 9 U 64/17

§ 929 BGB, § 53 Abs 10 S 1 BRAO, § 55 Abs 3 S 1 BRAO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.02.2019, Az. IX ZR 5/18 (REWIS RS 2019, 10570)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 511-512 WM2019,732 NJW 2019, 2034 REWIS RS 2019, 10570

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